Abends, als so langsam das Niedrigwasser kommt, staunen wir nicht schlecht, als vor uns ein Felsen aus dem Wasser auftaucht. Erst schwabbeln nur einige großblättrige, braune Algen an der Wasseroberfläche herum, doch dann guckt ein richtiger Buckel aus dem Wasser.
In den Seekarten ist der Bursche nicht verzeichnet, nur mit viel gutem Willen könnte man die 90 cm Untiefe weiter hinten in einen trocken fallenden Felsen umdichten. Weder in iSailor noch in Navionics ist dieses hässliche Teil verzeichnet. Nur in den Sonar-Charts, die man bei Navionics abonnieren kann und die individuelle Nutzer-Einträge enthalten, hat ein wohl ebenso überraschter Segler diesen Felsen eingezeichnet. Das hatten wir uns aber nicht so aufmerksam angesehen und deswegen gucken wir nun das blöde Felsenteil etwas erstaunt an. Er liegt zwar noch deutlich hinter unserer Ankerboje, aber leider nun wieder auch nicht so deutlich, das der Wind um 180° drehen dürfte. So checken wir sicherheitshalber noch einmal das Wetter. Doch es bleibt dabei, in den nächsten 24h soll es weiterhin kräftig aus Nord blasen. Gut so, aber trotz dieser Beruhigung fühlen wir uns nicht so rund rund herum wohl. Wir sind eher so Pingelköppe, die es ganz gerne haben, wenn ihnen auch im unwahrscheinlichen Fall des Unvorhersehbaren noch etwas Spielraum bleibt. So stört der Felsen irgendwie, und er stört auch meinen Schlaf. In der Nacht sehe ich unsere Ankerboje hoch oben und vollkommen unerreichbar auf dem Felsen liegen, während wir unten schwimmen und den Anker einholen wollen. Und als ich Astrid frage: »Und nun? Was machen wir jetzt?« wache ich auf. Der Felsen stört, gleich morgen werden wir ganz sicher umlegen.
Das hatten wir zwar eh vor, um unserem Fußmarsch zu Cabo Finisterre eine fußfreundliche Länge zu geben, aber nun haben wir es doppelt vor, was meinen Schlaf in dieser Nacht aber auch nicht entspannter macht.
Am nächsten Tag ist das Wetter zu schön, um gleich wieder aufzubrechen. Außerdem ist Hochwasser, der Felsen nicht zu sehen und es bläst wie vorhergesagt munter aus Nord. So legen wir erst am späten Sonntagnachmittag um.
Eigentlich wollten wir ja gleich am Montag zum Cabo latschen, äh, sorry, nee, wandern natürlich (!), aber das Wetter spielt nicht mit. Es ist schwülwarm und trüb und manchmal zieht sogar feiner Sprühregen über den Playa Langosteira. Regen kann man das eigentlich nicht wirklich nennen, es ist eher so, als ob wir aus einem feinen Zerstäuber zart besprüht werden.
Doch es ist definitiv kein Ausflugswetter und schon mal gar nicht, wenn man auch noch hübsche Photos machen möchte. Es ist ja schließlich das Cabo Finisterre und markiert schon einen wichtigen Punkt auf unserem Ritt downhill in den Süden. Es ist kein Angstgegner, aber dieser Küstenabschnitt wurde auch nicht ganz ohne Grund von den Spaniern »Costa de la Muerte« genannt.
So machen wir uns stattdessen erst einmal an den Anschluss unseres dritten Solarpanels. Da es etwas trüb und grau ist, können wir auch etwas mehr Energienachschub ganz gut gebrauchen. Eigentlich reichen unsere beiden 100 WP Panels auf dem Geräteträger ganz gut für unseren Tagesbedarf aus, aber wenn es etwas trüb ist, wäre ein drittes Panel schon super. Die Notebooks sind neben dem Kühlschrank unsere Hauptstromfresser, denn speziell, wenn ich viele Bilder mache und Panos rechne, ist der Akku meines alten Macbooks im Handumdrehen wieder leer.
Deswegen hatten wir uns im letzten Winter spontan noch ein flexibles Solar-Panel gekauft, um das mal auszuprobieren. Natürlich nicht so ein vollkommen überteuertes Ding aus dem Marinebedarf, wo sich der Vertrieb, der seinen Aufkleber auf das China-Teil klebt, über 1000% Gewinn freut. Da wir mit den festen Solarpanels von JWS, die wir vor 7 Jahren über eBay bestellt haben, super zufrieden sind, bestellen wir auch dort das flexible Panel. Die sind zwar etwas teurer, wiegen aber nur 2 kg, sind 2mm dünn, wenn man mal vom Anschluss absieht, und können so einfach bei uns unter den Matratzen der Bugkoje auf ihren Einsatz warten.
Unser Plan ist, das flexible Panel bei Bedarf auf die Sprayhood zu legen und festzubinden. Provisorisch basteln wir uns erst einmal einen Anschluss, um zu sehen, ob es funktioniert. Wie und wo der Anschluss später liegen soll, wissen wir noch nicht so genau. Jetzt wollen wir erst einmal sehen, was so ein flexibles Panel überhaupt bringt und wie es sich handhaben lässt. Flugs ziehen wir zwei fliegende Kabel von der Sprayhood zum Solarregler, quetschen die Strecker drauf und klemmen das neue Panel an. Und die Überraschung ist groß! Obwohl ja viele sagen, dass flexible Panels weniger bringen sollen als feste, haben wir spontan genau die Hälfte mehr an Ladestrom. Die beiden alten festen Panels bringen bei diesem trüben Wetter 5,2 A und – zack – haben wir 7,8 A. Das ist der Hammer!
Ebenso spontan beschließen wir, von unserem nächsten Heimaturlaub noch ein weiteres flexibles Solarpanel mitzubringen, dann können wir allen Energiesorgen ein für alle Mal ade sagen. Diese flexiblen Teile sind schon super, sie wiegen fast nichts, lassen sich einfach verstauen und bringen dasselbe wie die festen Panels. Solarenergie ist schon geil! Vollkommen geräuschlos und einfach so für lau werden unsere Batterien geladen. Das ist 1000 mal besser als unser Windrad, was eigentlich nur auf windigen Nachtfahrten seine Trümpfe voll ausspielen kann, ansonsten gewinnt die Solarenergie haushoch.
p.s. Am nächsten Tag, also während unseres Ausflugs zu Cabo, laden wir so unsere Batterien wieder vollkommen auf. Das sind immerhin 80 Ah nur für die Batterien und das neben dem übrigen Tagesbedarf.
Nach unseren bisherigen Trainingsrunden ist der Fußweg zum Cabo de Finisterre ein Klacks.
Trotz der Corona-Zeiten ist am Cobo einiges los. Wir wollen lieber gar nicht darüber nachdenken, was hier sonst so in normalen Jahren Anfang August los ist. Wahrscheinlich kann man dann den Felsen unter all den bunten Touristen gar nicht mehr sehen. Doch so hält sich der Andrang in Grenzen. In ganz Galizien scheinen dieses Jahr ohnehin nur Spanier Urlaub zu machen, außer den wenigen Seglern haben wir bisher nur einen Norweger mit seinen Camper gesehen. Auf unserem Rückweg treffen wir dann aber noch Melanie und Thomas von der Horizonte, die sich auch die letzten 2 Kilometer des Jakobswegs nicht entgehen lassen wollen. Denn der Jakobsweg endet ja keineswegs an der Kathedrale in Santiago de Compostela, die über dem Grab des Apostel Jakobus erbaut worden sein soll. Der Kilometer Null des Jabobsweges, der ja mit dem Symbol einer Jakobsmuschel gekennzeichnet ist, endet am Leuchtturm des Cabo Finisterre.
Und dort am Cabo Finisterre werden ja auch traditionell die Socken verbrannt, die man bekanntlich auf der ganzen Wanderung entlang des Pilgerpfads nicht ein einziges Mal wechseln darf. Doch die Feuerstelle verrät auch, dass manch einer dort auch noch andere Kleidungsstücke verbrennt, die unter Umständen auch nicht gewechselt wurden, was sie wohl nicht immer zu einer leichten Beute des Feuers macht. Vielleicht sind auch die Pilgersocken der wahre Grund, warum der normale Galizier mit dem Tragen von Masken überhaupt kein Problem hat.
Doch die normalen Touristen, die einfach nur die Schönheit der Natur und den Ausblick auf die Rias Baixas und den Atlantik genießen wollen, sind hier bei weitem in der Überzahl. Nur wenige schweben mit diesem erleuchteten Gesichtsausdruck an uns vorüber oder hocken voll spiritueller Erwartung vor dem verklärt guckenden Didgeridoo-Spieler, der gekonnt teilzeit-asketisch eine esoterische Brücke zwischen dem christlichen Glauben der Pilger und den australischen Aborigines schlägt.
Wir klettern noch vor dem Cabo erst einmal auf eine Felskuppe. Der Ausblick ist überwältigend und das Tolle an der Natur ist, dass sie diese Schönheit für alle Menschen gleichermaßen bereithält und nicht den kleinsten Unterschied macht.
Der Ausblick vom Cabo Finisterre auf die Rias Baixas ist verlockend. Mit der Entfernung verblassen die Farben im Dunst und die Silhouetten der flacher werdenden Felsen wirken wie weichgezeichnete Schattenrisse, während das Cabo selbst weiß schäumend von türkisem Atlantikwasser umspült wird. Vor uns liegen nun diese Rias, die Karibik Spaniens, wie man uns nicht nur einmal versicherte. Wir sind echt gespannt.
Cabo Finisterre vor Playa Langosteira (A)
42° 55′ 13,4″ N, 009° 15′ 26,7″ W