IJmuiden (NL) -> Nieuwpoort (B) Start: 22.06. 11:10 Ende: 23.06. 9:00 Wind: NE 8 – 22 kn Distanz: 110,6 sm Gesamtdistanz: 434,8 sm
Ich muss es gleich mal zu Anfang sagen, es hätte nicht besser laufen können! Unser Plan ist aufgegangen und all unsere Hoffnungen haben sich erfüllt.
Noch bis spät am Freitagabend überlegen wir hin und her, wohin wir in Belgien fahren sollen. Üppige »Insider-Infos« zu den Häfen sind ja kaum zu finden. Klar, das ganze technische Wie und Wo findet man überall, aber wir wollen es ja auch hübsch haben und nicht nur irgendwie irgendwo festmachen, nur um festzumachen. Schließlich wird es für uns nur einen Hafen in Belgien geben und dort wollen wir auch einige Tage bleiben. Wie schön wäre es da, wenn es dort auch hübsch ist.
Da die Infolage zum Drumrum der Häfen echt mager ist, schauen wir uns die Häfen via Streetview an. Das funktioniert in Belgien auch echt prima, weil die Häfen in der Regel irgendwie in der Stadt liegen und dort an irgendeiner Stelle immer eine Strasse entlang führt, auf der mal ein Streetview-Auto gefahren ist. Zudem laden auch viele Leute Fotos in Google Maps hoch, so dass man zum Drumrum einen besseren Eindruck gewinnt als aus jedem Hafenführer. Zeebrügge und Blankenberge hatten wir im Vorfeld eh schon aussortiert und eigentlich sollte es Oostende werden. Doch die einzig sinnvolle Liegemöglichkeit für Besucher ist dort der tidenabhängige Hafenteil gleich vorn am Eingang. Doch die Streetview-Bilder sind wenig ansprechend und lassen zudem auf einigen Trubel schließen. Hmm… Astrid findet zudem noch den wohl gut gemeinten Hinweis auf ein tolles “vibrant city life with amazing party flair”. Upps, das ist es nun gerade gar nicht, was wir suchen. Am Ende beschließen wir Oostende links liegen zu lassen und nach Nieuwpoort in die KYCN Marina zu gehen. Da wir die Anfahrt nach Nieuwpoort über die »Kleine Reede” vor Oostende machen, können wir am Sonntagmorgen dann einen Blick auf Oostende selbst werfen. So ganz falsch scheint unsere Entscheidung nicht gewesen zu sein. Und jetzt, hier in der KYCN Marina von Nieuwpoort, können wir nur sagen: »Volltreffer«! Natürlich haben wir noch nicht viel gesehen, aber das, was wir sehen, gefällt uns gut. Hier kann man es einige Tage aushalten.
Aber von vorn…
Astrid hat viel gelesen und alles hin- und hergerechnet und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass wir am Samstag GENAU um 11:00 aufbrechen müssen. Der Reeds verrät, dass gegen 6:30 in Hoek van Holland Hochwasser ist und dass 3 1/2 Stunden später der Strom vor IJmuiden kentert. D.h. also so gegen 10:00. Das ist aber auch ca. 2 1/2 Stunden nach dem Hochwasser von IJmuiden. Als Astrid und ich unsere erste gemeinsame Tour in den Tidengewässern der Irischen See gemacht haben, sind wir genau an diesem Punkt schlicht verzweifelt. Wir haben lange nicht verstanden, dass das Hochwasser schon lange durch sein kann, bis dann auch der Strom in die Ablaufrichtung einsetzt. Wir hielten es damals einfach noch für selbstverständlich, dass, solange Wasser in die Badewanne einläuft, auch der Wasserspiegel steigt und dass es gar nicht sein kann, dass der Wasserspiegel in der Badewanne sinkt, aber es immer noch durch den Abfluss reinströmt. Wem das zu hoch ist, der sei getröstet, er ist nicht allein. Aber egal, wenn das Wasser in IJmiuden schon seit 2 1/2 Stunden auf dem Rückzug ist, dann bequemt sich eben auch der Strom in Ablaufrichtung zu setzen.
Als wir dann aus IJmuiden auslaufen, bekommen wir schon einen kleinen Vorgeschmack auf Den Haag, Rotterdam und Zeebrügge. Die Berufsschifffahrt ist immer genau dann zur Stelle, wenn man sie gerade nicht so richtig braucht. Aber wir fädeln uns so durch und dann in den Tidenstrom und den Wind ein. Beide sind zunächst recht zaghaft, aber mit der Zeit entwickelt sich das. Wind und Tidenstrom legen zu und huiiiiiii…. los geht’s. Immer wieder kratzen wir an den 10 kn Fahrt über Grund. Auch weil der Wind sich nicht an die Vorhersage hält und mit bis zu 22 kn bläst. Was für ein Segeln, auch wenn wir wissen, dass nachher der Strom gegen uns setzt, es ist einfach nur hammergeil! Leider ist es anfangs noch etwas wolkig und die Wolken geben nur nörgelig den bleuen Himmel frei.
Solange Wind und Strom in derselben Richtung setzen, halten sich die Wellen moderat zurück. Aber moderat ist eben nur im moderaten Sinne moderat. Wenn man bei stehenden 5 Beaufort platt vor dem Wind fährt und die ein oder andere 6er Bö zeigt, was noch geht, dann macht man die Kaffeetassen besser nur halbvoll. Natürlich haben wir bei dieser Windrichtung auch den Versuch gemacht, noch zusätzlich mit der Genua etwas mehr Speed rauszuholen. Den Versuch haben wir dann aber schnell wieder beendet. Bei solch einem Kurs macht eine Genua nur Theater, so sausen wir lieber vor dem ungerefften Groß in Richtung Süden.
Kurz hinter Rotterdamm kentert der Strom. Nun gehen Wind und Strom gegeneinander. Und genau vor Rotterdam zeigen uns schon mal der einlaufende Strom in die Maas, der kenterbereite Strom vor der Einfahrt und die Wellen von insgesamt sechs Cargo-Schiffen, was an Seegangschaos alles so machbar ist. Holla die Waldfee, hier kann es Kaffee nur noch aus der Schnabeltasse geben.
Die »Maas-Entrance« leitet uns zwar perfekt durch das Chaos, aber wir werden durchgeschüttelt, wie kein zweites Mal auf dieser Tour. Und das soll schon was heißen, denn die nächsten 5 1/2 Stunden Strom gegen Wind haben es in sich. Eine Reifeprüfung für unsere Mägen! Den Versuch, etwas für unsere Blogs zu schreiben, gebe ich schnell wieder auf. Auf diesem Kotzkurs ist das absolut unmöglich.
Erst als der Strom in der Nacht erneut kentert, wird es wieder etwas besser, aber von ruhig und beschaulich ist unser Vorwindkurs definitiv meilenweit entfernt. Auch unsere Nachtfahrtroutine läßt noch sehr zu wünschen übrig. Ab Rotterdam bekommt man zwar ohnehin nicht viel Ruhe, weil man ständig auf irgendetwas achten muss, aber auch in den Zwischenzeiten finden weder Astrid noch ich so richtig in den Schlaf. Zum einen hält uns die Berufsschifffahrt echt auf Trapp und zum anderen ist das Fahrwasser alles andere als einfach. Normale Menschen glauben ja, dass man in der südlichen Nordsee und dem Kanal einfach so rumfahren kann. Und wenn wir ehrlich sind, dann dachten wir das auch bis zu dem Tag, als wir uns die Karten für dieses Seegebiet heruntergeladen und einen ersten Blick darauf geworfen hatten. Ab Rotterdam und herunter bis Dover – Calais liegen so viele Sände und Flachs verstreut herum, dass wir uns für die Wegstrecke bis Nieuwpoort eine Route in die Seekarte gesteckt haben, wie sich das auch für schwedischen Schären bewährt hat. Irgendwann muss man sich hier entscheiden, ob man innen, hintern den Sänden, oder außen fährt. Und nicht jeder Weg führt zum Ziel, es gibt auch Sackgassen. So fummeln wir uns als Nordsee-Laien des Nachts durch die Fahrwasser und zwischendrin halten uns immer wieder irgendwelche Berufsschiffer und Fischer auf Trapp. Das alles ist schon irgendwie betonnt, aber darin ein System zu erkennen und die richtigen Tonnen auch in der Nacht zu finden, egal ob beleuchtet oder unbeleuchtet, ist schwer und hält uns wach. Da ist es dann auch völlig egal, dass wir unsere Nachtfahrtroutine dieses Jahr sowieso noch nicht so richtig gefunden haben.
Gegen 4:30 wird’s dämmerig und gegen 5:30 geht die Sonnen auf. Viel ist von ihr zwar nicht zu sehen, aber wenigstens erhellt sie unsere Anfahrt nach Oostende. So richtig langsam waren wir nicht und schon um 6:00 biegen wir in das Fahrwasser nach Oostende ein. Wir müssen dort bis knapp vor die Hafeneinfahrt, um dann nach rechts abzubiegen. Über die Kleine Reede vor Oostende und immer direkt am Strand entlang kommen wir nach Nieuwpoort. Wir sind nicht böse, dass nun das Wasser wieder aufläuft und wir nur noch 2,5 bis 3 Knoten fahren. Es macht keinen Sinn, schon so früh in Nieuwpoort anzukommen.
Direkt vor der Küste und hinter den Sänden ist es viel ruhiger. Hier kann es nun wieder eine richtig volle Tasse Morgenkaffee geben ☕️. Die Sonne wärmt uns und wir wünschen uns einen ruhigen Liegeplatz, einen netten Hafenmeister, der uns ausschlafen läßt, und einen hübschen Hafen für die nächsten 3 bis 4 Tage.
Und all diese drei Dinge gehen auch in Erfüllung! Der nette Hafenmeister ist schon auf und gibt uns einen schönen Liegeplatz für 4 Tage. Und der Hafen ist klasse und das Hafenpanorama ist »südlich«. Ja, irgendwie »südlich«! Einfach toll. Und wenn man beim Festmachen mit »Bonjour« begrüßt wird und die Sonne aus allen Knoblöchern scheint, dann fühlt man sich noch etwas weiter südlich.
in Nieuwpoort (B)
51° 08′ 26,0″ N, 002° 44′ 30,0″ E