Noch einen Abstecher zu den Ålands


Öregund (S) -> Hamnsundet (Åland) Distanz: 73,6 sm Gesamtdistanz: 2956,5 sm

„von Öregund (S) -> nach Hamnsundet (Åland)“

„von Öregund (S) -> nach Hamnsundet (Åland)“

Insgeheim haben wir ja schon mit dem Gedanken gespielt, obwohl wir es nie so richtig eingeplant hatten. Aber nun servieren uns die Wettervorhersagen eine zweite Runde »Åland« praktisch auf dem Silbertablett. Wenn wir nicht stumpf gegenan motoren wollen, um nach Stockholm zu kommen, bleibt uns eigentlich nichts anderes übrig, als den Ålands noch einen kleinen Besuch abzustatten.

Öregrund ist ein recht praktischer Hafen, denn in nur wenigen hundert Metern Entfernung, gibt es einen Supermarkt und ein Systembolaget, bei dem wir uns noch einen dieser teuren Rotweine leisten. Auch Frischwasser nehmen wir noch einmal, denn die Saison ist vorüber und so kann man nicht mehr davon ausgehen, dass man in jedem Hafen auch noch Strom und Wasser bekommt. Und auch bei den Klos und den Duschen werden wir nun häufiger vor verschlossenen Türen stehen, denn so langsam wird hier alles verrammelt und verriegelt. Das ist für uns zwar nicht so schlimm, denn wir haben ja eine Bordtoilette und auch einen Fäkalientank, aber wenn wir auch noch mit unserem Frischwasser duschen wollen, dann müssen wir sparsam sein und immer wieder auffüllen, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet.

„In Öregrund haben sie ein altes Feuerschiff auf den Felsen am Hafen gestellt.“

„In Öregrund haben sie ein altes Feuerschiff auf den Felsen am Hafen gestellt.“

Gerade als wir auslaufen wollen, macht die »Ada« wieder neben uns fest. Seit Trysunda haben wir die beiden von der Ada schon mehrfach getroffen und gestern sind wir ihnen mit einigen Meilen Abstand auch stundenlang gefolgt, denn die Ada ist hier oben eine der ganz wenigen Segelyachten, die auch AIS hat. So quatschen wir erst einmal etwas und schnell stellt sich heraus, dass die beiden hier in Öregrund ihren Heimathafen haben und gleich vis-á-vis die Straße hoch wohnen. Sie erzählen uns, dass von Ende Juni bis Anfang August hier in Öregrund immer die Hölle los ist und sich bis zu 70 Schiffe auf den 40 Plätzen drängeln. Deswegen fliehen sie in dieser Zeit lieber nach Norden, denn ab hier zieht es nur noch wenige Segeltouristen weiter in den Norden und nur dort hätte man dann seine Ruhe. Selbst die meisten Schweden ziehen es vor, es mit den Ålands bewenden zu lassen oder gehen von hier doch lieber gleich weiter runter in den Süden.

„Gleich nach der Fähre kommt nur noch Natur pur.“

„Gleich nach der Fähre kommt nur noch Natur pur.“

„Auf der roten Tonne hält ein Fischadler Ausschau, haut aber leider ab, als wir zu nah kommen.“

„Auf der roten Tonne hält ein Fischadler Ausschau, haut aber leider ab, als wir zu nah kommen.“

Und das machen wir nun auch. Auf einem südöstlichen Bogen, der bis zu den Ålands langsam immer östlicher wird, hoffen wir, segeln zu können. Und siehe da, das geht sogar! Knapp und knirschig können wir gleich hinter Öregrund unter Segeln auf Kurs gehen. Die Sonne scheint zaghaft und das Archipelago südlich von Öregrund ist richtig schön. Hier könnte man in der ein oder anderen Ecke mal gut den Anker fallen lassen. Aber inzwischen ist es für uns etwas spät dafür, wir müssen weiter.

„Südlich von Öregrund.“

„Südlich von Öregrund.“

Kurz vor der Ausfahrt in die Ålandsee müssen wir dann aber doch noch einen kleinen Kreuzschlag einbinden. Der Wind schwojt immer wieder um bis zu 30 Grad hin und her. Manchmal hilft das ja, aber hier haben wir nun Pech. Draußen empfängt uns eine ruppige Welle und der Wind kommt ohne die Landabdeckung kräftiger rein. Bis kurz vor Käringsund auf Eckerö nimmt der Wind stetig zu, dreht dabei aber auch ein klitzekleines Stückchen weiter nach rechts. Die Wellen sind ansehnlich und ein ums andere Mal nehmen wir über den Bug ordentlich Wasser. Eigentlich kann man nördlich des Leuchtfeuers Gisslan einen direkteren Kurs durch die vorgelagerten Inseln einschlagen, aber bei diesen Wellen gehen wir lieber außen herum. Echte sechs Beaufort machen hier schon ziemlich hohe Wellen, und hart am Wind steht dann in den Segeln ein scheinbarer Wind mit noch ein paar Knötchen mehr. Natürlich haben wir zwischenzeitlich schon das erste Reff ins Groß gebunden und die Starkwindfock gesetzt.
So ist das erst einmal gut und auch nach der tausendsten Reffaktion freuen wir uns immer wieder darüber, wie einfach und sicher das alles aus dem Cockpit heraus geht. Auch die Segelabstufungen mit den drei Reffs im Groß und den Reffmöglichkeiten der Genua und der Fock passen super zu jeder bisher erlebten Wind- und Wellensituation.

Im »neutralen Gebiet« der Verkehrstrennung müssen wir dann noch einen Kreuzschlag zum Warten einbinden. Hier drängeln sich auch die Frachter durch und die Abstände zwischen den Burschen sind nicht gerade groß. Nachdem wir hinter einem nordfahrenden Frachter durchschlüpfen können, binden wir dann auch noch das 2te Reff ins Groß. Unsere Geschwindigkeit bleibt nahezu unverändert, aber so ist es gleich viel ruhiger und bequemer. Die Crew schlägt sich diesmal übrigens ebenso gut wie die PINCOYA. So langsam sind unsere Seebeine wieder gewachsen. Und das ist auch gut so, denn sonst hätten die Fische heute sicher noch etwas von unserem Frühstück abgekommen.

„Draußen ist es ruppig, erst kurz vor der Hafeneinfahrt in der Abdeckung des Fährterminals wechseln wir die Gastlandflagge.“

„Draußen ist es ruppig, erst kurz vor der Hafeneinfahrt in der Abdeckung des Fährterminals wechseln wir die Gastlandflagge.“

Käringssund liegt sehr geschützt, aber die Einfahrt ist eng und da wird’s bei auflandigem Wind auch schnell unschön. Leider hat man auch hier die Betonnung auf nur zwei Untiefentonnen reduziert. Wieso man das macht, ist uns ein Rätsel, denn die Felsen, die man umfahren muss, sind immer noch genauso da wie früher. Vor 20 Jahren war ich schon einmal hier und es war mein erster echter Schärenhafen. Damals war ich vollkommen hin und weg, und als wir einfahren, kommen all die Erinnerungen wieder, denn es ist hier immer noch genauso atemberaubend schön wie damals.

„Von dem Starkwind und dem schlechten Wetter ist nicht viel übrig geblieben.“

„Von dem Starkwind und dem schlechten Wetter ist nicht viel übrig geblieben.“

Eigentlich sollte es heute, am nächsten Tag, noch etwas mehr wehen als bei unserer Überfahrt gestern. Aber irgendwie bleibt es nett und freundlich. Vielleicht war das ja gestern auch schon alles. Man weiß es nicht, die Vorhersagen sind schwierig, wenn die Tiefs mit ihrem Kern so dicht an einem vorbeiziehen.

„Käringsund“

„Käringsund“

„Nicht nur wir laufen über die Felsen und lassen uns von der Sonne wärmen.“

„Nicht nur wir laufen über die Felsen und lassen uns von der Sonne wärmen.“

So laufen wir bei Sonnenschein über die Felsen. Es ist traumhaft. Wir sitzen auf den äußeren Felsen und schauen über die Ålandsee, gehen auf die andere Seite und schauen auf Käringsund.

„Die Hafeneinfahrt“

„Die Hafeneinfahrt“

In diesen Momenten wird einem erst richtig klar, was für ein Glück wir haben, das alles erleben zu können und zu dürfen. Als es mit Astrid und mir losging, haben wir auf unserem ersten Törn südlich von Stockholm ein Rentnerpärchen getroffen, die jeden Sommer hier oben auf ihrem Schiff unterwegs waren. Damals haben wir zwei Tage wegen Sturms im Norden von Öland zusammen festgesessen und uns lange unterhalten. Danach waren wir uns beide sicher, dass wir das auch mal so haben wollen. Wir wollten auch einfach mal auf unserem Schiff leben, segeln und die Welt sehen. Ganz egal, wie viel davon, aber wenigstens etwas. Aber erst Jahre später haben wir dann damit begonnen, diesen Wunsch auch wirklich zu verfolgen und dann haben wir noch acht Jahre mit der PINCOYA auf diesen Moment gewartet. Alles in allem eine wirklich lange Zeit und nun sitzen wir hier in Käringsund und unser erstes, echtes Segeljahr liegt schon fast wieder hinter uns. Das ist alles nicht selbstverständlich und wir sind froh und dankbar, dass nichts dazwischen gekommen ist.

„Käringsund“

„Käringsund“

„Zwischen den alten Bootshäusern.“

„Zwischen den alten Bootshäusern.“

Abends überlegen wir, wie wir von Karingssund weiterfahren. Wenn die Vorhersage stimmt, dann wird es auch die nächsten Tage eher schwierig werden, weiter nach Süden zu kommen. Erst Mitte der nächsten Woche soll es mal nicht aus Süd oder Südwest wehen. So beschließen wir, im Norden um die Ålands herumzufahren und uns dann bei Marienhamn auf die Lauer zu legen, um einen guten Wind zurück nach Schweden zu erwischen.

„Bei diesem Sundowner entscheiden wir uns, die Hauptinsel der Ålands über Nord zu umrunden.“

„Bei diesem Sundowner entscheiden wir uns, die Hauptinsel der Ålands über Nord zu umrunden.“

„Der Regen der Nacht geht und ein toller Segeltag wartet auf uns.“

„Der Regen der Nacht geht und ein toller Segeltag wartet auf uns.“

Und wenigsten für die erste Strecke bis Hamnsundet war das dann ganz bestimmt auch schon mal die richtige Entscheidung. Bei Sonne und freundlichen Winden aus Südwest haben wir einen fantastischen Segeltag durch die inzwischen vollkommen einsamen, nördlichen Schären der Ålands. Erst spät kommen wir in Hamnsundet an. Hier ist die Saison definitiv schon zu Ende. Einen Hafenmeister gibt es nicht mehr und alles ist verschlossen. Nur die Wochenendhäusler kommen am Sonntag von den Inseln hierher zurück, machen ihre Motorboote fest, springen in ihre Autos und fahren wieder nach Hause.

„Die nördlichen Schären der Ålands.“

„Die nördlichen Schären der Ålands.“

„Einsamer kann ein Wochenendhaus kaum stehen, aber man sieht auch früh, wenn Besuch kommt.“

„Einsamer kann ein Wochenendhaus kaum stehen, aber man sieht auch früh, wenn Besuch kommt.“

Am Gästesteg liegt aber auch noch eine Damencrew aus UK. Wirklich ungewöhnlich. Erstens UK und zweitens als reine Damencrew. Herrencrews gibt es ja wie Sand am Meer, aber Damencrews und dann noch aus UK sind wirklich selten. Wir unterhalten uns eine ganze Weile. Der breite Southengland-Dialekt der Skipperin ist auch nach all den Monaten, die wir mit anderen nur Englisch sprechen konnten, schon eine Herausforderung. Ihr Schiff haben sie letzten Winter in Stockholm gelassen und dort soll es auch noch zwei weitere Winter überwintern, damit sie sich hier oben alles in Ruhe und ohne Anreise von UK anschauen können. Unwillkürlich kommt uns der Gedanke, dass das vielleicht auch irgendwie mit dem Brexit zusammenhängt. Wenn die Verhandlungen wirklich so enden, wie es heute aussieht, wird es komplizierter für uns, nach England zu fahren, und für die Briten, sich auf Langzeittörn in Europa zu begeben. Mühsam errungene Freiheiten werden achtlos aufgegeben, weil wenige laute Populisten die Menschen mit ihren Lügen blenden. Noch können wir uns in Europa frei bewegen, aber wie lange bleibt das noch so? Wir können uns an den ganzen Quatsch mit Grenzen, Einklarierungs- und Zollhäfen noch erinnern und waren so froh, dass wir das wenigstens in Europa hinter uns gelassen hatten. Und nun droht der Nationalismus allerorten die Vergangenheit wieder hervorzukramen, da kann es nur Verlierer geben, Gewinner gibt es nur in den vollmundigen Lügen der Populisten.

„Hamnsundet.“

„Hamnsundet.“


Stationen:

24.08. Öregrung (S) -> Käringsund auf Eckerö (Åland) 40,1 sm: 60° 14′ 01,0″ N, 19° 32′ 29,0″ E

25.08. Käringsund auf Eckerö (Åland): 60° 14′ 01,0″ N, 19° 32′ 29,0″ E

26.08. Käringsund auf Eckerö (Åland) -> Hamnsundet Marina 33,5 sm: 60° 22′ 30,8″ N, 20° 05′ 13,4″ E