Die Weltkulturhauptstadt des Segelns – Les Sables d’Olonne


Île de Yeu -> Les Sables d’Olonne Start: 8:00 Ende: 15:35 Wind: NW 18 -> 10 kn Welle: 2,7 -> 2,0 m 10s Distanz: 30,8 sm Gesamtdistanz: 1.476,1 sm

„von der Île de Yeu -> nach Les Sables d’Olonne“

„von der Île de Yeu -> nach Les Sables d’Olonne“

Hier in Frankreich, also schon ganz schön weit südlich, gibt es noch so ein Ding, dass für einen eher »nördlichen Segler« doch auch etwas ungewohnt ist. Es gibt nahezu keine Dämmerungsphase. Wo sich in Dänemark und Schweden die Sonne auch noch im Herbst fast stundenlang damit aufhalten kann, wirklich richtig und komplett unterzugehen, um dann dunkel zu machen, ist das hier eine Sache von Minuten. Sonne da, Sonne weg und zack dunkel. So einfach und schnell kann es gehen. Das ist einem zwar theoretisch schon klar, aber in der Praxis ist das dann doch ziemlich ungewohnt. Jetzt zur Tagnachtgleiche wird das Licht hier um 7:30 angeschaltet, aber pünktlich um 20:00 ist dann auch wieder Schluss. Die Dämmerungsphasen sind so kurz, dass man sie eigentlich gar nicht erwähnen muss.

„Mit den ersten Sonnenstrahlen geht's los.“

„Mit den ersten Sonnenstrahlen geht's los.“

So stehen wir am Mittwoch kurz vor 7:00 im Stockfinsteren auf, weil wir gleich in einer Stunde mit dem ersten Tageslicht aufbrechen wollen. Das ist schon komisch, denn »stockfinster« assoziiert bei uns immer noch »ganz viel Zeit bis hell«, aber plötzlich flackert dann ein erster Tageslichtsschlimmer und schon ist es richtig hell und man hat unwillkürlich das Gefühl, schon wieder ganz viel Zeit unnötig vertrödelt zu haben.

Die ganze Nacht hat es ordentlich geweht. Erst um 6:00 früh ist es schlagartig ruhiger geworden. Als wir aus der Koje krabbeln und den Wind checken, sind es tatsächlich nur noch so 15 bis 18 Knoten aus Nordwest. Das passt! Heute soll auch die Welle etwas kleiner sein und wir starten zudem in der Wellenabdeckung der Insel, denn die Wellenrichtung hat sich noch nicht dem Winddreher auf Nord angepasst. Über den Azoren tobt der Hurricane Lorenzo, windtechnisch wird der uns nicht mehr gefährlich, denn alle Modelle haben sich nun darauf geeinigt, dass Irland sein Ziel sein soll. Doch die Monsterwellen, die er weit draußen vor der Biskaya erzeugt, werden ab Donnerstag auch hier bei uns vorbeischauen. Das zwar in abgeschwächter und auslaufender Form, aber 3,5 bis 4,5 m sollen dann noch drin sein. Doch das ist erst ab Donnerstag/Freitag so und heute sollen die Wellen sogar im Laufe des Tages noch auf 2,0 m abnehmen. Zwei Meter hört sich für Ostseeohren schlimm an, aber hier kommt die Dünung lang rein und nun wissen auch wir, dass eine Frequenz von 10 Sekunden die ganze Wellengeschichte doch erheblich entschärft.

„Die französischen Fischer versuchen gerne mal Segler zu erschrecken, vollkommen ohne Grund fährt er unvermittelt auf uns zu, passiert uns knapp, um dann wieder auf seinen alten Kurs abzudrehen.“

„Die französischen Fischer versuchen gerne mal Segler zu erschrecken, vollkommen ohne Grund fährt er unvermittelt auf uns zu, passiert uns knapp, um dann wieder auf seinen alten Kurs abzudrehen.“

Dann geht es pünktlich um 8:00 los. Noch im Hafen setzen wir das Groß und gleich vor der Mole rollen wir auch die Genua voll aus. 120 Grad zum Wind, 18 Knoten und die Post geht ab. Das Einzige, was fehlt, ist vielleicht etwas Sonne, aber sonst ist es perfekt. Als wir aus der Wellenabdeckung der Île de Yeu kommen, beginnt uns der westliche Schwell zu heben und zu senken. Trotz zunehmenden Strom gegenan, der unsere Fahrt etwas bremst, kommen wir gemütlich und einigermaßen flott voran.

Schon Mittags kommt Les Sables d’Olonne in Sicht und wir bereiten uns für einen grandiosen Empfang vor. Hunderte von Booten und einige Hubschrauber mit Pressefritzen, dass ist hier der Standard, wenn man ankommt. Astrid kramt schon mal unsere Fackeln hervor und bringt sich auf dem Vorschiff in Position.

„Wir sind für den Empfang vorbereitet.“

„Wir sind für den Empfang vorbereitet.“

Als Capitana hat sie natürlich das Vorrecht dieses Empfangs, derweil der Schiffsjunge unter Deck verschwindet und sich nützlich macht. Die Bilder dieser grandiosen Empfänge an der südlichen Untiefe weit vor der Hafeneinfahrt gehen regelmäßig um die Welt. Zuletzt haben sie es so mit Armel Le Cléac’h, Alex Thomson und Luc Van Den Heede gemacht. Jeder Segler kennt sie. Die Perspektiven aus den Hubschraubern sind unvergeßlich. Wir haben alles richtig gemacht und sind vorbereitet, aber ….. keine Sau kümmert sich um uns und keiner kommt zu unserer Begrüßung. Nur ein alter Franzose schaukelt mit seinem Angelboot in den Wellen, während ein lustloser Armeehubschrauber träge über der Küste nach Süden flattert, aber ihm scheinen seine blöden Fische wichtiger zu sein als wir.
Etwas enttäuscht packen wir unsere Handfackeln wieder ein. Was wäre das für ein schönes Bild geworden. Die Capitana im roten Schein der Fackeln, während der dicke Qualm der brennenden Fackeln munter am Großsegel nach achtern zieht. Wahnsinn!
Aber … dann eben nicht, wir können auch einfach so einlaufen und brauchen dazu gar keine Hubschrauber und auch keine Eskorte von hunderten von Schaulustigen.

Trotz allem streift uns vor der Einfahrt ein klitzekleines Gefühl dieser Weltkulturhauptstadt des Segelns. Mit welchen Gefühlen bricht man hier auf, um non-stop um die Welt zu segeln, und mit welchen Gefühlen kommt man dann nach Monaten hier wieder an? Das kribbelt schon etwas, auch wenn unter uns immer noch das ganz normale Biskaya-Wasser schwappt, das mit solchen Leistungen gar nichts am Hut hat.

„Es schaukelt vor Les Sables d'Olonne.“

„Es schaukelt vor Les Sables d'Olonne.“

„Er kam und versank… ?“

„Er kam und versank… ?“

Die Einfahrt nach Les Sables d’Olonne ist bei den Verhältnissen heute zwar etwas schaukelig, aber problemlos. Dennoch brechen sich einige Wellen recht respekteinflößend westlich der Einfahrt. Diese Untiefen muss man südlich umfahren und im Reeds steht, dass es bei südwestlichem Starkwind schnell auch gefährlich werden kann, Les Sables anzulaufen. Das können wir uns gut vorstellen, wenn die kleinen Wellen heute schon so einen Alarm machen. So sieht die Einfahrt von Westen kommend jetzt schon nicht gerade einladend aussieht.

„Les Sables d'Olonne bei der Anfahrt.“

„Les Sables d'Olonne bei der Anfahrt.“

Der ganze Alarm über den Untiefen wird natürlich noch dadurch verstärkt, dass wir genau zu Niedrigwasser einfahren. Und mit dem Niedrigwasser machen sie hier in Les Sables keine halben Sachen, denn wenn Niedrigwasser ist, dann ist das auch wirklich niedrig. Besonders zur Springzeit. Da bleibt nicht viel Wasser unter dem Kiel, auch wenn wir uns recht nah an der »grünen Seite« in den Hafen drücken. So sieht das auch die Küstenwache, die uns just an der engsten Stelle entgegen kommt. Wir passieren uns so eng, das ich eigentlich den Vorschiffsmann abklatschen könnte. Als mich dann aber der ermahnende Blick der Capitana streift, stecke ich meine Hand lieber in die Hosentasche, als mit der Küstenwache ein »high five low five« zu tauschen.

„Die Einfahrt. Bei Niedrigwasser echt eng, weil es nur auf der grünen Seite noch gerade so 3 m hat.“

„Die Einfahrt. Bei Niedrigwasser echt eng, weil es nur auf der grünen Seite noch gerade so 3 m hat.“

Nach einem kurzen Plausch im Hafenbüro bekommen wir einen Platz. Freie Plätze gibt es genug, denn allzu viele Segeltouristen sind nicht mehr unterwegs und auch einige Festlieger sind schon draußen. Und der Oktober beschert uns die Winterpreisliste. Was am 30.09. noch 37,50 € gekostet hat, kostet nun 17,50 €. Da sind wir nicht böse drum, zumal die 17,50 € viel besser zu dem Gesamtangebot von Les Sables d’Olonne passen als die 37,50 €. Insgesamt ist der Hafen wirklich etwas enttäuschend und lebt vielleicht doch zu sehr von seinem Mythos. Es ist ein Mittelklassehafen, der jetzt auch nicht gerade mit herausragendem Naturlandschaften oder kulturellen Highlights protzen kann.

„Wir liegen gegenüber des »echten« Stegs, an dem aber zurzeit nur zweit Rennziegen liegen.“

„Wir liegen gegenüber des »echten« Stegs, an dem aber zurzeit nur zweit Rennziegen liegen.“

„Lagoon und Fountaine Pajot machen hier ihre neuen Katamarane startklar und übergeben sie an ihre Käufer.“

„Lagoon und Fountaine Pajot machen hier ihre neuen Katamarane startklar und übergeben sie an ihre Käufer.“

„Rennziege I“

„Rennziege I“

„Rennziege II“

„Rennziege II“

„Unerwartet haben wir das Glück, schon einen Blick auf die neue Generation der Minitranat-Segler werfen zu können. Oben neu und unten die alten, ausrangierten Dinger!“

„Unerwartet haben wir das Glück, schon einen Blick auf die neue Generation der Minitranat-Segler werfen zu können. Oben neu und unten die alten, ausrangierten Dinger!“

Allerdings gibt es diverse Marine-Stores, wobei wir den Shop Océano Sports mit seiner Honda-Vertretung besonders in unser Herz geschlossen haben. Engagiert und bemüht werden wir mit unseren Außenbordersorgen in perfektem Englisch unterstützt, und obwohl wir am Ende nur eine neue Zündkerze für 3,50 € kaufen, beraten sie uns wie potentielle Käufer eines neuen 500 PS Außenborders und nehmen selbstverständlich unser Salzwasser verseuchtes Altbenzin zur Entsorgung entgegen. Und obwohl die passenden Vergaserdichtungen erst bestellt werden müssten, bieten sie uns ein Stück Dichtungspapier zum Selbstausschneiden an, was wir allerdings nicht brauchen, weil wir inzwischen selbst mit all diesen Wundermitteln einer magischen Motorreparatur ausgestattet sind.

„Alles eine Sache der Pflege...“

„Alles eine Sache der Pflege…“

Und dann nehme ich mir unseren mit Salzwasser gefluteten Außenborder noch einmal vor. Diesmal ist der Vergaser dran, das einzige Teil, das noch Zicken machen kann. Ich traue mich nun doch mit etwas Gewalt die Schwimmerkammer zu öffnen und siehe da, auch dort findet sich der feine Sand vom Strand der Belle-Île. Wie das Wasser in den Tank und der Sand in den Vergaser kommen konnte, ist mir am Ende nicht wirklich klar. Bei unserem Salto war der Motor aus und alles war zugedreht und abgeschaltet. Und trotzdem ist Sand im Vergaser, Wasser im Sprit und Wasser im Öl. Merkwürdig! Da hat es uns doch wohl ganz ordentlich durchgespült. Noch einmal mache ich alles sauber, schraube die Düse im Vergaser raus und putze alles so, dass Meister Propper vor Scham im Boden versinken würde. Und dann … nach zwei Zügen brummt er wieder. Geschafft! Jippiiiiihhh!!!! Unser kleiner Außenborder läuft wieder. Nun muss er nur noch einen weiteren Ölwechsel zur Reinigung bekommen und dann können wir wieder richtig losbrummen.

Gott, was sind wir froh, dass nun auch dieses Reparaturkapitel fast abgehakt ist. Das hat wirklich an meiner aller innersten Bastelehre genagt, wie lange schon nichts anderes mehr. Und wer hätte gedacht, dass meine alten Moped-Schrauberkenntnisse noch einmal so unvermittelt hilfreich sind. Und nun weiß auch die Capitana, was in unserem kleinen Honda alles so abgeht, denn sie hat ihre mangelnden Moped-Schraubererfahrungen nun mit einem Außenborder-Crash-Kurs wett gemacht.
Nun können wir überall anlanden und auch mal wieder einen Salto drehen, denn nun wissen wir, wie wir den Kleinen im Handumdrehen wieder zum Laufen kriegen.

„Noch ein Blick über den Hafen von Les Sables d'Olonne.“

„Noch ein Blick über den Hafen von Les Sables d'Olonne.“

Les Sables d’Olonne
46° 30′ 10,1″ N, 001° 47′ 25,1″ W