Heiligenhafen / Ortmühle -> Burgstaaken Start: 7:45 Ende: 9:35 Wind: S 15 kn Distanz: 10,2 sm Gesamtdistanz: 10,2 s
Gott sei Dank sind Männer und Frauen in vielen Dingen ja doch recht unterschiedlich. Wenn man – oder eben Mann – nun darüber nachdenkt, fallen einem ja tatsächlich die unterschiedlichsten Unterschiede dazu ein, aber es gibt einen Unterschied, der ist elementar. Hier stößt die Gleichberechtigung definitiv an ihre physikalisch-kognitiven Grenzen. Es gibt wohl keinen Mann in der westlichen Hemisphäre, der nicht schon mindestens einmal auf diesem Gebiet von einer Frau gerettet wurde und so auch vor Schlimmeren bewahrt wurde. Wobei es natürlich auch Männer gibt, die einer ständigen Fürsorge auf diesem Gebiet bedürfen und damit sozusagen eine Art Dauerrettungssobjekt verkörpern.
Frauen verfügen über eine natürliche Fähigkeit, Fahrpläne lesen zu können und auch sofort, quasi im Vorhinein, alle davon abhängigen Abhängigkeiten schon vorauseilend verstanden zu haben. Dies hört sich nicht nur nach Futur III an, dies ist Futur III, obwohl die Germanistik das komplett vollendete Verständnisfutur bis heute beharrlich ignoriert. Und genau diese Fähigkeit haben Männer eben nicht. Männer können zwar aufgrund ihrer männlichen Beharrlichkeit gewisse Trainingsfortschritte erzielen und dadurch auch wirklich bemerkenswerte Erfolge für sich verbuchen, aber die unbeschwerte Leichtigkeit, mit der Frauen Fahrpläne lesen, verstehen und Abfahrtszeiten in den realexistieren Alltag herauskristallisieren, bleibt für sie ewig unerreichbar.
Dies ist heute mein Glück und meine Rettung. Denn es ist kalt, regnerisch und stockdunkel, als wir um 19:37 die Stadtpark-Haltestelle in Burg auf Fehmarn erreichen. Hier soll um 20:13 einer der vom Aussterben bedrohten Schleswig-Holsteiner Nahverkehrsbusse vorbeikommen, der uns dann wieder zurück nach Heiligenhafen bringen soll. Denn wir haben Henry samt Anhänger am Hafen von Burgstaaken abgestellt und müssen nun zurück zur PINCOYA, um die Dame bei Weilandt in den Winterschlaf kranen zu lassen.
Schon seit dem letzten Wochenende lastete diese Aktion schwer auf meinem Gemüt. Die letzten Jahre war ich im Frühjahr und Herbst fast ausnahmslos mit dem Fahrrad zwischen Burgstaaken und Heiligenhafen gependelt. Schließlich stehen wir ja zum Saisonbeginn und zum Ende immer vor dem Problem, das Henry der PINCOYA irgendwie hinterher oder vorweg fahren muss. Das hätte man eigentlich auch dadurch lösen können, dass einer von uns mit der PINCOYA fährt und der andere mit Henry. Aber das wollten wir noch nie. Wir möchten den letzten und ersten Schlag einer Saison, genauso wie alle anderen Trips, Touren und Schläge der Saison zusammen machen.
Also habe ich die letzten 3 Tage immer mal wieder versucht, eines dieser aussterbenden Nahverkehrsexemplare aus Schleswig-Holstein zu finden. Aber Ostholstein ist nicht nur der Prototyp einer Nahverkehrswüste, es ist das realexistierende Nahverkehrsvakuum, dass durch vollkommen unbrauchbare Internetseiten nur noch verstärkt wird, obwohl diese zunächst eine gewisse Besserung in Aussicht stellen. So ist meine Scheitern ebenso absolut und vollumfänglich wie niederschmetternd. Die Aussicht auf eine apokalyptische Fahradtour, auf der mich eine stockfinstere Novembernacht mit Kälte und Regen umschließt, während ich wieder irgendwo zwischen Wulfen und Aventorf falsch abbiege und die Irrlichter am Horizont für die Lichter der Fehmarnsundbrücke halte, die allerdings zu diesem Zeitpunkt schon hinter mir ungesehen am Horizont verschwinden, beflügelt mich nicht übermäßig.
Am Donnerstagvormittag, von meinen Arbeitskollegen habe ich schon hinreichend Mitleid bekommen, da solch ein Horrortrip bei weitem die Vorstellungskraft eines normalen Sparkasseninformatikers überschreitet, sagt Astrid: „Ich schau mal!“. Keine 10 Minuten später blinkt der Chat mit „20:13 Stadtpark Burgstaaken…. müssten wir doch schaffen, oder?“
Vielleicht haben Frauen ja auch Zugriff auf ganz andere Bereiche im Internet. Ich weiß es nicht. In meinem Internet gab es diese Informationen wenigstens nicht. Vielleicht hat Astrid diese Informationen auch erst eben durch ihre Suche aktiviert und die waren bis dahin für Männer unsichtbar. Aber egal. So packen wir das Fahrrad am Donnerstagabend nicht ein, stehen am Freitag um 19:37 überpünktlich an der Stadtpark-Haltestelle und werden tatsächlich um 20:13 von einem etwas mürrisch-missmutigen Busfahrer zurück nach Heiligenhafen gefahren.
Der Rest der Einwinterungsszeremonie ist Routine. Am Samstag fahren wir in aller Herrgottsfrühe rüber nach Burgstaaken, genießen den kalten Novembermorgen und noch ein wenig mehr den heißen Tee. Bei Weilandt läuft alles wie gewohnt routiniert ab. Insgesamt haben wir Glück mit dem Wetter, da aber für Sonntag Dauerregen angesagt ist, machen wir noch am Samstag alles soweit fertig, das die PINCOYA am Montag in die Halle kommen kann. Ziemlich spät brechen wir zurück nach Hannover auf und können den tatsächlich völlig verregneten Sonntag entspannt durch unser Wohnzimmerfenster betrachten.
im Winterquartier
54° 22′ 20,4″ N, 11° 00′ 15,7″ E