Zurück durch den Saimaa-Kanal


Samstag 30.06.
Kattelussaari (A) -> Brusnitschnoje Lock Start: 9:00 Ende: 18:15 Wind: NW 10 – 18 (Böen bis 25) kn Distanz: 31,4 sm Gesamtdistanz: 1708,9 sm

„von Kattelussaari -> zur Brusnitschnoje Schleuse“

„von Kattelussaari -> zur Brusnitschnoje Schleuse“

Was ist das für ein Gegensatz? Vor zwei Tagen haben wir vormittags noch in der Sonne gelegen und sind dann den ganzen Tag in kurzer Hose und T-Shirt gesegelt und nun dies. Heute morgen sind es nur noch 9 Grad, die Heizung läuft und wir kramen zum ersten Mal seit der Überfahrt nach Klaipeda wieder unsere Winterklamotten raus. Der Nordwind hat eine ordentliche Portion kalte Luft mitgebracht und der kräftige Wind macht das nicht gerade angenehmer.

„Ein durchwachsener Start, aber mit Hoffnung auf Besserung. “

„Ein durchwachsener Start, aber mit Hoffnung auf Besserung. “

Nachdem wir gestern wegen der Sturmböen doch überlegt hatten, ob wir vielleicht heute lieber hier vor Anker bleiben, werden wir nun doch den Transit angehen. Das Tief ist viel schneller durchgezogen, als vorhergesagt und von Süden macht sich schon das nächste Tief in Richtung Lettland auf den Weg. Abwarten bringt also nichts, es wird auch die nächsten Tage kräftig aus Nord bis Nordost blasen, nur hoffentlich nicht mehr so ruppig und stürmisch wie gestern.

Pünktlich zu unserem Start beginnt es zu regnen und wir stehen beide im Regen. Astrid im Cockpit und ich am Anker, denn wir haben das Rainimi weggenommen, um in den 8 Schleusen des Kanals besser gucken und manövrieren zu können. Der Wind ist immer noch ziemlich ruppig und ab und zu scheppert es richtig in der Takelage. Aber es soll ja tagsüber vorübergehend etwas ruhiger werden.
Also los. Der Kanal ruft und die Schleusen wollen nun auch bezwungen werden. Irgendwie wirkt unser Schleusendrama von Varkaus ja doch noch nach, obwohl die Schleusung auf dem Rückweg in Varkaus ja problemlos geklappt hat. Aber Schleusen gehören ja schon seit der Überführung der PINCOYA von Wiesbaden in die Ostsee nicht gerade zu unseren Lieblingserlebnissen der Seefahrt.

„Ob das nun wirklich eine Telefonzelle ist oder ein als Telefonzelle getarntes Klo, konnten wir nicht herausfinden“

„Ob das nun wirklich eine Telefonzelle ist oder ein als Telefonzelle getarntes Klo, konnten wir nicht herausfinden“

„Ein letzter Blick zurück auf den Saimaa-See.“

„Ein letzter Blick zurück auf den Saimaa-See.“

Die letzten Seemeilen im Saimaa-See können wir noch segeln. Nicht ganz so brutal wie gestern, aber immer noch ordentlich. Wieder machen wir teilweise 8 Knoten Fahrt vor einem niedlichen Rest der Genua. Eigentlich wäre heute die Starkwindfock das richtige Segel gewesen, aber die wollten wir für die letzten 6 Seemeilen bis zum Kanal nicht mehr „aktivieren“. Auf das Hin und Her mit den Backstagen haben wir keine Lust, denn spätestens kurz vor der ersten Schleuse hätten wir alles wieder wegbinden müssen. Außerdem haben wir diesmal das Windrad festgebunden, weiß der Geier, was das alles in der Schleuse veranstaltet hätte, wenn eine dieser siebener Böen mal lustig mit uns in die Schleusenkammer einfährt. Das Windrad sitzt ja schon recht weit außen an Backbord und in den Schleusen wechseln die Schwimmpollerseiten immer mal wieder und somit auch unsere Festmacherseite. Und seit Varkaus wissen wir, wie weit das Heck an die Schleusenwand gedrückt werden kann, ohne dass sich das groß verhindern läßt. Wenn in einer solchen Situation das Windrad auch noch in einer Bö »durchdreht«, dann gibt es definitiv Kleinholz bzw. Windradflügelreste in Pommesgröße.

„… und zack geht es schon in den Kanal.“

„… und zack geht es schon in den Kanal.“

Um 11:00 fahren wir in den Kanal ein und melden uns bei der ersten Schleuse an. Das ist sozusagen der Startschuß für die Durchfahrt. Unsere Durchfahrt klappt wieder reibungslos. Alle Schleusen schalten direkt auf Doppelgrün, wenn wir kommen, und auch die Schleusungen klappen problemlos. Allerdings ist der Wind teilweise ziemlich ruppig. Im Kanal selbst ist das egal, aber bei den Einfahrten in die Schleusen erwischen uns immer wieder kräftige Drücker. Und das ist schon recht blöd, denn es muss beim ersten Anfahren passen. Platz für irgendwelche Spezialmanöver ist in der Schleuse nicht und der Schleusenwärter beginnt auch schon immer mit dem Schließen der Schleuse, wenn wir gerade mal durch das Tor sind. Aber wir erwischen jedesmal die Schwimmpoller, auch wenn der Wind teilweise alles dafür tut, das zu verhindern.

„Der Kanal hat uns wieder.“

„Der Kanal hat uns wieder.“

Etwas Anspannung fährt auch dieses Mal mit uns durch den Kanal. Zum einem wegen der ganzen Schleuserei und zum anderen wegen des Russland-Transits. Es ist schon anders, wenn man durch ein Land fährt, in dem die rechtsstaatliche Grundordnung nicht so ausgeprägt ist, wie wir das von Deutschland oder den meisten EU-Staaten kennen. Dazu mischen sich dann das Sprachproblem und Regularien, die wenigstens für uns nicht wirklich transparent sind. In dem aktuellen, finnischen Canal-Guide steht zwar viel drin, was auch grundsätzlich zutrifft, aber wie das dann konkret gehandhabt wir, ist immer noch eine andere Nummer.

„Und schon sitzen wir in der ersten Schleuse.“

„Und schon sitzen wir in der ersten Schleuse.“

Für die Schleusungen finden sich in dem Kartensatz für den Kanal für jede Schleuse Detailangaben und dort ist auch beschrieben, auf welcher Seite die Schwimmpoller sind. Das ist auch gut so, denn so kann man sich vorbereiten. Was teilweise auch schnell passieren muss, denn zwischen einigen Schleusen ist nicht viel Zeit, um die Fender umzuhängen.
Astrid überprüft das immer sehr gewissenhaft und nicht nur einmal. Und als ich dann vor der ersten Schleuse frage, nachdem Astrid noch ein weiteres Mal in der Karte überprüft hat, ob die Fender auch wirklich auf der richtigen Seite hängen, ob es denn nicht doch die andere Seite sein müsse, schleudert mir Astrid einen Blick entgegen, der den Schiffsjungen sofort zum Schweigen bringt und sagt in einem unmissverständlichen Ton: „Jetzt wollen wir nicht mehr lustig sein! Nicht im Kanal!“

„Die Mälkiä-Schleuse, die erste (oder letzte) Schleuse auf finnischer Seite.“

„Die Mälkiä-Schleuse, die erste (oder letzte) Schleuse auf finnischer Seite.“

„Astrid ist mit dem Umhängen schon ganz gut beschäftigt, viel Zeit ist nicht.“

„Astrid ist mit dem Umhängen schon ganz gut beschäftigt, viel Zeit ist nicht.“

„Schwimmpoller entspannen schon beim Schleusen.“

„Schwimmpoller entspannen schon beim Schleusen.“

„Oben: die ersten nicht-finnischen Segler hier oben, ein Norweger und ein Engländer. Unten: die einzige Zugbrücke auf der Strecke.“

„Oben: die ersten nicht-finnischen Segler hier oben, ein Norweger und ein Engländer. Unten: die einzige Zugbrücke auf der Strecke.“

Nach den drei finnischen Schleusen Mälkiä, Mustola und Soskua kommt die finnische Grenzkontrolle ziemlich gleich hinter der einzigen freien Zugbrücke auf der Strecke.

„Vor der Grenze klaren wir noch etwas auf...“

„Vor der Grenze klaren wir noch etwas auf…“

Das geht wieder schnell, problemlos und freundlich über die Bühne. Dann kommt die russische Grenze.

„… die Capitana möchte ordentlich nach Russland einfahren.“

„… die Capitana möchte ordentlich nach Russland einfahren.“

Die russische Grenzkontrolle am Pälli Lock ist zwar auch ausgesprochen freundlich, aber noch penibler als bei der Einfahrt durch den Kanal vor einem Monat. Wir brauchen diesmal gut 50 min und allein 20 min lang wird die PINCOYA gecheckt. Es ist ja kein Problem, wenn die russischen Grenzer überprüfen müssen, dass wir keine „extra people“ aus der EU nach Russland schmuggeln, weil man befürchtet, dass sich nun Flüchtlingsstrom umkehrt ?. Aber das, was die russischen Grenzer auf der Suche nach den „extra people“ alles untersuchen, riecht schon etwas nach Schikane. Wenn man sich auf Räume beschränken würde, in den sich tatsächlich Pygmäen oder Schlangenmenschen versteckt halten könnten, gut, aber welcher Flüchtling, der unbedingt nach Russland will, passt in eine Besteckschublade oder in mein Sockenfach. So wird dieses Mal wirklich wieder alles, aber auch wirklich alles auf den Kopf gestellt. Dabei interessiert überhaupt nicht, was man alles noch so schmuggeln könnte, es geht nur darum, von dem auch noch so kleinsten Eckchen ein Foto zu machen. Gut, wenn man meine Socken oder Astrid T-Shirts oder auch unsere Tampensammlung in der Backskiste und unser Erbsensuppenensemble für die Bildersammlung der russischen Grenzkontrolle unbedingt haben will, dann haben wir nichts dagegen, aber mit der Suche nach „extra people“ hat das absolut nichts mehr zu tun. Und… es gibt neue Formulare, die auch noch ausgefüllt werden müssen, aber nach 50 min dürfen wir weiterziehen.

„Am Pälli Lock ist die Border Control, dort darf man nicht fotographieren, denn die Wellblechbude ist ein großes Geheimnis in der Grenzsicherung. Unten: Ja, richtig gesehen, ein russisches Ruderboot fährt in die Schleuse ein, dahinter ein russischer Segler. Wir haben keine Ahnung, wohin die noch rudern wollen, denn oben beginnt ganz bald Finnland.“

„Am Pälli Lock ist die Border Control, dort darf man nicht fotographieren, denn die Wellblechbude ist ein großes Geheimnis in der Grenzsicherung. Unten: Ja, richtig gesehen, ein russisches Ruderboot fährt in die Schleuse ein, dahinter ein russischer Segler. Wir haben keine Ahnung, wohin die noch rudern wollen, denn oben beginnt ganz bald Finnland.“

„Wir nehmen eine Schleuse nach der anderen.“

„Wir nehmen eine Schleuse nach der anderen.“

„Dann kommt wieder etwas Kanalfahrt.“

„Dann kommt wieder etwas Kanalfahrt.“

Die nächsten russischen Schleusen, Pälli, Ilistoe, Cvetotchnoe und Iskrovska, bringen wir auch problemlos hinter uns und genau in der vorletzten Schleuse, der Iskrovka Schleuse, knacken wir mit der PINCOYA die 11.111te Seemeile.

„Dieses Jahr purzeln die Rekorde nur so, neulich erst 10.000 nun schon 11.111 Seemeilen.“

„Dieses Jahr purzeln die Rekorde nur so, neulich erst 10.000 nun schon 11.111 Seemeilen.“

„Die Carelia kommt uns wieder entgegen. Und dann sind wir schon an unserem Übernachtungsplatz.“

„Die Carelia kommt uns wieder entgegen. Und dann sind wir schon an unserem Übernachtungsplatz.“

Danach rufen wir die letzte Schleuse, die Brusnitschnoje Schleuse, an und teilen dem Schleusenwärter mit, dass wir nicht schleusen wollen, sondern über Nacht oben vor der Schleuse bleiben.

„Bis genau zu diesem Tag wussten wir nicht, dass Rehe einfach mal so durch einen Kanal schwimmen. Und wenn es drüben wegen einer Spundwand nicht raus geht, dann schwimmen sie auch einfach wieder zurück. “

„Bis genau zu diesem Tag wussten wir nicht, dass Rehe einfach mal so durch einen Kanal schwimmen. Und wenn es drüben wegen einer Spundwand nicht raus geht, dann schwimmen sie auch einfach wieder zurück. “

nördlich der Brusnitschnoje Schleuse (Saimaa-Kanal, RUS)
60° 48′ 41,0″ N, 28° 44′ 10,3″ E


Sonntag 01.07.
Brusnitschnoje Lock -> Klamila (A) Start: 9:00 Ende: 20:30 Wind: NW 15 – 22 (Böen bis 29) kn Distanz: 57,0 sm Gesamtdistanz: 1765,9 sm

„von der Brusnitschnoje Schleuse -> nach Klamila “

„von der Brusnitschnoje Schleuse -> nach Klamila “

Der Wind hat in der Nacht keinerlei Anstalten gemacht, ruhiger zu werden. Da wir das Roaming in Russland ausgeschaltet haben, können wir kein aktuelles Wetter herunterladen und über Funk gibt es wohl eh keins in Russland. Kurz vor 9:00 rufen wir die Schleuse und fragen, wann wir runter können. Da keiner von unten kommt, lässt der Schleusenwärter Wasser ein und wir können 20 min später die Talfahrt beginnen.

„Die letzte Schleuse….. nun wieder Ostsee. “

„Die letzte Schleuse….. nun wieder Ostsee. “

Am Schleusenausgang wartet schon der russische Zoll auf uns. Das war die Stelle, an der Astrid damals ihren zirkusreifen Anlegehechtsprung vom Dacht des Decksalons gewagt hatte, um unsere Leinen um einen der Großschifffahrtspoller und eine Laterne zu schlingen. Diesmal kommen wir aus der Schleuse und siehe da, weiter vorn gibt es auch drei Ringe zum Festmachen, so dass dies auch ohne sportliche Spezialeinlage ganz einfach gelingt.

Der russische Zoll ist absolut problemlos, wahrscheinlich weil auch niemand auf die Idee kommt, von Finnland Alkohol nach Russland zu schmuggeln ?. Die Papiere wechseln den Besitzer und nach wenigen Minuten sind wir entlassen. Das ist cool! Wir sind wieder zurück auf Ostseehöhe und müssen nun nur noch durch Vyborg und Vysotsk und sind dann schon fast wieder in Finnland.

„Auf dem Weg nach Viborg.“

„Auf dem Weg nach Viborg.“

Über Funk meldet sich niemand, deswegen sind wir guter Dinge, schließlich sehen uns die Russen ja auch auf AIS.

„Nicht alle roten Tonnen sind wirklich rot, aber es gibt ja auch neue.“

„Nicht alle roten Tonnen sind wirklich rot, aber es gibt ja auch neue.“

„Über diese Brücke sind wir mit dem Zug nach Sankt Petersburg gefahren. Eigentlich würde die Zeit für den Allegro schon passen, aber es kommt nur eine ellenlanger Güterzug mit gelben Kesselwagen.“

„Über diese Brücke sind wir mit dem Zug nach Sankt Petersburg gefahren. Eigentlich würde die Zeit für den Allegro schon passen, aber es kommt nur eine ellenlanger Güterzug mit gelben Kesselwagen.“

Kurz vor Vysotsk sehen wir den Finnen, der etwa 45 min vor uns runter geschleust hat, längsseits eines Coast Guard-Schiffs liegen. Dahinter an der Pier liegt der schrabbelige Schoben aus Lettland, der gestern an der Tankstelle vor der Brusnitschnoje Schleuse gelegen hatte. Der muss noch früher zu Tal gegangen sein. Wir tun betont normal, kein Fernglasgeglotze, keine Geschwindigkeitsveränderung, Business as usual mit der größten Selbstverständlichkeit, so wie wir das ja schon so oft bei der deutschen Coast Guard geprobt haben, die aus lauter langer Weile ja gerne mal harmlose Freizeitskipper kontrolliert, damit keiner an Bord in einen Dornröschenschlaf verfällt.
Das klappt auch mehr oder weniger gut und wir schöpfen Hoffnung. Aber als wir gut 300 vorbei sind, löst sich ein Schlauchboot mit zwei orangen Schwimmwesten von dem Coast Guard-Schoben und wir wissen, was nun kommt.

„Inzwischen bläst der Wind in der Bucht von Viborg auch schon ordentlich kräftig.“

„Inzwischen bläst der Wind in der Bucht von Viborg auch schon ordentlich kräftig.“

Der Coast-Guard-Captain kommt persönlich und bitte uns an seinem Schiff längsseits zu gehen. Da der Wind inzwischen noch etwas zugenommen hat und lustige 7er Böen von schräg nach quer durch das Fahrwasser von Vyborg nach Vysotsk sausen, hängen wir erst einmal alle verfügbaren Fender an unsere Steuerbordseite und manövrieren uns langsam neben die Coast Guard. Die Coast Guard ist geduldig und auch sehr hilfsbreit. Unsere Leinen werden angenommen und das Schiff abgehalten bis alles passt und sitzt.
Der Kapitän kommt an Bord und erklärt uns, dass er nun eine »boat inspection« durchführen wird. Mein Einwand, dass das seine Kollegen schon eine Stunde lang »and absolut very extraordenary carefully« gemacht haben, kommt nicht so richtig an. Der Kapitän versteht etwas Englisch und ist wirklich sehr bemüht, uns auch alles auf Englisch zu erklären. Dazu muss sein iPhone mehrmals als Übersetzer herhalten und … man staune… alle Fotos werden bei der russischen Coast Guard offensichtlich auch mit Dienst-iPhones gemacht. Im Prinzip läuft diese Inspektion genauso ab wie die am Pälli Lock durch die Border Control. Auch diesmal wollen sie alles sehen und alles fotografieren. Aber diesmal fassen die Beamten nichts an und zeigen uns immer nur, was sie sehen wollen und wir müssen dann alle Schubladen, Schränke und Schapps selbst öffnen. Und diesmal wird sogar das Innenleben unseres Werkzeugkoffers fotografiert. Die russischen Datenbanken für all diese Photos müssen gigantisch sein!
Und auch bei der Coast Guard gibt es neue Formulare. In Nachhinein können wir nur sagen, dass unser Schiffszertifikat immer eine echt tolle Hilfe war, denn da ist ein dicker Bundesadler vorne drauf und das macht schon irgendwie Eindruck. Auch unsere Visa sind diesmal sehr hilfreich, auch wenn sie inzwischen abgelaufen sind, denn dort steht alles, auch unsere Namen, in lateinischer und auch kyrillischer Schrift drin.
Auch die Inspektion der Coast Guard dauert fast 45 Minuten, aber der Kapitän geht zum Schluss mit uns gemeinsam sein vollständig ausgefülltes russisches Formular noch einmal durch und erklärt uns auf gebrochenem Englisch jeden Eintrag. Er ist wirklich sehr zuvorkommend und höflich, anders kann man das nicht sagen. Dann warten wir auf die Freigabe von seiner Dienststelle. Dazu zieht sich die ganze Truppe zurück und wir warten. Dann kommt die Freigabe, alles »charascho i spazibo«, wir können weiter.
Zurück bleibt trotz aller Freundlichkeit ein kleiner Beigeschmack und das Gefühl des Ausgeliefertseins.

„Begegnungen zur See… eins … und ...“

„Begegnungen zur See… eins … und …“

„… zwei.“

„… zwei.“

Nachdem wir den Hafenbereich von Vysotsk und den Fairway No. 6 verlassen haben, dürfen wir Segel setzen. Der Wind ist mit seinen Nordnordost günstig, geizt aber auch nicht mit Stärke. Immer wieder schnappen uns Böen von knapp unter 30 kn und bescheren uns ein flotte, ja fast zu flotte Fahrt. Bei den sehr raumen Kursen können wir das Vorsegel nicht gebrauchen und fahren im 2. Reff nur mit Groß. Mehr als einmal surfen wir Wellen mit fast 9 Knoten herunter und in einer lang anhaltenden 29er Bö sehen wir tatsächlich auch die 9,5. Mit fast permanenten 7 Knoten sausen wir der finnisch-russischen Grenze entgegen und niemand interessiert sich mehr für uns.

Vielleicht auch, weil sich ein Finne auf seinem Weg nach Sankt Petersburg an einem Stein sein Ruder abgefahren hat. Nach einigem chaotischen Hin und Her gelingt es dem Finnen, der russischen Coast Guard seine Position durchzugeben. Wir sind noch 14 Seemeilen von ihm entfernt, aber quasi halbwegs auf dem Weg zu ihm. Er treibt nun ruderlos irgendwie in Richtung Südwest. Der Funkverkehr hierzu ist recht chaotisch, obwohl sich das Maritime Rescue Center Sankt Petersburg mit guten Englisch recht früh einschaltet. Erst nach 2 Stunden, wir sind inzwischen auf gut 6 sm herangekommen, sagt der Finne das erste mal, dass er sich aus eigener Kraft nicht helfen kann und dass er Schlepphilfe braucht. Für uns etwas unverständlich, denn wenn das Ruder weg ist, dann heilt sich so etwas ja nicht von selbst. Schon gar nicht, wenn wir unter der Küste inzwischen stehende 6 Beaufort haben und Böen von fast 8 ihre Muskeln spielen lassen. Die russische Coast Guard ist inzwischen zur Stelle und hält sich für den Notfall in seiner Nähe auf. Aber schleppen will oder kann sie ihn auch nicht. Der Finne will natürlich zurück nach Finnland, die russische Coast Guard kann ihn aber nicht dorthin bringen. Und die Finnische Coast Guard darf nicht über die Grenze. Wir überlegen, ob wir ihn schleppen können, aber bei diesen Bedingungen geht das nicht. Draußen sind noch höhere Wellen und sicher auch noch stärkerer Wind. Es geht inzwischen ordentlich zur Sache. Bei 4 Beaufort wäre das sicher kein Problem, aber heute geht das nicht, zumal wir ihn ruderlos längsseits nehmen müssten. Am Ende bekommt die finnische Seerettung eine Sondergenehmigung, über die Grenze zu fahren und ihn auf den Haken zu nehmen.

Wir hatten ja schon in dem Blog zu unserem Hinweg nach Saimaa geschrieben, dass die Russen bis kurz vor Vysotsk alle Tonnen eingezogen haben. In unseren Karten sieht das ganze russische Seegebiet noch ordentlich betonnt aus, was es aber in Wirklichkeit gar nicht ist. Das ist schon ziemlich fahrlässig und sicherlich auch eine der Schikanen, die man ganz offensichtlich hier für den Westen in Petto hat. Klar hat Finnland den Kanal von Russland für weitere 50 Jahre gemietet und der Kanal selbst und die Fahrwasser bis Vysotsk sind auch ordentlich betonnt. Wahrscheinlich aber nur deswegen, weil nicht wenig russische Berufsschifffahrt den Kanal nutzt und offensichtlich auch viel Geld mit Holztransporten verdient wird. Und dort, wo nur noch Finnen oder andere Nationen die Sportschifffahrtsfahrwege für den Transit von und nach Saimaa nutzen und sich sowieso kein russischer Freizeitskipper mehr herumtreibt, dort hat man alle Tonnen eingezogen. So ist dieser Bereich nicht ohne Probleme und wenn man sich die Karte ansieht, dann gibt es fast unendlich viele Stellen, die besten dafür geeignet sind aufzulaufen und wo sich nicht auch nur das kleinste Tönnchen mehr befindet. Ohne eine gut elektronische Seekarte ist dieser Transit praktisch nicht ohne recht hohes Risiko zu machen.
So ist es kein allzu großes Wunder, dass der Finne auf seinem Weg von Santio nach Sankt Petersburg einen Stein getroffen hat und nun Hilfe braucht.

„Rekordverdächtig nach Finnland...“

„Rekordverdächtig nach Finnland…“

Dank des kräftigen Windes können wir auf dem Rückweg nach Finnland tatsächlich 35 von 57 Seemeilen segeln und das sogar ziemlich schnell. In Santio treffen wir den Letten wieder, der von der russischen Coast Guard auch gefilzt wurde. Er hat offensichtlich Santio ignoriert und wurde von der finnischen Coast Guard wieder eingefangen. In Begleitung der Coast Guard läuft er nämlich von Westen kommend kurz vor uns in Santio ein und bekommt nun das große Grenzkontrollprogramm inklusive Verhör gleich auf dem Steg. Wir sind schnell durch, obwohl nun auch die Finnen länger und gründlicher als auf dem Hinweg kontrollieren.

„Die Grenzkontrolle von Finnland.“

„Die Grenzkontrolle von Finnland.“

Dann geht’s ab in die Bucht von Klamila, für heute reicht uns erst einmal dieses Programm.

„Endlich zurück in Finnland und vor Anker vor Klamila.“

„Endlich zurück in Finnland und vor Anker vor Klamila.“

„… und hier die Strecke unserer im Kanal erlegten Schleusen zusammen mit der einzigen Zugbrücke.“

„… und hier die Strecke unserer im Kanal erlegten Schleusen zusammen mit der einzigen Zugbrücke.“

vor Anker in der Bucht vor Klamila, Klamilanlathi (FIN)
60° 30′ 14,2″ N, 27° 29′ 50,8″ E