Wat een zeildag!


Lauwersoog -> Terschelling Start: 5:10 Ende: 16:45 Wind: NE -E 15 – 25 (30) kn Distanz: 72,2 sm Gesamtdistanz: 197,1 sm

„von Lauwersoog -> nach Terschelling“

„von Lauwersoog -> nach Terschelling“

Ein entspanntes Mittelding scheint dieses Jahr für uns noch nicht drin zu sein. Entweder Nüscht oder Hacke, dazwischen gibt es nicht viel.
Nachdem sich das Sturmtief am Samstag ausgetobt hat und auch der Sonntag noch ordentlich westwindig war, ist dieser Montag unser Tag! Schon am späten Sonntagnachmittag beginnt es langsam über Nord zu drehen, um uns dann Montag einen netten Nordost bis Ost zu bescheren.
Unser Plan scheint aufzugehen, wir wollen mit dem ablaufenden Morgenhochwasser, das hier inzwischen so gegen 4:30 seinen Höhepunkt hat, um 5:00 auslaufen. Der Wind soll dann den ganzen Tag auf »irgendwie Ost« bleiben, doch auch schnell von ca. 15 auf 22 kn zunehmen. Das ist dann immerhin schon mal eine lustige 6, mal sehen. Am Nachmittag soll es dann noch mal etwas zulegen, die Vorhersage verspricht uns Böen um 30 kn. Das ist in der Tat in Summe nicht eben wenig, sollte aber in diesen Richtungen machbar sein, nur auf der Einfahrt nach Vlieland wird es dann wohl etwas ruppig. Und wenn wir nicht schnell genug sind und das Wasser nach 15:00 schon wieder abzulaufen beginnt, wird es interessant, ob wir es mit Wind und Strom gegenan überhaupt schaffen.

Aber unser Plan ist, einfach schnell genug zu sein, um dann noch mit dem restlichen, auflaufenden Hochwasser nach Vlieland zu kommen. Wenn das doch nicht klappen sollte, denn der Wind ist ja nicht gerade schmusig, dann laufen wir einfach weiter nach Südwesten ab, abends soll es ja ruhiger werden und nach Den Helder kommt man wohl hoffentlich immer irgendwie rein.
Unser deutscher Nachbarlieger, der auch ins IJsselmeer will, sagt uns abends, dass er bei dem Wind doch lieber die Staande Mastroute nimmt, auf 30 kn bei der Einfahrt nach Vlieland hat er keine Lust. Wir bleiben aber bei unserem Plan, weil wir unter allen Umständen segeln wollen. Und das machen wir dann auch im wahrsten Sinne des Wortes an diesem Montag, doch wir verstehen später auch, warum er die Staande Mastroute bevorzugt hat.

„Wir starten trüb und nass.“

„Wir starten trüb und nass.“

Doch der Reihe nach. Um 4:00 klingelt der Wecker und kurz nach 5:00 laufen wir aus. Direkt hinter uns läuft noch ein »blue ensign«-Engländer mit einer Oyster 44 aus. Das beruhigt! Wenn echte Profis denselben Plan zu haben scheinen wie wir, dann können wir nicht ganz falsch liegen. Das Einzige, was allerdings schon direkt beim Auslaufen definitiv falsch liegt, ist die Sache mit dem Regen, es beginnt nämlich zu dröppeln. Mal mehr, mal weniger, aber unangenehm genug.

Egal, noch im Hafen setzen wir das Groß und zack sind wir auch schon draußen. Der »blaue« Engländer ist direkt hinter uns, allerdings ohne Segel. Der Wind schnappt uns und … huiii …, noch schnell etwas Genua und … noch mehr huiii … mehr als 8 Knoten Fahrt. Mal halb und mal hart am Wind körseln wir uns raus auf die Nordsee. Schnell fällt der Engländer zurück, erst kurz vor dem unvermeidlichen Nordnordostkurs setzt er auch sein Vorsegel. Gerade dort, man sich heute nur unter Motor durchmogeln kann. Dann haben wir die lange Ansteuerung von Lauwersoog hinter uns und lassen es laufen.
Raumschots geht die Post ab! 8, 9 und einmal sogar kurz 10,1 Knoten, wow, das ist der Oberhammer. Allerdings läuft es nicht nur bei uns gut, leider läuft es auch aus den Wolken richtig gut raus. Die ersten Tröpfchen haben sich inzwischen zu einem ausgewachsenen Dauerregen entwickelt, was es bei raumen Winden im Cockpit ziemlich feucht werden läßt. Unser Engländer folgt uns, doch er läuft nur unter Vorsegel, was bei dem schaukeligen Vorwindkurs nicht ganz so effektiv zu sein scheint. Langsam ziehen wir ihm davon.

„Auf dem Weg nach Westen mit einen unglaublichem Geschaukel.“

„Auf dem Weg nach Westen mit einen unglaublichem Geschaukel.“

Da die PINCOYA auf Vorwindkursen wunderbar nur unter Groß fährt, haben wir das Groß ungerefft gelassen und nutzen die Genua einfach gerefft bis zur Ansteuerung von Ameland. Dort müssen wir noch mehr abfallen und dort drehen wir dann die Genua auch ganz weg. Bei dem erheblichen Geschaukel steht sie nun eh gar nicht mehr. So fahren wir mit unserer Lieblingsvorwindbesegelung weiter, die sich bisher auch bei echtem Starkwind immer bestens bewährt hat. Da wir beidseitig immer einen Bullenstander angeschlagen haben und die BulIenstander auch eigene Fallenstopper außen am Cockpit bekommen haben, ist das für uns die absolut bequemste und auch ruhigste Segelstellung vorm Wind. Groß auf, Bullenstander fest, Autopilot an und … schnell unter Deck, denn es schüttet inzwischen durchgehend. Etwas wundern wir uns über uns selbst. Es hat im Mittel auf über 20 Knoten aufgefrischt, schaukelt auf dem Vorwindkurs wie blöde und … uns ist nicht kotzübel! Eigentlich brauchen wir immer etwas, um seefest zu werden, aber nun ist es erst der dritte Fahrtag, die Schaukelei ist maximal magenunfreundlich und uns geht es gut. Merkwürdig!

Über Terschelling beginnt es heller zu werden, denn der Regen kommt von dort. Eine merkwürdige Wetterkonstellation, der Regen zieht fast genau entgegengesetzt zum Wind. Aber irgendwo vor Terschelling ist dann auch Niedrigwasser, was bedeutet, dass der Tidenstrom so langsam kentert. Mit dem auflaufenden Wasser baut sich dann innerhalb von 1 1/2 Stunden eine echt ruppige See auf. 1 1/2 Knoten Flutstrom laufen gegen 22 Knoten Wind an. Das kann nichts Gutes werden! Und in Böen hat der Wind inzwischen auch noch deutlich mehr drauf. Irgendwann beginnen die Wellen immer mal wieder hinter uns zu brechen. Das rauscht dann gefährlich nah, aber die PINCOYA hebt doch immer noch rechtzeitig ihr Heck und es sprudelt nur so um uns herum. Ein ums andere Mal beginnen wir auch etwas zu surfen, immer dann wenn eine Bö mit einem besonders hohen Wellenset zusammen bei uns vorbeikommt.

Dann hat es die Sonne von Terschelling aus auch endlich bis zu uns herüber geschafft und der Regen ist weg. So langsam trocknen wir wieder. Kurz hinter Terschelling, immer noch auf dem Weg zur Ansteuerung von Vlieland, müssen wir schiften. Ohne Bruch geht das bei diesem Bedingungen nur mit einer Q-Wende. Die nutzen wir nun auch gleich, um das erste Reff ins Groß zu ziehen. Alles passt, fast ohne Verzögerung ziehen wir langsam durch die Wende und Astrid nimmt perfekt die Kurve zwischen zwei größeren Wellenset und schon sind wir gerefft wieder auf Kurs.

„Auch in der Sonne ist es alles, aber nicht sommerlich! Wo zum Teufel ist der Sommer?“

„Auch in der Sonne ist es alles, aber nicht sommerlich! Wo zum Teufel ist der Sommer?“

Der Weg bis zur Ansteuerung von Vlieland zieht sich. Die blöde Ansteuerung liegt weit im Westen und da wir unserem Prinzip treu bleiben, gerade in unbekannten Gewässern immer die Fahrwasser zu nehmen, brauchen wir Zeit. Zeit, die uns hoffentlich am Ende nicht zu sehr fehlen wird. Dann fädeln wir uns am ersten Tonnenpärchen ein, und nun verstehen wir auch unseren Nachbarn aus Lauwersoog. Das, was hier bei stehenden 6 – 7 Beaufort abgeht, ist ordentlich. Wir müssen nun mehr oder weniger gegenan. Da hilft es auch wenig, dass der Tidenstrom noch volle Pulle mit uns ist. Nur unter Motor und genau gegen die Wellen funktioniert das schon mal gar nicht. Also Selbstwendefock raus, Segel richtig dicht und rein. Den Motor lassen wir zunächst mal zur Sicherheit mitlaufen, obwohl mir bei der Schräglage wegen der Ölzufuhr nicht ganz wohl ist. So kreuzen wir bei Böen bis 30 Knoten nach Vlieland rein. Aber nun haben wir für diesen Kurs doch etwas viel Tuch oben. Also binden wir schnell noch das 2te Reff ins Groß und drehen die ohnehin kleine Fock auch etwas ein. So geht’s. Astrids Ausruf: “Boah, das ist so geil! Es hackt wie blöde und wir kreuzen hier rein!”, nehme ich zum Anlass, den Motor auszumachen. Wenn die Capitana so’n Spaß hat, brauchen wir keinen Motor. Aber es ist echte Arbeit voranzukommen und der Wind macht mit uns keine halben Sachen. Nordost mit Böen von 30 Knoten. Strom gegenan und dadurch ‘ne richtig fiese Welle. An der östlichen Ecke von Vlieland beschließen wir, nicht nach Vlieland reinzugehen, sondern weiter bis Terschelling zu fahren. Auf der Einfahrt in den Hafen von Vlieland steht der Wind genau drauf und der Gezeitenstrom setzt genau quer. Das trauen wir uns einfach nicht! Terschelling liegt da wesentlich günstiger, bedeutet aber auch noch mal gut 15 Meilen mehr. Bei diesen Bedingungen bedeuten 15 Meilen 3 Stunden, d.h dann schon wieder ablaufendes Wasser. Terschelling wird knapp, aber Vlieland geht eben gar nicht.

„Einer der privaten Rettungsdienste zieht vor uns durch und bügelt quer über das Flach. Das lassen wir lieber, sonst brauchen wir den noch.“

„Einer der privaten Rettungsdienste zieht vor uns durch und bügelt quer über das Flach. Das lassen wir lieber, sonst brauchen wir den noch.“

Wieder besseres Wissen versuchen wir, einfach unter Motor quer zu fahren. Das haut natürlich gar nicht hin, wir stampfen uns ein ums andere Mal fest, obwohl das auflaufende Wasser noch mit uns ist. Also segeln! 2tes Reff im Groß und Fock nun doch voll. Wir kreuzen hoch ins nördliche große Fahrwasser und dann runter. Zweimal schaut die Wasserschutzpolizei nach uns. Sie kommen auf 50m ran, warten bis wir mit Daumen hoch alles ok signalisieren und drehen dann wieder ab. Schon nett, aber es ist eben auch nicht gerade schmusig hier.

„Harte Segelarbeit gegenan!“

„Harte Segelarbeit gegenan!“

Wir sind die Einzigen, die es heute hier so rein versuchen. Der Engländer hinter uns hat auch angesetzt, ist aber dann wohl doch weiter nach Westen gegangen. Zumindest ist er nicht mehr zu sehen. Es ist wirklich ein hartes Segeln und wir dürfen nichts verschenken. So sehen es wohl auch die diversen Schnellfähren, alle fahren einen freundlichen Bogen um uns herum. Am südlichen Flach von Terschelling kommen wir unter Segeln nicht mehr wirklich nach Nordosten voran. Und weil uns eine echte Alternative zu Terschelling auch nicht einfällt, wir uns nach 12 Stunden Hacke doch einen Liegeplatz, ein Bier und einen riesigen Berg Nudeln wünschen, werfen wir für die letzen 1,5 Meilen zur Ansteuerung durch das südliche Terschellingflach den Motor an und brummen hin. Das zieht sich elend lang hin, denn das Wasser läuft nun schon mit Macht ab. An der Ansteuerung durch das Flach setzen wir noch einmal Segel und sausen durch die schmale Rinne bis kurz vor die Einfahrt von Terschelling. Um kurz vor 17:00 sind wir fest und überglücklich über diesen geilen Segeltag. Etwas weniger hätte es schon sein dürfen, besonders zum Einlaufen, aber die PINCOYA hat mal wieder gezeigt, dass vieles geht. Mehr als man ihr äußerlich als Opa-Schiff so zutraut.

„Kurz vor Terschelling, es ist geschafft!“

„Kurz vor Terschelling, es ist geschafft!“


auf Terschelling
53° 21′ 55,0″ N, 05° 13′ 30,0″ E