Freitag 08.06.
Am ersten Tag nach St. Petersburg sortieren wir uns erst einmal wieder und versuchen, möglichst wenig herumzulaufen. Die 3 Tage St. Petersburg – Sightseeing haben uns schon etwas geschafft. Allerdings drehen wir doch noch gleich vor dem Frühstück die PINCOYA um, so dass wir nun mit dem Heck zum Steg liegen. Das versuchen wir zwar eigentlich immer zu vermeiden, weil uns das die Privatsphäre im Cockpit nimmt, aber heute muss es sein. Der Wind kommt immer noch aus Nord und die Wellen klatschen immer noch wie blöde ans Heck.
Unsere Füße haben sich erst nachmittags wieder so weit erholt, das wir Einkaufen gehen können. Nach Möglichkeit wollen wir die nächsten Tage vor Anker liegen, denn wir müssen definitiv mal raus aus dem Stadtleben und wollen nur noch »Natur pur« haben.
So sollte auch eigentlich dieser Blog heißen ?: »Pause und Natur pur«. Da mir das dann doch etwas zu „unfinnisch“ ? war, hatte ich erst den Titel etwas „eingefinnischt“ in: »Pausi i natuuri puuri«, bis ich auf die Idee kam, mal nachzusehen, wie es auf Finnisch richtig heißt. Dieser Titel zeigt auch ganz gut, vor welchen sprachlichen Schwierigkeiten wir hier z.B. im Supermarkt stehen, denn wenn nicht wenigsten etwas Schwedisch auf den Packungen steht, dann haben wir oft gar keine Idee, was dort drin sein könnte. Nicht, dass wir Schwedisch können, aber den Sinn kann man sich aus dem Schwedischen oft noch zusammenreimen. Aber bei dem Finnischen fehlt uns jeder Zusammenhang. Man gut, dass fast alle Finnen recht gut Englisch sprechen. Woran das wohl liegen mag ??
Hier im Hafen von Lappeenranta sind wir nach wie vor die einzigen Nicht-Finnen. Vielleicht sind wir ja sogar die einzigen Ausländer, die zur Zeit auf eigenem Kiel in Saimaa unterwegs sind. Wir werden immer wieder angesprochen und jeder bietet ganz selbstverständlich seine Hilfe an oder hat einige Tipps für uns. Man freut sich wirklich und der ein oder andere Finne versucht auch tapfer, sein Schuldeutsch wiederzubeleben.
Saimaa ist aber offensichtlich auch für Finnen aus anderen Teilen des Landes ein eher ungewöhnliches Revier. In dieser Woche liegen hier im Hafen abwechselnd vier Finnen mit ihren Segelyachten neben uns und alle sind auch zum ersten Mal in Saimaa. Ab dem letzten Jahr scheut man wohl zusätzlich den langen Weg über Russland wegen der nun strengeren Kontrollen. Selbst das finnische Seglerpärchen aus Kotka ist zum ersten Mal in Saimaa. Sie erzählen uns auch, dass viele Finnen in Kotka ihr Schiff kranen und dann per LKW nach Saimaa bringen lassen, weil sie nicht über den Kanal fahren wollen.
Samstag 09.06
Da wir Lappeeranta bisher fast nur auf der Suche nach der Busverbindung nach Vainikkala kennengelernt haben, drehen wir heute noch eine kleine Runde über den ehemaligen Burgwall und zu dem Yachthafen am Eingang der Bucht. Dort ist auch eine Boottankstelle. Eigentlich müssten wir noch tanken, aber die 1,65 € für den Liter Diesel sind uns echt zu viel und zu einer neuen Kanisteraktion an einer Autotankstelle, wo der Liter „nur“ 1,40 € kostet, haben wir noch keine Lust. Also brechen wir auf.
Lappeenranta -> Bucht von Pieni Jankasalo (A) Start: 15:00 Ende: 19:05 Wind: N 3 Distanz: 20,0 sm Gesamtdistanz: 1358,4 sm
Das Wetter zeigt sich endlich mal wieder von einer freundlicheren Seite, aber leider weht der Wind immer noch genau aus der Richtung, in die wir wollen. Also motoren wir bei einer gemütlichen Drehzahl zwischen all den Inseln durch. Wir wollen ja auch einfach nur ein kleines Stückchen in »unsere Richtung« und dort dann den Anker fallen lassen, um etwas auszuspannen.
Astrid hat schon diverse Ankermöglichkeiten herausgesucht, die nicht allzu weit weg sind. Aber Saimaa ist ein echtes Labyrinth. Wenn man hier einfach so drauflos fährt, kann das nur schief gehen. Ohne wirkliche Routenplanung ist da nichts zu machen und bei der Routenplanung muss man auch gleich seine nächsten Tagesziele bzw. sein Gesamtziel im Auge behalten. Viele Wege führen Seemeile für Seemeile durch die wunderschönste Landschaft, enden dann aber in einer ebenso landschaftlich reizvollen Sackgasse. Speziell den Seglern versperren auch gerne mal Brücken oder Hochspannungsleitungen den Weg und man muss dann doch ganz andersherum fahren. Zwischen den vielen Inseln, Fjorden und Buchten kann man sich auch bestens verirren und man bekommt schnell ein echtes Problem, wenn man nicht mehr weiß, wo man ist. Irgendwie sehen sich all die Inseln dann doch etwas zu ähnlich. Zu Zeiten von Papierseekarten muss das hier wirklich richtig kniffelig gewesen sein und selbst mit unseren elektronische Seekarten haben wir noch genug zu tun, um den richtigen Weg zu finden.
Deswegen fahren wir heute auch einen hübschen „Umweg“, denn auf dem direkten Weg haben wir dann doch noch eine 4m-Brücke entdeckt, die definitiv keine Kurbel zum Hochkurbeln hat. Leider kommt der Wind den ganzen Tag irgendwie aus Nord und weil auch unsere Reiserichtung auch irgendwie Nord ist, passt das nicht ganz so gut. Nun ja, mit einem großen Segelerlebnis haben wir ja hier sowieso nicht gerechnet. Das geht nur, wenn die Windrichtung halbwegs zur eigenen Reiserichtung passt. So motoren wir gemächlich durch diese unendlich hübsche Landschaft und lassen den Anker nach 20 Seemeilen in einer kleinen netten Bucht fallen.
Nach der letzten Stadtrummelwoche ist das hier genau das Richtige für uns und so bleiben wir auch gleich noch den ganzen Sonntag und machen einfach nur mal einen faulen Tag.
vor Anker in südlicher Bucht von Pieni Jankasalo (FIN, Lake Saimaa)
61° 12′ 22,1″ N, 28° 11′ 20,6″ E
Montag 11.06.
Bucht von Pieni Jankasalo -> südlich von Haapasaari (A) Start: 12:30 Ende: 20:15 Wind: ~NW 5 – 10 kn Distanz: 31,5 sm Gesamtdistanz: 1389,9 sm
Segeln in Saima ist wie Binnenseesegeln. Obwohl der Wind ja doch schon irgendwie eine Hauptrichtung hat, dreht er zwischen den Inseln munter hin und her und sorgt so immer wieder für Überraschungen. Manchmal geht das Segeln an einer Stelle, an der man eigentlich nicht damit gerechnet hätte und manchmal geht gar nichts, obwohl es eigentlich stark nach einem superguten Segelkurs riecht. So beschert uns dieser Tag einen munteren Mix aus Motor- und Segelmeilen.
Obwohl alle Inseln mit ihren Bäumen und Felsen ja äußerlich doch irgendwie ähnlich aussehen, ist das Gesamtarrangement von Saimaa einzigartig atemberaubend. Immer wieder öffnen sich neue Perspektiven, springen kleine Buchten oder lange Fjorde zurück oder trennen sich Inseln, die vorher wie eine aussahen. Dann öffnen sich Durchfahrten, die gar keine sind oder auch welche, die tatsächlich schiffbar sind. Manchmal sind die Durchfahrten so eng, dass man schon Angst hat, sich mit der Genua eine der Fahrwassertonnen einzufangen. Und dann wieder öffnet sich vor einem ein Seengebiet zu einer großen Wasserfläche, unter dessen Oberfläche manchmal sogar keine fiesen Steine auf mutige Segler warten, die aufkreuzen möchten.
Und wenn der Motor dann Ruhe geben darf, weil der Wind mit einem ist, dann ist das Segeln hier ein Segelerlebnis von einer besonderen und ganz andersartigen Schönheit und teilweise schon fast von einer würdevollen Ruhe. Es ist tatsächlich kaum mit etwas zu vergleichen, was wir bisher auf der Ostsee erlebt haben. Das Segeln in den ostschwedischen Schären ist vielleicht am ehesten vergleichbar. Aber in Saimaa segelt man auf einem See und bis an die Ufer steht dichter Wald ohne echte Saumkante zum Wasser. Nur wenige nackte Felsen reichen ins Wasser hinein. Vielleicht ist es der dichte Wald ringsherum, der die gesamte Szenerie hier so anders macht, vielleicht ist es auch etwas anderes, aber besonders ist es hier in jedem Fall.
Die erste Ankerbucht, die wir uns für heute Abend ausgesucht haben, ist leider nix. Zumindest nicht für uns, denn das Echolot will partout nicht unter 10m fallen, obwohl wir schon in einer Entfernung zu einige Felsen und Steinen sind, die wir eigentlich für unseren Schwojkreis gar nicht mehr so richtig toll finden. Unsere Ankereinschränkung durch die 40m Kette ist schon blöd. Vielleicht könnte man ja auch direkt an die Felsen gehen, aber das trauen wir uns immer nicht so richtig. Wir tun uns noch schwer damit, die Felsliegeplätze richtig einzuschätzen und deswegen ist uns ein freies Ankern dann doch lieber. Also fahren wir etwas weiter und versuchen die nächste Möglichkeit, die wir uns aus der Karte herausgesucht haben. Und dort klappt es dann prima. Wir fummeln uns anhand der elektronischen Seekarte hinter einige kleine und eine große Insel und lassen dort den Anker auf 6,0 m fallen.
vor Anker südlich von Haapasaari (FIN, Lake Saimaa)
61° 34′ 36,3″ N, 28° 18′ 31,8“ E
Dienstag 12.06.
südlich von Haapasaari -> südlich von Rantasaari (A) Start: 14:35 Ende: 18:50 Wind: ~NNW 10 – 17 kn Distanz: 18,6 sm Gesamtdistanz: 1408,5 sm
Morgens zum Frühstück ist immer Detailroutenplanung. Die grobe Richtung nach Savonlinna haben wir ja, aber mit Savonlinna ist es ja wie mit Rom, auch dort führen viele Wege hin. Und da haben wir nun einen so hübschen Weg abgesteckt, um uns etwas weiter an Savonlinna heranzupirschen und dann ist da doch wieder eine Brücke mit »vertical clearance 12,5 m«. Das passt nicht ganz zu unserem Mast. Es ist schon tückisch. Man muss eine vermeintlich gute Route doch immer noch einmal in einer großen Zoomstufe Stück für Stück nach „Hindernissen“ absuchen. In diesem Fall wäre es immerhin fast 15 sm gut gegangen und nun müssen wir doch gleich zu Beginn einen anderen Weg einschlagen. Wenn man das zu spät bemerkt, dann kann man sich seine Tagesetappe auf dem Rückweg gleich am nächsten Tag noch einmal in umgekehrter Reihenfolge ansehen.
Über Nacht hat der Wind deutlich aufgefrischt. Mit den Wetterberichten für Saimaa ist das auch so eine Sache. Die Grib-Files von Predictwind haben für die Ostsee ja bisher wirklich gut gestimmt, aber für Saimaa scheint Predictwind nur Windpfeile mit einer halben Fieder zu kennen, die sich einträchtig mit umlaufender Windstille abwechseln. Dass das Wetter hier aber auch anders kann, haben wir ja schon in Lappeenranta gesehen, denn dort hatten wir bis zu 28 kn aus Nord auf der Anzeige. Vielleicht müssen die Modellrechnungen an dieser Stelle noch einmal etwas nachjustiert werden.
Windfinder und Windy scheinen zwar etwas besser zu stimmen, bekleckern sich aber auch nicht mit dem Ruhm großer Genauigkeit. Grundsätzlich reicht es aber bei dem ganzen Zickezacke durch die Inseln auch, einfach nur die grobe Richtung und Stärke des Winds zu kennen. So weiß man, mit was man es zu tun hat. Der Kurs wird ohnehin nur durch die befahrbaren Wege bestimmt und und weniger durch den Wind. Und wenn der Wind dann dazu passt, wird gesegelt. Und wenn nicht, wird motort oder gewartet bis es passt. Je nachdem, wie üppig der persönliche Zeitplan ist.
Obwohl der Wind echt ruppig und unstet ist, können wir heute immerhin 10 von den 18 Seemeilen segeln. Aber es ist schwierig und man kann nicht einfach so drauflos segeln. Zwischen den Inseln dreht der Wind manchmal derart abrupt, das die Segel von einer Sekunde zur anderen back stehen, um sich dann nach Sekunden wieder prall zu füllen. So rauschen wir mal mit 6 kn durch das fast wellenlose Wasser oder müssen doch mit Motor gegenan brummen.
Abends haben wir dann dasselbe Ankerbuchtspielchen wie gestern. Die erste passt nicht und die zweite geht. Nachdem wir den Anker fallen gelassen haben, zerrt der Wind noch rund zwei Stunden an uns herum. Danach hat er keine Lust mehr und schläft vollständig ein. Nach kurzer Zeit ist die Wasseroberfläche spiegelglatt und man sieht nur noch die Kreise der hüpfenden Wasserflöhe.
vor Anker südlich von Rantasaari (FIN, Lake Saimaa)
61° 43′ 11,9″ N, 28° 31′ 47,4“ E
Mittwoch 13.06.
Nachts piept die Ankerwache. Der Wind war es nicht, der hat schon seit Stunden Pause. An unserer Ankerboje kann man ganz leichte Strömungswellchen erkennen und ein Birkenblatt zieht kaum merklich am Rumpf der PINCOYA vorbei. Die Wasseroberfläche ist spiegelglatt. Man könnte sich rasieren. Ich betrachte dieses Spiegelspiel eine Weile. Alle Insel, Felsen, Bäume und alle Wolken am Himmel mit jeder Farbschattierung haben 1:1 ihr gegenüber im Wasser. Ein doppeltes Finnland.
Manchmal ist das doppelte Finnland nur an einem kleinen Helligkeitsunterschied auf der Wasseroberfläche zu erkennen. Alle Birken stehen dann kopfüber im Wasser genauso kerzengrade, wie ihre Originale am Ufer. Würde ich Astrid jetzt wecken und kopfüber ins Cockpit tragen, wüsste sie nicht mehr, wo oben und unten ist. Mal ganz abgesehen davon, dass ich das wahrscheinlich auch nicht mehr wüßte, weil sie die Idee bestimmt nicht so richtig toll finden würde. Und dann wäre es auch um die Ruhe geschehen, denn höchstwahrscheinlich könnte ich Astrid nicht ganz geräuschlos kopfüber ins Cockpit tragen. Sie hat in bestimmten Situation doch manchmal Widerworte.
Und diese Ruhe ist gerade jetzt schier unendlich. Gestern Abend hat man manchmal noch die nächste Kabelfähre gehört. Nachdem sie mit einem Rumms angedockt hatte, hörte man kurz die Autos, die sie mitgebracht hatte. Nun ist es absolut still, denn auch sie hat nun schon seit Stunden Feierabend. Man hat fast das Gefühl, dass sich die Ohren wie ein Radar drehen wollen, um noch etwas intensiver in die Ferne lauschen zu können, um vielleicht dort doch noch ein kleines Geräusch zu erhaschen.
Aber da ist nichts und so beginnen die Ohren aus lauter langer Weile zu brummen und zu summen, nur damit sie wenigstens für sich selbst noch das Gefühl haben, ein Sinnesorgan zu sein. Aber in Wahrheit ist die Ruhe gar nicht unendlich, denn seit Estland blenden wir im Kopf ein Geräusch fast schon automatisch aus. Bei dem ersten, zweiten und dritten Kuckuck haben wir noch gesagt, – oh, hör mal, ein Kuckuck – , aber es gibt hier oben keine einzige Stelle ohne Kuckuck. Und Kuckucke (p.s. das Plural ist vielleicht nur gefühlt richtig ?) rufen offensichtlich nur in dunkler Nacht nicht »Kuckuck«. Wegen der ganz Kuckuckruferei haben sie ja übrigens auch gar keine Zeit, ihre Eier selbst auszubrüten und müssen dies von Leihmüttern machen lassen. Und da es hier oben nun gar nicht mehr richtig dunkel wird, sind das hier alles nun sozusagen 7×24-Kuckucke. Wie Kuckucke das rein überlebenstechnisch machen, 24h ohne auch nur die kleinste Unterbrechung »Kuckuck« zu rufen, ist uns ein Rätsel. Eigentlich müsste der Waldboden übersät sein mit toten Kuckucken, die wegen skandinavischer Kuckuckentkräftung tot vom Baum gefallen sind. Da liegt aber kein einziger, so bleibt dies wohl eins der letzten Rätsel der Tierwelt.
südlich von Rantasaari -> Savonlinna Start: 11:20 Ende: 19:25 Wind: umlaufend 0 – 4 kn Distanz: 22,9 sm Gesamtdistanz: 1431,4 sm
Im Gegensatz zu gestern gelingen unsere Segelversuche heute nur mäßig und erfordern viel Geduld. Nur langsam nähern wir uns Savonlinna. In Savonlinna haben wir uns eine Marina ausgesucht, die auch eine Waschmaschine haben soll. Das scheint hier eher die Ausnahme zu sein, deswegen müssen wir auch heute noch durch die beiden Drehbrücken direkt an der Burg von Savonlinna. Da wir nirgends etwas zu den Modalitäten finden, wie und wann diese Brücken öffnen, hoffen wir, dass das so ähnlich problemlos klappt, wie bei den Schleusen im Saimaa-Kanal.
Savonlinna ist von Süden kommend die erste große Engstelle in der Seenplatte Südkareliens und Saimaas. Und so strömt es auch an der engen Passage rund um die Burg von Savonlinna, denn das viele Schmelzwasser aus dem Winter ist immer noch dabei abzufließen. Die Fahrt um die Burg herum ist schon etwas tricky und dann sind da auch gleich die beiden Brücken. Wir halten uns vor der ersten Brücke in der Strömung recht wacker und warten, dass das Signal an der Brücke auf »Jawoll-gleich-geht’s-los“ springt. Tut es aber nicht und die Brückenampel blinkt uns im Wechsel mit Orange-Blau unverändert munter an. Also rufen wir mal auf Kanal 9 die Brücke, denn Kanal 9 ist der allgemeine Info-Kanal in Saimaa. Irgendeiner muss ja wohl bei ausgewachsenen Drehbrücken zuhause sein. Aber es antwortet niemand. Wir versuchen es auf Kanal 16, aber auch dort erhört uns niemand. Am Ufer sitzen einige Finnen. Wir manövrieren uns in deren Nähe und fragen. Aber alle zucken nur mit den Schultern. Vor der Brücke liegt ein Ponton mit einem Schild. Irgendwie sieht das Teil aber etwas mitgenommen und nicht wirklich »offiziell« aus. Auf dem Schild steht nur Finnisch, dessen Rätsel sich für uns nur mit Google-Translator lösen ließ, wozu uns aber hier in der Strömung auch irgendwie die Ruhe fehlt.
Nach einiger Zeit drehen wir ab und beschließen, im Süden der Brücken erst einmal festzumachen und irgendjemand zu finden, der uns sagen kann, wie sich die Brücken öffnen lassen. Gleich in der ersten Marina machen wir fest und ich stapfe in das Hotel, in dem man die Hafengebühr bezahlen müsste. Nachdem geklärt ist, dass wir gar nicht bleiben wollen, setzt sich eine ganze Hilfsbereitschaftsmaschinerie an der Hotelrezeption in Bewegung. Drei Finnen beschäftigen sich nun mit unserem Problem. Alles offensichtlich keine wirklichen Freizeitskipper, aber unendlich bemüht, um dem Gast, der nicht bleiben will, zu helfen. Eine Dame recherchiert im Internet und zwei Herren telefonieren. Irgendwann bekommt einer der Telefonfinnen von wem auch immer am anderen Ende der Leitung einen Hinweis. Der bezieht sich offensichtlich auf eine Web-Page. Die Internetfinnin wird aktiv und sagt dem anderen Telefonfinnen irgendetwas. Der beendet sein Gespräch und wählt neu. Eine unglaubliche Menge von für mich vollkommen unverständlichen Worten wird in alle Richtungen gewechselt. Irgendwann fragt der zweite Telefonfinne mich, wann wir denn durchfahren wollen. Nun ja, – jetzt -, sage ich. Es ist kurz nach 17:00. Ob 19:00 auch gut wäre, werde ich gefragt. Joah, klar, alles ist gut, nur durch wollen wir.
Ok, um genau 19:00 müssten wir vor den Brücken sein, dann werden die sich wie durch ein Wunder öffnen. Ich bekomme noch einen Zettel mit zwei Telefonnummern. Eine für die Eisenbahnbrücke und eine für die Straßenbrücke. Meine Telefonnummer wird für alle Fälle auch noch an das andere Ende der offensichtlich hilfreichen Telefonverbindung gegeben.
Zusätzlich erfahre ich, dass man bei eben diesen Nummern eine Stunde vorher anrufen muss, um eine Brückenöffnung zur vollen Stunde zu bestellen. Und da es nun schon 17:05 ist, geht das Brückenöffnungswunder eben erst wieder um 19:00.
Zum Abschied drückt mir die finnische Hilfsbereitschaftsmaschinerie der Hotelrezeption noch einen Schokobollo in die Hand und wünscht mir alles Gute mit dem Brückenöffnungswunder.
Stolz wie Oskar komme ich mit der guten Nachricht zurück auf die PINCOYA. Zwischenzeitlich hat Astrid sich aber auch schon einen anderen Freizeitskipper geschnappt und ist dem Schiffsjungen hart auf den Fersen bei der Brückenöffnung. Der Schiffsjunge hat aber schon eine konkrete Öffnungszeit. Und so geht der Sieg nach Punkten diesmal an den Schiffsjungen.
Um kurz vor 19:00 schlängeln wir uns wieder durch die Strömung und um die Burg herum und … es passiert tatsächlich das Brückenöffnungswunder. 20 min später sind wir in der Marina mit Waschmaschine, und viel später am Abend findet Astrid auch die magischen Nummern im Anhang unserer Papierkarten und auch eine Web-Adresse mit diesen Infos vom finnischen »Liikennevirasto«, das ist die Finnish Transport Agency. Manchmal sind wichtige Informationen doch recht gut versteckt und es ist schon eine kleines Abenteuer, sie zu finden.
in Savonlinna (FIN, zwischen Lake Saimaa und dem Haapavesi)
61° 52′ 12,7″ N, 28° 53′ 13,1“ E