Wie gesagt, vorgestellt hatten wir uns dieses Wochenende ganz anders. Samstagnachmittag bereiten wir uns nun auf Herwart vor. Eigentlich reichen uns ja schon seine Vorboten, aber ab 2:00 in der Nacht soll es richtig zur Sache gehen. Etwas mehr als 50 kn sind für Heiligenhafen angekündigt. Vor 3 Jahren haben wir hier schon einmal einen Frühjahrssturm dieser Größenordnung abgewettert. Damals lag die Spitze bei 61 kn. So etwas hatten wir bis dahin noch nie erlebt. Wenn es über 50 kn geht, dann geht fast nichts mehr und für alles, was bis dahin nicht vorbereitet ist, ist es dann eigentlich zu spät. Oberhalb von 50 kn ist der Wind immer der Stärkere.
Der Wind ist aber nur ein Problem. Der Wasserstand und die Wellen sind unter Umständen noch schlimmer. Kaum ein Festmacher bricht, nur weil ein Orkan an dem Schiff zieht. Das ständige Reißen und Rucken durch die Wellen gibt den Festmachern, Pollern und Stegen den Rest. Samstagabend ist der Wasserstand so hoch, dass wir trotz unseres niedrigen Bugspriets nicht mehr vom Steg an Bord kommen. Der Bugspriet schwebt auf Brusthöhe vor uns. Samstagvormittag mussten wir noch 15 cm heruntersteigen. Das ist nun immerhin ein Unterschied von rund 1,50 m! Erstaunlich. Der Wind läßt das Wasser in der Ostsee ganz schön hin und her schwappen, eine Tide ist ja nur theoretisch vorhanden.
Als es dunkel wird, haben wir die PINCOYA in ein Spinnennetz aus Festmachern gelegt. Auch unser Motorboot-Nachbar in Luv hat noch einige Leinen ausgebracht. Da wir seit dem Sturm vor 3 Jahren eine Vorstellung davon haben, was da kommt, vertäuen wir uns in einem Mix aus Dalben und Pollern. Den Pollern hier trauen wir nicht mehr so recht über den Weg. Das Hochwasser macht allerdings auch die Dalben am Steg gefährlich, denn diese Dalben haben keine Ringe oder Haken. Steigt der Wasserspiegel, können die Leinen leicht herunterrutschen, gerade wenn das Schiff etwas hochbordiger ist, wie das Motorboot neben uns.
Herwart ist pünktlich. Kurz nach Mitternacht geht es los. Es ist stockfinster und die Gischt der brechenden Wellen am Außensteg mischt sich problemlos mit dem waagerechten Regen. Wenn man kaum etwas sehen kann, ist der Lärm des Windes noch beeindruckender. Etwas unheimlich ist das schon. Gerade wenn man nicht recht weiß, wie es nun weitergeht und ob sich Herwart tatsächlich an die Vorhersagen hält.
Bei Boat&Living, der Nachbarwerft, sieht man Taschenlampen und der Fischer leuchtet mit dem Fernlicht seines Transporters auf die wild tanzenden Boote. Man versucht dort, alle Schiffe noch einmal zusätzlich zu sichern. Für einige kommt jedoch auch dort jetzt schon die Hilfe zu spät. Inzwischen läuft die Welle ziemlich direkt in die beiden Einfahrten der Werfthäfen ein. Es ist maximal blöd. Obwohl auch auf der PINCOYA keine Tasse mehr auf dem Tisch stehen bleibt, liegen wir vergleichsweise ruhig.
Immer wieder checken wir unsere Festmacher. Der Wind fällt kaum noch unter 40 kn und knabbert immer länger an den 50 kn herum. Dann 51, 54 und die Spitze mit 58 kn. Der Wind brüllt und die Gischt fliegt waagerecht durch den Hafen. Das ist schon der echte Wahnsinnsoberhammer! Segeln ist ja schön, aber soviel Wind braucht ja nun wirklich keiner. Wenn man nicht aufpasst und sich nicht irgendwo festhält, wird man einfach von Bord geblasen. Irgendwann mache ich mich auf, um die Leinen der beiden Segler zu checken, die voll im Schwell der Einfahrt liegen. Die liegen echt übel, das ist wie Rodeo. An Bord finde ich noch weitere Leinen, was aber am Ende auch nichts hilft, denn auch die werden reißen. Bei der Siri sieht’s noch gut aus, der haben wir schon gestern einige zusätzliche Festmacher verpasst, zur My Solution am Außensteg traue ich mich ehrlich gesagt nicht mehr hin, aber im Scheinwerferlicht scheint alles weitgehend ok zu sein.
Der Wind brüllt und brüllt und brüllt. Erst gegen Mittag läßt er merklich nach, aber trotzdem geht es den ganzen Sonntag mit runden 30 kn weiter. Am Morgen zeigen sich die Schäden. Viele Festmacher und auch wieder einige Poller haben Herwart nicht überstanden. Zusammen mit einem tatkräftigen Eigner und dem Hafenmeister können wir alle losgerissenen Schiffe soweit wieder einfangen und festmachen, dass sie sich nicht mehr gegenseitig zerdölmern. Den beiden Außenliegern kann erst am Sonntagabend geholfen werden, die arbeiten sich den ganzen Tag am Außensteg ab. Alle Luv-Leinen sind gebrochen und fast alle Fender sind platt, da gibt es kein Halten mehr. Auch die außenliegenden Hausboote krachen Stunde um Stunde ungebremst in den Außensteg.
Erst in der Nacht zum Montag wird es wirklich ruhiger. Es sind zwar immer noch an die 20kn Wind, aber wie ruhig ist das gegenüber den letzen zwei Tagen. Volle 2 Tage hat’s hier nun ordentlich gestürmt, so ein Aufwand wäre für unser Abschiedswochenende hier in der Yachtwerft Heiligenhafen wirklich nicht nötig gewesen.
Am Montagvormittag fahren Christian & Nicole dann mit der My Solution rüber nach Fehmarn zum Kranen. Der Ableger ist noch einmal etwas tricky, aber die Saison ist nun auch wirklich zu Ende und es ist Zeit zum Kranen. Der Außensteg ist ja ohnehin ziemlich mitgenommen und Poller gibt es dort jetzt auch kaum noch. Also höchste Zeit, um sich ins Winterlager zu verlegen.
in Heiligenhafen / Ortmühle in unserer (Noch-)Heimatbox
54° 22′ 20,4″ N, 11° 00′ 15,7″ E