13. + 14.06. in Makkum
Um ehrlich zu sein, haben wir unsere Geschwindigkeit und ganz besonders die dazu notwendige Ruhe noch nicht so gefunden. Es fällt uns wirklich etwas schwer, unsere Geduld mit dem Wetter und der Tide in Einklang zu bringen. Es zieht uns mit Macht in den Süden, aber so einfach ist das eben nicht. Es soll irgendwie mehr los gehen, als bisher los gegangen ist.
“Wenn Ihr runter wollt, dann braucht Ihr Geduld und wenn Ihr die nicht habt, dann müsst Ihr eben lernen, Geduld zu haben.” Das klingt einfach, ist es aber nicht. Geduld scheint wirklich eine Tugend zu sein, die nicht einfach mal mir nichts dir nichts über einen herfällt. Das eher herbstlich feuchte Wetter lässt unseren Drang nach Süden auch nicht gerade kleiner werden. Würde hier der Sommer toben, wäre das Ding mit der Geduld sicher auch viel einfacher.
So müssen wir uns jeden Morgen selbst ermahnen, Ruhe zu bewahren und sinnvoll zu planen. Wenn andere aufbrechen, macht uns das automatisch zappelig, aber die wollen dann meist in die entgegengesetzte Richtung. Aber egal, zappelig sind wir trotzdem.
Hier im IJsselmeer haben wir nun erst einmal die Tide hinter uns. Jetzt regiert wieder nur der Wind unseren Rhythmus. Aber leider eben auch der Regen. Auf den letzten zwei Schlägen sind wir so nass geworden, dass das glatt für die nächsten vier Wochen reicht. Aber es sieht nicht nach längerfristiger Besserung aus.
Auch in Makkum bestimmt der Regen weiter unseren Rhythmus. Obwohl es schöne, sonnige Abschnitte gibt, verbringen wir viele Stunden unter Deck und es schüttet erbärmlich. Aber in Makkum liegen wir gut und im Vergleich zu Terschelling für einen Spottpreis. Gerade mal 18 € will der Hafenmeister von uns haben, der in Terschelling hat uns das Doppelte abgeknöpft. Vielleicht ein Festivalzuschlag, aber wer braucht schon Festivals oder gar seine Zuschläge?
In der Sonne ist Makkum wirklich hübsch. Kaum ist man vom Hafen um die Ecke gegangen, steht man mitten in einem total niedlichen holländischen Städtchen. Direkt am Hafen stehen zwar die großen Werftgebäude, aber davon sieht man in den Gassen und an den Grachten schnell nichts mehr. Wir genießen jeden einzelnen Sonnenstrahl, denn die gab es ja bisher nur in homöopathischen Dosen. Bis Samstag bleiben wir in Makkum, diese Auszeit gönnen wir uns jetzt mal, wir müssen ja ruhiger werden und da sind einige Hafentage in Makkum gar keine schlechte Übung.
Makkum -> Enkhuizen Start: Mi 15.06. Ende: Mi 18.06. Distanz: 33,2 sm Gesamtdistanz: 266,5 sm
15. + 16.06. zwischen Medemblik und Andijk vor Anker
Unser Schlag von Makkum in die Ankerbucht zwischen Andijk und Medemblik ist ruhig. Anfangs weht es zwar noch etwas, aber nachdem sich die Regenfront endgültig in Richtung Horizont verabschiedet hat, haben wir schmusig gleichmäßige vier Beaufort aus fast der richtigen Richtung, die erst zum Abend hin schwächer werden. Es ist Samstag, aber nur vor den Häfen ist etwas mehr los, dort drängeln sich die Segler, als ob sie Angst haben, zu weit auf’s offene IJsselmeer zu geraten. Nach wenigen Seemeilen verliert sich schon das Seglergetümmel und wir sind fast allein auf dem IJsselmeer. Das hatten wir so nicht ganz erwartet! Aber das ist gut so, besser als ein tumultiges IJsselmeer-Gedrängel.
Zum ersten Mal in diesem Jahr haben wir nun wirklich ein entspanntes Dahingeplätscher. Der Autopilot steuert und es stellt sich schnell die Frage, was wir nun noch essen könnten ?. Ein untrügliches Zeichen für Segelentspannung ?.
Irgendwann kommt mir der Gedanke, dass wir ja immer weiter in eine Richtung fahren. Immer weiter nach Süden, ohne irgendwann an einen Punkt zu kommen, wo wir umdrehen müssen, um es in dieser Saison wieder bis nach Hause zu schaffen. So war es noch nie, immer mussten wir irgendwann wieder umkehren und zurück. Und das ist nun in der Tat dieses Jahr vollkommen anders und genau das macht mit einem Mal tatsächlich ein ganz anderes Gefühl. »Es geht immer weiter ohne ein absehbares Zurück.« Es ist fast erschreckend, wieviel Freiheit in diesem Gedanken liegt. Und das »Wo« unseres Ankommens in diesem Jahr ist relativ. Das Ziel steht nur grob und es ist ebenso gut, wenn es weiter »vorn« liegen sollte, wie weiter »hinten«. Wir machen das erste Mal mit der PINCOYA keine Rundreise mit einem gleichen Start- und Zielpunkt, sondern reisen einfach so. Ganz langsam kommt diese Erkenntnis in unseren Köpfen an. Und das ist ein echt entspannender Gedanke, der unsere ganze Zappeligkeit des Weiterkommens in sich zusammensacken läßt. Erstaunlich! Für außenstehende Leser ist das vielleicht gar nicht so recht nachvollziehbar und der ein oder andere wird sich über so merkwürdige Erkenntnisse sicher auch wundern. Aber wahrscheinlich ist einigen Langfahrtseglern oder auch anderen Langreisenden solch eine Änderung des Blickwinkels und die damit einhergehende Wahrnehmungsveränderung gar nicht so unbekannt. Für uns ist das aber genau jetzt erstaunlich genug und wir beobachten ein ums andere mal, wie sich unsere Zappeligkeit im Weiterkommen mit diesem kleinen Gedanken immer wieder vertreiben läßt. So langsam kommen wir wohl doch auf einen Weg, um unsere Geschwindigkeit zu finden.
Gegen Abend fällt unser Anker zwischen Medemblik und Andijk. Auch hier sind wir an einem Samstagabend fast allein. Hier lassen wir unsere Seele baumeln und warten das Wochenende ab, um dann weiter nach Enkhuizen zu fahren. Den ganzen Sonntag bläst es recht ordentlich, aber nicht ein einziges Regentröpfchen schaut bei uns vorbei. Der Wind ist zwar kühl, aber im Windschatten unseres Decksalons können wir uns gut verstecken, um nur von den Sonnenstrahlen verwöhnt zu werden.
17. + 18.06. in Enkhuizen
Im schönsten Sonnenschein kommen wir dann Montag in Enkhuizen an. Schnell machen wir einen ersten kleinen Stadtspaziergang.
Enkhuizen ist mit Sicherheit ein Muss, wenn man sich irgendwie mit Schiff, Fahrrad oder sonst wie am IJsselmeer herumtreibt. Und in Enkhuizen hat sozusagen unsere Suche nach einem Schiff für unsere Langfahrten begonnen, denn genau hier wollten wir vor genau 10 Jahren die »Lady Bo« kaufen, die es dann aber doch nicht geworden ist. Auch deswegen sind wir in den Compagniehaven gefahren, denn genau hier sind wir ein uns andere Mal über die Stege geschlichen und haben mit unserer Entscheidung pro und contra gekämpft.
Nun genießen wir Enkhuizen zusammen. Astrid und ich sind unabhängig voneinander mit eigenen Seglertruppen auch schon hier gewesen. Nun machen wir zusammen die Runde und klappern die Ecken unserer Erinnerungen ab und erzählen uns die Geschichten, die wir erlebt haben, als wir noch getrennte Wege gingen. Es scheint wirklich so zu sein, das nur wir beide, aus der Gruppe dieser vielen Segler, wirklich beim Segeln geblieben sind.
Unsere neuen Bordfahrräder erweitern unseren Entdeckerradius enorm, was unglaublich bequem und auch praktisch ist. Wieso haben wir das eigentlich nicht schon früher gemacht? Immer wieder haben wir die Idee mit den Rädern verworfen und nun hat uns der Zufall sozusagen überrumpelt. Und eins ist jetzt schon klar, ab diesem Jahr werden wir bestimmt nie mehr ohne Fahrräder auf Tour gehen.
Nachmittags binden wir unseren Einkaufstrolley hinter mein Fahrrad und fahren einkaufen. So ein Gespann sorgt auch in Holland für Aufsehen. Jeder dreht sich nach uns um, als wir nicht gerade leise über die gepflasterten Strassen rumpeln. Eigentlich muss es so etwas doch auch in »richtig« und »offiziell« geben! Wir sind ja schließlich in Holland, wo soll es solch einen Anhänger sonst geben, wenn nicht hier in Holland. Da werden wir mal Ausschau halten.
Stationen:
15.06. Makkum -> zwischen Andijk und Medemblik (A) 24,1 sm: 52° 44′ 55,5″ N, 005° 08′ 57,5″ E
17.06. zw. Andijk und Medemblik (A) -> Enkhuizen 12,9 sm: 52° 42′ 15,1″ N, 005° 17′ 56,4″ E