Kungsängen (Mälaren) (A) -> Gillsviken (A) 34,0 sm: Distanz: 52,8 sm Gesamtdistanz: 3.169,7 sm
Es wird Herbst. Immer öfter wird aus dem Morgendunst schon ein leichter Nebel und die Sonne tut sich schwer, ihn aufzulösen. Fast bleiern hängt die dunstig nebelige Decke über dem Wasser. Hier in den Mälaren ist das Wasser noch schön warm, doch die Nachtluft ist kalt, und wenn abends die Sonne hinter dem Horizont verschwindet, mag man nicht mehr lange draußen sitzen. Zudem arbeitet sich der Sonnenuntergang unaufhaltsam weiter voran und läßt eine Stunde Tageslicht nach der anderen ziehen. Die Nacht ist auf dem Vormarsch und in wenigen Tagen beginnt mit der Tag-Nacht-Gleiche auch der Herbst.
Die ersten Zugvögel sind auf ihrem Weg in den Süden schon über uns hinweggezogen und in riesigen Schwärmen versammeln sich hier auf den Seen der Mälaren immer weitere Vögel, um bald aufzubrechen. Die meisten Jungvögel haben nun auch schon eingesehen, dass es sich nicht mehr lohnt, kläglich nach den Eltern zu rufen, um sich füttern zu lassen. Eine ganze Weile beobachten wir einen Jungadler mit dem Fernglas, der sich noch sehr schwer tut, zu begreifen, dass er nun selbst auf die Jagd gehen muss. Sein Fiepen und Rufen ist schon mehr als kläglich, um das Herz seiner Eltern noch einmal zu erweichen, ihm doch noch etwas Beute zu bringen. Schon fast so groß wie seine Eltern passt allerdings sein Gewicht nicht ganz zu dem Ast, den er sich für sein Gejammer ausgesucht hat. Immer wieder muss er seine Flügel zur Hilfe nehmen, um im letzten Moment einen uneleganten Absturz zu vermeiden und seinem noch jungen Gleichgewichtsgefühl aus der Patsche zu helfen. Ihm fehlt es ganz offensichtlich noch etwas an Erfahrung und mit einen majestätischen Adlereindruck hat das alles noch nicht viel zu tun. Doch als er sich dann wieder in die Lüfte schwingt, steht er im Flug der gelassenen Eleganz seiner Eltern kaum noch nach.
Ganz langsam segeln wir von Kungsängen in Richtung Södertälje, dem südlichen Ausgang aus den Mälaren. Der Wind ist mehr als schwach und reicht nur gerade soeben für 2 bis 3 Knoten Fahrt. Die letzten Ausläufer des großen Hochdrucksystem warten geduldig, bis sie übermorgen von der nächsten Tiefdruckkette hinweggefegt werden.
Eile bringt uns zur Zeit auch nicht weiter, denn mit der Ausfahrt aus den Mälaren wird uns wieder ein Tief nach dem anderen das Leben schwer machen und die werden mit ihren südlichen Winden auch dafür sorgen, dass wir nicht so einfach geradewegs nach Süden vorankommen.
Es wäre schön, wenn wir noch etwas in den Mälaren bleiben könnten. Es gibt noch viele verzweigte Seitenarme, die wir noch besuchen und besegeln könnten. Aber inzwischen drängt doch die Zeit und es sieht alles in allem nicht nach einer einfachen Rückfahrt mit passenden Winden aus Nord oder Nordost aus. So tritt das Sightseeing-Programm hinter dem Segelprogramm etwas in den Hintergrund. In den Mälaren bleibt uns nur noch eine Station und das ist Björkö, eine alte Wikinger Siedlung.
Zwei Stunden vor Sonnenuntergang machen wir auf Björkö fest und wechseln gerade einige Worte mit dem schwedischen Seglerpärchen, das 10 Minuten vor uns hier festgemacht hat, als ich hinter mir das Rauschen von brechenden Wellen höre. Schon während ich mich umdrehe, beginnt die PINCOYA zu rollen und zu schwanken. Den Frachter, der dicht an Björkö vorbeigefahren ist, habe ich gesehen, aber nicht vermutet, dass der solch einen Schwell macht. An der Insel brechen sich Wellen von gut 80 cm Höhe und diese Wellen laufen nun quer zu dem aufgeständerten Steg ein. Immer wieder werden wir gegen den Steg geworfen und mit jeder Welle schaukelt sich die PINCOYA weiter auf. Gott sei Dank sind wir noch mehr oder weniger beim Anlegen und noch nicht unter Deck oder gar auf dem geplanten Spaziergang zur Wikinger Siedlung. Schnell zieht jeder von uns einen Fender so hoch, dass wir ihn immer wieder gezielt zwischen Steg und PINCOYA schieben können. Unser dicker Kugelfender macht richtig dicke Backen, ich hätte nicht gedacht, dass der so etwas aushält. Jeden Moment erwarte ich, dass er mit einem lauten Knall platzt. Astrid hat sich einen zylindrischen Fender geschnappt, der unter dem starken Druck fast durchschlägt. Wir können geradeso eben eine Stegberührung verhindert, müssen aber auch höllisch aufpassen, nicht selbst das Gleichgewicht zu verlieren und mit unseren Gräten zwischen Schiff und Steg zu geraten. Den Schweden ergeht es schlechter, aber wir können nicht eingreifen und helfen. Die beiden schaffen es nicht rechtzeitig, ihre Fender zwischen Steg und ihr Schiff zu bekommen. Ein ums andere Mal schiebt sich ihre 36er Halberg Rassy mit den Sülbord unter den Steg und reißt gut 3 Meter der Stegbeplankung hoch. Es kracht, knackt und bricht. Das hört sich nicht gut an. Nach eineinhalb Minuten ist der Spuk vorbei, nur die rücklaufenden Wellen vom Ufer sorgen noch einmal für ein kleines Nachbeben. Teile der Stegbeplankung schwimmen im Wasser und das Sülbord der Halberg Rassy ist auf einer Länge von 2,5 Metern zersplittert und geborsten. Ratlos stehen die beiden Schweden davor und man sieht ihnen an, dass sie am liebsten „Det hä är sådan jävla skit!“ schreien würden und den Frachter ohne Gnade sofort versenken würden.
Da wir heute schon recht viel Berufsschifffahrt auf den Mälaren gesehen haben, beschließen wir abzuhauen. Wir fahren um die Ecke und werfen dort den Anker. Vor Anker kann einem solch ein Mist nicht passieren. Da schwankt es nur und vielleicht fällt etwas runter, aber man kann nicht so gegen einen Steg geworfen werden. Die beiden Schweden haben auch die Nase voll und gehen in einen Hafen etwas weiter südlich.
Als wir dann vor Anker liegen, ist es schon zu spät, um das Gummiboot noch zu Wasser zu lassen und rüberzufahren, um die alte Wikinger Siedlung doch noch zu besuchen. Also bleiben wir an Bord, kochen etwas Schönes und trinken ein Abschiedsbier auf die Mälaren.
Am nächsten Morgen brechen wir zeitig auf, um via Södertälje die Mälaren zu verlassen und wieder in die Ostsee zurückzukehren. Es gibt schönere Ecken als die um Södertälje. Aber wenn man in die Mälaren möchte oder dann auch wieder ausfahren muss, bleibt einem nur dieser Weg oder der Weg durch Stockholm.
Einige Meilen hinter Södertälje kehrt allerdings die unbeschreiblich Schönheit des Stockholmer Schärengartens wieder zurück. Erst wollten wir in Södertälje festmachen, den Plan lassen wir aber schnell fallen und beschließen nach Trosa reinzugehen. Aber als wir dann so in der Abendsonne durch die Inseln tingeln, haben wir gar keine Lust mehr auf einen Stadthafen und würden viel lieber hier irgendwo zwischen den Inseln bleiben.
Inzwischen haben wir schon einen ganz guten Blick für passende Ankerbuchten und schnell finden wir im Gillsviken auch genau das Richtige. Mit dem Sonnenuntergang fällt der Anker und die Ruhe der abendlichen Schären umschließt uns und die PINCOYA. Einen kleinen Schluck Rotwein für jeden haben wir noch von unserem Einkauf in Stockholm. Den trinken wir nun hier auf die Schären und auf unseren bisherigen Törn und auf die nun kommende Rückreise.
Stationen:
06.09. Kungsängen (Mälaren) (A) -> südl. Björkö (Mälaren) (A) 18,8 sm: 59° 19′ 29,2″ N, 17° 32′ 49,6″ E
07.09. südl. Björkö (Mälaren) (A) -> via Södertälje -> Gillsviken (A) 34,0 sm: 58° 51′ 16,8″ N, 17° 33′ 53,7″ E