Schnell noch vor dem Win(d/ter) ins Wasser

Im direkten Vergleich würden Astrids Kollegen sicher einen Empathiepreis gewinnen. Obwohl wir uns ganz sicher sind, dass auch sie unsere Freude, die neue Segelsaison gerade an diesem Wochenende zu eröffnen, nicht ganz teilen können. Zugegeben, 5 Grad Luft- und 3 Grad Wassertemperatur klingen schon in der Wettervorhersage nicht gerade kuschelig und wecken eher die Sehnsucht nach Kerzenschein, Lebkuchenduft und …. ja …. sagen wir es ehrlich … nach etwas Tannengrün. Letztes Jahr an Heiligabend war es wieder einmal wärmer als dieses Jahr zu unserem Krantermin.

Meine Kollegen hingegen sparen nicht mit offenem Spott und Sticheleien. Ich werde wohl zukünftig nicht mehr nur meine Urlaubszeiten in die Urlaubsliste eintragen müssen, sondern auch unsere Urlaubsziele, damit die Kollegen, die den Fehler gemacht haben, zur gleichen Zeit in Urlaub zu gehen, dann wenigstens in eine andere Richtung fahren können. Und sollte es irgendwo einmal zu lange zu trocken und zu heiß sein, kein Problem, schon eine Urlaubsplanung unsererseits führt zu nachhaltigem Wetterumschwung.
Die eigentlich harmlose Frage: „Wann genau wollt ihr denn eigentlich von Burg nach Heiligenhafen rüberfahren?“ – lässt mich misstrauisch werden. Seit einigen Tagen checken wir das Wetter für’s kommende Wochenende gleich morgens zum Aufwachkaffee mit dem iPad noch aus dem Bett heraus. Und seit einigen Tagen nehmen wir die Wettervorhersage mit zunehmend fatalistischem Gleichmut hin. Toll wird es wirklich nicht, aber richtig schlimm eben auch nicht. Nasskalt, und für Anfang Januar wäre es immerhin etwas zu warm. Montagabend soll es dann windig und deutlich kälter werden. Ein zuverlässiger Dauerregen wird das Ganze schon mal ab Sonntagabend einläuten.

Was soll also die blöde Frage, wann „genau“ wir rüberfahren? Ich checke noch einmal die Lage auf WetterOnline. Gelbe Windfähnchen sind ja ok, die gehören seit dem letzten Sommerurlaub zum Standardprogramm, aber rote Windfähnchen sind hässlich und besonders unangenehm, wenn sie in die Richtung zeigen, aus der wir kommen werden.

„Das Wetter geht kaum netter ;-(“

„Das Wetter geht kaum netter ;-(“

Ich überschlage unseren Plan und unsere Arbeitsliste bis zum Kranen und danach. Wenn wir Samstagmittag kranen, dann werden wir ohne Katastrophen Sonntag nach Heiligenhafen rüberfahren. Doch Sonntag sollen uns schon Böen von lustigen 9 Beaufort unter der Fehmarnsundbrücke empfangen. Klappt irgendetwas nicht auf Anhieb, dann kann es problemlos auch der Montag oder sogar Dienstag werden. Hmmm…. das passt ja wieder mal wie die Faust auf’s Auge. Astrid steckt in irgendwelchen Meetings und ist für einen Kriegsrat nicht zu erreichen. Also rufe ich bei André im Weilandt-Shop an und frage, ob wir vielleicht auch schon am Freitag ins Wasser können. „Joah joah, alles kein Problem. Kommt mal Freitag früh im Shop auf ´nen Kaffee rum und dann gucken wir weiter. Das wird alles schon klappen.“ Astrid lauere ich dann nach einer Besprechung zur Mittagspause auf und erzähle ihr kurz von „unseren” Planänderungen. – Wir machen heute zeitig Feierabend und stopfen dann gleich alles in Henry rein. Am Freitag brechen wir um 6:00 auf, auch wenn das alles andere als „unsere Zeit“ ist. Und gegen 9:00 werden wir dann auf Fehmarn sein und haben noch ca. 5 Stunden, um die PINCOYA und den Mast zum Kranen fertig zu machen. Und am Nachmittag geht’s dann ab ins Wasser.

„Vollgestopft! Und die Fehmarnsundbrücke versteckt sich im Nieselregennebeldunst.“

„Vollgestopft! Und die Fehmarnsundbrücke versteckt sich im Nieselregennebeldunst.“

Gesagt, getan, und genau so passiert es dann auch. Als wir um 6:00 losfahren, ist Henry, unser Großraum-Stretchlimo-Mini-Kombi, so vollgestopft, dass kaum noch 2 Snickers reinpassen.

„Der Mast liegt schon bereit, aber einige Schauer vertreiben uns immer wieder in die Halle.“

„Der Mast liegt schon bereit, aber einige Schauer vertreiben uns immer wieder in die Halle.“

In Fehmarn läuft dann alles wie am Schnürchen, um 14:00 hängt die PINCOYA am Kran, um 14:05 krieche ich zu den Seeventilen und stelle erleichtert fest, dass alles dicht ist. Der Mast steht um 14:30, aber der Motor will nicht so, wie er soll ;-(. Er läuft einige Male kurz an, um dann gar nichts mehr zu sagen. Mist Mist Mist! Die ganze Dieselfiltermimik ist neu! Ist nun am Ende die Dieselpumpe zu schwach, um den Diesel durch die Filter anzusaugen? Inzwischen steht das nächste Schiff schon unter dem Kran, also „verziehen“ wir uns an langen Tampen an den Seitensteg.

„Wir schwimmen wieder, alles dicht, nur der Motor hustet uns einen.“

„Wir schwimmen wieder, alles dicht, nur der Motor hustet uns einen.“

Ich hatte extra beide Filter noch per Hand mit Diesel aufgefüllt, damit die Pumpe nicht erst so viel Diesel für die Filter fördern muss, bis der Motor dann auch mal etwas abbekommt. – Hmm… nachdenken… was kann es sein? Außer dem schlimmsten Fall „Pumpe zu schwach“ fällt uns nur die Komplettentlüftung des gesamten Kraftstoffkreislaufs ein. Also los, wir gehen systematisch Stück für Stück vor. Der Motor dreht und dreht und dreht – und erst, als das erste Tröpfchen Diesel aus der Entlüftungsschraube am letzten Filter vor der Einspritzpumpe kommt, erwacht unser Motor zu neuem Leben. Nach einigen schweren Hustenattacken wird er auch ruhiger und schnurrt am Ende wieder wie ein altes, großes Kätzchen.
Puuh, uns fällt ein Stein vom Herzen, aber so ganz mögen wir dem Frieden noch nicht trauen.

„Während unserer Restarbeiten kommt die Ruby Tuesday zum Mastsetzen.“

„Während unserer Restarbeiten kommt die Ruby Tuesday zum Mastsetzen.“

Wir telefonieren mit Ute & Peter von der Ruby Tuesday. Die beiden kommen heute von Heiligenhafen kurz rüber nach Fehmarn, um ihren Mast zu setzen. Der nächste Stein purzelt. Ute und Peter machen mit ihrer Ruby Tuesday für uns den Begleitservice zurück nach Heiligenhafen.

Am frühen Samstagnachmittag geht dann los. Es ist a….kalt, obwohl tatsächlich auch manchmal die Sonne nach uns schaut.

„Schlotterkalt und der Begleitschutz bleibt immer dicht bei uns.“

„Schlotterkalt und der Begleitschutz bleibt immer dicht bei uns.“

Misstrauisch lauschen wir auf jedes Geräusch aus dem Motorraum. Wenn so’n Motor mal ordentlich gehustet hat, dann bekommt das Vertrauen doch einen Knacks, auch wenn alle Probeläufe ordentlich und ohne Probleme verlaufen. Erschwerend kommt ja hinzu, dass wir noch keine Segel angeschlagen haben und der Anker auch noch nicht wieder richtig einsatzfähig ist. Es gibt also keine Alternative zum Motor außer der Ruby Tuesday.

„…von Burg auf Fehmarn …. nach Heiligenhafen / Ortmühle“

„…von Burg auf Fehmarn …. nach Heiligenhafen / Ortmühle“

Das Wetter ist ruhig und wir tuckern ohne Probleme durch die Klapperkälte. Der Motor macht seine Arbeit und irgendwie klingt er mit jeder Meile wieder vertrauenserweckender.

„Kurz vor unserem Heimathafen, den Abschleppservice haben wir Gott sein Dank nicht gebraucht.“

„Kurz vor unserem Heimathafen, den Abschleppservice haben wir Gott sein Dank nicht gebraucht.“

Auch die Ruby Tuesday ist da, aber einer der Lazy-Jacks hat sich leider vor die Saling gemogelt, so muss Ute in den Mast und Peter lässt die Muskeln der Elektrowinsch spielen.

Glücklich zurück. Nun kann das schlechte Wetter kommen, obwohl es nicht wirklich danach aussieht. Vielleicht waren wir wieder mal etwas übervorsichtig.

„Zurück in unserer Heimatbox“

„Zurück in unserer Heimatbox“

wieder zurück in Heiligenhafen / Ortmühle
54° 22′ 20,4″ N, 11° 00′ 15,7″ E