Die unfertige Hydraulikgeschichte liegt mir im Magen. Am 3. Juni wollen wir in unseren letzten Jahresurlaub starten und nach Norwegen segeln. Da soll erstens die umgebaute Hydraulik funktionieren und zweitens der neue B&G-Autopilot eingebaut sein. Der Weg dorthin war bisher allerdings mit hydraulischen Misserfolgen gepflastert, die mich so langsam an meinem Bastelverstand zweifeln lassen und mir auch so langsam Sorgen machen. Erschwerend kommt hinzu, dass die verbleibende Zeit zudem noch mit Familienfeiern gespickt ist. Selbst wenn wir alles in die Bastelwaagschale werfen, verbleiben uns nur noch 3 Bastelwochenenden. Eine überschaubare Anzahl für ein bislang unüberschaubares Desaster. Das macht mich zusätzlich nervös und das ist ganz und gar schlecht für meine Bastelzuversicht.
Deswegen breche ich am Gründonnerstag allein auf, um wenigstens die Hydrauliksch…schande schon mal zusammenzubauen und die elende Luft aus den Leitungen zu vertreiben. Außerdem kommt Jan von Jan-Segel nochmal vorbei, um zu gucken, ob das innere Vorstag nicht doch etwa 5 cm zu lang ist. Astrid bleibt diesmal zuhause, um etwas Ruhe zu tanken.
Das Wetter ist maximal schlecht. Es kachelt, regnet, hagelt und graupelt wie blöde und die Sonne tut so, als ob sie mit dem Ganzen überhaupt nichts zu tun hat. In der Spitze messe ich Böen von 42 kn. Während der Schauer geht’s kaum unter 30 kn und bei diesen Windgeschwindigkeiten werden Hagel und Graupel zu echten Geschossen, denen man nicht die Stirn bieten mag.
Schon kurz nachdem mich am Karfreitag die Backskiste gierig verschlungen hat, vermisse ich Astrid unglaublich. Bastelbereit knie ich mit dem neuen Hydraulikzylinder tief unten in der Backskiste vor dem Ruderquadranten und der Hydraulikpumpe, um zu merken, dass ich zwar einen passenden Schraubenschlüssel mitgenommen habe, aber der andere leider noch ordentlich in der Werkzeugkiste liegt. Nachdem ich alles irgendwie unten in der Backskiste zur Seite gelegt habe und mit dem Kopf aus der Backskiste gucke, bemerke ich, dass ich den Werkzeugkoffer gerade so hingestellt habe, dass ich nicht drankomme. Also klettere ich wieder raus. Es dauert einige Zeit und mehrere Auf- und Abstiege, bis ich alles habe und den Rest so um den Backskistendeckel verteilt habe, das ich nun auch drankomme. Sonst musste ich nur nach Astrid rufen, heute kommt niemand und ich muss an alles vorher denken, was nur mäßig gelingt. 🙁 So zerrinnt der Vormittag langsam und als der neue Zylinder endlich so sitzt, wie er soll, beginnt es zu regnen. Also raus, Plane suchen und abspannen. Der Wind frischt dabei auf und macht einen auf „dicke Hose“. Die Plane findet das toll, macht auch gleich mit und haut mir meine Brille vom Kopf. Sekunden später ein leiser Plunsch, der nur von mir bemerkt wird und im Lärm der wild schlagenden Plane untergeht. Kein Verlust, weil Rossmann-Brille, aber Karfreitag, also kein Rossmann und keine Ersatzbrille. Scheiße… äh Mist! In Henry’s Handschuhfach finde ich doch noch einen Ersatz. Etwas aufpoliert geht’s auch damit. Ein sehr spezielles Modell. Gut, dass ich tief unten, fern der österlichen Öffentlichkeit in der Backskiste arbeiten muss.
Der Hagel prasselt so sehr auf die Plane, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen kann. Aber das ist ja auch egal, denn es ist ja eh keiner da und die blöde Luft in den Hydraulikleitungen hört ja sowieso nicht auf mich. Den Chat mit der Erfolgsmeldung an Astrid musste ich schon nach 15 Minuten kleinlaut zurücknehmen. Es kommen zwar keine Blubberblasen mehr aus der Entlüftung, aber der Kolben „federt“. Hydrauliköl „federt“ eben nicht, also muss in dem Zylinder noch etwas anderes als Hydrauliköl sein. Natürlich Luft! Was sonst? Mist! Und tatsächlich, da kommen schon wieder Bläschen. Mistmistmist! Nochmal andersrum versuchen. Ventile verstellen, Kolben schieben, andersherum Pumpen. Der Entlüftungsschlauch rutsch ab und macht Hydraulikölpipi ins Schiff. Schlauch schnell wieder drauf. Wo ist die Zewa-Rolle, der Scheißwind hat sie in die Plicht geblasen. Arme zu kurz. Also raus aus der Backskiste, dabei fällt der 17er unter die Heizung in die hinterste Ecke, genau dorthin, wo ich ihn nur noch geradeso mit den Fingerspitzen berühren kann. Also Greifer und Zewa holen. Alles ist glitschig. Die Flasche mit dem restlichen Öl zum Nachfüllen ist auch umgefallen. Den Verschluss muss irgendsoein Depp nicht richtig zugeschraubt haben. Noch mehr Glitsch. Ich bemerke dieses Kaputtmachgefühl erst, als ich nach dem noch bereitliegenden 19er greife und eine unbändige Lust verspüre, irgendwo mit ganzer Kraft draufzuhauen. Gerade noch rechtzeitig kommt mir mein vorletzter Blog wieder in Erinnerung. Es gibt Parallelen zu damals. Was war die Lösung? Ach ja…. Denken!!! Einfach mal nachdenken! Ich setze mich ganz unten in die Backskiste, in der ich vorher doch noch das Pipiöl aufgewischt habe, stecke die Beine von innen in die Badeplattform und beginne zu denken.
Schwammig war unsere Hydrauliksteuerung schon immer. Nicht schlimm, aber unbefriedigend. Die Grundkonstruktion haben wir beibehalten und nur den Innensteuerstand zurückgebaut. Der Zylinder sitzt zwischen Pumpe und Bypass.
Ich klettere aus meiner Eremitage und google nach Installationsanleitungen für hydraulische Selbststeueranlagen. Auf den wenigen Skizzen sitzt der Bypass immer zwischen Pumpe und Zylinder. Am Zylinder sind die Entlüftungen. In unserer Variante liegt der Zylinder zwischen Pumpe und Bypass, also in der Mitte des Systems. In mir keimt der Gedanke auf, dass wir hier vielleicht ein grundsätzliches Problem beibehalten haben.
Inzwischen ist es fortgeschrittener Nachmittag und nun muss ich erstmal mit Jan besprechen, was uns an unserem Kutterrigg so aufgefallen ist und was geändert werden muss. Das bringt Abstand und weiteren Raum zum Nachdenken. Jan wird das Vorstag etwas kürzen und am Mast ein Augterminal verwenden. Soweit, so gut erst einmal, obwohl von Tiefenentspannung noch keine Rede sein kann.
Bei einem Döschen Faxe reift die Erkenntnis, dass der Fehler in der Tat in der grundsätzlichen Systemanordnung liegen muss. So läßt sich die ganze Geschichte nicht entlüften, weil der Kolben mit der Entlüftung nicht am Ende liegt und sich so die Pumpe durch das T-Stück am Zylinder immer wieder einen Teil der Luft reinpfeift, die eigentlich aus dem Entlüftungsventil in die Freiheit entweichen sollte. Und diese Luft bläst die Pumpe zusammen mit etwas Öl dem Zylinder auf der anderen Seite wieder in den Hintern. Ein Teufelskreis der besonderen Art.
Ich bin überzeugt das grundsätzliche Problem gefunden zu haben. So überzeugt, dass ich hier davon im Blog schreibe ?. Nur kurz keimt der Gedanke auf: „Was soll ich bloß im nächsten Blog schreiben, wenn es wieder nicht klappt?“ Aber dieser Gedanke lässt sich verdrängen.
Also rupfe ich alles wieder auseinander, mache mir eine Skizze und eine Liste der Dinge, die ich noch bei dem Hydraulikfritzen meines Vertrauens bestellen muss. Nächstes Wochenende geht’s dann weiter und nach dem nächsten Wochenende gibt’s dann ganz bestimmt einen euphorischen Blog mit der lang ersehnten Erfolgsmeldung. Ganz bestimmt! Und wenn nicht? … Ich weiß auch nicht! Vielleicht kaufe ich dann einfach klammheimlich doch eine Windfahnenselbststeueranlage und tue einfach so, als ob das eh schon immer so geplant war.
Karfreitag abends werde ich von Olaf und Kerstin zum Dinner auf die Raija eingeladen. Nach dem leckeren Kaninchen bejammern wir gemeinsam unsere technischen Leidensgeschichten, die zwar ungleicher nicht sein können, aber absolut dieselbe Nervigkeit verströmen.
Der Samstag vergeht schnell mit Aufräumen, etwas Elektronik und einer Kloreparatur. Dann rufen die Familienfeiern. Auf und unter Deck ist nun eigentlich alles klar, jetzt müssen nur noch…. ach was, ist ja eh schon fast alles fertig und gar nicht mehr der Rede wert und schon gar nicht noch so einen Jammerblog.
in Heiligenhafen / Ortmühle in unserer Heimatbox
54° 22′ 20,4″ N, 11° 00′ 15,7″ E