Dies ist unser erstes Bastelwochenende auf unserem »Sommerliegeplatz«. Die Zeit läuft und unser neuer Nachbar fragt ungläubig nach, was wir denn alles noch machen müssen und warum wir noch nicht fertig sind. Die Antwort ist ebenso unbefriedigend wie einfach – zu viel Bastelkram trifft auf zu wenig Winter. Um uns herum füllt sich der Hafen mit Hallenüberwinterern. Es ist frustrierend, die sind zwar alle auch noch nicht wirklich fertig, aber wir fühlen uns noch viel unfertiger als alle anderen. Der ganze Hafen scheint abfahrbereit zu sein in die neue Saison, nur bei uns herrscht noch größtes Bastelchaos!
Da hilft es auch nicht, dass der neue Radar schon läuft und wir eigentlich schon echt viel geschafft haben. Zum Trost schalten wir die Geräte ein, fahren den Plotter hoch und knipsen den Radar an. Im roten Overlay erkennen wir die Stege des neuen Hafens. Das beruhigt wenigstens etwas, der Hafen ist im Radar noch da, auch wenn wir immer noch knietief im Chaos stehen.
Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite und wir schnuppern etwas Neue-Saisonluft. Da das auch für die nächsten Tage so bleiben soll, beginnt Astrid dem Moosgärtlein auf unserem Teakdeck mit Boracol auf den grünen Pelz zu rücken. Ich kümmere mich derweil um den Außenlautsprecher für unsere Funke. Seit dem Umbau auf die B&G-Electronic sitzt noch eine der alte Raymarin-Anzeigen mausetot in der dritten Geräteöffnung am Decksalon und hat nur noch die Funktion, dieses Loch auszufüllen. Früher hatten wir dort die Logge, das Echolot und die Windanzeige. Die modernen Displays sind aber etwas »aufgeräumter« und zeigen so auch gleich mehrere Daten übersichtlich an. So kam uns im letzten Jahr die Idee, in das dritte Loch einen Außenlautsprecher für unsere Funke einzubauen. So müssten wir nicht immer mit einem Ohr unter Deck herumhängen, gerade während der vielen Schleusenfahren im letzten Jahr und auch in Russland wäre das schon recht praktisch gewesen.
Also ziehe ich Strippen, fummele unter Deck ein Relais und einen Schalter hinter die Funke, und habe dann aber doch nicht die passende Lochsäge, um die alte Öffnung für den Laufsprecher aufzusägen. Es ist schon eine echte Herausforderung im Vorfeld immer an alle Eventualitäten eines Bastelwochenendes zu denken. Nicht immer gelingt das und dann folgen diese beklemmenden Notfallfahrten zum Bauhaus. Und da fast nie irgendwelche 0815-Banalitäten fehlen und es schon immer irgendwie speziell ist, stehen die Chancen auf einen erfolgreichen Einkauf immer schlecht. Aber dieses Mal lächeln mich sogar mehrere passende Lochsägenexemplare an. Normalerweise sind die Dinge, die wir brauchen, gerade “aus” oder sowieso schon mal gar nicht in dem Bremerhavener Bauhaus zu bekommen. Das “Angebotsgefälle” zwischen den Baumärkten aus Hannover nach Bremerhaven ist deutlich. Es ist zwar nicht so groß wie das nach Heiligenhafen, aber immer noch deutlich. Spontan mal eben kaufen, geht fast nie. So läuft es fast immer auf die einfache Formel hinaus, entweder hat man alles dabei oder es kann eben erst am nächsten Bastelwochenende weitergehen. Hier wäre amazons same-day ein Segen, aber das gibt es dummerweise eben auch nur in Regionen, die ohnehin schon gut versorgt sind. Aber heute ist mein Glückstag und im Handumdrehen ist das passende Loch gesägt.
Während Astrid noch immer auf Knien herumrutscht, um die richtig moosgrünen Ecken noch ein zweites Mal liebevoll mit Boracol zu bestreichen, baue ich schnell unsere neue Doppelfilteranlage für die Frischwasserversorgung ein. Wir filtern jetzt vor dem Aktivkohlefilter noch mit einen Sedimentfilter. Hä? Das ging schnell und problemlos! Wie konnte das passieren? … nun ja, manchmal passieren eben auf einem Schiff die unglaublichsten Dinge.
Dann machen wir uns an die Belüftung des Fäkalientanks. Der alte Belüftungsstutzen ist schlicht und ergreifend zugegammelt. Das kleine Nirogitter in dem Alustutzen hat zu einer munter blühenden Elektro-Korrosion geführt, die das ganze Ensemble so dicht gemacht hat, wie eins von Omas Marmeladengläsern. Mehr nebenbei betrachte ich die beiden kleinen Lochsägetöpfe, die wir mitgebracht haben. So neben dem neuen Belüftungsstutzen sehen die irgendwie klein aus ?. Die Schieblehre bestätigt mein Gefühl ?. Wir haben einen 33er und 36er aus dem Angebot unseres Bastelkellers mitgenommen ?, aber der Stutzen möchte gerne einen 38er sehen?. Auf der PINCOYA findet sich nur noch ein 40er ?. Ja ja, man hätte das auch vorher messen können, aber der neue Stutzen liegt schon seit 2 Monaten auf der PINCOYA und jeder Zettel mit irgendwelchen Maßen verschwindet zuverlässig nach wenigen Tagen irgendwo dort, wo man ihn ganz sicher nie wiederfindet. Wiederfinden würde man so einen Zettel nur, wenn man die Maße auch problemlos aus dem Internet bekommen kann, z.B. dort, wo man das Teil bestellt hat. Dort findet sich aber keine Zeichnung, sondern nur die Angabe zum Schlauchdurchmesser und deswegen ist auch der Zettel unauffindbar und deswegen haben wir alles eingepackt, was eventuell passen könnte, aber nun eben doch nicht passt. So sprinten Henry und ich um 16:30 noch einmal schnell zum Bauhaus und hoffen auf ein zweites, etwas “kleineres” Lochsägenwunder. Heute früh das 92er-Wunder und nun bitte noch ein 38er. Und tatsächlich bricht auch dieses zweite Wunder, so unglaublich es auch klingt, über uns herein! Was für ein Wunderwochenende! Dieser Tag, ach was, schon fast das ganze Wochenende ist gerettet, wenn da nicht noch der Einbau und das Cutter-Messer wären.
Der Entlüftungsstutzen des Fäkalientanks sitzt maximal bekloppt, um nicht inbrünstig dieses Wort mit »sch« zu benutzen. Das passende Loch ist schnell von außen gebohrt, aber bis dann alles richtig sitzt und abgedichtet ist, brauchen wir noch den halben Sonntag. Die Kontermutter muss ganz oben und hinten in der letzten Ecke des Einbauschranks im Bad festgezogen werden. Das geht dort nur mit der kleinen Wasserpumpenzange und eigentlich bräuchte man 2 Teleskoparme mit je 3 Kugelgelenken, die man in beliebige Richtungen drehen kann. Sehen kann man eh nichts, man kann nur über meinen Rasierspiegel erahnen, wo man drehen muss, das aber auch nur, wenn die Arme noch nicht drin sind. Außerdem sitzt dieses Mistloch direkt an einer Kante. Es dauert Stunden.
Während ich die letzte Schlauchschelle festziehe, räumt Astrid auf und… auch sie ist langsam zu einem Sammler geworden… schneidet mit dem Cutter-Messer eine Messingtülle aus dem alten Entlüftungsschlauch, rutscht ab und … vier auf einen Streich. Aus allen 4 Fingerkuppen der linken Hand tropft es munter ins Spülbecken. Gott sei Dank haben wir gerade eine neue Familienpackung Küchenpapier gekauft. Der Rest vom Sonntag ist gelaufen, Astrid schimpft wie ein Rohrspatz und benutzt nun am laufenden Band doch dieses Wort mit »sch«! Nach einiger Zeit habe ich Astrid verbunden und sozusagen auch wieder abgedichtet. Aber eins ist sicher, in der kommenden Arbeitswoche wird das mit dem 10-Fingersystem an der PC-Tastatur erst mal nichts werden.
in Bremerhaven »im-jaich«
53° 32′ 52,6″ N, 08° 34′ 11,6″ E