Die letzten Wochen zogen sich hin wie Kaugummi. Fast alle Freunde und Kollegen sind schon längst aus ihrem Urlaub wieder zurück und der Sommer zeigt auch schon erste Ermüdungserscheinungen. Die Tage werden kürzer und die Nächte länger. Im Hafen wurden wir schon gefragt, wie denn unser Sommertörn gewesen sei. Ich weiß gar nicht, ob wir überhaupt schon einmal so spät auf großer Fahrt waren. Hinzu kommt noch, dass es ja kein „normaler Segelurlaub“ ist. Wir haben uns mit Estland etwas vorgenommen, was schon anders ist als ein normaler Segelurlaub. Deswegen kribbelt die Erwartung noch etwas mehr unter der Seglerhaut.
Um Estland als Ziel in einem begrenzten Jahresurlaub wahr werden zu lassen, wollen bzw. müssen wir durchsegeln. In einem Schlag hin. Ca. 4 Tage, also rund 100 Stunden, und gut 450sm gerade Kurslinie. Saaremaa lockt als Fernziel. Wir haben 3 1/2 Wochen. Klappt der Schlag hin, dann bleibt uns dort knapp eine Woche. Danach soll es in einigen ebenfalls langen Etappen wieder zurück nach Heiligenhafen gehen. Das Motto sind Langfahrten über Nacht, um an den Zielen nicht nur wenige Stunden, sondern wenigstens immer 2 Tage zu bleiben. Keine Hektik. Wir wollen es ruhig zugehen lassen und speziell auch lange Übernachtfahrten üben.
Nachtfahrten kennen wir natürlich und lange Schläge auch. Bisher waren wir dabei aber immer aufgekratzt und am Ende doch schon recht geschafft. Das wollen wir anders lernen. Wir wollen entspannt und ausgeruht ankommen. Es sollen Langschläge werden, die routiniert laufen und die uns ausgeruht ankommen lassen. Ob das geht, wissen wir nicht so genau. Deswegen wollen wir es ausprobieren und üben.
Und nun ist der Tag da. Wir brummen über die A7 und A1 unserer PINCOYA entgegen. Alles ist fertig und wir müssen nur noch los. Ein komisches Gefühl. Je länger der Sommer brauchte, um uns genau an diesen Punkt zu bringen, desto unwirklicher erschien uns unser Vorhaben. Machen wir es wirklich? Lange Pläne tragen ja immer auch die Gefahr in sich, ein Plan zu bleiben.
Etwas angespannt sind wir schon. Die Wetterlage scheint nicht wirklich schwierig zu sein, aber tricky. Um entspannt hinzukommen, müssen wir den richtigen Kurs finden. Das ist bei Langfahrten über 450 sm gar nicht so einfach. Da ändert sich nicht nur das Wetter, sondern man hat auf diesen Distanzen auch mit ganz unterschiedlichen Druckgebilden zu tun, die man für sich nutzen muss. Und zur Zeit ist die Wetterlage alles andere als stabil, mal sehen, was uns das alles so bringt.
Diese Wetterlage soll es sein. Unsere Theorie ist, dass wir uns südlich von Schweden in den Süd bis Südwest einhängen und uns damit nach Nordosten durchmogeln. Wir werden sehen, wie das mit Theorien am Ende so ausgeht.
In jedem Fall kommen wir in Heiligenhafen bei strahlendstem Sommersonnenschein an!
Und ein erster Urlaub-Sundowner verspricht mehr.
in Heiligenhafen / Ortmühle in unserer Heimatbox
54° 22′ 20,4″ N, 11° 00′ 15,7″ E