Nida -> Minija Start: 13:20 Ende: 16:35 Wind: ESE 8 -> 1 kn Distanz: 13,0 sm Gesamtdistanz: 517,0 sm
Nachdem in der letzten Nacht eine kräftige Gewitterfront in 2 Wellen durchgezogen ist, starten wir heute im strahlendsten Sonnenschein. In der Sonne ist es richtig sommerlich warm. Der Wind kommt eher schläfrig aus Südsüdost. Kein Wind für Rekorde, eher einer zum Kaffeesegeln im Sonnenschein.
In Litauen ist heute am ersten Mai auch Feiertag, der Tag der Arbeiter, und so zieht es einige Angler auf das Haff und die Ausflügler auf die Düne. Der Hafenmeister und unser litauischer Segelnachbar haben uns Minija wärmstens empfohlen. Dort müssten wir unbedingt hin, das sei das Venedig Litauens. Minija liegt auf der Festlandseite des Haffs, quasi im Memel-Delta, und somit ziemlich dicht an der russischen Grenze. Früher hieß es mal Minge. Die Memel oder eben auf Russisch die Neman ist auf ihren letzten Kilometern der Grenzfluss zwischen Litauen und dem kaliningrader Gebiet Russlands. Das Memel-Delta fächert sich von der Memel selbst im Süden in das litauische Gebiet nach Norden auf. Der größte Zweig auf litauischen Gebiet ist die Atmata, die sich in Rusne von der Memel abteilt.
Wir sollen in die Atmata einfahren und dann an einer bestimmten Tonne nach backbord abbiegen, dann kommt man nach Minija. Es wäre dort schon etwas flach, aber auch mit 2 m hätte man kein Problem. Und wir mit 1,60 … überhaupt kein Problem.
Also machen wir uns auf in das Memel-Delta nach Minija. Wenn einem das schon so wärmstens empfohlen wird, dann können wir das Venedig Litauens ja auch nicht einfach links liegen lassen. Über die Atmata kommt man auch gut bis nach Rusne, aber dort ist dann Schluss, denn dort beginnt am Ortsausgangsschild von Rusne direkt Russland. Eigentlich könnte man dann über die Memel wieder weiter südlich zurück ins Haff einfahren, das geht aber eben nicht, weil die Memel Grenzfluss ist und eine solche Aktion auf dem Grenzfluss nicht ganz so gerne gesehen wird. Eigentlich schade, das wäre bestimmt eine nette Runde.
In der Hoffnung auf einen etwas besseren Windwinkel gehen wir nochmal direkt vor die Düne, wenden dann aber doch frühzeitig, weil sowohl die Litauer, als auch die Russen an der Grenze Patrouille fahren. Kurze Zeit später legt sich der Wind schlafen und macht auch keine Anstalten irgendwann einmal wieder aufzuwachen. Also motoren wir in Richtung der Einfahrt zur Atmata. Die üppigen Tiefen von teilweise über 4,0 m nehmen ebenso schnell wieder ab, wie sie gekommen sind. Aber die Betonnungen in unserer „Werbe-Seekarte“ stimmen auch hier perfekt.
Mit der Einfahrt in die Atmata wird’s wieder flach. Ziemlich flach und wir überlegen, ob wir da wirklich reinfahren sollen. Wir sehen mehrfach die 2 m. Der Flusslauf sieht eher nach einer Auenlandschaft aus. Es ist wirklich wunderschön hier, zumal das Wetter sich von seine absolut besten Seite zeigt. Was kann uns passieren? Wenn wir auflaufen, dann schlürft es im moderig-schlickigen Untergrund und wir schlabbern uns dann wieder irgendwie nach hinten raus. Es ist windstill und so kann uns auch kein Wind irgendwie blöd auf ein Flach drücken.
An der Tonne 3 werfen wir einen Blick in Richtung Venedig. Dort ist aber noch kein Venedig zu sehen. Nur ein noch engerer Flussarm, an dessen Ufern das Schilf in Richtung Mitte wächst. Die Minija. Wir zögern etwas und fahren dann im Standgas ein. Ein komisches Gefühl. Rechts und links eine Auenlandschaft so weit das Auge reicht und direkt neben unserem Rumpf Schilfgras, das man meint anfassen zu können. Astrid passt backbord auf, ich steuerbord. Immer wieder fällt die Tiefe auf um die 2,0 Meter, um sich dann wieder zu erholen. Genauso wie wir.
Dann die letzte Biegung und das Venedig Litauens liegt voraus. Sogar zwei rote Tonnen liegen dort wieder. Hinter uns war es wohl zu eng, die Tonnen hätten dort nicht mehr hingepasst. Backbord ist eine Club-Marina und steuerbord ein kleiner Hafen.
Ok, wenn man jetzt hier wirklich so etwas wie Venedig erwartet, dann wird man bestimmt die Piazza San Marco vermissen. Aber die Minija wird rechts und links von dem Ort Minija gesäumt und es ist zum Abfaulen schön hier. Ein Idyll in Natur, Ruhe und Entspannung. Auch wenn der Ort Minija nur aus je einer Häuserreihe links und rechts der Minija besteht, Minija hat ein Ortsschild und ist damit fast schon eine Stadt und so auch fast schon ganz dicht an Venedig dran.
Nach Minija könnte es für uns noch etwa 1,5 sm weitergehen, dann ist vor einer Brücke aber definitiv Schluss und auch mit der Tiefe soll es dann nicht mehr ganz so gut bestellt sein. Für kleine Motorboote geht es dort weiter bis Klaipeda, denn König Wilhelm hat von hier den König Wilhelm-Kanal (Karaliaus Vilhelmo Kanalas) bauen lassen, der das Memel-Delta direkt mit Klaipeda verbindet. Einige sagen auch Klaipeda Kanal, aber Karaliaus Vilhelmo Kanalas finden wir entschieden schöner.
In der kleinen Segelclub-Marina werden wir ebenso erstaunt, wie herzlich empfangen. Alle basteln hier noch an ihren Booten und jeder fragt nach, ob wir wirklich so früh schon aus Deutschland gekommen sind. Das hätte es noch nie gegeben und der Hafenmeister ist davon überzeugt, das man sich das von „the crazy Germans“ den ganzen Sommer im Memel-Delta erzählen wird.
Die kleine Segelclub-Marina hat der Minija-Segelclub selbst aus der Taufe gehoben. Wir unterhalten uns lange und helfen auch noch mal schnell bei der Übersetzung der Gebrauchsanweisung von Yachticon Polierpaste. Der Commodore des Segelvereins fragt uns, ob wir einen Führerschein haben. Als wir das bejahen, will er uns den Schlüssel seines Auto geben. Er braucht es heute nicht, denn er wäre den ganzen Tag ja hier im Club und so könnten wir ja damit etwas herumfahren. So viel selbstverständliche Gastfreundschaft verschlägt uns echt die Sprache. Da wir nun aber wirklich weiter müssen, lehnen wir das Angebot dann doch ab, entschuldigen uns aber dafür, das wir das tolle Angebot leider nicht annehmen können.
Denn inzwischen ist schon der 2te Mai und genau in einem Monat müssen wir in den Saimaa-Kanal einfahren. Und bis dahin liegt noch die ein oder andere Seemeile vor uns.
im Venedig Litauens, in Minija
55° 21′ 27,9“ N, 21° 16′ 59,0″ E