Der Navi hatte uns 3:30h versprochen, nach 4:30h stehen wir in Makkum am IJsselmeer vor unserem Hotel. Eine Stunde haben wir in Leer mit einem Altstadtbummel und dem Frühstück bei der “Mutter aller Bäckereien” vertrödelt. In der Altstadtbäckerei Aits ist die Zeit stehen geblieben. Nur die beiden jungen Bedienungen kommen eindeutig aus der Gegenwart. Alles andere ist so, wie ganz früher. Unvermittelt blubbern einige Kindheitserinnerungen hoch. In der Bäckerei Möhling und bei “Tante Eichler” sah es ganz genauso aus, als ich noch nicht über den Tresen sehen konnte.
Für uns A7/A1-Geschädigte ist die Autobahnfahrt nach Makkum schlicht ein Traum. Wir können einfach so fahren, ohne uns von einem Stau in den nächsten zu quälen. Ehrlich gesagt ist dies auch einer der Gründe, warum wir nun hier sind. Wir wollen mal nach einem anderen Liegeplatz Ausschau halten und wenn sich damit eine Anfahrtsstrecke ohne den A7/A1-Wahnsinn ergibt, dann nehmen wir auch den einen oder anderen Kilometer mehr gerne in Kauf.
Makkum gefällt uns sofort, die kleinen pittoresken Häuschen, die Kanäle und Kneipen und Restaurants machen die Altstadt aus. Gepflasterte und schief getretene Bürgersteige säumen die einspurigen Hauptstraßen. Schwarz gestrichene, schmiedeeisenerne Zäunchen beschützen krumgesessene Bänkchen vor den Häusern. Die Häuser selbst haben oft gerade einmal Wohnzimmerbreite. Unzählige Anbauten und Hinterhäuschen quetschen sich in die kleinsten Lücken und lassen nur schulterbreite Gassen zurück. An den Kanälen öffnet sich die Altstadt und schon von weitem sieht man hinter den Häuschen die Masten der Plattbodenschiffe. Erstaunlich große Schiffe liegen vor erstaunlich kleinen Häusern. Auch die Kanäle verästeln sich bis hin zu kleinsten Schiffahrtsgassen. Vor fast jedem Haus ist irgendetwas festgemacht, was schwimmt und im weitesten Sinne einem Boot ähnelt. Alles ist natürlich gewachsen, nichts ist nach Plan angelegt. Ganz im Gegensatz zu den neuen Wasserstädten mit den Ferienhäusern gleich vor den Toren von Makkum.
Unser Hotel ist von 1654 und unser Zimmer ist einer dieser Anbauten mit verwinkeltem Flur zu Toilette und Dusche. Es ist urig gemütlich, aber wir stellen nur schnell die Taschen ab, denn die Hafenbesichtigungstour ruft.
Henry bleibt vor dem Hotel, alles ist hier übersichtlich und liegt sogar bei meinem Spaziergangstempo in Fußwegentfernung.
Die Steganlagen der Stadthäfen sind recht leer, hier scheint die Saison auch noch nicht auf Hochtouren zu laufen.
Hinter der großen De Vries Werft Makkum haben in mehreren alten Hafenbecken heute einige Yachtwerften und Yachthäfen ihr neues Zuhause gefunden. Wir schlendern einfach über die Gelände und schauen uns alles an. Teilweise haben wir Bilder der Häfen im Internet gesehen oder uns mit Streetview herangepirscht. In natura sieht alles doch recht anders aus und so fallen einige Favoriten sofort raus. Mehr zufällig schlendern wir über das SailCentre Gelände, eine kleine Werft mit kleinem Yachthafen. Eigentlich sehr ähnlich zu unserem heutigen Heimatliegeplatz bei der Yachtwerft Heiligenhafen. Es gefällt uns hier ganz spontan richtig gut. Solche Häfen mögen wir. Die Türen zu den Sanitärräumen stehen offen, der kleine Bootszubehörshop ist geschlossen. Keiner da, aber die kleine Glocke an der Tür ist unerwartet laut. Das lockt den Chef aus seinem Büro im ersten Stock. Wir erzählen, warum wir hier sind. Er hätte im nächsten Jahr sogar einen Platz für uns. Nachdem wir die eMail-Adressen getauscht und die Preisliste bekommen haben, machen wir noch schnell einige Photos aus allen Winkeln des Hafens.
In Makkum finden wir keine weitere Marina, die uns zusagt. Speziell die Marina Makkum ist uns viel zu groß und, – ja wie soll man es richtig sagen-, die Marina hat irgendwie die besten Zeiten hinter sich. Das ist ja eigentlich nicht schlimm, denn wir mögen es ja durchaus “normal” und wollen kein High-Society-Gerummel. Aber in der Marina Makkum haben wir hier am IJsselmeer zum ersten Mal den Eindruck, dass der Hafen irgendwie ohne Herzblut geführt wird. Die Marina ist auf keinen Fall heruntergewirtschaftet oder gar verfallen, aber alles ist irgendwie nur halbherzig. Am nächsten Tag treffen wir genau dies noch stärker in den beiden großen Marinas von Stavoren wieder. Diese beiden Marinas sind höchsten halb belegt und ganz deutlich auf dem absteigenden Ast. Die Bilder im Internet müssen aus den früheren Hochzeiten stammen und haben mit der Gegenwart nur noch wenig zu tun. Einzig die Skips Maritiem Marina Hindelopen scheint noch voll auf der Höhe zu sein. Wichtiges Sehen und Gesehen-werden an allen Stegen und auf dem ganzen Gelände. Doch genau das schließt sie für uns aus, auch wenn der Preis in bezahlbare Bereiche fallen würde.
Abends gehen wir essen und fallen ins Bett. Der lange Schlag vom Pfingstwochenende nach Schweden und die Arbeitswoche stecken uns noch in den Knochen.
Am nächsten Morgen fahren wir auf kleinsten Wegen direkt hinter dem Deich langsam in Richtung Stavoren. Einige Male halten wir an und schauen über den Deich. Hier am IJsselmeer riecht es wie am Steinhudermeer. Ein Binnensee, das war mir gar nicht so bewußt. Kein Meergeruch, keine Salzwasserluft. Das Wasser ist eher brackig und lange nicht so klar, wie in der Ostsee.
Wir besuchen als erstes die Marina Roggebroeck am Kanal hinter der Schleuse von Stavoren. Roggebroeck steht im krassen Gegensatz zu den Skips Maritiem Marinas. Die Marina ist persönlich, ja fast familiär, und alles ist gepflegt und zeigt, dass man sich kümmert. Vielleicht liegt die Ursache für die großen Unterschiede zwischen den Marinas tatsächlich in dem Unterschied von Privateigentum und unpersönlicher Institution, so wie seinerzeit im Osten zwischen dem privaten Stück Land und dem landwirtschaftlichen Kombinat. Schon unsere Mail-Anfrage wurde sofort und sehr nett beantwortet und nun werden wir genauso nett empfangen und herumgeführt. Es ist gerade ein Liegeplatz freigeworden, der für unser Schiff und auch für unser Portemonaie paßt. Uns gefällt der Hafen und die ganze Atmosphäre hier sehr gut. Gestern waren wir schon fest entschlossen, dass SailCentre in Makkum unser Favorit ist, nun gibt es zwei Favoriten und wir müssen uns entscheiden.
Roggebroeck liegt hinter der Schleuse Stavoren. Vor einem Monat wurde hier die zweite Schleusenkammer eingeweiht. Auch die erste Kammer wurde modernisiert. Vor der Erweiterung und der Modernisierung waren Wartezeiten von 2 Stunden keine Seltenheit, heute soll alles viel besser sein. Wir setzen uns in das Schleusen-Cafe und schauen uns den Betrieb an. Man sagt uns, dass heute ein ruhiges Wochenende ist und dass Pfingsten hier die Hölle los war. Wir stoppen die Schleusenzeiten und bestellen mal noch einen Kaffee. Es bleibt genug Zeit für den Kaffee und an der Stoppuhr auf dem Handy kommt ebenso wenig Hektik auf, wie in der Schleuse. So richtig eingespielt hat sich der Schleusenbetrieb anscheinend noch nicht. Es gibt zwei Schleusen und zwei Zugbrücken. Wenn die Autos bis zur zweiten Brücke durchgelassen werden, dann blockieren sie die erste. Die dinierenden Philosophen waren zu fünft (siehe Philosophenproblem 😉 ), hier sind es nur zwei Brücken, aber es gelingt doch erstaunlich häufig, den Gesamtablauf zum Stehen zu bekommen. Die Bestzeit für eine Schleusendurchfahrt liegt bei 25 Minuten. Nicht auszudenken, was hier Pfingsten los war. Wir bestellen noch einen Kaffee, um wenigstens unsere Messreihe ordentlich abzuschließen.
In aller Ruhe fahren wir über die kleinen Landstrassen zurück in Richtung Makkum und in Richtung Autobahn. Es gefällt uns hier sehr gut und wir genießen das tolle Wochenende. Dann geht es wieder zurück auf die Autobahn. Kein Stau und keine Hektik. Nach genau 3:30h stehen wir vor der Haustür in Hannover. Die ganze Fahrt drehen wir unsere Gedanken hin und her.
Pro Strecke 100km mehr…. verhindert das spontane Wochenenden?
Geht das mit der Schleuse in Stavoren? Der Hafen Roggebröck wäre es, wenn da nicht dies Schleuse wäre.
Sailcentre in Makkum ist auch prima und vielleicht sogar besser für unsere weiteren Ausbauaktivitäten. Und ohne Schleuse, aber echt am oberen Ende der Preisskala.
Wollen wir auf einem Binnenmeer segeln? An einem normalen Wochenende werden wir nicht vernünftig in die Nordsee raus kommen.
Vielleicht ist sogar der letzte Punkt der Wichtigste. Wir wissen es noch nicht und müssen weiter nachdenken.