Nordöstlich Kotomaanniemi (A) -> südöstlich Harvungon (A) Distanz: 154,7 sm Gesamtdistanz: 2324,8 sm
Gut, dass wir bei Kotomaanniemi ein Stück weiter um die Ecke gefahren und nicht an der Mooring vor Katanpää geblieben sind. Es ist wirklich hübsch hier. Vor Anker hat uns der Südost so gedreht, dass wir nun aus dem Cockpit genau nach Nordwesten auf die ganze Weite des Bottnischen Meerbusens schauen. Nur noch wenige flache Felsinseln liegen dort, danach kommt nur noch Wasser. Wir freuen uns schon, dass wir bald mal wieder etwas mehr freies Wasser um uns herum zu haben. Nach Uusikaupunki werden wir vielleicht noch an ein oder zwei Stellen in den Schären vor Rauma stoppen, um dann weiter außen einfach mal wieder etwas Strecke zu machen. Das Rumgedudel zwischen den Inseln ist ohne Frage auch toll, es ersetzt uns aber nicht dieses unendliche Gefühl der Freiheit, wenn es einfach mal Stunde um Stunde geradeaus geht und man verwundert feststellt, wie fesselnd dieses Nichts ist, das sich von einem Horizont zum anderen zieht.
Bevor wir aufbrechen, fahre ich mit dem Gummiboot noch rüber nach Kotomaanniemi, um etwas auf den Felsen herumzuklettern. Die von den Eiszeiten glatt geschliffenen Felsen sehen einfach zu verlockend aus. Wir mögen diese weich aussehenden Granitfelsen. Ihre Formen stehen in einem absolut krassen Gegensatz zu dem Granit, aus dem sie sind. Das hat schon fast etwas Künstlerisches und ist absolut faszinierend, ganz besonders wenn man darüber nachdenkt, wie groß die Zeiträume und unendlich die Kräfte gewesen sein müssen, um diesen Granit so zu bearbeiten.
Als ich auf den Felsen herumklettere, sehe ich, dass es hier offensichtlich auch zwei Liegemöglichkeiten direkt am Felsen gibt. Natürlich nehme ich diese Ecken erst einmal unter die Lupe, aber so richtig »behaglich« sind mir diese Plätzchen dann auch nach näherer Betrachtung nicht. Der Felsen taucht zwar ziemlich flott ins Wasser ab und es liegen dort natürlich auch keine größeren Brocken unter Wasser herum, aber der Bereich, den man treffen muss, ist nicht eben groß. Vielleicht werden wir ja noch Freunde der Felsliegeplätze, aber aktuell sind wir davon noch nicht so wirklich überzeugt. Zumal wir das Gefühlt haben, das ein freies Ankern in einer Bucht etwas weiter draußen, auch nicht ganz so »mückenträchtig« ist, wie ein Festmachen am Felsen. Hier fliegt mir heute früh schon so viel Getier um den Kopf herum, dass ich den ein oder anderen Stich für die Photos hinnehmen muss. Wie muss das dann erst zum Sonnenuntergang hier schwirren? Und ja, so’n Anti-Mückenzeug würde jetzt helfen, aber das hilft leider nur, wenn es nicht im Schrank auf der PINCOYA steht.
Als ich mit fast genauso viel Stichen, wie neuen Photos zurück komme, hat Astrid schon alles für unseren Aufbruch vorbereitet. Bis Uusikaupunki sind es nur noch 14 Seemeilen. Der Wind kommt immer noch günstig für den Parasailor, aber heute sind wir zu faul, um auf dieser kurzen Strecke auch noch eine Parasailor-Aktion zu starten. Zudem wartet in Uusikaupunki auf uns eine komplette Grundversorgung mit allem, was man als Fahrtensegler dann doch irgendwann mal so machen muss. Und wir wollen noch einmal voll tanken, denn bei »globalpetrolprices.com« steht, dass die Schweden für den Liter Diesel noch einmal 20 Cent mehr haben wollen als die Finnen. Die Schweden erreichen damit umgerechnet locker die 1,80 Marke an einer Bootstankstelle, da hört der Spaß für uns dann wirklich langsam auf.
An Uusikaupunki selbst haben wir keine großen Erwartungen. Hier gibt es zwar das »Bonk-Museum« für industrielle Erfindungen, die von vornherein zum Scheitern verurteilt waren, und den Auftragsautohersteller Valmet, bei dem zur zeit die A-Klasse für Mercedes produziert wird, was allerdings in keinem Zusammenhang mit dem Bonk-Museum stehen soll ?, aber sonst gibt es eben nicht viel, außer diesem wirklich hübschen Stadtnamen.
Die Einfahrt nach Uusikaupunki ist eng und flach und kurz vor der letzten Kurve in den Stadthafen geht es nur noch einzeln weiter. Bei Gegenverkehr muss man sich einigen, wer fahren darf, denn hier kann man die Untiefentonnen links und rechts synchron abklatschen.
In Uusikaupunki sind wir die einzigen Nicht-Finnen und auch auf dem Wasser haben wir seit Lappo nur noch Finnen gesehen. In den Schären von Turku und in den Ålands war das ja noch ein bunter, internationaler Mix, aber nördlich der Ålands scheint sich das deutlich auszudünnen. Den ersten Nicht-Finnen, einen Franzosen, werden wir dann tatsächlich auch erst wieder kurz vor dem Vaasa Archipelago »Kvarken« treffen.
Einen Liegeplatz kriegen wir in dem Stadthafen problemlos, inzwischen beherrschen wir die Dazwischendrängeltaktik an den Moorings ganz gut. Aber obwohl der Süd noch etwas durch den Stadthafen weht, ist es in Uusikaupunki fast unerträglich heiß. Als erstes gehen wir einige Flaschen Mineralwasser kaufen und gönnen uns dabei wieder mal ein XXL-Lakritzeis. An Lakritzeis kann man sich echt gewöhnen, aber die Salmiaki-Variante ist nur was für echte Liebhaber.
Als wir so durch die Stadt laufen, sind wir überrascht von Uusikaupunki. Überall stehen hübsche, alte Holzhäuser, teilweise sogar recht groß und mit Innenhöfen. Die Bauweise erinnert stark an die Holzhäuser, die wir auch schon in Estland gesehen haben. Besonders die Schnitzereien an den Fensterrahmen, Türen und Toren. Uusikaupunki ist wirklich eine hübsche, ansprechende und gemütliche Stadt. Der alten Handelsstadt Uusikaupunki scheint es nicht wirklich schlecht gegangen zu sein.
Zu der eigentlichen Stadt Uusikaupunki kam es übrigens 1617 nur wegen der Halsstarrigkeit der lokalen Händler. Die hatten kurzerhand das Handelsverbot für Plätze, die nicht das königliche Stadthandelsrecht inne hatten, ignoriert und selbst einen regen Handel mit eigenen Schiffen bis nach Dänemark und Deutschland betrieben. So hatten sie etwas flussaufwärts ihren eigenen Handelsplatz Männäinen begründet.
Nach einigem Hin und Her mit dem schwedischen König bekamen sie dann aber doch irgendwann das offizielle Handelsrecht, aber das reichte die Kaufleuten nicht aus, denn der Fluss war flach und für größere Schiffe nicht schiffbar. Deswegen schickten sie eine Delegation an den schwedischen Königshof, der dem schwedischen König die Erlaubnis zur Gründung einer neuen Handelsstadt weiter unten am Bottnischen Meerbusen abrang. Und das war Uusikaupunki, die Stadt, die so letztes Jahr ihren 400 Geburtstag feiern konnte.
Am nächsten Tag steht die Luft in Uusikaupunki noch etwas mehr als gestern. Auf vier schweißtreibenden Touren schleppen wir insgesamt 120 Liter Diesel und einen Großeinkauf an Bord. Danach ist im K-Market wenigstens das Mineralwasser ausverkauft, denn die letzten 8 Flaschen verschiedener Sorten schleppen wir an Bord. Eigentlich wollten wir noch ins Bonk-Museum, aber das ist bei den Temperaturen um 35° doch etwas zu viel verlangt, also brechen wir um 14:00 auf, um uns ein kühleres Plätzchen irgendwo weiter draußen zwischen den Insel zu suchen.
Bevor wir nach Kvarken, dem Archipelago vor Vaasa aufbrechen, haben wir noch vor Rauma die Insel Kylmäpihlaja als ein Ziel. Die gut 30 Seemeilen dorthin sind uns aber heute zu viel. So lassen wir den Anker bei der ersten guten Gelegenheit irgendwo zwischen den Inseln fallen und springen als erstes ins Wasser.
Wenn uns jemand vor sechs Monaten erzählt hätte, dass wir in Finnland einen Stadthafen fluchtartig verlassen, um uns zur Abkühlung möglichst schnell in den Bottnischen Meerbusen zu stürzen, hätten wir ihn für komplett verrückt erklärt, ihm mit der Eiskarte vom März vor der Nase herumgefuchtelt und eine Nachhilfestunde in Geographie empfohlen. Nun springen wir nach einer halben Stunde gleich noch einmal in Wasser und sitzen nur noch auf dem Vorschiff, weil das der einzige Platz ist, wo noch eine kleine Brise etwas Abkühlung vorbeibringt.
Der Leuchturm auf Kylmäpihlaja ist weder der älteste, noch der höchste oder gar der schönste Leuchtturm Finnlands. Es ist einfach nur ein Leuchtturm, der nachts leuchtet und heute auch noch ein Restaurant und ein Hotel beherbergt. Die Besonderheit von Kylmäpihlaja ist der kleine kuschelige Hafen und die Lage weit draußen vor den Schären von Rauma.
Früher war der Hafen ein reiner Lotsenhafen, die von hier aus starteten und zurückkehrten, um Schiffe in die Schären hinein und wieder heraus zu leiten. Heute haben sich die Lotsen mit schnelleren Booten nach Rauma zurückgezogen und Kylmäpihlaja ist langsam zu einem Touristenziel geworden und nur der Leuchtturm leuchtet des Nachts noch tapfer vor sich hin. Von der Aussichtsplattform direkt unter dem Leuchtenhaus hat man einen grandiosen Rundumblick über die Inselwelt. Kylmäpihlaja ist aber insgesamt eher beschaulich und das Umwandern der Insel stellt auch ungeübte Wanderer vor keine unüberwindliche Hürde.
Nachdem wir nun Kylmäpihlaja besucht haben, wollen wir eigentlich in einer Rutsche nach Kvarken, dem Archipelago vor Vaasa fahren. Das liegt dort, wo sich der Bottnische Meerbusen noch einmal verengt und man sich durch ein ansehnliches Gewirr von Untiefen schlängeln muss. Bis dorthin sind es noch etwa 130 Seemeilen. Kylmäpihlaja liegt als Absprunghafen dafür eigentlich super günstig. Denn wenn wir das Kvarken in einer Rutsche erreichen wollen, dann geht das nur im Außenfahrwasser, also außerhalb der vielen kleinen Inselchen, die einen beim Navigieren nicht so recht zur Ruhe kommen lassen. Nicht zuletzt wegen dieser exponierten Lage war die Insel mit dem Leuchtturm ja auch ganz lange der Lotsenstützpunkt vor Rauma schlechthin.
Aber auch wenn unsere Ausgangsposition hier ganz prima passen würde, der Wind passt heute so gar nicht. Es weht ziemlich direkt aus Nordost und aus dem Nordost soll später noch ein Nord werden. Und wenn es zwei Dinge gibt, die beim Segeln nur mäßig harmonieren, dann sind das ein Ziel in einer Richtung und ein Wind aus derselben Richtung.
Da der Hafen von Kylmäpihlaja gut geschlossen ist, was ja bei schlechtem Wetter auch sein Gutes hat, steht die Luft heute hier wie in einer finnischen Sauna. Bei fast 30 Grad braten wir in der Sonne wie die Grillhähnchen.
So beschließen wir, aus der Not eine Tugend zu machen, und brechen auf. Egal, ob der leichte Wind nun ungünstig kommt oder nicht, er kommt aus Nord und ein echter Nord versprach wenigstens früher einmal, auch noch etwas frischer zu sein als ein Süd. Also kreuzen wir kurze Zeit später auf einem etwas kühleren Wasser und in einem etwas kühleren Nord ein kleines Stückchen weiter hoch nach Norden. Allerdings pflegen wir heute ein minimalinvasives Segeln und legen unsere beiden Kreuzschläge so, dass wir mit genau einer Wende auskommen. Den Rest macht der Autopilot und wir sitzen auf der Kante und lassen uns das leichte Lüftchen um die Nase wehen. Bis morgen soll der Wind über Nord auf Ost drehen und aus Ost dann auch etwas auffrischen.
Und der Wind hält sich tatsächlich an unsere Verabredung. Morgens weht es schon mal mit 10 Knoten aus Ost und über den Tag wird es dann auch tatsächlich noch etwas mehr. Um 10:00 rattert unsere Ankerkette und wir fummeln uns nach Norden aus den Innenfahrwassern heraus, um es dann laufen zu lassen. Da wir es auch heute nicht so recht schaffen, ganz früh am Start zu sein, wollen wir einfach mal sehen, wie weit wir kommen, denn die Einfahrt in das Kvarken Archipelago ist im Dämmerlicht nach Sonnenuntergang kaum möglich, da nur die Tonnen der Hauptfahrwasser beleuchtet sind.
Aber dann läuft es, wie es eben nur manchmal läuft. Bei wenig Welle und einem bis 17 Knoten zunehmenden Ost »rasen« wir förmlich gen Norden unserem Ziel entgegen. Bald sieht es tatsächlich danach aus, dass wir unser angepeiltes Ziel östlich der Insel Harvungon erreichen. Und es rennt und rennt und rennt. Um 23:00, kurz nach Sonnenuntergang, rattert unsere Ankerkette zum zweiten Mal an diesem Tag und 85 Segelmeilen liegen in unserem Kielwasser. Als wir heute morgen aufgebrochen sind, haben wir ehrlich gesagt nicht wirklich damit gerechnet. Aber es war einer dieser Ausnahmesegeltage, bei dem einfach alles passte. Und nun geht es erst einmal weiter durch Kvarken, ein Archipelago, das sich navigatorisch durch seine unzähligen Untiefen, Inselchen und Felsen auszeichnet, zwischen denen aber noch zusätzlich tausende fiese, kleine Steine gestreut wurden.
Stationen:
24.07. Kotomaanniemi (A) -> Uusikaupunki 14,5 sm: 60° 47′ 52,6″ N, 21° 24′ 18,1″ E
25.07. Uusikaupunki -> östlich von Tevaluoto (A) 10,3 sm: 60° 50′ 47,8“ N, 21° 09′ 56,3″ E
26.07. Tevaluoto (A) -> Kylmäpihlaja 20,9 sm: 61° 08′ 36,6″ N, 21° 18′ 19,2″ E
27.07. Kylmäpihlaja -> nordöstlich Isomaa (A) 24,2 sm: 61° 21′ 22,2″ N, 21° 27′ 36,4″ E
28.07. nordöstlich Isomaa (A) -> südöstlich Harvungon (A) 84,8 sm: 62° 42′ 32,0″ N, 21° 05′ 42,4″ E