Nach kurzen Hin und Her buchen wir doch noch einmal ein Hotelzimmer für die Nacht vom Donnerstag auf unseren Kranfreitag, denn wir sind ja nicht gerade die Prototypen von Frühaufstehern. Lieber Donnerstag spät fahren als Freitag versuchen, vor dem Berufsverkehr Hamburg zu nehmen. Dann müssten wir nämlich zuhause wirklich früh starten und wirklich früh geht noch weniger als früh. So stopfen wir noch am Donnerstag schnell nach der Arbeit Henry und auch den Anhänger voll und truckern mit unseren Schwerlast-Mini-Transportgespann in Richtung Norden.
Ich bin etwas angeschlagen, ein bösartiger Grippevirus hat mich angefallen und fest in den Würgegriff genommen. Keine guten Voraussetzungen, um bei dieser Kälte die nächsten 3 Tage im Freien zu arbeiten. Zudem zeigt sich mein Grippegast von den üblichen Apothekenmittelchen wenig beeindruckt und ist unverkennbar vom Stamm der Maximus-Schlappus-Viren, einer besonders hinterhältigen Virusart. Und genauso fühle ich mich auch.
Kranfreitag, 23.03.:
Immerhin haben wir durch unsere Anreise am Donnerstag Zeit gewonnen und können alles in Ruhe fertig machen. Das kommt meiner Gesamtverfassung sehr entgegen, denn ich bin nicht gerade ein Quell sprudelnder Agilität und all meine Gedanken schlappen eher lustlos in meinem Kopf herum, was mich nicht gerade zu Höchstleistungen antreibt.
Aber um 13:30 schwimmt die PINCOYA wieder und um 14:00 steht auch der Mast. Alles funktioniert und alles ist auch dicht. Besonders die neue Logge, die beobachten wir sehr kritisch, aber auch dort zeigt sich kein einziges Tröpfchen von dem kalten Ostseewasser. Nach unserer Negativserie über den Winter ist das schon etwas überraschend, wir hatten eigentlich klammheimlich mit weiteren Schwierigkeiten gerechnet. Als dann nachmittags sogar noch die Sonne rauskommt, schließen wir schnell die Gasflasche an, machen uns einen Tee und atmen durch.
Fertig! Na ja, – ok, – fast fertig. Aber die Saison 2018 hat begonnen. Vor uns liegt die aufregendste und längste Segelsaison, die wir je hatten. Seit dem Kauf der PINCOYA haben wir genau 8 Jahre auf diesen Tag hingearbeitet. Am 27.03.2010 haben wir die PINCOYA in Wiesbaden übernommen und seit diesem Tag sind unsere Gedanken, Ideen und Träume zu dieser Zeit, die nun just in diesem Augenblick beginnt, immer konkreter geworden. Nun ist es kein Traum mehr, denn nun ist die Zeit da und wir können sie anfassen. Was haben wir alles an der PINCOYA verändert und erneuert! Wenn wir uns umschauen, kann man die einzelnen Punkte gar nicht mehr aufzählen. Vor einigen Wochen fragte uns ein Segelkollege, wieviele Stunden Arbeit wir denn in unser Schiff gesteckt hätten. Die Frage war uns ehrlich gesagt noch gar nicht so richtig gekommen und eine echte Antwort darauf hatten wir darauf auch gar nicht. Wir können das nur überschlagen, denn man kann davon ausgehen, dass wir jede Wintersaison rund 5 mal für je 3 Tage an der PINCOYA gearbeitet haben. Das wären dann 8 Wintersaisons x 5 Arbeitswochenenden x 3 Tage x 8 Stunden x 2 Personen. Das ergibt unglaubliche 1920 Stunden! Und dies ohne die 8 Kranwochenenden raus und ohne die 8 Kranwochenenden rein und ohne all die vielen Stunden im Keller, in denen Regale, Holzblenden, Schlingerleisten, Halterungen uvm. entstanden und unzählige Teile neu lackiert wurden. Eine solche Zahl mag man gar nicht mit irgendeinem Gesellenlohn multiplizieren, da einem sonst schwindelig wird.
Und nun haben wir mit der PINCOYA ein Schiff um uns herum, was genau so ist, wie wir es haben wollen. Und es ist fast ausschließlich nur durch uns selbst so geworden und anders hätten wir es uns auch niemals leisten können.
So sitzen wir nun zufrieden mit unserem Tee im Cockpit in der Sonne und lassen etwas Zeit von diesem Moment ins Hafenbecken von Burgstaaken rieseln.
Burgstaaken -> Heiligenhafen/Ortmühle Start: 17:00 Ende: 18:45 Wind: NE 10 kn Distanz: 10,2 sm Gesamtdistanz: 10,2 sm
Noch am Freitagabend fahren wir rüber nach Heiligenhafen. Vor Burgstaaken empfängt uns ein schneidend kalter Nordost, dem wir Gott sei Dank kurz darauf den Rücken zudrehen können, um durch die Fehmarnsundbrücke zu fahren.
Super glücklich beobachten wir, wie unser Garmin inReach einen Punkt nach dem anderen via Satellit in die Karte von SpotWalla sendet. Astrid hatte zufällig die Sat-Tracking-Darstellung von SpotWalla gefunden und ausprobiert. Und SpotWalla macht die Darstellung nun genau so, wie wir uns das von der Garmin-Seite bzw. dem Vorläufer von DeLorme gewünscht hätten. Wir hatten ja auf Besserung bei Garmin gehofft, aber nun haben wir SpotWalla gefunden und sind damit super zufrieden. Zudem ist SpotWalla eine Freeware und hat nur die Bitte, dass man freiwillig etwas spendet, wenn man mit der Software zufrieden ist. Das haben wir natürlich gerne gemacht, denn sonst müßten wir uns ja immer noch über die Garmin-Page für den inReach ärgern, die immer noch unverändert auf dem grottenschlechten DeLorme-Niveau verharrt. Deswegen findet ihr nun auch auf der ersten Seite unserer Homepage nur noch die Karte von SpotWalla.
Samstag, 24.03.:
Der Samstag vergeht mit den Großigkeiten “Frischwassersystem reinigen”, “Kutterrigg endlich richtig stellen” und “Mastabspannen” und einer Unmenge von Kleinigkeiten. Meinem Grippevirusgast geht es nach wie vor bestens, er fühlt sich durch die Arbeit in der Kälte eher angeregt und zeigt keinerlei Mitleid. Immerhin steht mittags das Kutterrigg erstmals so, wie es stehen soll, ohne dass man lange Litaneien benötigt, um die ungewöhnliche Mastbiegung oberhalb des Kutterstags zu begründen, und ohne dass das Genua- oder Kutterstag schlackert. Nun stehen beide Stagen gleich stramm durchgesetzt und der Mast hat keinen übertriebenen Fall mehr nach achtern. So hatten wir uns das eigentlich eingangs auch vorgestellt. Und eigentlich ist jetzt auch alles wieder so wie vorher, nur eben mit 2 Vorstagen. Ein Laie braucht eben für die Dinge, die für Experten unmöglich scheinen, dann doch manchmal etwas länger. Aber nun ist es so, wie es sein soll und sein muss.
Samstag Abend gibt es ein Saison-Auftakt-Labskaus-Essen auf „De grote Siri“. De grote Siri schwimmt auch schon wieder und die My Solution wird gerade noch zum Wasserlassen klar gemacht.
Sonntag, 25.03.:
Das Wetter ist zwar nicht überschwänglich, aber freundlich. Immerhin regnet es nicht, denn es könnte ja auch schneien. Aber das tut es auch nicht und so setzen wir bei naturtrüben 5 °C die Segel. Ganz zaghaft versucht nun auch wieder die Ordnung zurück an Bord zu kehren und wir haben am Sonntag Abend tatsächlich das Gefühl, das am Horizont etwas Licht durch das Chaos schimmert.
wieder zurück in der Yachtwerft Heiligenhafen, diesmal ohne Heimatliegeplatz und nur kurz als Gast
54° 22′ 20,4″ N, 11° 00′ 15,7″ E