Kiel Holtenau -> via Kiel-Kanal -> Brunsbüttel: 53,0 sm Gesamtdistanz: 3.818,0 sm
Mit dem Kapitel Ostsee schließt sich für uns nun auch das Kapitel der »selbstbestimmten Startzeiten«. Nur selten haben wir uns in der Ostsee mal vom Wetter oder der Strecke hetzen lassen und sind eigentlich immer »eigenbestimmt« und ziemlich trödelig gestartet. Mit diesem Luxus macht nun schon mal der Kiel-Kanal Schluss und ab der Nordsee wird das noch einmal ein ganz anderer Schnack mit der Tide.
Den Kiel-Kanal dürfen Sportboote nur tagsüber von Dämmerung bis Dämmerung befahren. D.h. heißt für uns hier und heute von ca. 6:00 bis 20:00. Da wir in eins durchfahren wollen, liegen gut 55 Seemeilen vor uns. Das sind gut 10 – 11 Stunden, wobei keiner so recht weiß, wie schnell wir eingeschleust werden und wie wir dann auch im Kanal vorankommen. Das Ampelsystem kann uns durchaus ausbremsen.
Um 5:45 klopf der Hafenmeister von Kiel-Holtenau bei uns an. Der will wohl verhindern, dass ihm eines seiner Schäfchen der letzten Nacht entkommt ?. Aber diesen Eindruck macht er ganz und gar nicht. Er ist wohl nur Frühaufsteher. Alle, die schon wach sind, bekommen ein munteres „Hallo“, einen kleinen Morgenschnack und auf Bedarf eine Schleusenberatung. Danach kassiert er noch für den WSV, die Wasserstraßenverwaltung des Bundes, bescheidende 10 € Hafengebühr.
Als wir um kurz nach 7:00 in den Wartebereich für Sportboote vor der Schleuse einfahren, kreiselt dort schon ein Sportbootkollege herum. Wir hören dem norddeutsch-gelassenen Funkverkehr von Kiel-Kanal 4 zu und fragen dann auch mal nach, wann wir geschleust werden können. „Halbe bis dreiviertel Stunde, Süd steuerbord als letzte, aber erst auf Signal“ ist die Antwort. Vor uns fährt noch ein Mini-Kreuzfahrer ein, die richtig Großen sind schon drin. Der Mini-Kreuzfahrer braucht ewig. Wir sind ja bei solchen Aktionen schon so vorsichtig, dass es uns manchmal peinlich ist, aber der Mini-Kreuzfahrer fährt wirklich »zentimeterweise« ein. So kochen wir uns erst nochmal einen zweiten Kaffee. Um 8:15 dürfen dann auch wir endlich einfahren. Die niedrigen, vielleicht 10 cm hohen Schwimmstege sind nach wie vor eine Anlegekatastrophe. Egal, wie man es anstellt, die Fender können gar nicht anders als hochrutschen. Mit 3 Sportbooten drängeln wir uns noch rein, der Vierte dreht ab, als er das Gedrängel sieht und der Fünfte versucht erst gar nicht einzufahren. Am Schwimmsteg ist kein Platz mehr, die hätten bei uns längsseits gehen müssen, was ja eigentlich viel besser ist als der Schwimmsteg, aber das wollen sie wohl nicht.
Wir liegen direkt hinter dem vorsichtigen Mini-Kreuzfahrer und neben der »Don Juan«, einem Tanker der größten Klasse für den Kiel-Kanal. Es ist schon beeindruckend, wenn man etwa 6 Meter neben der Bordwand eines solchen Kahns den Kopf in den Nacken werfen muss, um die Brücke des Tankers sehen zu können. Da kommt man sich noch kleiner vor, als man ohnehin ist. Vor den beiden stecken noch zwei kleinere Kümos in der Schleuse. Die Schleuse ist nun wirklich bis zum letzten Meter gefüllt. Der Tanker und der Mini-Kreuzfahrer besprechen über Funk, wer zuerst ausfahren soll. Normalerweise fahren wegen des Schraubenwassers immer erst die Kleinen und dann die Dicken. Der Lotse der »Don Juan« frotzelt den Mini-Kreuzfahrer an: „Wenn ihr genauso langsam ausfahrt, wie ihr eingefahren seit, dann fahren wir lieber als erste.“ Allgemeines Gelächter im Funk. „Nee nee,“ funkt der Mini-Kreuzfahrer zurück, „wir beeilen uns!“. Aber bei »beeilen« bekommen wir nun Schiss, denn wir liegen wirklich direkt hinter dem Mini-Kreuzfahrer. Also rufe ich den Mini-Kreuzfahrer an und bitte ihn, doch lieber die ersten 50 Meter genauso langsam auszufahren, wie er eingefahren ist, denn wir Sportboote würden ungern zu sehr durchgerührt werden. Wieder allgemeines Gelächter über Funk und der Mini-Kreuzfahrer verspricht die ersten Meter ganz vorsichtig und nur mit einer Maschine auszufahren.
Hinter uns klingelt es, das Schleusentor schließt sich. Wir werfen noch schnell einen letzten Blick auf die Ostsee und nun beginnt wirklich ein neues Kapitel für uns. Vom Hub in der Schleuse merken wir kaum etwas, dann klingelt es auch schon wieder vor uns und die Tore zum Kiel-Kanal öffnen sich. Der Mini-Kreuzfahrer fährt wirklich vorsichtig und rücksichtsvoll an. Allerdings ist unser Vormann etwas nervös und wirft seine Vorleine zu früh los. Das ist auch in einem vorsichtigen Schraubenwasser nicht gut und er schlägt quer. Astrid kann ihn gerade noch so mit dem Füßen von unserem Bugspriet abhalten. Der Lotse der »Don Juan« ruft zu uns herunter: „Los Jungs, ausfahren! Wir kommen nach!“ Dann sind wir auch schon auf dem Kiel-Kanal.
Wenn man es nett formulieren möchte, dann kann man sagen, dass die Fahrerei auf dem Kiel-Kanal nicht wirklich abwechslungsreich ist. Stunde um Stunde brummen wir vor uns hin. Die »Don Juan« schließt langsam auf und an einer etwas breiteren Stelle verlangsamen wir, so dass sie uns schnell überholen kann.
Aber bereits nach 10 Seemeilen haben wir sie schon wieder direkt vor unserer Nase, denn sie fährt nur noch 3 Knoten. Da sie normalerweise selbst hier im Kanal um einiges schneller ist als wir, setzen wir unsererseits erst einmal nicht zu einem Überholmanöver an und bleiben mit 3 Knoten hinter ihr. Aber unsere Zeit läuft. Wenn wir wirklich in eins durchfahren wollen, müssten wir eigentlich mit 6 Knoten weiterfahren. Nach 20 Minuten rufe ich die »Don Juan« auf 73 und frage den Lotsen, wie lange er noch auf 3 Knoten bleiben muss. Der Lotse ist tiefenentspannt: „Joah, so ne halbe Stunde, da kommt Gegenverkehr, überholt man mal ruhig, aber auf der richtigen Seite, backbord, wir holen euch schon wieder ein.“ Unser Überholmanöver dauert ewig, zumindest kommt es uns so vor. Die »Don Juan« ist ganz schön lang. Wir müssen den Motor der PINCOYA richtig brummen lassen, denn zwischenzeitlich hat es auch schon ordentlich aufgebrist. Wie angekündigt fallen immer wieder 7er Böen über uns her und blöderweise kommt der Wind uns geradewegs im Kanal entgegen. Das macht uns nicht schneller, aber irgendwann ist es geschafft und wir sind vorbei.
Doch das Spielchen mit der »Don Juan« geht weiter. Erst kurz vor Brunsbüttel können wir sie abhängen. Immer wieder kommt sie bis auf wenige 100m auf, muss dann aber doch wieder abbremsen, weil sie den nächsten Dicken im Gegenverkehr nur an einer der Ausweichstellen empfangen kann.
Eine Stunde vor Sonnenuntergang erreichen wir Brunsbüttel. Nun reicht es uns auch, 55 sm Kanalbrummerei gehen einem irgendwann echt auf den Senkel und wir sind froh, dass wir schnell einen guten Liegeplatz finden und den Motor ausmachen können. Die »Don Juan« kommt erst in der Dämmerung, man gut, dass wir sie doch überholt haben.
In Brunsbüttel liegt man direkt vor der Schleuse, also noch im Kanal, aber direkt neben der Einfahrt zur großen Nordschleuse. Es ist schon beeindruckend, wenn sich ein Riesenkahn nach dem anderen wenige Meter neben einem in die Schleuse schiebt. An der Einfahrt zum Yachthafen Brunsbüttel steht ein Schild, dass man nur maximal 4 Nächte hier liegen darf. Darum muss sich die WSV aber wohl keine Sorgen machen, denn an einen entspannten Schlaf ist in diesem Hafen nicht zu denken. Die Schraubengeräusche der Dicken sind so laut, dass hier wohl niemand freiwillig mehr als eine Nacht bleibt. Aber eine Nacht ist ok und wirklich beeindruckend, dass muss man mal erlebt haben.
26.09. Kiel Holtenau -> Brunsbüttel 45,5 sm: 53° 53′ 44,5″ N, 09° 08′ 46,5″ E