Doch noch schnell nach Gijón


Santander -> Gijón Start: 29.10. 6:30 Ende: 30.10. 5:20 Wind: S -> WNW -> ESE -> SW 3 – 9 (15) kn Distanz: 94,1 sm Gesamtdistanz: 1.922,2 sm

„von Santander -> nach Gijón“

„von Santander -> nach Gijón“

Es macht fast den Eindruck, als könnten wir uns an den Wettervorhersagen nicht sattsehen. Es ist Montagabend und ab Freitag soll es in der Biskaya definitiv heftig aus Westen wehen. Da sind sich alle Wetterdienste einmal einig und das bedeutet ziemlich sicher, dass es auch so kommen wird. Doch das ist erst der Auftakt, denn ein Ende der Westwindlage ist nicht abzusehen. Alle Vorhersagen lassen ab Freitag unablässig Windfelder in den Größenordnungen von 20 bis 40 Knoten durchziehen und den Auftakt soll ein richtiger Herbststurm machen. Das alles ist eigentlich schon unangenehm genug, denn bei solchen Winden und dem dann noch stärker ostsetzenden Strom, können wir ein Aufkreuzen komplett vergessen. Aber hier in der Biskaya kommen nun noch die Wellen hinzu und die machen alles unmöglich, selbst wenn man bis dahin noch den irren Plan hatte, es doch zu versuchen. 3 bis 3,5 m haben wir ja schon erlebt, aber 6 bis 6,5 m wollen wir in keinem Fall erleben. Selbst wenn wir nach dem Freitag ein Wetterfenster erwischen, wo es »nur« noch mit 5 Beaufort bläst, gegen einen nur langsam abnehmenden Schwell von 4 bis 5 Metern ist definitiv kein Ankommen.


„… und es sollte noch dicker kommen!“

„… und es sollte noch dicker kommen!“

Und als ich diesen Blog am Freitagnachmittag schreibe, beginnt es gerade zu blasen und alles ist noch etwas schlimmer geworden, als am Montag vorhergesagt. Etwa 10 bis 15 Seemeilen vor der Küste zwischen Santander und Gijón soll es nun mit über 50 Knoten aus West wehen und weiter draußen tobt ein echter Orkan mit mehr als 60 Knoten. Und in der Wellenvorhersage hat sich Windfinder schon bis 7,8 m vorgewagt. So etwas haben wir bisher noch nicht einmal von Land aus gesehen.
Inzwischen haben wir wieder einen Mietwagen und werden gleich am Sonntag früh mal zum Cabo Peñas Faro fahren, um uns dort die Wellen anzusehen.


Aber das Schlimmste an unseren Wettersorgen ist an diesem Montagabend, dass kein Ende abzusehen ist. In keinem der Vorhersagemodelle sieht es irgendwann einmal wieder etwas besser für uns aus und das, was sich in diesem Vorhersagen dann schon wieder »draußen vor der Biskaya« zusammenbraut, lässt auch wenig Spielraum für einen kleinen Hoffnungsschimmer. Der Jetstream liegt wie einzementiert auf dem Nordatlantik und leitet alle Tiefs zielsicher in die Biskaya. Es deutet nichts daraufhin, dass sich in den nächsten 10 Tagen daran zu unseren Gunsten etwas ändern wird.

Bis zum Freitag soll es noch umlaufend schwach aus vorherrschend süd- bis südöstlichen Richtungen wehen. Ein toller Satz: »umlaufend schwach aus vorherrschend süd- bis südöstlichen Richtungen« und wenn man mit genügend Hoffnung auf einen Segelwind mehr als zwei Stunden darüber nachdenkt, wird aus den eigentlich absolut grützigen Bedingungen ganz plötzlich doch ein machbarer Segelschlag von etwa 100 Seemeilen. Man muss nur fest genug dran glauben, denn die Schönheit liegt ja bekanntermaßen im Auge des Betrachters.
So bringen wir den Torschlüssel und die Zugangskarte zu den Sanitärräumen 30 Minuten vor Feierabend des Hafenmeisters zurück und beschließen, noch vor Sonnenaufgang aufzubrechen, denn nun liegen ja am nächsten Tag fast 100 Seemeilen bis Gijón vor uns.


Es ist noch stockfinster, als wir aufbrechen. Weder im Yachthafen noch im Industriehafen ist irgendetwas los. Als wir vor Santander entlangfahren, überholen uns allerdings mehrere kleine Angelboote. An der Einfahrt kurz hinter unserem Ankerplatz von vorgestern, direkt vor dieser Felsinsel mit dem Leuchtturm, der Isla de Mouro, zählen wir 28 kleine Lichter von Angelbooten.

„Morgenstimmung vor Santander“

„Morgenstimmung vor Santander“

Sehen können wir wenig bis gar nichts, nur die Lichter der Angelboote schaukeln vor uns, als es plötzlich rumpelt und kracht. In unserem Kielwasser sehen wir einen Baumstamm davonziehen. Der Unrat hier im Wasser ist ein echtes Problem. Damit kämpfen wir seit Bilbao. Gerade an den Stromkanten sammelt sich aller Müll. Und das sind oft keine Kleinigkeiten. Wir sind schon Baumstämmen mit einem Durchmesser von 20 cm und einigen Metern Länge ausgewichen. Aber auch Europaletten, dicke Äste und richtiges Gestrüpp sind darunter. Bis auf die Europaletten kommt der ganze Kram wohl über die Flüsse aus den Bergen. Aber nicht nur die dicken Dinger sind ein Problem. An den Stromkanten sammelt sich alles, was irgendwie schwimmt. Über oder unter Wasser. Wenn wir unter Motor fahren und so eine Kante sehen, lassen wir uns durch den Unrat treiben. Zu groß ist unsere Angst, dass wir uns noch ein altes Netz oder einen Tampen mit der Schraube einfangen. In der Nacht ist das Risiko groß, denn man kann nicht sehen, wo man durchfährt. So rumpelt es bis Sonnenaufgang noch zweimal. Kein gutes Gefühl, aber was sollen wir bei den kurzen Tagen machen? Eine ganze Nacht liegt eh noch vor uns und wir hoffen, dass wir wenigstens etwas segeln können.

„Unrat im Wasser“

„Unrat im Wasser“

Angesichts der ganzen Angelboote bringen auch wir unsere neue Schleppangel und den neuen Wobbler aus. Nach 10 Minuten haben wir eine dicke Dorade und eine ordentliche Goldmakrele. Das reicht erst einmal für das nächste Abendbrot. So schnell waren wir noch nie, die frühe Morgenstunde scheint wirklich gut zu sein.


Der Wind spielt mit uns und hat seinen Spaß. Doch der Spaß ist eher einseitig, denn wir kommen kaum hinterher mit dem Einstellen der Segel. Und die Vorhersage »umlaufend schwach aus vorherrschend süd- bis südöstlichen Richtungen« muss noch um »mit vollständigen Aussetzern« ergänzt werden. Es ist nervig. Oft müssen wir motoren. Dann keimt wieder ein Fünkchen Hoffnung auf. Segeln? Hmm… mal geht’s, mal nicht ? ?. So kämpfen wir uns durch den Tag. Immer wieder müssen wir schwimmendem Unrat ausweichen, aber oft haben wir auch klares ruhiges Wasser.

„Zeit zum Lesen, wir schwappen nur langsam voran.“

„Zeit zum Lesen, wir schwappen nur langsam voran.“

Und dann kommen unsere ersten Delphine zu uns und schwimmen etwas mit uns. Von Ferne haben wir ja schon öfters welche gesehen, aber nun umspielen sie die PINCOYA. Sie kommen nur direkt heran, wenn wir unter Segeln sind. Wenn wir motoren, halten sie Abstand. Es ist faszinierend, mit ihnen zu fahren, hoffentlich bekommen wir nächstes Jahr noch viel mehr Gelegenheiten.

„Unsere ersten Delphine“

„Unsere ersten Delphine“

„Nicht viel Segelwind“

„Nicht viel Segelwind“

„Nacht von der Küste.“

„Nacht von der Küste.“

Die hereinbrechende Nacht ändert nicht viel an unserer Segelsituation. Nur einmal schnappen uns 15 südöstliche Knoten und lassen uns für 30 Minuten durch die Nacht gleiten. Als wir um 5:30 in Gijón einlaufen, haben wir nur 40 von den 94 Seemeilen unter Segeln zurückgelegt. Das wurmt uns und wir haben auf diesem Trip nicht nur einmal das Gefühl gehabt, uns falsch entschieden zu haben. Etwas ärgern wir uns schon, vielleicht hätten wir nur etwas Geduld haben müssen.

Aber dass es sehr gut war, keine Geduld zu haben und doch diese Gewalttour zu machen, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, aber das wird uns später noch sehr klar werden.

Gijón
43° 32′ 43,9″ N, 005° 39′ 59,8″ W