Montag 25.06.
Nun sind wir wieder zurück und es ist tatsächlich ein wenig so, als ob wir wieder nach Hause kommen. Eigentlich hatten wir erwartet, dass es sich so anfühlt wie sonst auch, wenn wir einen Urlaub beginnen. Aber es ist doch anders. Vielleicht liegt es auch etwas daran, dass wir uns in Finnland ziemlich wohl fühlen und sich deswegen dieses Zuhausegefühl einstellt. Etwas überraschend ist es trotzdem, obwohl es uns die PINCOYA auch leicht macht, sich auf ihr zuhause zu fühlen.
Die skandinavischen Länder liegen uns ja sowieso und ganz bestimmt auch Estland. Das passt für uns, auch wenn wir die Sprachen so gar nicht sprechen können. Die Menschen hier sind nicht nur entspannter, da schwingt noch etwas anderes mit, was ich noch nicht so richtig beschreiben kann. Vielleicht liegt es daran, dass es hier viel mehr Natur als Menschen gibt. Das lässt die Menschen wohl doch anders sein. Der Umkehrschluss ist dann allerdings auf dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung von Megastädten doch eher erschreckend.
Uns genügt aber einstweilen schon das »direkte Gegenüber«. Hamburg, zack Helsinki und dann Kuopio. Und Kuopio ist mit seinen knapp 120 tsd Einwohnern immerhin die größte Stadt Ostfinnlands. Die Hildesheimer würden aus dem Feiern nicht mehr rauskommen, wenn Hildesheim die größte Stadt Nordeutschlands wäre ?. Nun ja, in Finnland bevölkern eben auch nur 16 Finnen einen Quadratkilometer und in Deutschland treten sich immerhin 231 Deutsche auf einem Quadratkilometer auf die Füße. Da soll das Lebensgefühl schon etwas anders sein.
Und immerhin leben auch mehr als 1000 Braunbären und unglaubliche 100.000 Elche in Finnland, die sich allerdings bisher vor uns ziemlich gut versteckt halten. Aber vielleicht wird das ja noch was ? (<- Astrids Blick, denn sie ist gerade noch nicht so sehr davon überzeugt, dass wir eine Braunbärenfamilie in freier Wildbahn sehen wollen ?).
Die PINCOYA ist schon ein ziemlich optimales Zuhause, um damit Finnland zu bereisen. Wenigstens im Sommer ?. Im Winter wäre sie allerdings etwas fußkalt und ihr Bewegungsradius wäre auch eher eingefroren ?. Da würde wohl besser eines der Mökkis mit Sauna und Snowmobil davor passen. Und das haben wir uns auch schon fast ganz fest vorgenommen, in irgendeinem der nächsten Winter müssen wir uns eines dieser Mökkis mieten und uns hier im Winter verkriechen. Das muss der Hammer sein! Vielleicht etwas nördlicher, damit man auch ganz sicher die Polarlichter so oft wie möglich sehen kann. Und so haben wir da nun schon wieder einen neuen Plan, an dem wir dringend weiterarbeiten müssen ?.
Montagvormittag kaufen wir noch etwas für die nächsten Tage ein und drehen noch eine kleine Runde durch Kuopio. Leider ist es bedeckt. Etwas Sonne wäre zum Abschied schon schön gewesen und hätte natürlich auch den Photos gut getan.
Im Hafen von Kuopio treffen wir dann die erste nicht-finnische Yacht und es sind tatsächlich auch Deutsche. Es ist allerdings keine normale Motoryacht, sondern die »Rudolf Diesel«. Eine klassische, sehr schön renovierte Motoryacht von rund 23 m Länge und mit einer interessanten und wechselhaften Geschichte. Das wissen wir natürlich alles nicht, als wir mit dem wirklich netten Eignerpärchen etwas quatschen. Bei der »Rudolf Diesel« ist alles viele Nummern größer, als wir es uns je leisten könnten oder auch wollen. Aber es ist wirklich toll, wenn solche besonderen Schiffe erhalten werden und wenn dann auch noch die Eigner normal bleiben und man sich einfach etwas unterhalten kann.
Danach laufen wir noch in einem Bogen durch die Innenstadt und zu der Kirche, deren Fassade uns sehr stark an dieses quietschsüße, weiße Nugat mit Mandel aus Südfrankreich und Spanien erinnert.
Kuopio -> südlich von Kynsisaari (A) Start: 15:00 Ende: 18:45 Wind: ~W 0 – 4 kn Distanz: 20,7 sm Gesamtdistanz: 1538,4 sm
Am frühen Nachmittag brechen wir dann auf und tuckern unter Motor wieder langsam in Richtung Süden. Eigentlich müssten wir uns etwas sputen, denn in 1 1/2 Wochen kommt Ina, eine Freundin, in Helsinki zu uns an Bord und fährt mit uns weiter bis Turku.
Aber dem Wind ist heute wirklich nicht nach Sputen zumute, so bleibt es bei zwei zarten Segelversuchen und den Rest muss dann doch der Motor machen. In den nächsten Tagen soll es aber doch noch aus West über Nord auffrischen. Das wäre toll! Hoffentlich weiß der Wind auch morgen noch etwas davon. Denn wir brauchen einen kräftigen Wind aus diesen Richtungen, da wir die Strecke von Lappeenranta nach Kuopio doch etwas unterschätzt haben. Die Zickezacke-Fahrwege durch die Seen ziehen sich ganz schön hin und 30 Seemeilen in den Seen gehen bei weitem nicht so leicht von der Hand wie auf der offenen See.
Gegen 18:30 haben wir aber keine Lust mehr und suchen uns eine nette Ankerbucht. In einem Umkreis von einigen Seemeilen finden sich passende Ankerbuchten eigentlich immer recht schnell in der Karte. Das größte Problem dabei ist unsere geringe Kettenlänge, weil die Buchten hier gerne mal bis nah ans Ufer etwas tiefer sind. Die Windrichtung ist meist nicht ganz so kriegsentscheidend, da der Wind in der Regel eh zwischen 21 – 22:00 komplett einschläft oder wenigsten sehr viel schwächer wird.
südlich von Kynsisaari vor Anker (Kalavesi, FIN)
62° 36′ 57,3″ N, 27° 43′ 11,1″ E
Dienstag 26.06.
Kynsisaari (A) -> Schleuse von Varkaus (Taipaleen) -> südlich von Jokilahti (A) Start: 11:00 Ende: 20:30 Wind: erst abends etwas W 8 kn Distanz: 29,3 sm Gesamtdistanz: 1567,7 sm
Als wir uns das erste Mal die Seekarten der Seen hier angesehen haben, waren wir sehr überrascht, wieviele Marinas es hier gibt. Damals hatten wir aber noch nicht so recht verstanden, dass die Finnen zwischen 3 Arten von Marinas unterscheiden. Den »normalen«, den »Natur-« und den »anderen« Marinas. Die »normalen« und die »anderen« Marinas sind in der absoluten Minderheit, wobei die »anderen« Marinas eher gar nicht für Sportboote gedacht sind und die »normalen« Marinas wenigstens in den größerer Städten weitgehend schon zu den Erfahrungen eines deutschen Seglers hinsichtlich einer Marina passen. Solche Marinas wie Heiligenhafen, Grömitz oder Boltenhagen sucht man hier in den Seen allerdings vergeblich. Hier ist alles ist etwas kleiner und normaler, auch die Motor- und Segelboote. Und damit sind auch die Liegeplätze etwas kürzer. Oft passt die Heck-Mooring gerade so für uns und es wäre recht schwierig bis unmöglich, auf diesen Plätzen eine 50er festzumachen.
Aber Natur-Marinas gibt es in Hülle und Fülle. Und unter einer Natur-Marina ist alles zu verstehen, was sich zwischen einen Ring an einem Felsen und einem kleinen Holzsteg mit einigen Moorings bewegt. Oft sind wir aber auch an solchen Natur-Marinas vorbeigesegelt und hatten keine Idee, wo sich hier die Marina versteckt hält.
Die Naturmarinas sind teilweise schon “recht speziell”. Auch deswegen haben wir eigentlich immer frei geankert, was absolut kein Problem ist und auch immer bestens geklappt hat. Hätten wir noch etwas mehr Kette als unsere mickerigen 40m gehabt, dann hätten uns noch viel mehr Möglichkeiten offen gestanden. Und eines muss man auch sagen, es gibt einfach nichts Schöneres, als in der Mittsommerzeit mitten in einer lauschigen Bucht vor Anker zu liegen. Das ist echt etwas für das Gemüt und der Romantikfaktor erreicht Höchstwerte und bleibt dort einfach am Anschlag stehen.
Aber auch der schönste Romatikfaktor wird wieder auf seinen Alltagslevel zurückgeholt, wenn noch zwei Schleusen vor einem liegen. Und heute wollen wir beide Schleusen nehmen und den Genuss nicht noch länger aufschieben. Kanucksen ist kein Problem, dort müssen wir allerdings einen Frachter abwarten.
Danach geht es lange durch eher kanalartige Fahrwasser und uns kommen wieder einige Frachter entgegen. Es ist schon erstaunlich, was sich hier alles so durch die engen Fahrwasser zirkelt.
In Varkaus sind wir dann leider 30 Minuten zu spät, denn zwischen 15:00 und 18:00 wird wegen des Berufsverkehrs nur ohne Brückenöffnung geschleust. Und mit Mast passen unter der Brücke auf der Talseite eben nicht durch. Also müssen wir warten und können noch etwas die Vorfreude genießen und wirken lassen.
Aber es geht ja auch runter und runter ist eigentlich immer »schmusiger« als hoch. Und genauso ist es dann auch um kurz nach 18:00. Problemlos und heile kommen wir nach 10 min wieder unten aus der Schleuse raus.
Hinter Varkaus verdrücken wir uns gleich in eine wunderhübsche Bucht und sperren die Mücken mit unserem Ganz-Cockpit-Mückennetz aus.
Apropos Mücken… Finnland ist ja im Sommer das Mückenzentrum Europas schlechthin. Keiner hat mehr und keiner hat fiesere und hinterhältigere! Vielleicht sind wir ja zu früh dieses Jahr hier, aber wir wurden bisher nur dreimal wirklich von Mücken angegriffen und heimgesucht. Ok, das ist dann auch wirklich unangenehm und statt irgendeines anderen Duftwässerchens, empfiehlt sich dann Autan oder Antibrumm. Beides wirkt gut auf nackter Haut, aber nur mäßig durch T-Shirts, Socken oder sogar Jeans. Der beste Schutz ist ein Mückennetz und wir haben uns neben vorher ein Ganz-Cockpit-Mückennetz in der Größe von 5x5m genäht. Der Ehrlichkeit halber müssen wir allerdings sagen, dass nicht wir das Netz aus einzelnen Bahnen zusammengenäht haben, sondern meine Tochter Maren, denn die kann das viel besser als wir. Dieses Netz hat im Saum eine Bleikordel. Das Netz spannen wir über die Sprayhood bis zum Geräteträger und die Bleikordel lässt den Saum schön auf dem Laufdeck aufliegen. So hat man das ganze Cockpit mückenfrei und kann den Abend auch draußen genießen, wenn es denn mal zu einem Großangriff kommt.
Das geht so bis 2 Beaufort gut, sofern man vor Anker liegt und der Wind somit von vorn kommt. Für mehr ist die Bleikordel zu leicht und das Netz weht aus. Zusätzlich haben wir für die Türen und Lucken Mückengitter, die setzen wir ein, wenn es schnell gehen muss oder eben mehr Wind ist. Danach ist Ruhe und die dennoch eingedrungenen Mücken können genüßlich und fachmännisch erlegt werden.
südlich von Jokilahti vor Anker (Haukivesi, FIN)
62° 14′ 34,8“ N, 28° 02′ 35,5″ E