Kerteminde -> Nyborg Start: 8:20 Ende: 13:25 Distanz: 31,2 sm Gesamtdistanz: 699,4 sm
Um 7:00 liege ich schon einige Zeit wach und stehe dann widerwillig auf. Irgendwie habe ich kein gutes Gefühl. Eigentlich ist es kein Gefühl, vielleicht ist es so etwas wie Unruhe. Die Vorhersagen decken sich nicht mit dem, was ich draußen sehe. Kein Wind und wir schaukeln im alten Schwell. Über das Internet bekommen wir alle Wetterinfos, die man sich nur wünschen kann. Meine Güte, was waren das noch für Zeiten, als morgens irgendwann der Wecker klingelte, um zu Unzeiten rechtzeitig auf Kurz- oder Mittelwelle Bruchstücke der Wettervorhersage mitzubekommen. Heute ist das wirklich alles schon einfacher.
Der Espresso blubbert. Mit dem Morgenkaffee in der Hand mache ich meine Morgenrunde. 11,50 m bis zur Ankerkette und 11,50 m zurück zum Heck. Unsere 11,50! Und draußen unendlich viele Elfmeterfünfzig, die nur auf uns warten.
Es ist trüb, feucht und ruhig. Fast kein Lüftchen regt sich. Die PINCOYA liegt lustlos neben der Ankerboje. Ich will los und wecke Astrid und Lin. Der Gedanke “Auch wenn wir nicht segeln können, sollten wir wenigsten noch schnell etwas Süd machen.” geht mir durch den Kopf. Das Wetter draußen passt so gar nicht zur Vorhersage. 5 bis 6 aus Südwest, zunehmend 7. Wir drei sind schon ein eingespieltes Team. Ohne viel Erklärung wird alles vorbereitet. Lin backt Brötchen auf, der Duft zieht durch’s Cockpit während ich das Schlauchboot “sturmklar” auf der Badeplattform vertäue.
25 Meter Ankerkette haben wir gestern gesteckt. Unsere altersschwache Ankerwinsch müht sich redlich ab und beginnt zu qualmen. Ok, das war’s, den Rest der Kette holen wir von Hand ein. Ganz gestorben ist die Ankerwinsch noch nicht, aber sie hatte eben echte Nahtoderscheinungen und wird im nächsten Winter wohl auf’s Altenteil gehen müssen.
Langsam segeln wir los. Der Gedanke “Sollen wir nicht das Reff von gestern rausmachen?”, ist noch nicht ganz zu Ende gedacht, da grinsen uns auch schon wieder lustige 15 kn Wind aus Südwest an. Bis zur Großen Belt- Brücke werden daraus halbstarke 20 kn. Irgendwie will der Deutsche Wetterdienst wohl immer Recht behalten. Die Wellen sind in der Abdeckung von Fünen moderat und wir machen ordentliche Fahrt Richtung Süden. Der erste Regen überfällt uns mit einigen siebener Böen kurz vor der Brückendurchfahrt. Im Regen ist die Brücke plötzlich weg. Upps, ganz schön nass! Dazu schenkt uns Astrid noch eine ordentliche Welle im Cockpit ein. Ich sitze an der falschen Stelle :-(( und ein Teil Ostsee sickert langsam vom Kragen ins T-Shirt.
Nach der Brücke wird’s ordentlich ungemütlich. Der Wind und die Wellen nehmen stetig zu. Aus den Schauern wird Dauerregen. Inzwischen pfeift es unablässig mit 7 Beaufort und der Wind dreht langsam auf Südwest. Die Abdeckung von Langeland, hinter die wir uns eigentlich verdrücken wollen, rutscht außer Reichweite. Nur noch selten geht der Wind unter 30 kn. Es ist Zeit für das 2te Reff im Groß. Von der Genua ist schon lange nicht mehr viel zu sehen. Die Wellen stehen ordentlich hoch und als der Windanzeiger die 36 kn zum zweiten Mal zeigt, hangele ich mich unter Deck, um Alternativen zu suchen. Pläne, die man einmal gefasst hat, gibt man nicht gerne auf, aber manchmal ist es besser nüchtern darüber nachzudenken. Zur Auswahl steht eine Kreuz unter den aktuellen Bedingungen von wenigstens 20 sm nach Spodsbjerg oder der Rückzug nach Nyborg. Astrid schaut auf den Kurs, und den Windmesser und fragt: “Warst du schon mal in Nyborg? – Ich jedenfalls nicht!” “Ich auch nicht.” sage ich. “Ok, dann schauen wir uns das mal an.” Wir suchen uns die richtige Welle aus, um den Rückzug anzutreten. Es scheppert etwas und dann sind wir rum und laufen ab Richtung Nyborg. Als wir auf Kurs sind, denke ich, dass es gut ist, wenn man weiß, wann es Zeit zum Rückzug ist, obwohl es mein Männerego doch etwas zwickt. Sicherlich wären wir nicht in Seenot geraten, wenn wir die Sache durchgeprügelt hätten, aber so ganz ohne, wäre es auch nicht gewesen.
Wenn man sich zum Rückzug entschieden hat, dann muss das auch immer irgendwie schnell gehen. Aber es dauert. Bis Nyborg sind es noch einige Meilen und wir müssen noch durch das Flach nördlich von Langelang. Das zieht sich alles länger hin, als man es eigentlich möchte. Es schüttet wie aus Eimern, aber jetzt kommen die Wellen nicht mehr über. Mit raumem Wind liegen wir ruhiger und ich lege mich erst einmal trocken. Normalerweise gehen wir bei Regen unter Deck und überlassen dem Autopiloten das Werk. Das klappt auch prima, wenn der Regen dann auch irgendwann mal wieder aufhört, aber wenn es über Stunden dauerregnet, muss man doch mal irgendwann draußen an die Segel. Zusätzlich haben immer wieder einige Wellen ihren Weg bis ins Cockpit gefunden und manch eine erwischt einen dann doch. Am Ende bin ich pudelnass und habe keinen trockenen Faden mehr man Leib. Besonders mollig warm ist das nicht. Wie schön sind dann trockene Sachen.
Der Hafen von Nyborg ist riesig und geschützt und problemlos bei dem größten Scheißwetter anzulaufen. Erst abends gibt es die erste Regenpause. Über das Cockpit haben wir unsere Notregenplane gespannt, um unsere Segelsachen abtropfen und trocknen zu lassen. Leise brummt die Dieselheizung. Für einen Winterurlaub ist es allerdings mit 14 Grad etwas warm.