Der letzte Rest des Bottnischen Meerbusens


Häggvik -> Öregrund Distanz: 203,5 sm Gesamtdistanz: 2.882,9 sm

„von Häggvik -> nach Öregrund“

„von Häggvik -> nach Öregrund“

Obwohl wir nun langsam mal mit einigen großen Schlägen nach Süden vorankommen müssen, wollen wir die Höga Kusten noch nicht so einfach hinter uns lassen. Das geht ja auch heute sowieso noch nicht so schnell, denn es soll den ganzen Sonntag über noch kräftig aus Südwesten blasen. Erst zum Sonntagabend gibt die Wettervorhersage ihr grünes Licht mit einem Westnordwest für eine Nachtfahrt in Richtung Süden. Das passt so aber auch insgesamt ganz gut zu unserem Plan, denn wir wollten eh noch der Höga-Kusten-Brücke einen Besuch abstatten, bevor wir abends dann bei Härnösand die Innenfahrwasser verlassen, um es über Nacht bis auf Höhe von Axmar Brygge laufen zu lassen.

„Etwas wehmütig verlassen wir Häggvik, hier war es wirklich schön und gemütlich.“

„Etwas wehmütig verlassen wir Häggvik, hier war es wirklich schön und gemütlich.“

„Ein Blick auf die Einfahrt und ein Blick zurück.“

„Ein Blick auf die Einfahrt und ein Blick zurück.“

Der Wind ist zickig und mit kräftigen Böen durchsetzt. Gleich hinter der engen Einfahrt von Häggvik setzen wir die Segel. Diesmal reicht es für die Starkwindfock und das Groß im ersten Reff, denn die durchschnittlichen 12 – 14 Knoten Wind werden immer wieder mit langanhaltenden Böenfeldern von deutlich mehr als 20 Knoten garniert. Dieses unstete Gezeter des Windes macht die Kreuzerei nicht gerade einfach, und der ein oder andere Dreher vermasselt uns immer wieder die Höhe, die wir eigentlich brauchen.

„Tolles Segelwetter, obwohl der Wind zickig ist.“

„Tolles Segelwetter, obwohl der Wind zickig ist.“

„Und wenn ordentlich gesegelt wird, gibt es Verluste ?. Überlebt hat nur eine unserer 4 Pasta-Schüsseln ?“

„Und wenn ordentlich gesegelt wird, gibt es Verluste ?. Überlebt hat nur eine unserer 4 Pasta-Schüsseln ?“

„Stramm der Höga-Kusten-Brücke entgegen “

„Stramm der Höga-Kusten-Brücke entgegen “

Doch nach den ersten zwei Wenden haben wir uns alles so zurechtgelegt, dass die Wenden mit der Selbstwendefock wie am Schnürchen laufen. Der Windpilot gibt sein Bestes und wendet perfekt auf Tastendruck. Astrid bedient während der Wende den Traveller des Groß und ich bediene die Backstagen, die ja auch bei jeder Wende umgeschlagen werden müssen, denn das Groß kann erst im 2ten Reff unter den Backstagen durchwenden. So klöppeln wir auf unserem Weg zur Höga-Kusten-Brücke eine Wende nach der anderen zwischen die Inseln.

„Astrids Geburtstagssegeltag.“

„Astrids Geburtstagssegeltag.“

Astrid hatte sich ja zum Geburtstag noch einen tollen Segeltag gewünscht und gleich heute wird ihr Wunsch erfüllt. Zwischen den Inseln ist das Wasser mehr oder weniger glatt und es ist einfach nur schön, so aufzukreuzen.

„Die Höga-Kusten-Brücke voraus.“

„Die Höga-Kusten-Brücke voraus.“

„Und schon liegt die Brücke wieder hinter uns und es geht in Richtung Härnösand.“

„Und schon liegt die Brücke wieder hinter uns und es geht in Richtung Härnösand.“

An der Höga-Kusten-Brücke geht es dann auf einen raumen Kurs. Die Starkwindfock und die Backstagen verschwinden und die Genua kommt. Zunächst sausen wir recht flott dem Bottnischen Meerbusen entgegen, aber der Wind wird im letzten Drittel doch zusehends schwächer. Und kaum haben wir das offene Wasser erreicht, schläft er nach zwei, drei letzten Pustern aus Süd ganz ein. Wir gucken uns etwas ungläubig an, denn eigentlich sollte es jetzt hier und dann auch die ganze Nacht ganz wunderbar mit 10 bis 12 Knoten aus Westnordwest wehen. Aber davon ist nun absolut nichts zu merken und noch nicht einmal das laueste Lüftchen mag uns auch nur einen Meter nach Süden schieben.

Also laden wir uns schnell noch einmal die neuesten Grib-Files herunter und sehen, dass sich exakt an unserer Position ein hübsches kleines Zwischenhoch gebildet hat, das die nächsten 12 Stunden überhaupt nichts mehr mit Wind am Hut hat. Auf Rumdümpelei, Warten und Motor haben wir nun auch keine Lust, also drehen wir um, fahren zurück nach Lustholmen und beschließen gleich Morgen ganz früh, so gegen 9:00 ?, wieder aufzubrechen.

„Zwischenstopp in Lustholmen.“

„Zwischenstopp in Lustholmen.“

„Der Pavillion von Lustholmen. Im Sommer ist hier die Hölle los, aber jetzt ist die Saison durch.“

„Der Pavillion von Lustholmen. Im Sommer ist hier die Hölle los, aber jetzt ist die Saison durch.“

Als wir dann tatsächlich gegen 9:00 wieder aufbrechen, weht es erst noch ganz zaghaft aus Westen. Aber das ist auch gut so, denn wir sind ja in aller Herrgottsfrühe ? und ganz ohne Frühstück aufgebrochen. Also müssen wir erst einmal frühstücken und dann auch noch alles »seeklar« machen, denn in den nächsten 24 Stunden soll es nicht so schmusig bleiben. Und wie immer übernimmt der Autopilot sofort seinen Dienst. Was sollten wir nur ohne ihn machen? Gefühlt hat der Bursche bestimmt schon 90% unseres Törns gesteuert. Die viele und vor allem nervige Arbeit, um alle Fehler der Installation durch die Werft auszumerzen, hat sich wirklich gelohnt. Und eines ist ganz sicher, ohne Autopilot wäre unser Törn so nicht möglich, das ist schon eine tolle Sache.

„Weiter geht es - beobachtet von einigen Robben. Und das rechts soll die Sonne sein.“

„Weiter geht es – beobachtet von einigen Robben. Und das rechts soll die Sonne sein.“

Die ersten 50 Seemeilen bleiben recht ruhig und wir können in Ruhe Blogs schreiben, Bilder und Collagen bearbeiten und all das machen, was sonst doch immer irgendwie zu kurz kommt. Lange ruhige Etappen sind schon toll, wir genießen das sehr. Heute ist unser Kurs zwar etwas hoch am Wind, aber immer noch recht gemütlich. Mit dem zunehmenden Wind wird es dann allerdings auch etwas ruppiger. Und da der zunehmende Wind nicht mit viel mehr Nord daherkommt, fahren wir weiterhin die ganze Zeit so zwischen 65 und 85 Grad am Wind.

„Unten hinter uns die »Hohe Küste« und oben vor uns die »normale Küste, die eben nicht ganz so hoch ist.«“

„Unten hinter uns die »Hohe Küste« und oben vor uns die »normale Küste, die eben nicht ganz so hoch ist.«“

Je länger und stärker der Wind weht, desto kabbeliger wird die See. Östlich der schwedischen Küste sind wir nicht mehr in der Abdeckung, aber auch noch nicht so weit auf dem offenen Wasser, dass sich die Wellen schon mal auf eine ordentliche Richtung geeinigt haben. So herrscht teilweise ein ziemliches Wellendurcheinander und in der Nähe von Untiefen oder Inseln kann man es ganz vergessen und alles ist nur noch ein munteres Drunter und Drüber. So werden wir Stunde um Stunde mehr durchgeschüttelt, als durchgeschaukelt.

„Sonnenuntergang….“

„Sonnenuntergang….“

Die Wassertemperatur liegt bei 9° und entsprechend lausig kalt ist auch die Nacht. Solange die Sonne noch etwas Wärme bringt, geht es, aber die Nacht erfordert erstmals wieder unser volles Winterequipment. Gut dass wir uns in den Decksalon verdrücken können, draußen im Wind ist es wirklich unschön, denn der Wind nimmt auch Stunde um Stunde zu. Das macht uns aber auch viel zu schnell, denn in den Axmarfjarden können wir nicht im Dunkeln einfahren, da ist nichts beleuchtet. So drehen wir erst die Genua etwas ein, bis wir sie dann ganz wegnehmen. Abwechselnd schlafen wir und langsam finden wir wieder in unseren dreistündlichen Nachtfahrtrhythmus zurück. Die Durchfahrt an der Insel »Storjungfrun« machen wir zusammen. Hier gibt es nachts nur Sektorenfeuer, die einen leiten. Die Untiefentonnen sind leider unbeleuchtet. So gucken wir dort lieber zusammen, um nichts zu übersehen.
Danach legt sich Astrid noch einmal kurz aufs Ohr, aber eigentlich viel zu kurz, denn schnell sind wir mit dem ersten Morgenlicht auch schon an der Einfahrt in den Axmarfjarden.

„… und Sonnenaufgang. Oder war es umgekehrt? ?“

„… und Sonnenaufgang. Oder war es umgekehrt? ?“

Leider wurden hier die beiden grünen Tonnen der Einfahrt in den Fjord »wegrationalisiert« und wir müssen uns auf der Linie, auf der früher einmal die Tonnen lagen, vorsichtig in den Fjord hineintasten. Um kurz nach 6:00 fällt unser Anker und wir krabbeln unter die warmen Decken in der Mittelkoje, wärmen erst einmal wieder richtig durch und holen etwas Schlaf nach.

Im Axmarfjarden liegen wir bestens, auch als wieder einmal ein kräftiges Tief mit ordentlich viel Südwind durchzieht. Die Idee, noch kurz nach Axmar Brygge zu fahren, begraben wir aufgrund der Windrichtung. Da liegen wir hier vor Anker doch besser, obwohl der Wind immer wieder ziemlich an uns herumzerrt.

„Der Axmarfjarden. Hier ist auch mal wieder Zeit für etwas Klavier.“

„Der Axmarfjarden. Hier ist auch mal wieder Zeit für etwas Klavier.“

„Abendstimmung im Axmarfjarden.“

„Abendstimmung im Axmarfjarden.“

Als wir dann am Donnerstag ganz früh aufbrechen wollen, erleben wir allerdings eine Überraschung. Nachdem uns kurz vor Sonnenaufgang um 4:45 der Wecker aus der warmen Koje gescheucht hat und wir den Anker aufholen wollen, geht das gar nicht so einfach. An der Kette und am Anker hängen Tonnen von Seegras. Die Ankerwinde hat Schwierigkeiten, überhaupt immer mal wieder einige Meter Kette einzuholen, und wir brauchen mehr als eine Stunde, um den ganzen Seetang mit Bootshaken und per Hand von der Kette und dann auch dem Anker herunterzuschieben und abzureißen.

„Da haben wir uns was eingefangen!!!“

„Da haben wir uns was eingefangen!!!“

Das Zeug ist unglaublich zäh und teilweise müssen wir mit einem Messer die Kette regelrecht frei schneiden. Und jeder, der schon einmal bis zu den Ellenbogen in altem Seetank herumgewühlt hat, kann sich vorstellen, dass sich der Schiffsjunge nach dieser Aktion nicht gerade in eine Wolke blumigen Frühlingsdufts hüllt, dessen Note ein klein wenig ins Zitronige spielt.

Nach dieser Algenaktion kann es dann endlich losgehen. Wir sind ja heute extra noch vor Sonnenaufgang aufgestanden, weil es für uns wieder einmal nur ein kurzes Wetterfensterchen mit einem passenden Wind gibt, der uns nach Süden bringen kann. Seit zwei Wochen ist es wirklich wie verhext. 80 % des Windes kommt mit konstanter Bosheit aus Süd oder Südwest und wenn mal etwas anderes dabei ist, dann nur für wenige Stunden und auch eher schwach. Deswegen müssen wir jede Gelegenheit nutzen, und deswegen sind wir heute auch so ungesund früh aufgesprungen, aber das kleine Wetterfensterchen mit dem Nordwest hat sein Leben schon wieder fast ausgehaucht, als wir dann zwei Stunden nach Sonnenaufgang endlich das offene Wasser erreichen.

„Upss …. sieht böse aus ...“

„Upss …. sieht böse aus …“

Im Norden steht eine dunkle Wolkenwand und während es inzwischen schon wieder aus Westsüdwest weht, verabschiedet sich Astrid mit den Worten in die Koje: „Na ja, dass kann ja heute länger dauern, ich hole erstmal etwas Schlaf nach, fahr mal schön geradeaus!“ Astrid schläft und irgendwie will sich die Wolkenwand hinter uns nicht von uns lösen. Die neuen Grib-Files der Vorhersage zeigen eine Konvergenzzone, die ganz in der Nähe von uns herumwabert.

„… ist aber am Ende nicht ganz so böse, wie es aussieht.“

„… ist aber am Ende nicht ganz so böse, wie es aussieht.“

Aber das Regenradar zeigt keine Gewitter, obwohl die Wolkenwand inzwischen wie eine kräftige Böenwalze aussieht. Außerdem scheint sie näher zu kommen. Und dann geht alles ziemlich schnell, der Wind dreht kurz auf Süd und kommt Sekunden später mit 20 Knoten aus Nord zurück. Die Genua steht back. Wegen unseres Kutterrigg ist es schwierig eine backstehende Genua einzurollen. Als das geschafft ist, dreht der Wind langsam etwas weiter auf Ost und ich lasse die Genua wieder auf der anderen Seite raus. Wir liegen nun ordentlich auf der Backe. Astrid hat’s zwischenzeitlich auf die andere Seite der Koje gekullert und nun steht sie verschlafen im Salon und versucht, mit einem Auge die Lage zu peilen. Ich drehe die Genua dann doch lieber wieder etwas etwas ein, aber mit der Ruhe für ein Vormittagsschläfchen ist es nun definitiv vorbei.

„Aber es bleibt durchwachsen ☔️.“

„Aber es bleibt durchwachsen ☔️.“

Langsam pendelt sich der Wind auf Nordost ein. So passt das gerade noch ganz gut, aber noch mehr Ost wäre auch blöd. Hinter der Böenwalze nimmt der Wind wieder etwas ab und wir können es moderat laufen lassen. Und wir haben Glück, knapp aber verdient können wir nun die fast 60 Seemeilen bis kurz vor den Hafen von Öregrund segeln.

„Knapp aber verdient kriegen wir die Durchfahrt von Bellonagrundet und Djustern kurz vor Öregrund.“

„Knapp aber verdient kriegen wir die Durchfahrt von Bellonagrundet und Djustern kurz vor Öregrund.“

Als wir festmachen, schläft der Wind ein und kommt nach einer halben Stunde mit einigem Regen wieder aus Südwest zurück. Das hat mal richtig gut gepasst, man muss auch mal etwas Glück haben.

„Kaum sind wir in Öregrund fest, beginnt es zu schütten.“

„Kaum sind wir in Öregrund fest, beginnt es zu schütten.“

„Und wenn das Wetter ….“

„Und wenn das Wetter ….“

„… tagsüber nicht ganz so gut ist, ...“

„… tagsüber nicht ganz so gut ist, …“

„… macht man eben Nachtaufnahmen.“

„… macht man eben Nachtaufnahmen.“


Stationen:

19.08. Häggvik -> Lustholmen 38,3 sm: 62° 40′ 07,4″ N, 17° 58′ 47,8″ E

20.+ 21.08. Lustholmen -> Axmarfjarden (A) 107,7 sm: 61° 00′ 20,9″ N, 17° 09′ 51,5″ E

22.08. Axmarfjarden (A): 61° 00′ 20,9″ N, 17° 09′ 51,5″ E

23.08. Axmarfjarden (A) -> Öregrund 57,5 sm: 60° 20′ 25,3″ N, 18° 26′ 33,1″ E