Der Saimaa-Kanal


Donnerstag 31.05.
Klamila (FIN) -> Brusnitschnoje Lock (RUS) Start: 6:30 Ende: 19:00 Wind: NW-N-NNE 6 – 15 kn Distanz: 56,2 sm Gesamtdistanz: 1306,1 sm

„von Klamila (FIN) -> zur Brusnitschnoje Schleuse (RUS)“

„von Klamila (FIN) -> zur Brusnitschnoje Schleuse (RUS)“

„Direkt über dem Hafen von Klamila steht eine Skisprungschanze. Das ist wohl ein Hinweis darauf, dass hier nicht immer Segelwetter herrscht.“

„Direkt über dem Hafen von Klamila steht eine Skisprungschanze. Das ist wohl ein Hinweis darauf, dass hier nicht immer Segelwetter herrscht.“

Der Wecker klingelt um 6:00. Von 8:00 bis 20:00 kann man auf Santio, der finnischen Grenzstation auschecken. Border Inspection and Custom Control. Man soll sich 1 Stunde vorher auf Kanal 68 anmelden. Als sich abzeichnet, dass wir tatsächlich gegen 9:00 dort sein werden, rufen wir erst auf 68 und versuchen es dann auch auf 16. Aber niemand erhört uns. In dem Guide für den Saimaa-Kanal steht noch eine Telefonnummer. Als es gerade klingelt, werden wir von der finnischen Coast Guard auf 16 angerufen. „Good morning Sir, your destination and when in Santio?“ … „Ok, I will send an boat!“ Wir hatten auch schon überlegt, ob dort an der Grenze im Nowhere wirklich so ein armer Teufel sitzt und die ganze Zeit auf den ersten irren Touri wartet, der so früh in den Saimaa-Lake will. So viele Kreuzworträtsel kann man ja gar nicht mitnehmen, dass einem da nicht doch über kurz oder lang langweilig wird. Und natürlich sitzt da auch keiner, sondern die Coast Guard kommt nun extra für uns angebraust. Also motoren wir weiter, denn bei dem Nordost hat die Segelei heute früh nur etwas geklappt und nun ist „gegenan“ angesagt. Das wird wohl auch bis heute Abend stramm so weitergehen. Bis zur Brusnitschnoje Schleuse sind es gut 55 sm und wir dürfen in Russland den Fairway nicht verlassen. Und nachdem wir später dann den Fairway gesehen haben, wollen wir das auch gar nicht mehr und jeder Gedanke ans Segeln begräbt sich dort ganz von allein mal eben schnell selbst. Aber das ist eine andere Geschichte, die später erzählt werden wird.

„Die finnisch - russische Grenze“

„Die finnisch – russische Grenze“

Wir halten Ausschau und rätseln, von wo die finnische Coast Guard denn nun tatsächlich angeprescht kommt. Wir sind ja hier mitten im Nowhere und dahinten gibt’s noch viel mehr davon, aber von irgendwo müssen sie es ja auch in einer Stunde schaffen. Auf AIS sehen wir nur einen Frachter mitten im finnischen Meerbusen. Unser AIS geht also, aber von der Coast Guard ist weit und breit nix zu sehen. Vielleicht fährt so eine Coast Guard ja auch „under cover“, wer weiß das schon an so einer europäischen Außengrenze. Wir fragen uns außerdem, ob wir einfach so in den Grenzbereich einfahren dürfen, um in Santio festzumachen, auch wenn die Coast Guard noch gar nicht da ist. Die gelben Achtung-Grenzbereich-Tonnen haben wir schon hinter uns und auf einem Felsen steht ein Schild mit „=> Raja 1400m“ (? da seht ihr Raijaner mal, gar nicht so weit weg, fehlt nur noch ein verträumtes „i“) und ein Wegweiser zeigt auf Santio mit dem Hinweise „Passport and Customs“.
Da die Finnen überall Ferien- und Wochenendhäuser hinbauen, stehen natürlich auch hier noch welche. Das einzige Kriterium, um auf ein Inselchen ein Haus zu stellen, scheint zu sein scheint, dass die Insel wenigsten 100 qm hat und ein Baum darauf steht. Das reicht absolut aus für ein Wochenendhaus und eine Sauna. Auf baumlosen Inselchen werden dann gerne Seezeichen errichtet, wobei wir erst in Russland wissen, dass wir diese Eigenschaft der Finnen eigentlich sehr sehr schätzen.
Nun ja, auf Santio und auf den Nachbarinselchen stehen also nicht nur Radarmasten zur Grenzkontrolle, sondern auch recht viele Wochenendhäuschen. Da muss man wirklich wissen, auf welcher Seite der Insel man baden geht und kann sich immer wieder neu zwischen einem finnischen und russischen Badespass entscheiden. Das hat ja auch was.

Wenn hier also der normale Finne sein Wochenende verbringt, können wir hier auch einfach so mal festmachen. Deswegen beschließen wir, auf Santio anzulegen und auf die Coast Guard zu warten. Kaum haben wir diesen Gedanken gefasst, prescht von hinten auch schon die Coast Guard heran, überholt uns, macht schnell vor der Station fest und ist schon bereit, unsere Leinen anzunehmen. Was für ein Service! Da könnte sich so manch ein Hafenmeister mal eine Scheibe von abschneiden.

„Santio“

„Santio“

Während der Drogenhund erst einmal Pippi geht, checken wir mit dem Officer die Papiere. Wir haben ja alles anhand des Saimaa Canal Guide vorbereitet, schon mal die notwendigen Papiere bereitgelegt und die Formulare ausgefüllt. Aber unsere Persos akzeptiert er nicht, er will „the right passports, not the plastic one’s“. Hmm, die haben wir zwar auch mit, aber die wollten wir eigentlich nicht rausrücken, weil da unsere Visa für den St. Petersburg-Trip drin sind. Denn wir hatten gelesen, dass einem anderen Segler seine Visa für die Kanaldurchfahrt abgestempelt wurden, obwohl man den Kanal ohne Visa durchfahren darf. Wenn uns das auch passiert, dann ist unser St.Petersburg-Trip dahin, denn mit den Visa können wir nur einmal einreisen. Aber der finnische Coast Guard-Officer besteht auf die Reisepässe, ohne würden uns die Russen sowieso nicht durchlassen. Die Persos könnten wir mal schön vergessen.
Blöd gelaufen, da müssen wir in Russland nun richtig aufpassen. Nicht, dass dort plötzlich ein Stempel in den Reisepässen landet, der da noch gar nicht landen darf.

Der Rest der finnischen Formalitäten geht ohne Probleme. Der Drogenhund schnüffelt sich durch die PINCOYA und zum Abschied bekommen wir ein kleines Handy-Reinigungstüchlein mit Werbung für die finnische Coast Guard und den Drogenschnüffelhund geschenkt. Und schon preschen sie wieder so schnell davon, wie sie gekommen sind.

„Wir sind in Russland… Unten in der Mitte eine der Richtmarken.“

„Wir sind in Russland… Unten in der Mitte eine der Richtmarken.“

Auch wir brechen von Santio wieder auf. Der Finne sagte noch, dass wir uns nicht bei den Russen melden müssen, denn die hätten uns eh schon gesehen und würden uns dann anrufen. Mit einem etwas komischen Gefühlt überqueren wir dann die russische Grenze. Eigentlich hätte ich jetzt irgendwie die russische Coast Guard angerufen, aber wenn die uns eh sehen und sich melden… na dann.

Zwei Seemeilen hinter der Grenze hören wir unseren Schiffsnamen „PINCOYA“ in der Funke. Ich melde mich auf Englisch. Die russische Border Control spricht wirklich gutes Englisch, da hatten wir ja schon ganz andere Dinge gehört. „Wohin und wieviele Personen“ das ist alles „Ok, back to one six“. Auf halben Weg nach Vyborg kommt noch einmal Vysotsk Traffic, wieder „how many persons“ und „destination“. Mehr nicht.

Nachdem wir wenige Seemeilen in russischem Fahrwasser unterwegs sind, geben wir die Suche nach Tonnen auf. Auch nicht eine einzige der in unseren Seekarten verzeichneten Tonnen liegt aus! Allerdings brechen sich nach wie vor links und rechts von uns die Wellen auf Steinen und über irgendwelchen Untiefen. Puuh, das ist nicht schön! Was haben wir in Finnland nach Tonnen Ausschau gehalten, hier können wir uns das sparen, hier gibt es keine.
Na toll, das kann ja heiter werden. Es gibt nur Richtmarken an Land. Die stehen aber teilweise 8 bis 10 sm auseinander und leiden zudem an farblicher Schwindsucht. Also immer hinten peilen, bis man vorne die nächste wieder sieht. Ungewohnt ist das schon und macht so gar keine Lust auf Kreuzschläge. Der Fairway, den wir eh nicht verlassen dürfen, ist das einzige, was durch die Landmarken gekennzeichnet ist. Vielleicht eine Grenzsicherungsmaßnahme. Von 10 Eindringlingen müssen dann nur noch 3 geschnappt werden, weil der Rest sich eh selbst versenkt. Und wie einfach würden dann Segelscheinprüfungen werden, in den Fragebögen kann man getrost 2/3 der ganzen Navigationsgeschichten streichen und konzentriert sich einfach nur auf Ober- und Unterfeuer, die man eh kaum findet.
Und plötzlich werden die elektronischen Seekarten, in denen man seine Position immer so schön sieht, zu der allerliebsten Sache auf dem Schiff. Wenigstens solange, bis etwa 10 sm hinter der russischen Grenze unser AIS Transponder, der auch die Position für die Karte liefert, auch nicht mehr so recht weiß, wie und vor allem wo er in der Welt ist. Huch, lustige Kurse und lustige Geschwindigkeiten bei unveränderter Fahrt. Schnell schalten wir auf die Bad Elf um. Das handtellergroße Ding, dass für uns eigentlich nur den Trip loggt, aber auch in bis zu 5 IOS-Geräte die Position via Bluetooth liefern kann. Die Böse Elfe hat uns schon einmal in Norwegen den A… gerettet, als alle anderen GPS-Systeme auch ein Problem hatten. Die 160 €, die wir damals für die Bad Elf ausgegeben haben, haben sich damit schon mehr als ausgezahlt. Ich beginne das keine Teil wirklich zu lieben. Die Elfe funktioniert immer, ist supergenau und ein echtes Oberhammer-BackUp-Gerät.

Dank der Bösen Elf sind wir schnell wieder auf Kurs und nach gut 3 Seemeilen, haben sich auch die anderen Systeme wieder eingekriegt. Schon komisch, genau wie damals in Norwegen. Es lebe die Elfe!

„Vor Vysotsk das erste Tönnchen, Gott sei Dank werden es noch mehr...“

„Vor Vysotsk das erste Tönnchen, Gott sei Dank werden es noch mehr…“

In der Einfahrt nach Viborg, bzw erstmal nach Vysotsk, trauen wir unsere Augen nicht. Hier liegt tatsächlich die erste Fahrwassermittentonne und die ist auch noch genau an dieser Stelle in unseren Seekarten wiederzufinden! Danach wird die Betonnung immer üppiger und kurz vor Vysotsk stimmt die Betonnung tatsächlich mit unseren Seekarten komplett überein. Gott sei Dank, denn ab hier wird es auch enger. Wenn das so tonnenlos weitergegangen wäre, dann hätten wir ein echtes Navigationsglücksspiel gehabt und alle unsere Chips auf iSailor setzen müssen, denn unser C-Map-Kartensatz Ostsee hört auch kurz hinter Viborg auf. Aber nun stimmt die Betonnung ja. Viele Tonnen sind sogar neu und wirklich gut zu sehen, andere erstrahlen aber durchaus noch in einen dunklen Rostrot oder in einem bräunlichen Grünrost. Doch an den wirklich entscheidenden Stellen hat man erst vor Kurzem entweder die Seezeichen erneuert oder grundrenoviert und neu gestrichen. Die Navigation hier ist damit kein Problem und das läßt uns dann doch einen klitzekleinen Stein vom Herzen fallen.

„zwischen Vysotsk und Viborg“

„zwischen Vysotsk und Viborg“

Da wir ja noch nie in Russland waren, sind unsere Erwartungen etwas … sagen wir mal … vage. Die russischen Schären sehen eigentlich genauso aus, wie die finnischen, was ja auch nicht besonders verwunderlich ist. Nur, dass von den russischen Schären nicht ein einziges Wochenendhaus zwischen den Bäumen auf das Wasser schaut.
Aus den Hafeneinfahrten von Danzig, Klaipeda und Riga kennen wir ja durchaus sehr „gemischte Zustände“ der Hafenanlagen. Eine Mischung von modern und in Betrieb und von alt, verfallen und schrabbelig. Hier in Russland fällt uns auf, dass die Hafenanlagen recht modern sind und an verschiedenen Stellen zur Zeit auch kräftig ausgebaut und modernisiert wird. Weiter innen in Richtung Viborg wird es allerdings schrabbeliger. Das liegt aber wohl eher daran, das Vysotsk hinsichtlich der Fracht und der Hafenanlagen Viborg so langsam den Rang abläuft. Die Einfahrt nach Viborg ist wohl einfach zu eng und zu flach, um in Viborg noch einmal in Hafenanlagen zu investieren. Obwohl auch in Viborg eine Großschifffahrt liegt, der wir auf der Durchfahrt gar nicht begegnen möchten, weil wir keine Idee haben, wie das dann passen sollte.

„Viborg von See aus...“

„Viborg von See aus…“

Die Einfahrt bis zum Kanal zieht sich hin … und zieht sich hin … und zieht sich hin. Viel fahren wir ja mit Autopilot, aber oftmals ist es auch recht eng, so dass wir selbst so lange am Ruder stehen müssen, dass uns die Füße so weh tun, wie nach einem verkaufsoffenen Samstag vor Weihnachten. Nachdem uns Vysotsk Traffic angerufen hat, ist Ruhe. Niemand will mehr etwas von uns wissen. Das man uns auf AIS sieht, ist wohl auch recht hilfreich.

„Über die erste Brücke wird uns in 3 Tagen der Allegro fahren, aber das wissen wir heute noch gar nicht.“

„Über die erste Brücke wird uns in 3 Tagen der Allegro fahren, aber das wissen wir heute noch gar nicht.“

Gegen 18:00 erreichen wir die erste Schleuse, die Brusnitschnoje Schleuse, unser heutiges Etappenziel. Hier darf man dann auch übernachten, aber wo, ist uns noch nicht ganz klar. Und hier ist auch die russische Zollstation, aber wo das gehen soll, ist uns nach einem Blick durch das Fernglas ebenfalls noch nicht ganz klar.
In den Karten und in dem Guide steht, das die Zollstation von See kommend auf der linken Seite liegen soll. Dort ist auch eine Kaianlage, die ist aber eher nur für Große. Davor liegt ein arg in Schieflage geratener Ponton. Rechts sind auch nur Kaianlagen für Große, das passt alles so gar nicht für uns!

„Der Kanal zieht sich durch die wunderschöne, südkarelische Landschaft. Fast so naturnah wie der Elbe-Lübeck-Kanal, aber Karelien ist landschaftlich doch etwas anders ?.“

„Der Kanal zieht sich durch die wunderschöne, südkarelische Landschaft. Fast so naturnah wie der Elbe-Lübeck-Kanal, aber Karelien ist landschaftlich doch etwas anders ?.“

Also rufen wir die Schleuse an und fragen, wie es nun weiter geht und wo die Zollkontrolle stattfindet. Die Schleusenmann antwortet sofort und sagt uns, dass der Zoll schon auf uns wartet und wir rechts am Kai festmachen sollen. Aber wie soll das gehen, ohne Haushaltsleiter von Aldi ist da für uns kein Hochkommen. Langsam fahren wir an die Kaimauer und peilen die Lage. Ein ziemlich junger Zollbeamter kommt aus seinem Zollhäuschen weiter hinten.
Astrid ruft nach hinten: „ Wie soll ich da hochkommen?“ Die Poller sind vom Schiff aus nicht zu erreichen, weil die etwa 4 Meter weiter hinten auf Land stehen. Großartig für dicke Schiffe, aber wie soll das mit uns gehen? Der Zollbeamte steht erwartungsvoll am Kai, macht aber keine Anstalten zu helfen. Das darf er vielleicht auch gar nicht. Aber egal.

Und dann ist unser Decksalon die letzte Rettung. Ich fahre noch einmal an und Astrid steht oben auf dem Dach des Decksalons mit zwei Leinen in der Hand, wie ein römischer Streitwagenfahrer, der gerade seinen durchgehenden Vierspänner bändigt. Mit einem zirkusreifen Sprung setzt Astrid gazellenhaft über. Es hat ja durchaus auch Vorteile, wenn man so lange Beine hat! Wie das normale Segelyachten machen sollen, ist uns auch im Nachhinein ein Rätsel. Vielleicht haben die Finnen ja auch nur deswegen diesen riesigen Decksalon bei den Nauticats erfunden. Zumindest der Verdacht drängt sich auf.
Leider ist für normal konditionierte Yachtleinen nur ein Poller in Reichweite, geistesgegenwärtig schlingt Astrid die zweite Leine um eine Laterne. An der PINCOYA zerrt das aus der Schleuse strömende Wasser. Dieser Anleger gehört jetzt schon in die Kategorie „unkonventionell und kunstvoll“. Der junge Zollbeamte wird langsam unruhig und erweckt den Anschein, als ob er das schon mal schneller gesehen hat.

Die Papiere wechseln in die Hände des russischen Zolls. Nach kurzen Studium unserer Formulare muss ich kommen, nicht Astrid. Weibliche Skipper sind noch nicht ins Repertoire des russischen Zolls aufgestiegen. „Wohin und wann und wie?“ Die finnische Coast Guard wußte auch nicht, ob und wie wir das bei dem Transit durch den Kanal für die russischen Behörden richtig ausfüllen sollen. Englisch ist schwierig und mein Russisch einfach zu schlecht. Ich versuche, so oft wie möglich die Worte „Transit“ und „Saimaa“ zu benutzen, aber erst die Kombination „Finnland-Finnland-Transit“ bringt den Durchbruch und entpuppt sich als so eine Art Schlüsselwort. Danach geht es fast schnell und natürlich braucht er unsere Reisepässe und will nichts von den Persos wissen. Aber wir haben nur Kopien unserer Persos, und nicht von den Reisepässen. Der junge Zollbeamte deutet an, dass das kein Problem ist und verschwindet mit all den Papieren und den Reisepässen in seiner Zollhütte und wir beten, dass er keine Stempel auf die Visa haut. Macht er auch nicht und übergibt uns alles nach 10 Minuten wieder.
„Staying over night?“ „Niet, nitschewo here, lock behind, na lewo ok“.

„Nach dem russischen Zoll in der Brusnitschnoje Schleuse“

„Nach dem russischen Zoll in der Brusnitschnoje Schleuse“

Uff, geschafft, die Schleuse ist grün! Also rein. Wir sind gerade bei der Einfahrt in die Schleuse, da kommt der Zollbeamte wieder aus seinem Haus geschossen und ruft „Stopp, stoohohopp, stoppikowski!!“ Was nun? Er hat die Crew-Liste in der Hand und macht ein Zeichen des Unterschreibens. Oh man, ja, Mist! Heute früh hat der Finne die Dinger abgestempelt und extra noch gesagt, dass wir die Teile auch noch unterschreiben müssen. Das haben wir aber in der Aufregung völlig verpennt. Also rückwärts ans Kai, aber irgendwie strömt Wasser aus der Schleuse. Wir werden quer gedrückt. Der Zollmann steht mit ausgestrecktem Arm auf der Pier und Astrid mit ausgestrecktem Arm am Heck! Ich manövriere uns irgendwie Richtung Pier. Dann Übergabe und Vollgas voraus. Astrid unterschreibt. Dann dieselbe Aktion noch einmal. Geschafft! Dann ein Charascho, Spazibo, Doswidanija und ab in die Schleuse. Irgendwie geht es hoch und irgendwie kommen wir auch oben wieder raus. Dann ab nach links, dort ist ein Schwimmsteg. Wir machen fest. Die erste Hürde ist genommen. Selten hat ein Bier so gut geschmeckt!

„Unser Übernachtungsplatz an der Brusnitschnoje Schleuse in Russland“

„Unser Übernachtungsplatz an der Brusnitschnoje Schleuse in Russland“

oberhalb der Schleuse Brusnitschnoje (RUS)
60° 48′ 41,2″ N, 28° 44′ 9,9“ E


Freitag 01.06.
Brusnitschnoje Lock (RUS) -> Turkianlahti (FIN) (A) Start: 8:30 Ende: 18:00 Wind: W – SW 8 – 20 kn Distanz: 26,2 sm Gesamtdistanz: 1332,3 sm

„von der Brusnitschnoje Schleuse -> in die Saimaa-Seen“

„von der Brusnitschnoje Schleuse -> in die Saimaa-Seen“

Die Nacht an dem Yachtponton ist ok. Nur ab und zu werden wir von dem Schraubenwasser einfahrender Cargo Schiffe geweckt. Wir waren ja gestern selbst in der Schleuse, aber dass diese Dinger da reinpassen, ist unglaublich. Wahrscheinlich wurden die extra dafür gebaut und brauchen gar keine Festmacher, weil sie passgenau da drin sitzen.

„Morgennebel auf dem Kanal“

„Morgennebel auf dem Kanal“

„… weiter geht's.“

„… weiter geht's.“

Gegen 8:30 geht es dann weiter. Nach dem Zoll interessiert sich auch hier erstmal keiner mehr für uns. Wir fahren einfach so von Schleuse zu Schleuse und immer, wenn wir in der Anfahrt sind, wechseln auch die Ampeln am Schleuseneingang von Doppelrot auf Doppelrot mit weißem Blink, dann auf Einfachrot mit blauem Blink, dann auf Einfachgrün und danach auf Doppelgrün. Doppelgrün ist unser Signal zur Einfahrt, der Rest ist Vorbereitung mit Wasser rauslassen, Strasse sperren, Brücke hoch machen usw.. An der Pälli Schleuse klappt das aber nicht so, denn hier ist die russische Border Control. Kurz hinter der Schleuse beginnt wieder Finnland und hier werden sozusagen die Grenzformalitäten der Ein- und Ausreise in einem erledigt. Aber links und rechts vom Schleusentor ist nichts zu sehen, was irgendwie nach Border Control aussieht und die Schleuse bleibt auf Doppelrot. Laut Karte sollte die Kontrolle eigentlich links sein, aber da ist sie nicht. Rechts ist das Festmachen sowieso verboten, links dürfen wir. Also machen wir links fest und rufen die Schleuse. So langsam haben wir auch verstanden, dass wir immer mit ein und demselben Schleusenwärter sprechen, denn die Schleusen werden offensichtlich alle remote bedient und unser Dankeswinken zum Schleusenwärter bei der Ausfahrt ist nett, aber verhallt jedesmal ungesehen.

„Manchmal haben wir nun auch Gegenverkehr.“

„Manchmal haben wir nun auch Gegenverkehr.“

Der Schleusenmann sagt uns, dass wir links vor der Schleuse warten sollen und dann würde die Passport Control kommen. Zumindest verstehe ich das so…. Aber es kommt keiner. Nach einer halben Stunde rufe ich nochmal: „Äh, here PINCOYA again, just a question please….!“ „Yes, they know, that you are there, just stay there…“ Nichts passiert. Astrid checkt die Karten und den Guide. Haben die Russen uns vergessen, haben wir etwas nicht verstanden oder sind wir einfach zu doof? Viele Fragen, keine Antwort. Jetzt sitzen wir hier unten vor der Schleuse. Proviant für einige Tage haben wir ja, aber…

Dann öffnet sich das Schleusentor und ein finnisches Motorboot kommt raus. Die Finnen winken, freuen sich und die Schleusenampel springt auf Grüngrün. Äh, was jetzt? Rein in die Schleuse ohne russische Passport Control?
Wir wollen nichts falsch machen, sicher können die russischen Grenzer auch schießen und ein Loch im Bauch würde mir jetzt kurz vor meinem 60sten recht ungelegen kommen. So ein unkontrollierter Grenzübertritt kommt bestimmt nicht so gut. Also wieder der Schleusenmann und wieder „Äh, here PINCOYA again, we have just another question….!“ „Yes go ahead, in the lock….!“ Ok, wir goen ahead in the Schleuse. Irgendwie stand das anders im Guide, aber in der Schleuse werden die schon nicht schießen, da können wir ja eh nicht weg und um die Schleuse wäre es ja auch schade. Die Schleuse befördert uns langsam nach oben und als wir über den Rand der Schleusenkammer gucken können, sehen wir die russische Passport Control. Nachdem die Schleuse alles getan hat, was eine Schleuse so tun kann, geht die Ampel auf Doppelgrün und im selben Augenblick kommen zwei Grenzbeamte aus dem Grenzkontrollhaus.

Wir versuchen es wieder mit unseren Persos, um unsere Visa zu schützen. Aber…. ok, mit wenig Erfolg, wieder müssen wir unsere Reisepässe rausrücken. Das ruft Astrid nun endgültig auf den Plan und sie erklärt dem verdutzten Grenzbeamten auf „International“, das genau diese Visa für St. Petersburg gedacht sind und nicht für diesen Kanal, und dass das hier ansonsten sehr schön ist, aber die Visa eben nicht für hier gedacht sind. Der Grenzbeamte sagt: „Da, charascho! Yes, no Visa.“ und zeigt mir, dass er nun das Schiff inspizieren will.

Es ist schon erstaunlich, was für ein Aufwand mit uns getrieben wird. Eigentlich sind wir ja auch nur zwei Touristen, die auf einem Schiff nach Russland kommen. Und wir fahren noch nicht einmal nach Russland rein, sondern sind nur auf einem Finnland-Finnland-Transit durch Russland. Für uns und die PINCOYA nimmt man sich auch bei der Border Control mehr als 30 Minuten Zeit. Würde man sich für all die Gäste der Kreuzfahrer in St. Petersburg ähnlich viel Zeit nehmen, würde der Touristenstrom nach St. Petersburg nur tröpfeln, aber keinesfalls mehr strömen.
Aber die Beamten der Border Control sind sehr nett und freundlich und müssen halt auch nur ihren Job machen. So wird jeder auch noch so kleine Winkel der PINCOYA untersucht und fotografiert. Und jedes Schapp, jede Tür, jede Schublade und jede Backskiste wird geöffnet. Und auch jedes Bodenbrett wird hochgenommen und auch die Bilge und der Batteriekasten werden geöffnet und fotografiert. Ok, die Sachen mit den illegalen Einwanderern und der EU-Außengrenze verstehe ich, aber in den Winkeln, die der nette Grenzbeamte kontrolliert und fotografiert, können sich höchsten illegale Zwerge versteckt halten, aber niemals echte illegale Ein- oder Auswanderer. Mit einem gewissen Stolz öffne ich natürlich auch unser Batteriefach mit der fast genialen Küchenschneidbrettsicherungspanelkonstruktion, etwas ganz eigenes, das uns wirklich gut gelungen ist. Und etwas wirklich gut Gelungenes zeigt der ambitionierte Bastler auch gerne mal einem Grenzbeamten. Auch unsere Mittelkojenmatratzenhochziehlüftungsvorrichtung führe ich gerne vor, um den Blick auf den darunter liegenden Frischwassertank freizugeben. An dieser Stelle entfährt dem Grenzer ein anerkennendes: „Oh, charascho!“ Eigentlich möchte er noch den darunter liegenden Wassertank freiliegend sehen, aber dazu müsste ich mit dem Akkuschrauber etwa 30 Spaxe rausschrauben. Mein Hinweis auf die Schrauben hilft und es genügt ein Blick durch die Lüftungslöcher.
Nachdem auch der Ankerkasten fotografiert ist, ziehen sich die beiden in ihr Büro zurück. Vor der Schleuse wartet inzwischen ein finnisches Motorboot. Nach einer Weile legen wir Springs, machen den Motor aus und warten einfach so. Und das alles in der Schleuse, so wie es uns vorhin hochgespült hat. Wir warten und nach einer ziemlich langen Zeit kommen die beiden mit unseren Papieren und den Ausweisen wieder. Alles ok, wir können fahren.

Als Astrid allerdings in die Ausweise guckt, ruft sie: „Scheiße, die haben gestempelt, bei dir und bei mir und gleich zweimal.“ Ich schnappe mir meinen Reisepass und gehe zum Häuschen. Nicht zu schnell, eigentlich dürfen wir ja nicht hier rumrennen, aber in diesem Fall…. Nur kein Angriffssignal senden, man weiß ja nie. Körpersprache ist alles, hier zahlen sich doch endlich mal die ganzen Teambildungsmaßnahmen der letzten Jahre aus! Aus einiger Entfernung rufe ich ein internationales „Hallalöle!“. Ich will in das Kontrollhaus nicht einfach reingehen, vielleicht wird das falsch verstanden. Nach einigen Rufen kommt einer der beiden raus. Ich sage „Oh manno, you’ve stamped the Visa!“ Aber er erklärt mir, dass sie die Ein- und Ausreise stempeln müssen und das haben sie extra nicht auf der Seite der Visa gemacht, sondern davor. „Alles charascho!“ Na hoffentlich sehen das auch die Grenzer in Vainikkala so.


p.s. 1… mal zwischendurch … Erst später sehen wir, das die beiden russischen Grenzer handschriftlich und in Kyrillisch über den Ein- und Ausreisestempeln „Transit“ geschrieben haben, vielleicht um ihren Kollegen im Zug nach St. Petersburg den Hinweis zu geben, dass unsere Visa noch unberührt sind und um uns Erklärungen zu ersparen. Wir sind schon etwas gerührt über diese kleine Geste. Das ist echt nett, denn das hätten sie bestimmt nicht machen müssen.

p.s. 2…. auch mal so zwischendurch … Angekommen in Lappeeranta, werden wir von allen Finnen an dem Steg gefragt, wie die russischen Kontrollen waren. Ok, die waren gründlich und für EU-Reisegewohnte ungewohnt lang, aber alles war nett und freundlich. Die Finnen sind sehr überrascht, dass wir nur 30 Minuten kontrolliert wurden. Und wir sind sehr überrascht, dass die Finnen selbst offensichtlich kaum unter einer Stunde aus der Kontrolle kommen. Die Finnen erzählen uns, dass das bis zum letzten Jahr noch ganz anders und laxer war. Aber im letzten Jahr hat man aufgedeckt, dass über den Kanal Flüchtlinge geschmuggelt wurden und da haben die russischen Grenzer und bestimmt auch die finnischen richtig Ärger bekommen. Und nun wird eben jedes Schiff auf den Kopf gestellt und jedes auch noch so kleine Eckchen als Beweis fotografiert. Und das erklärt auch, was wir meinten, wahrgenommen zu haben. Immer, wenn wir auch nur in die Nähe von Russen kamen, haben die einen für unser Verständnis betont großen Abstand gehalten und kaum gegrüßt, weil das ja unter Umständen als Kontaktaufnahme gewertet werden könnte. So erklärt sich im Nachhinein doch einiges.


„Russland geht, Finnland kommt.“

„Russland geht, Finnland kommt.“

Nachdem wir nun an der Pälli Schleuse fertig sind, geht’s weiter zu den Finnen. Kurz vor dem finnischen Grenzposten schiebt sich eine dunkle schwarze Wolke von Südwesten heran und bläst uns Böen von 25 kn auf die Seite. Toll! Das passt jetzt wirklich gut für einen Anleger, hoffentlich guckt keiner! Wir nehmen die Luvseite des Grenzanlegers, da kann nichts schief gehen, der ist stabil genug und das kracht höchstens etwas. Aber unsere Fender sind ja nach 5 Schleusen inzwischen auch schon einigen Kummer gewohnt. Der Anleger gelingt ganz gut, es hat ja auch niemand zugeschaut. Die finnische Border Control kommt erst 5 Minuten später mit dem Auto. Astrid macht diesmal die Papiere und ich mache die Führung durchs Schiff. Der Finne sucht nur nach normalgroßen Flüchtlingen und kontrolliert nicht die mögliche, illegale Einwanderung von kleinwüchsigen Trollen, Elfen und Zwergen. Dann sind wir durch und wieder zurück in der EU. Drei Schleusen warten noch auf uns und dann sind wir im Saimaa-Lake.

„Kanalansichten….“

„Kanalansichten….“

„Schleusenarbeit….“

„Schleusenarbeit….“

„Nach der achten Schleuse reicht es auch mit dem Schleusen. Unsere Fender finden das auch! ?“

„Nach der achten Schleuse reicht es auch mit dem Schleusen. Unsere Fender finden das auch! ?“

Die letzten Schleusen nehmen wir routiniert und gegen 17:00 fahren wir in die Seenplatte von Saimaa ein. In eine Marina in Lappeenranta wollen heute noch nicht, jetzt ist erst einmal Entspannung angesagt. So fummeln wir uns durch einige Untiefentonnen und schleichen uns vorsichtig an einem Stein vorbei in eine vielversprechende Ankerbucht. Dort lassen wir um 18:00 den Anker fallen und nach einem großen Berg Spaghetti fallen wir todmüde in die Koje, obwohl die Sonne hier auf dem 61ten Breitengrad noch lange nicht an Feierabend denkt.

„Geschafft!! Vor uns liegt Saimaa ...“

„Geschafft!! Vor uns liegt Saimaa …“

„… und an den Ufer bekommen wir schon mal einen Vorgeschmack, was uns hier so erwartet.“

„… und an den Ufer bekommen wir schon mal einen Vorgeschmack, was uns hier so erwartet.“

nordöstlich von Lappeenranta in der Turkianlahti Bucht vor Anker (FIN, Lake Saimaa)
61° 06′ 5,9″ N, 28° 19′ 55,1“ E