Donnerstag 19.04.:
In Leba ist die Saison definitiv noch am Erwachen. Nicht nur im Hafen, wo der Hafenmeister erst noch die letzten Ausleger an die Schwimmstege schraubt, sondern auch in Leba selbst. Fast alles schläft noch in einem tiefen Winterschlaf. Aber auf einigen Restaurantterrassen stehen auch schon die Besitzer mit Pinsel und Farbtopf und tünchen sich der jungen Saison entgegen. Es wird gepinselt, geputzt und gefegt und das ein oder andere Balkonblümchen findet mit Hilfe der Dame des Hauses auch schon mal eine neue Heimat vor einem Restaurant oder Laden.
So komisch es klingt, aber Leba macht auf uns einen fast mediterranen Eindruck. Die Straßen sind gesäumt von Restaurants, Hotels, größeren Läden und kleinen Buden und diesen Mini-Läden, die vollgestopft sind mit einem Zeug, dass nur Touristen kaufen, wenn sie in Urlaubsstimmung sind. Die ersten fliegenden Stände der Saison werden auch schon wieder zaghaft reaktiviert. In Spanien und in der Türkei haben wir das ganz ähnlich gesehen. Tourismus pur! Hier muss im Sommer der Bär los sein und vor all diesen Restaurants und Läden stehen dann bestimmt auch diese „Animationstypen“, die einen anquatschen, total vertraut tun, absolut lustig rüberkommen wollen und einen zum Geldausgeben reinlocken wollen.
Aber noch sind wir die einzigen Touristen und bleiben unbehelligt. Und ganz sicher sind wir dieses Jahr auch die erste Segelyacht im Hafen von Leba. Ende März habe ich noch Eis auf der Hafen-Webcam gesehen. Und so kommen wir auch fast ganz oben in das neue Hafenbuch 2018 des Hafenmeisters. Der Hafen und seine Einrichtungen sind absolut ok und die Hafengebühr von 40 zl (9,60 €) ist ein Witz gegenüber den heutigen Preisen von deutschen oder dänischen Marinas.
Aber eines fällt uns in Leba auch noch sehr positiv auf. Auch wenn alles hier etwas mediterran-touristisch anmutet und alles nicht so ganz dem Luxusstandard von Deutschland, Dänemark oder Holland entspricht, … es ist hier sauber. In den mediterranen Länder liegt auf jeder Brachfläche Müll und wenn sich erst einmal niemand darum geschert hat, dann kommt in Windeseile noch mehr Müll dazu. Man hat dort das Gefühl, dass Dosen, Plastikflaschen, Schutt und Müll genau dort landen, wo gerade keiner hinguckt. Klar gibt es in Leba und auch gerade am Kanal zur Ostsee Industriebrachen. Aber es ist grundsätzlich alles sauber. Offensichtlich wirft hier nicht jeder seinen Müll einfach so in die nächste Ecke, und schert sich ´nen feuchten Kehrricht darum, wie es im Ort und um ihn herum aussieht. Da könnten sich die Mediterraneans schon noch etwas in Sachen von nachhaltigem Tourismus abgucken oder wenigsten in Sachen Umweltschutz und Erhalt der eigenen Umwelt.
Am Donnerstagnachmittag ziehen immer wieder dicke Seenebelfelder durch den Hafen. In der Sonne ist es wirklich schön und angenehm warm. Ein erster Vorgeschmack auf den Sommer! Wenn allerdings wieder einmal so ein Seenebelfeld vorbeischaut, dann ist es, als ob die „kalte Sophie“ zum Kuscheln kommt. In einer Sonnenphase, fast hätte ich Sommerphase geschrieben ?, nehmen wir im Cockpit unser zweites Bier auf dieser Reise. Bisher war es einfach zu kalt und es hat immer nur Tee in allen Variationen gegeben. Dass wir Tee nun als erstes wohl nachkaufen müssen, ist uns auch auf noch keiner Reise passiert.
Freitag 20.04.:
Ursprünglich wollten wir ja wegen der Düne nach Leba. Die Düne bei Leba ist die größte noch aktiv herumwandernde Wanderdüne an der pommerschen Ostseeküste. Natürlich versucht man ihre Wanderlust etwas einzudämmen, das gelingt aber nur mäßig. Die Düne beginnt ca. 8 km westlich von Leba.
Da wir weder irgendwelche Shuttle-Busse, noch einen Fahrradverleih, noch sonst irgendetwas finden, dass nach „Touristendünentransport“ aussieht, packen wir unseren Rucksack, denken an die Wanderlust von Ute und brechen zu Fuß in Richtung Düne auf.
Bis Rapka geht es auf einem Wanderweg durch den Wald, an einer kleinen Zufahrtsstrasse entlang. Das zieht sich schon ziemlich lang hin und wir wollen lieber gar nicht daran denken, dass hinter Rapka noch einmal 5 km Wanderweg auf uns warten.
Die Düne liegt auf einer dünnen Nehrung zwischen Ostsee und dem Lebsko See. In Rapka erreichen wir den See und einen Aussichtsturm. Hier haben wir auch noch alles für uns allein ? und sind wieder einmal froh, doch so früh in der Saison schon hier zu sein ?. Der Parkplatz ist definitiv für deutlich mehr Tourismus ausgelegt.
Das Wetter ist phantastisch, kein Seenebel weit und breit und die warmen Pullover und Jacken drücken im Rucksack nutzlos vor sich hin.
In Rapka kommt es dann aber auch zur Erlösung, denn der Fahrradverleih hat schon geöffnet! ? Die Entscheidung fällt nicht wirklich schwer und so setzen wir unsere Wanderung auf zwei recht betagten und nicht richtig zu unseren Beinen passenden Damenfahrrädern fort. In jedem Fall kommen wir nun schneller voran, aber ob das nun weniger anstrengend ist, dazu hat Astrid ihre eigene Meinung ?.
Gegen Mittag sind wir an der Düne und beginnen den Aufstieg. Leider ist die Landseite der Düne die steilere Seite, denn dort purzeln die Sandkörner wieder herunter, wenn sie der Seewind die flache Seeseite erst einmal hochgepustet hat. Es ist ein unglaublich wunderschöner, sehr feiner und weicher Sand. Ähnlich wie auf der Dune Pilat in Frankreich. Übrigens latscht die Düne heute noch gut 12 m im Jahr in Richtung Südosten. Dazu braucht es allerdings einen Wind von wenigsten 18 km/h. Dann beginnen die Sandkörnchen seeseitig die flache Seite heraufzupurzeln und können sich dann munter auf der Leeseite fallen lassen und so stickum alles unter sich begraben, was dort so ist. Dörfer, Wälder, Wege, Strassen und Touristen, wenn die nicht schnell genug das Weite suchen.
Die Düne ist phantastisch und absolut beeindruckend. Stauend laufen wir über die Sandmassen der polnischen Sahara.
Leba -> Hel Start: 18:30 (20.04.) Ende: 6:15 (21.04.) Wind: SE – W 10 – 18 kn Distanz: 58,4 sm Gesamtdistanz: 332,7 sm
Gegen 16:30 sind wir zurück auf der PINCOYA und bereiten nach einem kleinen Nachmittagsschläfchen unsere Abfahrt vor. Heute Nacht soll es wirklich bis Hel gehen. Noch ist es mehr oder weniger windstill, aber später soll es etwas auffrischen und über Süd auf West drehen. Das passt.
Draußen erwartet uns allerdings ein leichter Nordostwind. Der passt noch nicht ganz zu unserem Ziel. So gehen wir hoch an den Wind und stellen den Autopiloten auf einen Windwinkel von 40 Grad.
Seit wir nun auch den Windsensor und die Logge von B&G haben, können wir auch wieder nach Windfahne fahren. Das ging mit dem alten Raymarine zwar auch, aber eben eher mäßig als toll, weil der Bursche ja schon ziemlich in die Jahre gekommen war. Nun funktioniert der Windmodus mit dem neuen B&G-System wirklich toll. Gerade vor dem Wind oder hart am Wind ist das eine supertolle Erleichterung und auch sicherer, als wenn der Schiffsjunge steuert oder wir nur nach Kurs fahren.
Langsam, ganz langsam dreht nun der Wind auch tatsächlich nach Süd und unser Kurs wird automatisch immer östlicher. Es steht keine Welle, die See ist fast so flach wie ein frisch gebügeltes Bettlaken. Der Wind weht mit 7 bis 9kn und die PINCOYA macht daraus unglaubliche 3,5 bis 4,5kn Fahrt. Nur ganz leise plätschert der Rumpf durch die See und wir fahren in eine phantastische Nacht hinein. Diesmal hab ich die erste Wache und sitze fast die ganze Zeit im Cockpit, um keine Sekunde dieser Stille zu versäumen. Es ist unglaublich, aber solche Nachtfahrten gibt es eben auch und hoffentlich haben wir diesen Sommer davon noch ganz viele.
Zu Astrids Wache um 23:00 hat der Wind schon auf SSW gedreht und ordentlich aufgefrischt. Wir sind mit 6 bis 7 kn zu schnell. Zu schnell für eine ruhige Nachtfahrt und zu schnell für Hel. Dort wollen wir nicht im Dunkeln ankommen. Also nehmen wir die Genua weg, holen für alle Fälle schon mal die Backstagen nach hinten und binden ein Reff ins Groß. Nur mit Groß fahren wir immer noch knapp über 5 kn. Das reicht völlig, deswegen haben die Vorsegel auch weiterhin frei.
Das alleinige Groß ist ohnehin unsere Lieblingsnachtbesegelung. Es ist sehr einfach zu handhaben, leise ohne ein Schlagen und zudem sehr effektiv.
Wir kommen zügig voran und segeln vollkommen allein an der Küste Hels entlang dem Kopf der Halbinsel entgegen. Um 2:30 übernehme ich wieder und muss dann schon kurz nach 5:00 wieder Astrid wecken. Wir sind schon fast da.
Der Wind hat sich inzwischen bei 5 Beaufort eingependelt und die See ist ruppig geworden. Gerade noch in der Abdeckung von Hel gehen wir etwas weiter unter Land und nehmen dort dann die Segel runter. Die letzten 3 sm drücken wir uns unter Motor gegen den Wind um die Ecke, für eine Einfahrt unter Segeln ist dieser Morgen uns dann doch noch etwas kalt.
in Hel
54° 36′ 6,7″ N, 18° 47′ 58,6″ E