vom 18.07 -> 23.07.
Ütö -> Kotomaanniemi (A) Distanz: 83,5 sm; Gesamtdistanz: 2170,1 sm
Inzwischen haben wir einen etwas konkreteren, wenn auch immer noch recht groben Zeitplan für unsere letzten 2 1/2 Monate abgesteckt. 2 1/2 Monate hört sich nach einer Ewigkeit an, in der alles möglich ist, aber in einer Ewigkeit kann man sich auch bestens verdaddeln und verheddern. Der ein oder andere Anfängerplanungsfehler hat uns ja schon ereilt und wir haben keine große Lust mehr, irgendwann nur noch Seemeilen fressen zu müssen, weil wir die Entfernungen wieder falsch eingeschätzt haben. Und da am Ende ja ohnehin immer alles anders kommt, als man plant, wollen wir das Anderskommende nicht noch durch unsere virtuose Drauflosplanung unterstützen. Und so bleiben uns Stand heutiger Planung noch eine Woche, um uns in einem Bogen durch die Ålands nach Norden zu verdrücken.
„Durch die Ålands“ ist dabei nur für den Bogen selbst richtig, denn unser Ausgangspunkt Utö und unser Endpunkt Kotomaanniemi gehören ja immer noch und schon wieder zu Finnland. Nur Kokar, Sottunga und Lappo gehören zu den Ålands.
Bevor wir am Mittwoch nach Kokar aufbrechen, fahren wir erst einmal mit dem Gummiboot an Land nach Utö. Früher war Utö militärisches Sperrgebiet, heute ist es aber ein beliebtes Touristen- und Ausflugsziel und die finnische Armee unterhält auf Utö nur noch einen „Wachposten“.
Utö ist heute die tatsächlich ganzjährig bewohnte südlichste Insel Finnlands. Früher war das ja mal Bengtskär, wo wir mit Ina von Hanko aus waren, aber Bengtskär wird heute ja nur noch im Sommer vom Inselvogt und einigen Touristguides bewohnt.
Da unter den Seglern auf Utö ein munteres Durcheinander der Gastlandflaggen von Finnland und Åland herrscht, schauen wir lieber auch noch einmal nach, wo denn nun wirklich die Grenze zwischen Finnland und den Ålands verläuft. Eigentlich ist es aber klar, denn wenn auch heute noch Militär auf Utö ist, kann es nur zu Finnland gehören, denn die Ålands sind ja seit 1921 auf Geheiß des Völkerbundes ein demilitarisierte Zone.
Wegen der militärischen Vorgeschichte von Utö hatten wir ja doch kleine Vorbehalte hinsichtlich dessen, was uns erwartet. Aber alles ist anders und Utö entpuppt sich wirklich als echt schnuckelige Insel. Der Leuchturm von Utö ist mit seinen 204 Jahren der älteste Leuchturm Finnlands, der auch heute noch in Betrieb ist. Und er enthält eine Rarität besonderer Art, denn seine zweite Etage unter dem eigentlichen Leuchtenraum beherbergt seit 1840 eine Kapelle. So wurden oben die Seefahrer mit dem rechten Seeweg erleuchtet und darunter haben die normalen Schäfchen auch gleich die Erleuchtung zum rechten Lebensweg erfahren ?. Wenn das keine Win-Win-Situation der besonderen Art ist, dann weiß ich’s auch nicht.
Aber Utö errang 1994 auch eine traurige Berühmtheit, denn nur knapp 20 Seemeilen südöstlich von Utö sank damals die Fähre Estonia, wobei 852 Menschen starben. Nur 137 Menschen konnten aus der kalten Ostsee gerettet werden. Von Utö aus wurden damals die Rettungsarbeiten koordiniert.
Als wir gegen 14:00 aufbrechen, sind fast alle Ankerlieger schon lange weg. Und auch der Hafen von Utö hat sich schon einmal geleert und auch wieder so gut gefüllt, dass nun links und rechts von uns wieder die ersten Anker der Nachzügler ins Wasser plunschen, die keinen Hafenplatz mehr bekommen haben. Dieses unglaubliche Aufbruchs- und Ankommtempo ist einfach zu viel für uns, da können wir nicht mithalten.
Es ist heiß und die Sonne brennt richtig vom Himmel. So heiß, dass ich mir irgendwann einfach eine Pütz Ostseewasser über den Kopf gieße. Gegen Kälte kann man ja etwas tun, aber Hitze ist auf einem Schiff ein fast unausweichliches Problem, wenn man nicht doch so einen klimaanlagen-gekühlten und energiesorgenfreien Luxus-Cruiser hat. Mal sehen, wie das nächstes Jahr auf unserer Tour in den Süden wird. Hoffentlich bringt dann der Atlantik doch etwas mehr Kühle mit sich, als die Ostsee dies in diesem Jahr kann.
Unser Segeltag bis Kokar kann traumhafter nicht sein. Der Wind ist zwar etwas unstet und pendelt munter zwischen 6 und 16 Knoten hin und her, aber wir liefern uns dadurch auch eine spannende Privatregatta mit einem Finnen, der sich nicht so einfach geschlagen geben will. Am Ende ziehen wir in Zeitlupentempo vor der Leetonne ganz knapp nach vorne. Dort gehen wir dann etwas mehr an den Wind und der Finne weiter vor dem Wind nach Nordwesten.
Kokar ist ein wirklich hübsches Inselarchipel. Die von den Eiszeiten teilweise vollkommen glatt geschliffenen Felsen haben ja was. Die Inseln sind etwas flacher, besonders die mehr vorgelagerten Inselchen gucken nur wenige Meter aus dem Wasser. Auf den größeren Inseln wachsen weiter oben eher spärlich einige Bäume. Mit einem üppigen Wald hat das allerdings noch nicht viel zu tun. Wir lassen unseren Anker zwischen den beiden Marinas in einer offenen Bucht fallen. Der Wind passt heute dafür und wir werden nach einem fantastischen Segeltag auch noch mit einem fantastischen Abend belohnt.
Die nächsten Tage soll das Wetter allerdings schlechter werden. Ein Tief mit einem großen Regengebiet ist im Anmarsch. Es ist die Frage, ob wir auf Kokar bleiben sollen oder ob wir uns lieber verdrücken. Wie sich der Wind in dem Tief verhält, ist etwas schwer zu sagen, denn wir werden wohl mehr oder weniger das Zentrum abbekommen. Doch etwas mehr Nord wird dabei wohl herausspringen, bevor es dann auf West dreht. Man weiß es aber nicht so genau. Unsere Ankerbucht auf Kokar ist recht offen und bei Nordwest eher ungünstig. So beschließen wir das schlechte Wetter südlich von Sottunga abzuwarten, dort ist eine rundherum geschlossene Bucht zwischen zwei Inseln, in die wir uns wohl auch ganz gut hineinfummeln können.
Auf dem Weg nach Sottunga nutzen wir wohl zum ersten Mal unser Bimini auch als Bimini und nicht nur als Rainimi. Es ist richtig heiß und auf raumen Kursen ist das wirklich schon langsam etwas unangenehm. Wir freuen uns auf ein Abkühlungsschwimmerchen, Gott sei Dank sind es heute ja nur wenige Seemeilen.
Die Bucht südlich von Sottunga ist optimal für schlechtes Wetter aus jeder Richtung. Unser Anker beißt sich in einem lehmig-algigen Untergrund ordentlich fest und wir richten uns auf einen Tag mit Regen, »Nichtstun« und wechselnden Winden ein.
Allerdings werden aus dem einen Tag »Nichts« gleich zwei Tage »Nichts«, denn es regnet sich über Nacht ein. Am Freitag gibt es noch die eine oder andere Regenpause, die wir auch nutzen können, um etwas Räucherfisch und Brot im Hafen gegenüber zu kaufen.
Aber aus den Schauern wird über Nacht ein ausgewachsener Dauerregen und es schüttet den ganzen Samstag wie blöde und kein Ende ist abzusehen. Im Regenradar dreht sich ein dicker dunkelblauer Klops direkt über uns und der Wind ist vollständig eingeschlafen. Unglaubliche Regenmassen fallen Stunde um Stunde senkrecht herunter. Die Natur kann es gebrauchen, denn überall auf den Inseln ist es furztrocken. Viele der Laubbäume bekommen schon braune Blätter, obwohl es definitiv noch nicht Herbst ist. An manchen Birken hängen die grünen Blätter auch einfach nur welk und schlapp herunter, wie an den Birkenzweigen, die zu Mittsommer geschnitten werden, am Tag danach.
So fällt es uns am Samstag leicht, mit dem »Nichts« einfach dort weiterzumachen, wo wir am Freitag damit aufgehört haben. Und wir holen bei den Blogs und Bildern wieder auf und sogar der letzte noch ausstehende Blog erblickt am Samstag noch das Licht der Internetwelt. Leider fehlt uns etwas Internetpower. Auf den Ålands ist 3G das Allerhöchste der Internetgefühle und so plätschern unsere Blogs beim UpLoad nur müde Byte für Byte der heilen High-Speed-Internet-Werbewelt des Always-On entgegen. Da braucht es schon mal ein Stündchen und mehr, um einen 20 MB Blog loszuwerden. Und da das unendliche »Nichts des Dauerregen« anhält, kann ich auch gleich noch mal wieder einige Panoramen aus Estland zusammensetzen.
Als es Samstagabend dann doch noch aufhört zu regnen und sich eine verschüchterte Sonne wieder zwischen den Wolken herauswagt, plätschert hinter uns eher eine Badewanne mit Regenwasser als ein Dinghy. Der Regen hat unser Dinghy tiefer gelegt und über dem Aufblasboden steht das Wasser knöcheltief. Wir müssen eine ganze Weile ackern und zerren, bis wir unser Gummiboot umdrehen können. Das Regenwasser wehrt sich mit seinem Gewicht heftig, einfach in die Ostsee gekippt zu werden.
Nach den zwei Tagen »Nichts« voller Blogs, Photos und Panoramen geht es dann nach Lappo. Auf die Regentage folgt ein wundervoller Segeltag mit Sonne und Wind aus der richtigen Richtung. Das Warten hat sich gelohnt und wir rauschen Lappo nur so entgegen. In Lappo soll es nun tatsächlich auch eine Einkaufmöglichkeit und auch eine Waschmaschine geben. Die Einkaufmöglichkeiten in Sottunga hatten sich ja auf Fisch und Brot beschränkt, wenn man nicht doch die 3,5 km bis ins Dorf laufen wollte. Nach 8 Ankertagen und 2 grautrüben Tagen ohne Wind und Sonne, aber fast andauerndem Gebrauch von 2 Notebooks, einem Bildschirm und all dem anderen liebgewonnenen, elektrischen Krimskram, könnten unser Batterien auch mal wieder eine volle Landstromladung gebrauchen.
In Lappo klappt das mit dem Landstrom gut, allerdings wird die Waschmaschine vom Hafenmeister in homöopathischen Dosen zugeteilt und wir ergattern erst für den nächsten Tag zwei Waschmaschinen-Slots. Die Hafengebühr ist mit 27 € recht üppig und der Minimarkt toppt jedes Einkaufserlebnis in Finnland, dass wir bisher hatten. Für 2 Brote, einen Liter Joghurt, 500g Käse und eine 1,5 Liter Flasche Mineralwasser zahlen wir sage und schreibe 26 €! Das läßt unsere Idee, hier eine kleine Grundversorgung zu starten, umgehend versterben. Und damit haben wir schon mit Uusikaupunki ein neues Ziel. Denn Uusikaupunki hat nicht nur einen so hübschen Namen, dass man dort gerne mal festmachen will, sondern liegt zudem auch auf dem finnischen Festland, was unsere Hoffnung schürt, dort etwas preiswerter einkaufen zu können. Finnland ist ja ohnehin ein teurer Spaß, selbst wenn man nur Mineralwasser trinkt und niemals an ein Döschen Bier oder gar ein Glas Wein denkt. Ich glaube, nur wenigen ist wirklich klar, in welch einem preiswerten Schlaraffenland wir in Deutschland leben.
Als wir am frühen Nachmittag in Lappo angelegen, sind noch 4 oder 5 Moorings frei. Aber es ist Hochsaison in Finnland und nach 2 Stunden ist auch die allerletzte Lücke gefüllt und wir quetschen uns Fender an Fender entlang des Stegs. Im Vergleich dazu haben es Sardinen in ihrer Büchse richtig gemütlich und wir trauern schon jetzt unseren hübschen Ankerliegeplätzen nach. Wir sind ganz froh, dass es für uns inzwischen nur noch wenige Notwendigkeiten gibt, in einen Hafen zu gehen. Waschmaschine, Landstrom und Wasser zählen dazu. Wobei wir konstanten Landstrom eigentlich nur brauchen, um mal mit dem Staubsauger ordentlich von vorn nach hinten durchs Schiff zu gehen oder nach einigen windlosen Regentagen die Batterien doch mal wieder voll zu laden. Für alles andere können wir auf Häfen verzichten und fühlen uns vor Anker doch irgendwie viel besser aufgehoben. So ist Lappo ein Hafen für »Hausarbeit« und die ziehen wir straff und knapp durch, um so schnell wir möglich wieder zurück in die Natur zu kommen.
Unsere letzte Station in den Ålands ist eine Bucht nordöstlich Kotomaanniemi. Der Ehrlichkeit halber muss man sagen, dass wir hier eigentlich schon wieder in Finnland sind, aber die Grenze zu den Ålands ist noch zum Greifen nahe. Eigentlich wollten wir in der Bucht vor dem Hafen Katanpää auf Kotomaanniemi ankern, dort hatten wir sogar eine Mooring gefunden und kurzerhand auch daran festgemacht. Aber nach kurzer Lagepeilung waren wir uns einig, dass uns die Mooringsituation und die Nähe zu den Felsen doch nicht so recht behagt. Also sind wie um die Ecke gefahren und haben einfach dort den Anker geworfen.
Und der Segeltag hierher war wieder ein Traum. Ein Tag, wie aus dem Segelbilderbuch. Vor dem Wind haben wir gleich kurz hinter Lappo den Parasailor gezogen und erst zwei Seemeilen vor Katanpää wieder geborgen. 21 Seemeilen sind wir genau auf der Grenze zwischen den Ålands und Finnland in Richtung Norden gefahren, der Bottnische Meerbusen hat uns sanft umplätschert und die Sonne hat wieder einmal alles gegeben. Ein toller Abschied von den Ålands.
Stationen:
18.07. Utö -> Kokar (A) 22,2 sm: 59° 56′ 54,9″ N, 20° 54′ 27,7″ E
19. -> 21.07. Kokar (A) -> südlich Sottunga (A) 12,8 sm: 60° 06′ 11,2″ N, 20° 40′ 48,1″ E
22.07. Sottunga (A) -> Lappo 24,9 sm: 60° 18′ 56,2″ N, 20° 59′ 50,4″ E
23.07. Lappo -> nordöstlich Kotomaanniemi (A) Distanz: 23,6 sm: 60° 37′ 0,6″ N, 21° 12′ 12,3″ E