Nieuwpoort (B) -> Boulogne-sur-mer (F) Start: 7:00 Ende: 17:20 Wind: NE 10 – 25 kn Distanz: 61,0 sm Gesamtdistanz: 495,8 sm
Seit etwas mehr als 4 Stunden weht nun die französische Gastlandflagge unter unserer Steuerbordsaling und mit Belgien liegt schon das zweite Gastland in unserem Kielwasser. Gerade haben wir Calais passiert und das Cap Blanc-Nec gerundet. Es ist etwas ruhiger geworden, so dass ich wieder Blogs im Cockpit schreiben kann.
Bis hierher war es nicht ganz so magenfreundlich, obwohl unsere Mägen uns dieses Jahr ein ums andere Mal positiv überraschen. Wir beugen zwar mit unseren Antikotz-Armbändern etwas vor, aber nur unter Deck haben wir nach einiger Zeit das Gefühl, dass etwas frische Luft nicht schaden könnte ?. Das war die letzten Jahre schon oft ganz anders, besonders auf solchen Megakotzkursen ?, die jede Kirmes in den Schatten stellen.
Gestern Abend waren wir noch einmal schnell auf der Holzmole von Nieuwpoort, um dort noch schnell ein Panorama in der Abendsonne zu schießen. Die beiden Tage Starkwind hatten die Nordsee doch mehr in Schwung gebracht, als wir das im Hafen so mitbekommen haben. Man gut, dass wir nicht auf die Idee gekommen sind, doch auszulaufen.
Als wir dann heute früh auslaufen, ist es zwar besser, aber nicht wirklich ruhig, es weht zwar nur noch mit gut 15 bis 18 Knoten aus Nordost, aber draußen schwappt noch die alte See. Nordost bedeutet wieder einen Kurs nur unter Groß. Das macht aber nichts, denn mit einen achterlichen Wind um die 20 Knoten läuft unsere Dame nur vor dem Groß hervorragend. Und das ist eine bequeme und auch ruhige Sache, wenn man mal von dem Geschaukel absieht. So schwurbelschwabbeln wir uns platt vor dem Laken voran nach Dunkerque.
Nachdem wir gestern Abend alles seefest gemacht haben, das dauert ja doch nach 5 lodderigen Hafentage immer etwas, haben wir noch unsere Navigations- und Tidenberechnungen verglichen und abgestimmt. Wir rechnen immer unabhängig, Astrid zugegeben gründlicher als ich, und dann schmeißen wir unsere Ergebnisse zusammen. Das gibt etwas mehr Sicherheit, an alles gedacht zu haben. Wir sind ja immer noch blutige Tidenlaien, da ist nicht nur die Mama der Porzellankiste die Vorsicht, sondern auch das Mütterchen der Tiden- und Stromkiste.
Unser Nordsee-Revierführer empfiehlt, das Cap Gris-Nez hinter Calais mit dem Strom zu runden. Das heißt aktuell, dass wir zwischen 15 und 17:00 dort sein sollten. Dann macht es dort am schönsten »zack« in unsere Richtung. Von diesem Punkt aus rechnen wir dann zurück. 12 sm sind es vom Cap bis Calais, dafür kalkulieren wir bei langsam einsetzendem Strom-mit mal runde 2 Stunden und für die 35 sm bis Calais veranschlagen wir 6 – 7 Stunden, weil wir auf der Strecke fast die volle Zeit Strom gegenan haben werden. Das sollte bei achterlichen 18 Knoten aber in dieser Zeit machbar sein. D.h. also um 7:00 los, dann werden wir beim Cap Gris-Nez hoffentlich pünktlich eintreffen.
Das alles klappt anfänglich auch prima, bis der Wind schon auf halben Weg nach Dunkerque schlapp macht. Nun ja, das müssen wir nun so nehmen, wie es ist. Blöd ist das zwar schon, aber am Cap kentert der Strom ja auch erst gegen 19:00, um dann wieder gegen uns zu laufen. Doch bei wenig Wind ist dieses Schwurbelgeschwabbel vor dem Wind echt nervig. Dann schon lieber viel Wind, was bei Wind gegen Strom zwar eine unangenehme See produziert, aber dann läuft es wenigstens, auch wenn es uns immer mal wieder gewaltig auf die Seite haut, wenn ein Wellenset ungünstig unter uns durchläuft.
Gott sein Dank besinnt sich der Wind und legt auf Höhe von Dunkerque wieder zu. Nun läuft es und so lange man etwas eingekeilt im Cockpit sitzt, läuft man auch nicht Gefahr, zu sehr hin und her geschubst zu werden. Natürlich wartet auch in Dunkerque die Berufsschifffahrt, bis wir kommen, aber wir schlagen im richtigen Moment einen Haken durch das Fahrwasser. Mit dieser Taktik sind wir dann auch in Calais erfolgreich, obwohl die Fähren es uns dort wirklich nicht einfach machen. Speziell die Capitana ist heilfroh über das AIS. Die Taktung der Fähren ist erstaunlich hoch und die Burschen fahren mit 20 kn in und aus der Einfahrt. Doch dann ergibt sich just in time eine Lücke und wir können wieder einen Haken durch das Fahrwasser schlagen und nach Süden entkommen. Wahrscheinlich gibt sich das ja ab dem 31.10., wenn der harte Brexit zuschlägt, aber im Augenblick hat man hier schon noch so sein Tun, um durchzukommen.
Zwischenzeitlich sind wir gut eine Stunde hinter unserem Zeitplan, aber nun schlägt der Cap-Effekt zu. Der Wind legt auf bis zu 25 kn zu und der Strom packt uns in seiner ganzen Schönheit, so dass wir auf der Logge fast die 11 kn sehen, die wir dann aber doch nicht erreichen, weil es partout nicht mehr als 10,7 werden wollen.
Ein herrliches Segel, die Sonne scheint und wir rauschen nur so an der französischen Küste entlang. Viel zu schnell kommen wir Boulogne-sur-mer näher, eigentlich könnte es so weitergehen, aber nun ist es auch gut, denn der nächste Hafen wäre Dieppe und der liegt noch mal 50 Meilen weiter südlich.
Auf den letzten 10 sm erleben wir das, wovon so oft in der Yachting Monthly berichtet wird. Lobster-Pots! Den ersten bügeln wir fast über und sehen ihn erst im allerletzten Moment, als alles ohnehin zu spät ist und wir nichts mehr machen können. Zu sehen sind die Dinger kaum, an der Wasseroberfläche hängen maximal ein zwei alte Plastikkanister, die in den besten Fällen gelb oder rot sind. Am auffälligsten sind bei viel Strom allerdings die spritzenden Wellen, wenn die Strömung an den Kanistern herumzerrt. Nun sind wir gewarnt und fahren das ein oder andere Ausweichmanöver. In der Nacht wäre es vollkommen unmöglich, irgendetwas von diesen Kanister zu sehen. Das macht kein gutes Gefühl, da werden wir Nachtfahrten wohl lieber ein ordentliches Stückchen weiter draußen machen.
Hinter den riesigen Außenmolen von Boulogne-sur-mer nehmen wir dann das Groß runter und steuern in unseren ersten französischen Hafen. Wir fahren kurz nach Niedrigwasser ein, der Tidenhub liegt zur Zeit bei »nur« 5 m, aber die Mauern und Molen rechts und links erscheinen uns jetzt schon gewaltig. Doch hier geht noch mehr, zur nächsten Springzeit in einigen Tagen wird der Hub bei rund 8,50 m liegen. Kaum vorstellbar!
Der Gästehafen ist nur mäßig belegt und wir bekommen ein guten Platz. Der Hafenmeister ist zur Stelle und nimmt unsere Leinen an. Eine Schönheit ist der Yachthafen von Boulogne-sur-mer nicht, aber besser als Oostende ist er allemal.
in Boulogne-sur-mer (F)
50° 43′ 29,2,6″ N, 001° 35′ 56,9″ E