Montag und Dienstag; 14. + 15.05.
Kihnu -> Puhtulaid (A) Start: 12:10 Ende: 19:40 Wind: na ja, irgendwie schon, aber… 3 – 8 kn Distanz: 33,1 sm Gesamtdistanz: 906,8 sm
Von Kihnu aus fahren wir weiter in den Norden. Saaremaa lassen wir aus, da wir schon 2016 in Kuressaare waren. Dieser eine Besuch in Kuressaare reicht natürlich bei Weitem nicht aus, um Saaremaa, die ja immerhin die größte Insel Estlands ist, kennenzulernen.
Und dann liegen hier ja noch einige weitere Inseln herum, die man eigentlich auch besuchen müsste. Bis man sich dieses tolle Segelrevier halbwegs erschlossen hat, kann man sich hier in der Inselwelt Estlands schon Wochen, wenn nicht Monate aufhalten.
Aber unsere diesjährige Ostseerunde ist am Ende in jedem Land auch ein Kompromiss, denn um alles hier in der Ostsee richtig zu sehen, würde man Jahre brauchen. Deswegen bleibt es zwangsläufig bei Schlaglichtern auf unserer Ostseerunde, denn jedes Jahr, das wir hier in der Ostsee verbringen, kostet uns am Ende auch ein Jahr, um den Rest der Welt zu sehen. Und wir möchten unseren seglerischen Radius schon noch jedes Jahr sukzessive etwas weiter stecken. So schön es hier auch ist und so interessant uns auch die Ecken locken, die wir dann doch nicht besuchen können.
Je weiter wir in den Norden kommen, desto enger werden die Fahrwasser. Teilweise gibt es dort nur noch enge Schlupflöcher zwischen all den Untiefen und Steinen, durch die man irgendwie durch muss, um dann manchmal wieder etwas freier weiter nach Norden zu kommen. Wenn man so über die riesigen Wasserflächen schaut, dann kommt einem das etwas unwirklich vor, aber die Fahrwasser sind hier wirklich ernst gemeint.
Noch sind wir aber etwas weiter im Süden und nördlich von Kihnu öffnet es sich wieder etwas und man könnte hier auch großzügig aufkreuzen. Das müssen wir aber gar nicht, denn wenn Wind da ist, ist er auch mit uns. Das Wetter ist traumhaft und vor fast 14 Tagen haben wir auf dem Weg nach Pavilosta das letzte Mal eine Wolke gesehen. In der Hochdrucklage kommen wir zwar nur langsam voran, aber wir kommen meistens trotzdem unter Segeln voran.
Gegen Abend stellt sich die Frage „Wohin“. Auf Hafen haben wir beide eigentlich keine Lust, obwohl die Insel Muhu direkt vor unserer Nase liegt. Die Sache mit dem Ankern ist aber auch so ein Ding, denn ein wirklich einfaches Ankerrevier ist Estland wegen all der Untiefen und Steinen nicht gerade. Nach einiger Sucherei entscheiden wir uns dafür, in der Bucht südöstlich von Puhtulaid den Anker fallen zu lassen.
Südlich und nördlich der Einfahrt liegen zwar kleinere Fischfarmen und weiter innen stehen auch Netze, aber da kommen wir gut durch und in der Mitte der Bucht, gut 300 m vor einem dicken Stein, der gut anzeigt, das da Schluss ist, haben wir genug Platz, um zu ankern. Zum ersten Mal hält unser Anker nicht auf Anhieb. Der Meeresboden scheint eine einzige Geröllhalde zu sein. Man hört das schon am Kratzen der Kette. Da hat er Schwierigkeiten sich festzubeißen. Beim zweiten Anlauf geben wir maximal Kette, so dass der Zug noch viel flacher ansetzt und ziehen total vorsichtig, bis er greift. Dann sitzt er und wir können unter Motor nochmal ordentlich ziehen und ihn einfahren.
Und weil es hier so ruhig und beschaulich ist, genießen wir nicht nur den Abend hier, sondern bleiben auch gleich noch den ganzen nächsten Tag. Obwohl der nächste Ort Virtsu ja nur knapp 4 Kilometer entfernt ist, ist es absolut ruhig. Vom Ufer kommen die komischsten Geräusche. Wildvögel können das nicht sein, aber immerhin soll es ja in Estland auch noch einige Tausend Elche, noch viel mehr Rotwild und eben auch noch gut 600 Braunbären geben. Mal ganz abgesehen von den Luchsen, Wölfen, Bibern und Mardern. Wir entscheiden uns dafür, dass es Braunbären sind, das ist immerhin das Wildeste, was wir uns vorstellen können und das passt so auch ganz gut zu unserem „voll-in-der-Natur-Gefühl“. Obwohl… es klingt schon etwas nach einem Tasmanischen Teufel, aber da sind wir wirklich noch etwas weit entfernt.
Trotz der Braunbären setzte ich am nächsten Tag mutig aufs Festland über und laufe etwas um die Bucht herum. Dort überfallen mich allerdings nur die Mücken, die wegen der anhaltenden Wärme nun langsam auch erwachen. Das deutsche Autan hilft dagegen eigentlich ganz gut, aber man müsste auch vorher daran denken, sich einzuschmieren. Irgendwann wird es mir zu bunt und ich nehme Reißaus mit dem Gummiboot, schaue aber nochmal um die Ecke, wo gestern diese merkwürdigen Geräusche herkamen, aber Braunbären kann ich nicht entdecken?. Wie spektakulär wäre doch ein Photo von einer Braunbärenfamilie in der Sonne gewesen.
vor Puhtulaid vor Anker
58° 33′ 9,2“ N, 23° 33′ 42,2″ E
Mittwoch 16.05.
Puhtulaid -> Haapsalu Start: 6:00 Ende: 15:45 Wind: SO – NO 15 – 3 kn Distanz: 36,5 sm Gesamtdistanz: 943,3 sm
So gegen 2:30h wache ich auf, denn wir werden zunehmend durchgeschaukelt. Der Wind hat gedreht und weht nun aus Südwest genau in die Bucht hinein. Der Ankeralarm hat sich nicht gemeldet, weil die Kette sich offensichtlich um einen dickeren Stein gelegt hat, der nun wie ein Reitgewicht wirkt und unseren Schwojkreis einschränkt. Das hatten wir gestern schon bemerkt, denn wir lagen nach einigen Winddrehern die ganze Zeit direkt neben unserer Ankerboje und das auch, als uns etwas stärkere Böen eigentlich nach achtern hätten schieben müssen. Da hat also irgendwer die Kette festgehalten.
Da ich wieder einmal nicht mehr schlafen kann, stehe ich um 3:00 auf und setze ich mich hin, um Blogs zu schreiben und Photos zu sortieren. Wir machen definitiv zu viele Photos, aber wir können es auch nicht lassen. Es gibt so viele tolle Eindrücke, Perspektiven, Farben, Situationen und eben Sonnenuntergänge ?, da müssen wir einfach auf diesen kleinen Knopf drücken. Es geht nicht anders. Und dann haben wir ja auch noch mit den 360° Panoramen begonnen. Eine Runde sind 14 Photos, eine Doppelrunde mit tiefer und hoher Perspektive sind 28 Photos. Da läppert sich schon etwas zusammen, was dann auch gerne bearbeitet werden möchte. Und da ist meine Schlaflosigkeit dann doch ganz nützlich ?.
Um 5:00 steckt Astrid ihren Kopf mit den Worten aus den Koje: „Es schaukelt so, alles gut?“ Nun ja … gut schon, aber es könnte gemütlicher sein. In unseren Rocna Vulcan Anker haben wir sehr großes Vertrauen und 30m Kette bei knapp 4 m Wassertiefe sollten allemal reichen, auch wenn sich da unten eine eiszeitliche Geröllhalde vergnügt.
Wir werfen einen Blick auf das Wetter. Wie toll sind doch Grib-Files, die man einfach runterladen kann, um sich dann die Wetterentwicklung in Ruhe anzusehen. Was war das früher für ein Theater, als irgendwann zu nachtschlafender Zeit der Wecker klingelte, weil irgendeine Küstenfunkstelle zu Unzeiten die Wettermeldungen in Englisch und im Eiltempo vorlas. Davon verstand man zwar eh nur 1/3, aber man hatte ja wenigstens der Seemannschaft genüge getan. Nun zeigen uns die Grib-Files, dass der Wind ab Mittag wieder stark nachlassen soll, aber die Richtung grundsätzlich auf Südwest bleibt. Bis Haapsalu sind es immerhin rund 35 sm und die Richtung passt. Also los.
Da wir gestern zu faul waren den Außenborden vom Gummiboot abzumachen, auch weil wir den Mücken nicht noch eine Extragelegenheit gönnen wollten, sich an uns voll zu saugen, müssen wir ihn nun bei dem Geschaukel abschrauben, hochhieven und an den Heckkorb hängen. Immer, wenn wir den Außenborder nicht gleich abmachen, ist es am nächsten Tag irgendwie ungemütlich. Vielleicht wäre das tatsächlich eine Möglichkeit, das Wetter zu beeinflussen ?. Einfach Außenborder immer vom Gummiboot abmachen und schon kann man ruhig und lange ausschlafen. Wir werden das mal probieren.
Nachdem alles klar ist, fahren wir los. Auch die Ankerkette gibt den ollen Stein bereitwillig wieder frei. Also raus aus den Bucht. Die Fahrwasser nach Haapsalu sind wirklich ernst gemeint. Mehrmals schauen wir nach alternativen Routen, aber immer liegen irgendwo auf halbem Weg entweder ganz fiese Untiefen, hunderte von Steinen oder gar ein ganzes Inselchen herum. Und oft sogar auch gerne alles zusammen.
Es ist wunderschön hier durchzusegeln, aber je weiter wir in den Norden kommen, desto kleiner wird der Spielraum zum Aufkreuzen. Aber der Wind aus Südwest passt für unseren Kurs ganz prima, obwohl er schon früh einige Schwächephasen zeigt. Ab dem Rukki Chanel, der liegt etwas westlich von (Rohukula), wird es teilweise sehr eng und dort lassen wir dann auch mal den Autopiloten weg und steuern mit der Hand.
Untiefen und Steine gibt es hier zuhauf. Schade eigentlich, denn wir tun uns deswegen wirklich schwer, noch eine weitere Ankerbucht für die Nacht zu finden. Wenn man in die Karte reinzoomt wird jede zunächst hübsch aussehende Ankerbucht zu einem mit Steinen und Untiefen übersäten Alptraum. Was hatten wir vorgestern doch für ein Glück mit Puhtulaid! Aber das lag ja auch noch weiter im Süden.
Einige vielversprechende Buchten sind im Sommer auch für Zugvögel und anderes Getier gesperrt. Aber das ist ja auch gut so, denn die Seevögel scheinen sich hier besonders wohl zu fühlen und sitzen oft in beindruckenden Schwärmen auf dem Wasser oder fliegen in eigenwilligen Mustern oder Formationen herum. Rund um Heiligenhafen scheint es ja nur Möwen der besonders streitsüchtigen Art zu geben. Hier ist das anders. Die estnischen Möwen sind unter den Seevögeln erstens in der Minderheit und zweitens irgendwie tiefenenstpannt. Wahrscheinlich haben die bei einem Möwen-Mediator eine mehrwöchige Teambildungsmaßnahme absolviert. Anders können wir uns diesen fast buddhistisch meditativen Möwencharakter gar nicht erklären. Wir haben sogar schon zwei Möwen auf einer kleinen roten Tonne zusammen sitzen sehen, ohne dass die sich lauthals geprügelt haben. Sehr erstaunlich! Bislang kannten wir nur Hooligan-Möwen.
Da wir am Ende wirklich keine weitere Ankerbucht finden, was bei den estnischen Marina-Preisen ja auch für die Bordkasse ganz angenehm gewesen wäre, gehen wir nach Haapsalu rein. Eigentlich hätten wir ganz gerne noch eine Nacht vor Anker gelegen und wären dann erst am Morgen nach Haapsalu gefahren, aber das ist hier eben nicht ganz so einfach, wie in der dänischen Südsee.
in Haapsalu
58° 57′ 33,7“ N, 23° 31’ 35,4″ E