Donnerstag bleiben wir in Savonlinna, schließlich haben wir ja nicht ohne Grund eine Marina mit Waschmaschine gesucht. Wobei »Marina mit Waschmaschine« vielleicht nicht ganz den Kern der Gegebenheiten trifft. Die Marina gehört zu einem Hotel, wobei hier in Finnland die Konstellation »Hotel macht auch Marina« nicht ganz unüblich zu sein scheint. Dieses Hotel besteht aus einem neueren und einem alten Gebäudekomplex. Der alte Gebäudekomplex wird nicht mehr als Hotel genutzt und so dient nun die alte Hotelwaschküche als „Waschmaschine der Marina“ und der alte Saunabereich in der 4ten Etage wurde in die sanitären Anlangen der Marina umgewidmet. Das ist schon etwas unkonventionell, aber in der alten Hotelwaschküche stehen zwei betagte, aber funktionierende Waschmaschinen und ein Trockner, der Trockner nicht mehr trocknen mag. Und die Waschmaschinen beginnen gleich noch am ersten Abend bereitwillig mit unserem Waschtag.
Gott sei Dank ist auch dem Wetter nach Waschtag zumute und so ist es egal, dass der Trockner nicht mehr trocknen mag. Die Sonne scheint und trocknet alles im Schnellverfahren und wir können in der Hotelwaschküche 6 Ladungen durchziehen. In der Zeit, in der wir nicht mit Wäsche beschäftigt sind, latschen wir 1x zum Einkaufen, schleppen von der Tanke 120 Liter Diesel heran und putzen uns einmal von vorn nach hinten durch die PINCOYA.
So verfliegt dieser Tag als Arbeitstag und am Ende bleibt keine Zeit mehr, sich auch noch die Burg von Savonlinna anzusehen.
in Savonlinna (FIN, zwischen Lake Saimaa und dem Haapavesi)
61° 52′ 12,7″ N, 28° 53′ 13,1“ E
Freitag 15.06.
Den Besuch der Burg holen wir am Freitag nach. Zweimal haben wir ja nun schon die Burg auf dem Wasserweg umfahren, nun ist es auch mal Zeit, sich die Burg von innen anzusehen. Soweit haben es Angreifer übrigens nie geschafft, die Burg konnte allen Attacken trotzen.
Savonlinna ist von Süden kommen die erste Engstelle in der Seenplatte Südkareliens und das Ende des Saimaa-Sees. Die Region nördlich von Savonlinna bis nördlich von Kuopio, unserem Ziel, wird über vier weitere große Seen erschlossen. Die Seen waren früher nur durch Flußläufe und Stromschnellen verbunden. Besonders die Stromschnellen waren für die Schiffbarkeit ein echtes Problem. Deswegen baute man schon früh Schleusen und Kanäle. Das ganze Seen-System der Region Savonia heißt in seiner Gesamtheit »Vouski« und der Saimaa-See im Süden ist nur der Hauptsee dieses System.
Nun ja, und wenn es nun schon hier so eine hübsche Engstelle gibt, was liegt dann näher, als hier eine Burg zu bauen, an der keiner vorbei kommt.
Die Olavinlinna, die Burg des Olaf. Und noch heute kommen wenigstens Opernfans an dieser Burg immer noch nicht vorbei, denn in der Burg laufen jedes Jahr im Juli die internationalen und unter Opernfans total berühmten Opernfestspiele von Savonlinna. Alles von Rang und Namen gibt sich hier die Klinke in die Hand. Als wir mit einer Führung durch die Burg laufen und auf die Türme klettern, können wir schon etwas von den Proben hören. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, denn bis zum 04. Juli, an dem in diesem Jahr die Festspiele beginnen, ist nicht mehr viel Zeit.
Savonlinna -> ostnordöstlich Kostonsaari (A) Start: 13:25 Ende: 20:40 Wind: SSE – SSW 10 – 18 (22) kn Distanz: 34,9 sm Gesamtdistanz: 1466,3 sm
Dann ist es schon wieder Mittag und wir müssen uns sputen, denn ehrlich gesagt haben wir die Strecke bis Kuopio etwas unterschätzt. Die zieht sich schon etwas hin. Aber auf uns wartet ein super Segeltag. Der Wind kommt zwar böig, aber kräftig aus südlichen Richtungen und das passt prima für uns. So lassen wir es laufen, denn heute geht’s den ganzen Tag geradewegs nach Nordwest.
Nur einmal kommen wir etwas ins Stocken. Auf AIS sehen wir schon früh einen Schlepper, der allerdings nur einen Knoten Fahrt macht. Natürlich begegnen wir uns an der einzigen engen Kurve des Fahrwasser heute. Durch das Fernglas sehen wir dann, dass uns ein Schlepper entgegenkommt, der von zwei kleineren Schleppern flankiert wird. Und die Capitana sagt: „Ach du je, der Schlepper muss nun wohl selbst abgeschleppt werden.“
Dann sehen wir aber, was wir vorher noch nicht sehen konnten, weil einige Inseln davor waren. Der Schlepper ist mitnichten irgendwie defekt und muss selbst abgeschleppt werden. Er schleppt ein schier endloses Holzflöß von hunderten, wenn nicht tausenden Stämmen. Das Flöß ist ungefähr 50 m breit und etwa 550 m lang. Und hinten hängt auch noch ein kleiner Schlepper dran, der zusammen mit den beiden kleinen vorne das ganze Flöß wohl mit um die Kurven drücken oder bremsen soll. Wir trauen unseren Augen nicht, so etwas haben wir bisher nur in Dokumentarfilmen gesehen.
Um die Kurve der Endstelle passt dieses Riesending im Fahrwasser gar nicht rum. Das macht wohl aber nichts, denn die grünen und roten Tonnen werden einfach mal übergemangelt. Schnell schauen wir in die Karte, wo wir uns verdrücken können. Die kleine Bucht hinter der nächsten Insel sieht gut aus, sofern das Flöß da nicht einschwenken muss. Und wer weiß das schon, wenn die die grünen und roten Tonnen schon einfach so übermangeln. Nun erklären sich auch die dicken Stahlrohrabweiser an den Brückenpfeilern und in vielen Fahrwasserkurven vor den Privatstegen der Wochenendhäuser und auch die kräftigen Stahlkäfige über den Leuchten der Fahrwassertonnen.
In der kleinen Bucht gehen wir erst einmal in Deckung, lassen die Segel fallen und beobachten das ganze Spektakel aus einer noch sicheren Entfernung. Ein Motorbootfinne nimmt die Sache eher sportlich, saust in einem Bogen durch unsere Schutzbucht und dann an dem Holzflöß entlang. Wir überlegen derweil, wie dieses riesige Holzmonster wohl um die Kurve und in die nächsten Inseldurchfahrten zu bekommen ist. Und wenn wir uns den möglichen Drehradius so ansehen, dann erscheint uns nun auch die Flucht des Motorbootfinnen nach vorn eine nicht ganz so schlechte Idee zu sein.
In dem größtmöglichen Abstand zu dem Flöß fahren wir daran entlang. Eine grüne und eine rote Tone sind dahinten ja auch schon wieder hochgekommen. Es riecht intensiv nach frischem Nadelholz und der Harzgeruch erfüllt die ganze Luft entlang des Flößes. Kurz nachdem wir das Ende des Flößes passiert haben, löst sich der achterliche Schlepper von der einen Holzflößseite und beginnt das hintere Ende um die Ecke zu schieben. Unsere Flucht aus unserer Schutzbucht scheint doch gar nicht so schlecht gewesen zu sein. Das Teil ist schon der Oberhammer. Eine Drohne für die Gopro müsste man nun haben, dann könnten wir nun das ganze Spektakel von oben filmen. Das wäre richtig cool.
Später lesen wir, dass nur noch in Kanada, in einem Kanal in Norwegen, in Russland und eben hier in Finnland geflößt wird. Da haben wir echt Glück gehabt, dass wir das wirklich mal in natura sehen konnten.
Bis zum Abend können wir dann traumhaft segeln, laufen aber auf dem Abzweig zu der Ankerbucht, die wir uns ausgesucht haben, in eine dieser Hochspannungsleitungsfallen, die man hier für Segler gerne bereit hält. Erst sieht das kleine Ding am Himmel aus wie eine Drohne. Auf dem zweiten Blick durch’s Fernglas entpuppt es sich allerdings als Schild, das an einer Hochspannungsleitung hängt und auf dem 14,5 m steht. Das ist etwas wenig für uns und so war’s das dann mit unserer hübschen Ankerbucht. Da der Wind abgenommen hat und sich morgen aus Südwest vergnügen soll, ankern wir einfach im Nordost der Insel, die über dieses wunderbare Kabel mit Strom versorgt wird.
In der Seekarte sehen wir, dass es für uns auch noch blöder hätte laufen können. Denn vor etwa 7 Seemeilen haben wir uns entschieden, im Hauptfahrwasser zu bleiben und nicht vorher schon zu der Ankerbucht abzuzweigen, weil es gerade so schön fuhr. Wären wir vorher abgebogen, hätten wir die Ankerbucht auch nicht erreicht, denn auch dort spannt sich diese Hochspannungsleitung über den Fahrweg auf’s Festland. Und dann hätten wir die 7 Seemeilen wieder ganz zurückfahren müssen. Im Normalfall waren bisher Überlandleitungen in unserer Seekarte immer als Strich mit einer Höhenangabe eingezeichnet, diesmal ist es aber nur eine Strichellinie und im Kontextmenü ist dann auch zu finden, dass es sich im eine Hochspannungsleitung mit »clearance 14,5 m« handelt. Nun werden wir uns wohl morgens auch noch alle Strichellinien genauer ansehen müssen.
Die Nacht ist ruhig und entspannt, denn wir wissen ja noch nicht, dass unser Blutdruck morgen seinen Jahreshöchstwert erreichen wird, der hoffentlich auch nie mehr überschritten werden wird.
vor Anker ostnordöstlich Kostonsaari (FIN, Lake Haukivesi)
62° 13′ 14,4″ N, 28° 04′ 41,8″ E
Samstag 16.06.
ostnordöstlich Kostonsaari (A) -> Varkaus -> nördlich Tanskansaari (A) Start: 11:35 Ende: 18:50 Wind: SW – W 5 – 15 kn Distanz: 17,5 sm Gesamtdistanz: 1483,8 sm
Um aus dem Saimaa-See bis nach Kuopio zu kommen, muss man nicht nur wissen, wie man die Brücken in Savonlinna öffnet, sondern auch noch 2 Schleusen überwinden. Eine in Varkaus und eine in Kanava. Obwohl wir nur wenige Infos zu den Schleusen finden, sind wir nach den Schleusen im Saimaa-Kanal guter Dinge. Die hatten alle Schwimmpoller und die Schleusungen waren moderat. Nur in der letzte Schleuse vor dem Saimaa-See ging es etwas turbulenter zu, aber auch das war gut beherrschbar.
Als wir dann an der Schleuse in Varkaus ankommen, macht die auch gleich auf doppelgrün und wir können nach zwei kleinen Motorbooten einfahren. Da hinter uns noch ein Ausflugsboot kommt, das auch schleusen will, machen wir unseren ersten Fehler und gehen kurz vor dem letzten Schleusendrittel an einen der unteren Schleusenhaken. Schwimmpoller gibt es leider nicht. So hat das Ausflugsboot schön Platz und kann ganz hinten in der Schleuse liegen. Das war zwar total freundlich von uns, aber mindestens auch ebenso blöd.
Zwischen uns und dem Ausflugsboot liegen am Ende 3 kleine Motorboote, die noch gar nicht wissen, dass sie bald auch sehr viel Glück haben werden. Und auf den Fehler 1 folgt auch gleich der Fehler 2. Obwohl wir keine ordentlichen Informationen über die Schleuse hatten, haben wir uns nicht auf die Möglichkeit vorbereitet, dass es gar keine Schwimmpoller geben könnte. D.h. wir müssen umhängen und wir brauchen 2 Leinen, denn die Schleuse hat einen Hub von gut 9 Meter.
Als die hinteren Tore, durch die wir eingefahren sind, geschlossen sind, folgt auf Fehler 1 und 2 dann erst einmal ein etwas ungläubiges Staunen. Bisher kannten wir nur Schleusen, in die das Wasser mehr oder weniger geordnet durch vorn oder unten liegende Einströmkanäle einfließt. Hier in der Schleuse von Varkaus ist das etwas anders, denn man öffnet einfach das vordere Schleusentor um einen etwa 30 cm großen Spalt. So gucken wir anfangs auf einen fast 5 m hohen Wasserfall. Nach kurzer Zeit sind die Verwirbelungen so stark, dass ich fast Vollgas voraus geben muss, um die PINCOYA wieder einzufangen. Und hier folgt auch gleich der Fehler 3, denn ich habe das Ruder so gelegt, dass das Heck an die Schleusenwand gedrückt wird. Also so, wie wir immer längsseits anlegen. Mit etwas Zug auf der Mittelklampe, den man schön über den Motor dosieren kann, liegt die PINCOYA dann parallel zum Steg bzw. lag bisher auch immer schön parallel zur Schleusenwand. So aber nicht hier.
Da das vordere Schleusentor nun inzwischen schon gut 40 cm geöffnet ist und unglaubliche Mengen von Wasser in das Schleusenbecken schießen, werden wir zurück und quer gedrückt. Nur unter Vollgas gelingt es mir, die PINCOYA wieder gerade zu ziehen. Aber nun hätten wir eigentlich schon längst umhängen müssen. Aber Astrid bekommt an der Mittelklampe die Tampen nicht mehr los, weil die sich nun gegenseitig bekneifen. Den Zug auf den Festmachern brauchen wir aber, um nicht wieder querzuschlagen. Behelfsmäßig schnappe ich mit eine Heckleine, die ist aber zu kurz um auf dem nächsten Schleusenhaken auf Slip zu liegen. Also das Auge über Schleusenhaken und auch diesen Festmacher noch hinter die Mittelklampe. Wo sonst soll er auch hin. Dann das Teil auf die Winsch und durchsetzen. Astrid zerrt und reißt wie wild an den anderen Strippen, um die irgendwie los zu bekommen. Wieder schlagen wir quer, weil wir unbedingt den Druck von den ersten beiden Leinen nehmen müssen, um die überhaupt irgendwie loszubekommen. Wie ein Haufen Spaghetti begraben inzwischen die Festmacher unsere eine Mittelklampe. „Scheiße alles falsch gemacht!“ schießt es mir durch den Kopf. „Wie kommen wir aus der Nummer nur wieder raus?“
Dann bekommen wir die ersten beiden Leinen doch irgendwie etwas lose und ich kann sie mit dem Bootshaken im letzten Moment vom Schleusenhaken reißen. Gott sein Dank! Jetzt Vollgas, nur nicht noch mehr querschlagen. Wir können nur beten, dass die eine Leine, an der wir jetzt nur noch hängen, nicht bricht. Dann würden wir die drei Kleinen von der Schleusenwand rasieren und in den Ausflugskahn krachen. Noch zwei Wechsel, die Strömung ist unbeschreiblich, der Festmacher ist auf das hohe E gestimmt. Wir schrammen mit der achterlichen Steuerbordseite an der Schleusenwand. Wieder quer, noch mehr Vollgas. Der Festmacher ächzt. … bitte jetzt nicht … bitte! Das Gummiboot verhindert das Gröbste am Heck, weil es zwischen Geräteträger und Schleusenwand eingeknautscht wird. Sozusagen als XXXL-Fender!
Wir hängen noch einmal um und bekommen mit Ach und Krach wieder den unteren Festmacher los. Das ist nun die Achterleine, die mit dem Auge draufhängt. Der Motor brüllt. Inzwischen sind wir fast oben und das Schleusentor geht noch weiter auf.
Die spinnen die Finnen!!!
Nun erreicht Astrid mit dem Bootshaken den Absperrzaun auf der Schleusenpier. Vorne ist der Winkel besser zum Halten. Astrid wirft all ihre Kilos in die Waagschale. In Momenten wie diesem könnten es ruhig etwas mehr sein. Langsam beruhigt sich die Lage. Nach einer unendlichen langen Zeit geht die Ampel auf grün. Die Verwirbelungen sind immer noch etwas für Erwachsene. Erst fahren die Kleinen aus, dann wir. Wir biegen gleich nach der Schleuse rechts in die Schleusenmarina ab. Unsere Nerven liegen blank und wir brauchen erst einmal eine Verschnaufpause. – Glück gehabt, das hätte auch schief gehen können.
Nach einer Stunde besuchen wir dann doch noch wie geplant das Kanal- und Schleusenmuseum. Aber wir wollen nicht, wie das eigentlich auch geplant war, hier in der Schleusenmarina bleiben. Wir brauchen definitiv etwas Abstand.
Also brechen wir wieder auf und fahren für unsere Nerven unter Segeln einfach noch etwas geradeaus. Als der Wind beginnt einzuschlafen, biegen wir links ab und werfen hinter Tanskansaari den Anker, aber der Kopf ist irgendwie immer noch in der Schleuse und die Bilder wollen nicht aus dem Kopf verschwinden, obwohl wir noch nett grillen und unser letztes finnisches Bier auf dieses Schleusendesaster gießen.
vor Anker in der nördlichen Bucht von Tanskansaari (FIN, Lake Unnukka )
62° 25′ 56,7“ N, 27° 52′ 20,8″ E