Heiligenhafen / Ortmühle -> Albuen auf Lolland -> Heiligenhafen / Ortmühle Start: Sa. 9:20 Ende: So. 17:45 Distanz: 68,1 sm
Es ist noch hell, als wir Freitag auf der PINCOYA ankommen. Ein schwächliches Zwischenhoch, allerdings mit zähem Kampfgeist, soll die westliche Ostsee noch über das Wochenende gegen grimmige Tiefdruckgebiete aus dem nördlichen Atlantik verteidigen. D.h. für Samstag 3 bis 4 irgendwie aus Ost, dann Samstagabend etwas Gewitter und ab Sonntagvormittag zarte Winde aus West. Alles zusammen nett einwattiert in herbstliche Frühnebelfelder und verschnürt mit Altweibersommer-tauglichen Temperaturen.
Wunderbar! Eine bessere Entschädigung für die zwei Wochen Winterurlaub auf unserem Sommertörn werden wir dieses Jahr wohl nicht mehr so leicht ergattern können.
Als es dann Freitag endgültig dunkel geworden ist, läuft nur noch das Wasser, um den Tank für das Wochenende aufzufüllen. Alles andere ist segelklar, auch die wieder genähte Genua ist angeschlagen und die Fock verstaut. Kein Lüftchen regt sich, nur das “Klack-Ziiiesscchh” von zwei Bierdosen unterbricht kurz die Stille, gefolgt von zwei leisen Gott-sei-Dank-ist-Wochenende-Seufzern.
Samstag früh richtet ein leichter Wind alle Windex-Anzeigen in den Masten ordentlich in Richtung Ost aus. Während ich noch schnell Brötchen, Frühstückseier und etwas zum Grillen hole, bereitet Astrid alles für das Auslaufen vor. Mit den frischen Brötchen laufen wir dann sofort aus, setzen an der Ansteuerung von HHafen die Segel und machen uns Frühstück. Ein Hoch dem Autopiloten, so können wir in Ruhe frühstücken, lesen, schlafen, und mal den einen oder anderen Takling erneuern. Aus dem Ostwind wird zwischendurch ein Südost. D.h. wir segeln platt vorm Laken, wenn wir nach Marstal wollen. Platt vorm Laken ist aber blöd, es ist viel schöner mit raumem Wind zu segeln. Wenn wir etwas anluven, fahren wir genau in den Großen Belt. Spodsbjerg wäre ok, die Saison neigt sich dem Ende zu, da wird es in den Häfen wieder ruhiger und gemütlicher. Aber eigentlich wollen wir ankern, noch ist unsere Ankerwinde nicht ganz gestorben. 😉 Also in die Bucht von Nakskov. Bei Ost bietet sich die Westseite der Insel Enehøje an. Also Kurs Nord.
Langsam dreht der Wind wieder etwas mehr auf Ost, bleibt aber konstant bei 14 kn. Fantastisch! Einfach so geradeaus fahren, ohne Starkwind und böser Welle. Wie gemütlich kann Segeln sein, wenn man nicht immer in irgendeine Ecke geschubst wird und hinterher die blauen Flecken nicht mehr zählen kann. Wunderbar entspannt fahren wir Stunde um Stunde bis kurz vor die Insel Enehøje.
Bei der Anfahrt überlegen wir uns, ob wir nicht mal versuchen sollten, in die Bucht von Albuen zu fahren. Das gesamte Naturschutzgebiet von Søndernor ist superflach, nur das nördliche Eckchen Albue Havn ist wohl einigermaßen schiffbar. Dort sollen es etwas mehr als 2 m sein, die Rinne dorthin wird mit 1,5 – 2,0 m angegeben, aber stark veränderlich.
Das Wetter ist nach Ausprobieren, also tasten wir uns ganz vorsichtig rein. Die Tiefen in der Karte stimmen, nach der Rinne sind es kaum mehr als 2 m. Da passt unser geringer Tiefgang mit knapp 1,6 m ganz gut. Und wir werden mit einer wundervollen Ankerbucht und warmem Bilderbuchsonnenwetter belohnt. Baden, Lesen, Entspannen und einfach nur Faulenzen.
Abends ziehen im Westen die Gewitter auf und wir grillen vor einem unendlich tollen Gewittersonnenuntergang.
Die Nacht bleibt ruhig. Die Gewitter halten Abstand, nur einige Regentropfen verirren sich bis zu uns und es grummelt und blitzt am Horizont.
Morgens werden wir vom Ankeralarm geweckt. Der Wind weht leicht aus West. Wir haben uns gedreht und liegen nun direkt neben unserem Anker. Draußen ist es absolut ruhig. Kein Laut ist zu hören. In den Ohren brummt die Stille. Eine so absolute Ruhe sind unsere Ohren gar nicht mehr gewohnt, deswegen beginnen sie wohl aus lauter langer Weile selbst einige Geräusche einzuspielen.
Wir lassen es ruhig angehen. Ein Schwimmerchen, Frühstück und eine Extratasse Tee im Cockpit. Es ist kaum vorstellbar, in weniger als 24h hat uns der Alltagswahnsinn zurück und dieses Idyll ist Vergangenheit. Andererseits, man muss es einfach nur tun, denn so ein Wochenende liegt fast immer zum Greifen nah. Nächstes Wochenende fahren wir wieder hoch, mal sehen, wo uns dann der Wind hinbringt. Viele Wochenenden sind es nicht mehr, die Segelsaison geht mit Macht zu Ende und die Wintersaison kommt.
Den Anker holen wir in homöopathischen Dosen hoch. Gott sei Dank leben totgesagte Ankerwinden wohl doch irgendwie länger. 😉 Und unsere Lewmar-Winde ist wohl einer ganz besonders zähen Sorte. Sie ächzt, stinkt und qualmt den Anker hoch. Besonders leicht hat sie es hier nicht, der Anker hat sich im lehmigen Boden festgebissen und wir heben einen dicken Plocken Lehm bis fast zur Wasseroberfläche, bis ich ihn mit dem Bootshaken abstochern kann.
Der Wind ist inzwischen eingeschlafen, aber dafür sind die Dänen nun erwacht. Zwei kleine Segelyachten und ein vom Alter gezeichnetes Ausflugsboot kommen in die Bucht. Die Fahrrinne in die Bucht ist so eng, dass es hier nur im Einbahnstraßenverkehr geht. Wir motoren in den
Großen Belt und gehen dann Kurs Süd. Die Sichtweite liegt so ungefähr zwischen “ziemlich diesig” und “kleiner Welt”. Nach 1 1/2 Stunden kommt etwas Wind auf und wir können gut bis in den Norden von Fehmarn segeln. Langsam, aber stetig und in aller Ruhe geht es voran. Wir trödeln und nehmen uns Zeit und wollen den Moment nicht loslassen. Aber dann muss der Motor doch noch mal ran, denn mit dem Regen verlässt uns auch der letzte Windhauch. So brummen wir durch die herbstliche Nebelwelt zurück in unseren Heimathafen.