Nörrbyskär -> Örnsköldsvik Distanz: 59,6 sm Gesamtdistanz: 2.618,2 sm
Um einen nach Süden halbwegs geschützten Hafen zu haben, der zudem noch einige Versorgungsmöglichkeiten bietet, müssen wir im besten Fall bis Örnsköldsvik kommen. Von Süden zieht noch ein Tief hoch, dass es diesmal richtig in sich haben soll. Das dicke Ende zieht zwar über Norwegen nach Norden ab, aber seine Ostseite tobt sich mit viel Südwind im Bottnischen Meerbusen aus. Deswegen brauchen wir einen Schutzhafen, der möglichst nach Süden geschlossen ist. Das ist hier allerdings eher selten, denn die Eiszeiten haben sich meist von Nord nach Süd an den Felsen abgearbeitet.
Gestern ist ja schon die kleine Version über uns hinweg gezogen. In Nörrbyskär haben wir dicht hinter der Schäre nicht viel davon gemerkt. Wir konnten nur das Rauschen in den Bäumen hören und im Fernglas die flachen, weißen Kräuselwellen der stärkeren Böen gesehen.
Als wir nun aus der Bucht um die Ecke biegen, um uns weiter nach Süden vorzuarbeiten, bekommen wir noch die Reste davon ab. Es weht immer noch aus Süd, was ja ohnehin irgendwie blöd ist, wenn man auf dem Wasser nach Süden will. Mit einigen Kreuzschlägen werden wir wohl rund 60 Seemeilen brauchen, um uns bis Örnsköldsvik durchzuschlagen.
Auf dem Wasser ist der Sommer definitiv vorbei, dort empfangen uns nun kühle 17° C und ein immer noch kräftiger Wind, der aber netterweise unter 20 Knoten bleibt. Aber es empfängt uns auch ein alter Schwell, der sich sehen lassen kann. Man gut, dass wir gestern die Nase nicht rausgesteckt haben. Je weiter wir rauskommen, desto höher werden die Wellen. Aber sie kommen noch in einer angenehmen Frequenz und fallen nicht so kurz und steil ein wie sonst auf der Ostsee. Man unterschätzt den Bottnischen Meerbusen leicht, er ist ziemlich groß und meist auch ziemlich tief. So ist das hier eher eine lange Dünung von gut 2,5 m Höhe und nur ab und zu schieben sich zwei Wellen so übereinander, dass man im Wellental den Horizont nicht mehr sehen kann. Letztes Jahr vor Norwegen hatten wir ähnliche Wellen. Unser Kreuzkurs passt natürlich nur mäßig und wir müssen einige kleine Ecken reinfahren, bis wir auf dem langen Bein unser Ziel anvisieren können.
So werden wir Stunde um Stunde nicht zu knapp durchgeschaukelt. Und nach und nach werden auch unsere Klamottenschichten dicker und wärmer und bald stecken wir wieder in Snowboardhose und Skijacke. Das ist wunderbar warm und nicht so sperrig wie unsere Segelsachen. Über den Untiefen brechen sich die Wellen und teilweise spritzt es dort mehrere Meter hoch. Das macht zusätzlichen Respekt und läßt uns früher wenden als sonst. Das Südostbein unseres Kurses ist unangenehm, auf diesem Kurs haben wir die Wellen fast gegenan. Normalerweise kommen wir auf einem harten Amwindkurs bei rund 16 – 18 Knoten mit einem Reff im Groß und der Starkwindfock ganz gut klar. Heute fehlt uns aber mit dieser Besegelung zwischen den Wellen der Druck im Segel und wir nehmen schnell doch die Genua. Das ist »oben« zwar etwas viel, aber »unten« brauchen wir die ganze Genua für die Segelpower, um auf der anderen Seite ohne zu viel Fahrtverlust wieder hochzukommen.
Es ist diesig und das in Kombination mit der eher spärlichen Betonnung hier ist zusätzlich blöd. Die Finnen haben uns mit ihrer Betonnung definitiv verwöhnt. Viele und ordentlich gewartete Tonnen haben es uns in Kombination mit Ober- und Unterfeuern, die man schon über große Entfernen richtig gut sehen kann, einfach gemacht. Auch die Seekarten der Finnen sind wirklich 1a, anders kann man es nicht sagen. In Schweden ist das leider etwas anders. Die Seekarten kommen nicht ganz an die Detailtiefe der finnischen Karten heran und auch die Seezeichen kommen uns schon irgendwie mickeriger vor. Und wenn man die finnischen Ober- und Unterfeuer gewohnt ist, kommt man erst gar nicht auf die Idee, dass es sich hier bei Scheiben und Dreiecken an Land um ausgewachsene Ober- und Unterfeuer handeln könnte. Südl. von Umeå lagen 2 von 3 Fahrwassertonnen aus der Kategorie »Besenstiel« fast flach auf dem Wasser. Das macht bei diesigem Wetter dann gar keinen rechten Spaß mehr.
Auch hier auf unserem Weg nach Örnsköldsvik ist das nicht viel anders. Da müssen wir uns nach 2 1/2 Monaten Luxusnavigation in Finnland erst einmal etwas umstellen. Aber vielleicht wird das ja weiter südlich noch anders, so halbherzig betonnt hatten wir Schweden bisher nicht in Erinnerung.
Kurz vor Husum, ja hier gibt es auch ein Husum ?, sehen wir unseren ersten »stehenden Baumstamm« im Wasser. Das sind Baumstämme, die ein Holztransport verloren hat und die nun senkrecht, mit dem dicken Stammende nach oben, im Wasser schwimmen. Erst dachte Astrid, dass es eine Robbe ist, die uns zuguckt und dann schnell abgetaucht ist. Dann kommen wir der Stelle näher und plötzlich guckt zwischen den Wellen wieder gut ein halber Meter dieses Stamms hervor, um mit der nächsten Welle schon wieder unter Wasser zu verschwinden. Wie ein Dampfhammer schnellt er durch die Wellen immer wieder auf und ab und auf und ab. Wenn der in einer Welle den Rumpf von unten trifft, guckt der Stamm gleich mal im Salon nach dem Rechten. Wir haben davon gelesen, denn für Saimaa hatten die Finnen vor diesen Geisterstämmen gewarnt, die man nur sehr schwer ausmachen kann. Wir haben Glück und passieren den Stamm in etwa 2 m Entfernung. Als wir gerafft haben, um was es sich handelt, sind wir auch schon vorbei und der Stamm verschwindet hinter uns irgendwo zwischen den Wellen.
Da wir im Hellen nicht mehr bis Örnsköldsvik kommen, gucken wir uns eine Ankerbucht aus. Bei den bisherigen Erfahrungen mit der schwedischen Betonnung trauen wir uns Örnsköldsvik in einer diesigen Nachtanfahrt nicht so recht zu. Und das ist auch gut so, denn etwa eine Stunde, nachdem wir den Anker fallen gelassen haben, zieht der Dunst, den wir den ganzen Tag schon am Horizont gesehen haben, in die Bucht. Nach 30 Minuten stecken wir im pottendicken Nebel. Gott sein Dank sind wir nicht weitergefahren und liegen nun hier sicher vor Anker, während draußen »kleine Welt« ist. Übrigens exakt auf der 12.000sten Seemeile, die wir mit der PINCOYA bisher zurückgelegt haben.
Am nächsten Morgen hat sich noch nicht viel getan. Immerhin können wir ab 8:00 unsere Ankerboje in etwa 30 Entfernung wieder sehen. Und so warten wir, bis sich der Nebel hebt, denn durch den Nebel kommen wir nicht nach Örnsköldsvik. Bis zum frühen Nachmittag haben wir ja noch Zeit, erst dann soll es hier mit dem Starkwind losgehen.
Der Nebel ist aber zäh und will sich ums Verrecken nicht heben. Ein ums andere mal diskutieren wir die Frage, ob wir es doch versuchen sollen, weil die Hoffnung es ab und an schon viel unnebliger aussehen läßt. Zwei Tage Starkwind in einem Hafen sind schon irgendwie schöner, als zwei Tage Starkwind vor Anker, wobei wir eh in Örnsköldsvik mal wieder richtig einkaufen müssten. Aber die Vernunft muss gar nicht erst siegen, denn der Verstand macht das diesmal schon, denn draußen haben wir nur gut 50 m Sicht.
Gegen 11:00 hebt sich dann der Nebel allerdings doch und wir sehen das Ufer und die Ausfahrt der Bucht wieder. Also los, der aufziehende Starkwind hat offensichtlich damit begonnen, den Nebel davonzublasen. Dass das ein Trugschluss ist, merken wir nach gut vier Seemeilen, denn innerhalb von Minuten senkt sich die Nebeldecke wieder und wir stecken in derselben Suppe wie vor zwei Stunden. Nichts, aber auch gar nichts ist mehr zu sehen, was unseren Entschluss, im Winter doch ein Radar zu montieren, nochmal nachhaltig bestärkt. Nebel ist schon ein echt ausgemachter Riesenmist. Die erste Tonne verfehlen wir. Von ihr sehen wir noch nicht einmal einen Hauch, obwohl wir sie laut elektronischer Seekarte in weniger als 100 Meter passieren.
Die nächste nehmen wir enger und sehen sie dann auch tatsächlich. Die Abstandsmessung in der Seekarte ergibt 40 Meter. 40 m Sicht sind nicht wirklich viel, Als der Nebel vorhin kurz etwas höher hing, haben wir einige kleinere Motorboote gesehen, die mit der selben Hoffnung wie wir auch aufgebrochen sind. AIS hat in Schweden und Finnland eigentlich nur die Großschifffahrt. Für alle anderen Schiffe ist das absolut unüblich. Also tuten wir, denn schließlich haben wir ja nun auch so eine hübsche Tröte mit einem ordentlichen Nebeltuuuuut. Aber keiner antwortet und so tasten wir uns weiter durch die dicke Suppe.
Erst kurz vor Örnsköldsvik, als wir schon längst im Fjord sind, hebt sich der Nebel wieder etwas und wir können schemenhaft die Ufer erkennen. Etwas erleichtert machen wir nach 20 Nebelmeilen dann in Örnsköldsvik fest.
Der Yachthafen von Örnsköldsvik sieht inzwischen auch etwas anders aus als in den Hafenhandbüchern. Den großen nach Süden geschlossenen Stadthafen gibt es nicht mehr. Dafür gibt es nun jeweils einen kleinen Yachthafen auf der linken und rechten Seite am Ende der Bucht. Wir nehmen den linken und machen uns erst einmal starkwindfest, denn wir können leider gar nicht anders liegen als quer zur angekündigten Windrichtung. Aber insgesamt ist es hier geschützt und am Ende merken wir wenigstens im Hafen nicht viel vom Starkwind.
Örnsköldsvik hat zwei »Eye-Catcher«. Die Skisprungschanzen und das »bunte Haus«, das mit einer tollen und ungewöhnlichen Architektur besticht. Schon als ich bei der Anfahrt die Schanze gesehen habe, habe ich heimlich gedacht, dass es ja mega-cool wäre, von dort oben ein Panorama aufzunehmen. Also machen wir uns am nächsten Tag gleich auf zur Schanze.
Die große Schanze von Örnsköldsvik hat eine Besonderheit, denn der Auflauf führt direkt unter der Eisenbahnstrecke gleich neben dem Bahnhof hindurch. Wenn man von oben guckt, dann ist das nicht nur für uns ein beklemmendes Gefühl, weil das so irre hoch und steil ist, es hat auch einen zusätzlichen Thrill, weil es von ganz oben so aussieht, als ob man auf den Schienen landen muss. Örnsköldsvik hat insgesamt 5 Schanzen verschiedener Größen und Höhen und hier gibt es auch die einzige Skischule Schwedens, in der auch gesprungen bzw. geflogen wird.
So gehen wir unter der Bahnlinie zum Auslauf und steigen dann neben der »Landebahn« hoch zur Schanze. Nirgendwo steht ein Schild, dass das verboten ist und alles ist frei zugänglich. Nur über den Auslauf soll man nicht rübergehen. In Deutschland wäre das wahrscheinlich undenkbar.
Es wird einem schon etwas anders, wenn man da so hoch steigt und auch ich bin mir ganz schnell ganz sicher, dass das in keinem Fall ein Sport für mich wäre, genauso wenig wie Bungee-Jumping. Astrid scheidet da ja schon etwas früher aus, weil sie ja sowieso nicht so »für’s von oben Runtergucken« ist ?.
Oben sehen wir zwei junge Springer, von denen das Mädel gerade auf der kleineren Schanze gesprungen ist. Die Gelegenheit lassen wir uns natürlich nicht entgehen und fragen, ob wir mal auf die große Schanze dürfen, um runterzugucken und einige Photos zu machen. Wir dürfen. Also hoch! Als ich ganz oben die Photos und das Panorama mache, Astrid hat es sich sicherheitshalber lieber etwas weiter unten bequem gemacht, merke ich, dass wir in der Bucht von Örnsköldsvik doch ganz geschützt liegen. Oben auf der Schanze weht der angekündigte Starkwind und verleiht mir ein ganz neues Panoramagefühl, denn ich muss alles gleichzeitig festhalten und auch zusehen, nicht selbst umgeblasen zu werden. Der Ausblick ist grandios, unglaublich und einfach irre! Anders kann man das wirklich nicht sagen.
Danach laufen wir noch eine ganze Weile über den Schanzenberg, gucken uns noch die anderen Schanzen an und werfen einen Blick in das Tal auf der anderen Seite. Die bergige Landschaft hier erinnert schon stark an Norwegen und steht in einem vollkommen krassen Gegensatz zu der finnischen Seite des Bottnischen Meerbusens.
Und dann erledigen wir noch schnell unser Einkaufsprogramm in Örnsköldsvik und sehen uns die Stadt noch einmal etwas ja. Natürlich müssen wir auch noch einmal näher an das »bunte Haus«, das ist schon echt der Kracher. Wir brauchen etwas Geduld, denn die Sonne versteckt sich nun hinter einigen Wolken, aber das »bunte Haus« im Schatten geht gar nicht, also warten wir geduldig.
Stationen:
09.08. Nörrbyskär (S) -> westl. Tröllön (Bucht südl Husum) (A) 39,8 sm: 63° 15′ 53,1″ N, 19° 06′ 14,2″ E
10.08. westl. Tröllön (Bucht südl Husum) (A) – Örnsköldsvik 19,8 sm: 63° 17′ 11,6″ N, 18° 42′ 32,0″ E
11.08. Örnsköldsvik: 63° 17′ 11,6″ N, 18° 42′ 32,0″ E