Das Versagen des Wunderheilers


Der Irrglaube, dass der Ursprung des Ausdrucks „Wonnemonat Mai“ in den ersten warmen Sonnenstrahlen, dem überbordenden Grüngün der erwachenden Natur oder gar in den wetteifernden Frühlingsgefühlen des gemeinen Homo Sapiens zu suchen ist, hält sich hartnäckig. Die Wahrheit ist aber, dass dieser Ausdruck auf den norddeutschen Freizeitforscher Bandik Brüggedaag zurückgeht, der seine Forschungen 1867 mit der Addition in Norddeutschland gängiger Feier- und Brückentage krönte und diese ins Verhältnis zu den aktuell zur Verfügung stehenden Monaten setzte. Hierbei stach der Monat Mai deutlich hervor und Herrn Bandik Brüggedaag wird der Ausruf zugeschrieben: „Oh welch ein Wonnemonat Mai!“

Und nun ist Himmelfahrt und eines dieser wenigen, wonnigen Brückentagswochenenden wartet darauf, den Freizeithungrigen Freude und Erholung zu spenden. Und es ist ein ganz besonderes, untypisches, langes, norddeutsches Wochenende, denn es scheint die Sonne! Einfach so, den ganzen Tag und noch dazu jeden Tag. Das ist, wie der Norddeutsche in solchen Situationen zu murmeln pflegt, „the real existing overhammer“!

 

„Lin macht ihr Lieblingshandtuch lieber sturmfest fest, man kann ja nie wissen!“

„Lin macht ihr Lieblingshandtuch lieber sturmfest fest, man kann ja nie wissen!“

Gleich Donnerstag schrauben wir für das Spifall noch einen weiteren Fallenstopper an den Mast. Seit dem neuen Rigg und dem dritten Reff im Groß lenken wir das Spifall nur noch bei Bedarf ins Cockpit um, denn wir brauchten zwei freie Durchführungen nach hinten für die Reffleinen des dritten Reffs. Uns war es wichtiger, das dritte Reff hinten im Cockpit zu haben, denn wenn wir das Dritte brauchen, dann mag bestimmt keiner mehr freiwillig nach vorn gehen. Also mussten das Genuafall und das Spifallfall vorn bleiben und das neu hinzugekommene Fockfall ist von vorn herein am Mast geblieben. So haben wir nun 3 Fallen vorn am Mast, dafür aber alle 3 Reffs hinten im Cockpit. Ein Kompromiss, der nur beim Spifall etwas blöd ist, denn das Genua und Fockfall bedienen wir nur zu Saisonbeginn und -ende.

 

„Die Fallenstopper-Operation“

„Die Fallenstopper-Operation“

Das Anschrauben des Fallenstppers entpuppt sich als eine Art minimal inversive, endoskopische Operation. Lin und ich fummeln die Unterlegscheiben und Muttern durch einen gegenüberliegenden Fallauslass auf die Schrauben des Fallenstoppers. Das geht erstaunlich gut und klappt auch bei beiden Schrauben im ersten Anlauf.

 

„Testfahrt mit und ohne Außenborder und mit und ohne Tampen in der Schraube ;-)“

„Testfahrt mit und ohne Außenborder und mit und ohne Tampen in der Schraube ;-)“

Während Lin Besuch von einer Freundin bekommt und die beiden das Schlauchboot aufbauen und probefahren, und Astrid die letzten Bastelspuren unter Deck beseitigt und alles urlaubsklar macht, begehe ich einen wohl folgenschweren Fehler. Da das Wetter ja nun wirklich zum Smalltalk einlädt, werde ich nicht müde zu betonen, dass wir zwar ein elend misserfolgiges Bastelfrühjahr hinter uns haben, aber nun FERTIG sind. FERTIG für die Saison, FERTIG für den großen Sommerurlaub und FERTIG überhaupt und eigentlich nur noch losmüssen, weil nun alles funktioniert und eben FERTIG ist.

 

„Entspannte Urlaubsaussichten!“

„Entspannte Urlaubsaussichten!“

„Abendspaziergang mit einem -guten Gefühl- “

„Abendspaziergang mit einem -guten Gefühl- “

Ein gutes Gefühl, was auch bis zum Samstag um 7:30 ganze 1,5 Tage anhält. Dann piept’s!

Wir kennen dieses Piepen. Schlaftrunken krabbele ich aus der Koje und drücke am Furuno den Ankeralarm weg. Es piept weiter. Ich drücke nochmal. Taste wohl nicht richtig getroffen. Es piept weiter. Ein Blick aus dem Decksalon sagt mir, dass wir gar nicht ankern. Ganz dicht neben uns liegen mir bekannte Schiffe, nach achtern sieht es auch so aus wie in unserem Heimathafen und – na ja – vorn eben auch. Also kein Ankeralarm. Aber ich kenne dieses Piepen. Langsam kämpft sich die Erinnerung nach vorn. Es kam in der letzten Saison immer nachts, wenn wir lange über Nacht unterwegs waren.
Ein Blick auf den Batteriemonitor läßt mich erstarren. Dort blinkt „low capacity“ und genau der piept immer noch unablässig.

Schon während ich den Batteriemonitor drücke, setzen sich in meiner Vorstellung einige Details der noch bis zu unserem Urlaubsstart verbleibenden 8 Tage zu gar nicht schönen Bildern zusammen. Entnervt schalte ich den Landstrom ein, was dem Energiehaushalt ingesamt gut bekommt, krieche zurück in die Koje und versuche durch Verdrängen das Geschehen der letzten 3 Minuten ungeschehen zu machen.

Ja – im letzten Jahr waren unsere Batterien schon recht schwächlich, obwohl sie erst 6 Jahre im Einsatz waren und auch Whisper Power nicht eben eine Billigmarke ist. Dass wir sie austauschen müssen, war klar, aber der Einsatz eines Novitec Mega-Pulsers als esotherischer Batteriewunderheiler sollte uns wenigstens etwas Luft verschaffen. Etwas gebracht hat er auch, da sind wir uns sicher, aber geheilt hat er eben nicht. Das konnten wir dran sehen, dass die Spannung bei Entnahme von mehr Ampere-Stunden etwas länger stabil blieb und beim Nachladen länger höhere Ströme flossen und der Ladestrom nicht schon so früh einknickte. Das war eine Besserung, aber eben keine Heilung. Und nun? Vielleicht ist das wie mit dem „one apple a day“, der den Doc „away keeps“. Wunderheilung „nö“, doch Gesunderhaltung „joah“. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Beim Frühstück entscheiden wir uns dann, die Batterien doch noch vor unserem Urlaub auszutauschen. In der Regel ist das auf fast jedem Schiff auch kein Problem und eine Sache von rund einer Stunde. Nicht so auf der PINCOYA! Denn hier haben wir die Sicherungspanel über den Batterien eingebaut, weil wir der Meinung waren, dass wir unsere AGMs für die Ewigkeit einbauen. Und zu den Sicherungspanels führt nun inzwischen eine fast unendliche Vielfalt von dicken und dünneren Kabeln. Das alles liegt über den Batterien und das alles muss raus. Und das braucht mindestens einen Tag Aus- und einen Tag Einbau. Da fällt der eigentliche Ausbau der je 80 kg schweren, ehemals 260 Ah Batterien fast gar nicht mehr ins Gewicht.
Nie – nie – nie wieder werde ich sagen, dass wir FERTIG sind! So eine Aussage hält auf einem Schiff im besten Fall gerade mal 24h!

vor der Haustür Start: 11:45 Ende: 18:45 Wind: S -> SE 10 -> 18 kn Distanz: 38,2 sm Gesamtdistanz: 38,2 sm

 

„Einfach mal vor der Haustür...“

„Einfach mal vor der Haustür…“

„...ein traumhafter Segeltag!“

„…ein traumhafter Segeltag!“

Aber draußen brüllt auch die Sommersonne und es weht ein toller Segelwind. So beschließen wir, den Samstag unbeschwert zu segeln und dann am Sonntag die Batterien auszubauen und mit zurückzunehmen. Jetzt können wir eh nichts mehr machen, also Sommer genießen ? und auf den Ausbau freuen ?.

 

„Abendstimmung...“

„Abendstimmung…“

„… da kommt so schnell kein anderer Hafen mit.“

„… da kommt so schnell kein anderer Hafen mit.“

„Batterie-Gewürge und Geschleppe“

„Batterie-Gewürge und Geschleppe“

„Der Geräteträger als Batterie-Kran“

„Der Geräteträger als Batterie-Kran“

„1 und 2 zack in Henry verstaut!“

„1 und 2 zack in Henry verstaut!“

Das wird uns in der kommenden Woche beschäftigen!

stromlos in Heiligenhafen / Ortmühle in unserer Heimatbox
54° 22′ 20,4″ N, 11° 00′ 15,7″ E