HHafen / Ortmühle -> Grimstad (Norwegen) Start: 13:30 (So 04.06.) Ende: 18:55 (Di 06.06) Wind: W->SW->S->E 15 -> 30 kn Distanz: 298,0 sm Gesamtdistanz: 298,0 sm
In der Nacht weckt mich der Regen. Wie ein guter Start in den Sommerurlaub hört sich das nicht an. Ich drehe mich wieder um und das Wetter bekommt noch eine Chance, es sich nochmal anders zu überlegen. Es ist ja noch Zeit.
Als wir kurz vor 10:00 aufwachen, hat sich der Regen verzogen und der Wind kommt wieder aus West. Den schönen Ost von gestern hat’s leider verblasen. Der hätte uns leicht in den Großen Belt kommen lassen. Nun ja… Mit unserem Gutenmorgenkaffee verkriechen wir uns wieder in die Koje und checken das Wetter. Auf die ersten 3 Tage der Grib-Files ist mehr oder weniger Verlass, die weiteren 3 Tage sind entweder gut für die Hoffnung oder gut zum Fürchten, aber bei stark wechselnden Wetterlagen meist doch eher für die Tonne. Der Weg östlich um Seeland und dann bei Kopenhagen durch den Øresund ist auch nur theoretisch eine Option. Also erstmal etwas gegenan und dann mit einem Anlieger in den Großen Belt. Alles ab dem Kattegat hängt sowieso davon ab, was dem Tief bei Südengland alles noch so einfällt zu tun oder zu lassen.
Wir brauchen etwas, um fertig zu werden. Unsere Nachbarn wollen sich verabschieden und fragen dreimal nach, ob wir nun losfahren. Als das Schlauchboot dann auch endlich hochgeklappt und verzurrt ist und uns endgültig den Weg zurück auf den Steg versperrt, fallen uns noch die Life-Leinen ein. Inzwischen ist es Mittag durch und wir werden gefragt, ob wir überhaupt heute noch los wollen und wo wir denn heute überhaupt noch hinwollen, es werde ja nun schließlich auch mal Zeit. „Ja“ sage ich „ – gleich – und dann nach Stavanger, aber nicht mehr heute, vielleicht, wenn alles gut geht, irgendwie Mittwoch oder eher auch Donnerstag, da ist es nicht so schlimm, wenn wir hier noch eine Stunde mehr brauchen.“
Um 13:30 geht’s dann tatsächlich los und gleich vor Heiligenhafen zeigt sich, dass es gar nicht so dumm war, im Hafen noch alles vorzubereiten. Gleich an der östlichen Untiefe empfangen uns halbstarke 6 Beaufort, die mit der 7 liebäugeln. Und eine ordentliche Welle schüttelt uns so durch, dass gleich einige Erinnerungen und die dazugehörigen Gefühle aus dem letzten Jahr aufkeimen. Kann es für uns hobbysegelnde Schreibtischtäter nicht auch nur einmal etwas schmusiger losgehen?
Das Wetter ist wirklich nicht sehr sommerurlaubig, aber am Horizont im Westen zeigt sich schon etwas von unserem Sommerurlaubshimmelblau. Wir hätten nichts dagegen, wenn es sich mal etwas beeilen würde, um bei uns vorbeizuschauen. Der West ist mehr als kräftig, so kommt die Genua erstmal gar nicht zum Einsatz. Dafür darf die Starkwindfock gleich mal zeigen, ob sich ihre Anschaffung gelohnt hat.
Aus dem ersten Reff im Groß wird auch schon im westlichen Fehmarnbelt schnell das zweite. Es ist fantastisch einfach, die richtig passende Besegelung für unseren hart anliegenden Kurs zu finden und wir sausen mit teilweise 8 kn bei Böen um die 30 kn vollkommen entspannt in den Großen Belt hinein. Der Autopilot macht seine Arbeit bestens und Astrid und ich sitzen im Cockpit und können gar recht glauben, dass das neue Kutterrigg und die neuen Segel einen so großen Unterschied machen. Es ist wirklich irre fantastisch, man kann es gar nicht oft genug sagen und wir wollen schon nach den ersten 20 sm nie wieder ohne 2 Vorsegel fahren. Natürlich tun auch die neuen Segel ihr Übriges, aber die Varianz der Trimmöglichkeiten ist mit einem ordentlich abgestuften Kutterrigg und 3 Reffreihen im Groß einfach … fantastisch!
So sausen wir in den Großen Belt und in unsere erste Nacht. Es ist auch dieses Mal wieder schwierig, in der ersten Nacht in eine Routine zu finden. Alles ist noch zu aufregend und wir sind auch einfach von den ganzen Urlaubsvorfreudegefühlen noch zu aufgedreht, um in einen vernünftigen Rhythmus zu finden. So sind unsere Schlafphasen zu kurz und zu unregelmäßig und so gucken wir gegen 4:00 der aufgehenden Sonne recht geschreddert beim Aufgehen zu.
Der Wind läßt über Nacht nur etwas nach und wir fahren mit einem schönen 16 kn Westsüdwest in den Kattegat ein. Grenaa nehmen wir nochmal etwas enger, um guten Handy-Empfang zu bekommen. Das klappt auch bestens und kurz darauf vergleichen wir die Gribs von Predictwind und vom DWD. Wir diskutieren die Route durch den Limfjord oder die direkte und geplante Route um Skagen herum. In der aktuellen Wetterlage spricht nicht viel für dem Limfjord, außer vielleicht das respektvolle Gefühl eines Ostseeseglers vor der Nordsee, die mit dem Skagerrak ja definitiv beginnt. Fahren wir durch den Limfjord, bleiben wir zunächst in bekannten Ostseesegler-Revierbedingungen. Umrunden wir Skagen, kommt was Neues. Klar sind wir schon auf der Nordsee rumgesegelt, aber das ist schon wieder einige Zeit her und unser Respekt vor den Bedingungen der Nordsee ist dadurch nicht kleiner geworden. Wettertechnisch könnte es passen, wir könnten vor einem ersten Starkwindausläufer unseres Tiefs bei England Kristiansand erreichen. Kristiansand ist für diesen Schlag dann aber wirklich maximal, dort müssen wir uns irgendwo verkriechen und mal schauen, was dann so kommt. Also rum um Skagen. Aber vorher wartet noch der ganze Kattegat auf uns und der ist groß, richtig groß!
Im Kattegat dreht der Wind langsam auf eher südliche Richtungen und flaut noch etwas ab. Das beschert uns eine wunderbar ruhige Nacht, in der wir all den Schlaf nachholen, den wir in der ersten Nacht vertrödelt haben. Mit 4 bis 5 kn im Schnitt pirschen wir uns an Skagen heran. Alles läuft problemlos, die Frachter weichen bereitwillig aus und in den Heerscharen von Fischern vor und hinter Læsø findet sich irgendwie auch immer eine Lücke für uns.
Um 5:00 früh sind wir pünktlich zum Wachwechsel vor Skagen. Hier wollen nicht nur wir ums Eck, sondern auch all die Dicken, die aus der Ostsee kommen oder hinein wollen. Unser AIS zeigt uns auf einem Kollisionskurs nach dem anderen, aber alle Dicken fahren großräumig um uns herum. Erstaunlich ist der Farbwechsel des Wasser.
Das türkise Nordseewasser will mit dem graugrauen Ostseewasser gar nichts zu tun haben und die beiden machen einen auf „klare Kante“. Leider kommt uns das frische Nordseewasser recht kräftig entgegen, was uns gleich mal 1,5 kn Fahrt kostet. Die wechselnden Strömungen begleiten uns die ganze Zeit auf dem Skagerrak, aber wir können kein Muster erkennen. Von einer Minute zur anderen fährt’s plötzlich nicht mehr so richtig, und eine Stunde später sausen wir wieder mit ordentlichen Strömungsantrieb dahin.
Immer wieder haben wir auch ekelige Kreuzseen. Keine zwei Wellen können sich da mal auf eine Richtung einigen. Erst nach der Hälfte der Strecke Richtung Kristiansand werden die Wellen höher und länger. Wie angenehm ist das denn? Nicht mehr diese ruppigen Ostseewellen, die ständig alles nass machen wollen. So gleiten wir teilweise in bestem Sonnenschein der Norwegischen Küste entgegen.
Leider dreht der Wind immer etwas weiter auf Ost, so dass wir am Ende sogar Butterfly auf dem Skagerrak segeln. Butterfly auf dem Skagerrak ist hier aber nicht wirklich die angenehmste Segelstellung. Also halsen wir und nehmen Grimstad auf’s Korn.
Die Einfahrt ist etwas tricky und wir brauchen lange, um das richtige Schlupfloch auch wirklich sicher zu identifizieren. Wir beide kenne solche Navigation ja noch mit Papierkarten. Gott sei Dank gibt es heute elektronische Karten, auf denen man immer ganz genau sieht, wo man ist. Trotzdem ist es schwierig, die Wahrheit im Fernglas mit der elektronischen Wahrheit in Deckung zu kriegen. Aber in jedem Fall ist die elektronische Navigation ein Segen für den Ehefrieden an Bord, denn das GPS hat neben der tatsächlichen Position auch eine ordentlich Portion Objektivität in die Navigationsemotionen segelnder Ehegatten gebracht ?.
In Grimstad machen wir dann um 19:00 fest und nehmen ein winziges Schlückchen Rotwein auf unser unverschämt riesiges Wetterglück.
in Grimstad (Norwegen)
54° 20 27,0″ N, 8° 35′ 45,0″ E