Als wir am Sonntag so vor San Vicente do Grove liegen und einfach nur mal den Sommer genießen, kommen wir auf eine ganz sonderbare Idee. Wobei diese Idee im eigentlichen Sinne gar nicht so »sonderbar« ist, nur vielleicht ihr Zeitpunkt. Schon tausendmal sind wir einfach nur so segeln gegangen, um zu segeln, aber eben noch nie auf einem Törn. Doch ab diesem Jahr sind wir ja auch nicht mehr auf einem normalen Törn und da kann es dann eben auch mal zu einer so sonderbaren Idee kommen. Wie auch immer, wir beschließen das tolle Segelwetter einfach mal zum Segeln zu nutzen und nicht zum Weiterkommen, um ein Ziel zu erreichen.
Am Montag soll es erst leicht aus Nordost wehen, um dann mittags auf Nordwest bis West zu drehen. Ein wunderbarer Tag also, um die Isla Ons im Uhrzeigersinn zu umrunden. So können wir auch endlich mal wieder unseren Parasailor nutzen. Mit etwas Glück sogar zweimal, erst auf dem Weg in den Süden von Ons und dann vielleicht noch einmal, wenn wir zurück in den Ría de Pontevedra fahren. Und diese sonderbare Idee macht uns gleich so kribbelig, dass wir sofort beginnen, das ganze Gestrippe für den Parasailor vorzubereiten. Grundsätzlich funktioniert der Parasailor ja genauso wie ein Spi, aber dazu braucht es eben doch einige zusätzliche Strippen.
Ría de Arousa: San Vicente do Grove (A) -> rund Isla Ons -> Ría de Pontevedra: Playa de Agra (A) Start: 11:50 Ende: 18:30 Wind: NE – N – WNW 7 – 12 kn Distanz: 25,8 sm Gesamtdistanz: 390,9 sm
Doch als wir dann am nächsten Morgen aufbrechen wollen, sind wir umzingelt und gefangen. Um uns herum ankern sage und schreibe 12 Tauchboote, von denen die meisten Boote zwei Taucher unten haben. Und auf all diesen Booten flattert munter ein Taucherfähnchen, während es rings um uns herum lustig blubbert. Seit dem Cabo de Finisterre haben wir dieses Spektakel schon mehrfach beobachtet und zu Beginn dachten wir, dass dort eine Tauchschule mit ihren Schüler übt. Aber die Sache ist vollkommen anders, denn es sind Fischer, die tauchend »Fische einsammeln«. Ich schreibe hier extra mal »Fische einsammeln«, denn wir haben bisher keinen Taucher mit einer Harpune oder so etwas Ähnlichem gesehen. Vielleicht »pflücken« sie auch Pulpos. Keine Ahnung! In jedem Fall springen sie mit einer Art Einkaufsnetz ins Wasser und kommen nach ca. 30 bis 40 Minuten mit einem gefüllten Netz wieder hoch. Was genau in den Netzen ist, konnten wir noch nicht erkennen, aber wahrscheinlich sind es eben Fische. Fische, die wie auch immer in das Netz kommen, wahrscheinlich aber nicht ganz freiwillig.
Und keiner von diesen Tauchern hat eine Flasche, alle hängen an benzinmotor-betriebenen Hookah-Tauchkompressoren und werden über bis zu 50 m lange Luftschläuche mit Luft versorgt. Als wir unseren kleinen Hookah-Tauchkompressor im Frühjahr kauften, dachten wir, das wir echte Exoten sind, denn wir kannten ausschließlich SCUBA-Taucher. Und all die, die sich trauten, in Tauchforen nach Hookah-Tauchgeräten zu fragen, wurden von der Gemeinde der SCUBA-Taucher förmlich zerrissen. Und wie cool ist das jetzt, irgendwie sind wir erleichtert! Das Hookah-Tauchen scheint ja doch eine eher professionelle Verbreitung zu haben.
Aber wir kommen eben nicht weg und können nicht aufbrechen, denn überall um uns herum blubbert es an den Enden der Schläuche.
Später erfahren wir von Fiona und Iain von der Ruffian of Amble, dass die Taucher weder Fische in ihr Einkaufsnetz locken, noch Pulpos dort reinstopfen. Die Taucher sammeln wilde Jakobsmuscheln, also Scallops auf Englisch oder Vieiras auf Spanisch. Jakobsmuscheln werden auch gezüchtet, aber die wilden sind wohl eine recht teure Delikatesse.
Doch wie auch immer, wir sind umzingelt und können nicht starten. Also frühstücken wir nicht unterwegs, sondern erst einmal hier. Nach 1 1/2 Stunde tut sich vor uns eine Lücke auf. Nach und nach verlagern sich die Boote vor uns eher neben und hinter uns. Das scheint unsere Chance zu sein und wir pfeifen und rufen uns einen der Aufpasser herbei und fragen, ob wir nach vorn losfahren können. Das dürfen wir nun auch und so ziehen wir uns erst einmal ohne Motor nur an der Ankerkette etwas aus dem Tauchergewühle heraus. Als wir den Anker dann kurzstag haben, nehmen wir ihn schnell auf und verschwinden nach vorn. Während dieser Aktion sehen wir, wie einer dieser kleinen Trawler näher kommt, die ihr Netz immer nur kurz auswerfen, dann irgendwie im Kreis herumziehen, um es gleich wieder einzuholen. Das ist auch so eine Art des Fischens, die wir bisher nur hier gesehen haben. Wir weichen ihm aus und beobachten erstaunt, dass er knapp hinter uns sein Netz rauswirft. Kurz darauf ertönt hinter uns ein riesiges Geschrei und wir lernen, wie es sich anhört, wenn spanische Taucher wirklich sauer sind. Denn leider hat der kleine Trawler einen der Taucher gefangen. Wir sind uns nicht ganz sicher, ob die Besatzung des Trawlers sich heute noch im Hafen blicken lassen sollte, das alles hört sich doch sehr nach »blutiger Nase« an.
Kurz darauf setzen wir den Parasailor und ziehen langsam und gemächlich in Richtung Süden. Das Wetter ist traumhaft und wir genießen Stunde um Stunde diese tolle Zeit.
Und kurz, nachdem wir im Süden der Isla Ons den Parasailor geborgen haben und hoch am Wind etwas nach Westen fahren, werden wir auf eine ganz besondere Art für unsere neue Slow-down-cruising-mentality belohnt. Nach und nach kommt eine ganze Delphin-Großfamilie zu uns herüber.
Schon eine ganze Weile haben wir sie in einiger Entfernung beobachtet, aber nun flitzen sie für eine halbe Stunde direkt um den Rumpf der PINCOYA herum. Es sind bestimmt 15 bis 20 Delphine und unter den Bäuchen von 4 Müttern schwimmt jeweils ein kleiner. Zwei der Kleinen sind schon etwas größer, aber die anderen beiden sind wirklich noch klein. Vielleicht 40 oder 50 cm. Und die ganz kleinen versuchen immer wieder aus dem Wasser zu springen, aber so richtig klappt das noch nicht. Die Alten können das ja in einem eleganten Bogen, aber die Kleinen platschen doch noch eher etwas unbeholfen und plump zurück ins Wasser. Da fehlt definitiv noch etwas Übung.
Bisher haben wir ja immer mal einen oder auch mal zwei oder drei gesehen. Aber noch nie haben sie uns wirklich begleitet. Die großen gleiten immer wieder in unserer Geschwindkeit durch Wasser, drehen sich auf die Seite und gucken uns an, wie wir fasziniert über der Reeling hängen und sie bestaunen. Ein unglaublich toller Moment.
Dann ziehen sie weiter in den offenen Atlantik. Vor lauter Delphin-Begeisterung haben wir gar nicht bemerkt, dass der Wind nun begonnen hat, langsam auf West zu drehen. Schnell machen wir eine Wende und können nach und nach immer besser den Norden der Isla Ons anhalten. Noch so eine Belohnung. Der Wind macht einfach mal das, was richtig ist. Geht doch! Ohne rumzuzicken und ohne Wenn und Aber. Im Norden von Ons fallen wir ab und ziehen danach tatsächlich noch einmal den Parasailer. Das Wetter ist traumhaft, alle Ankerbuchten sind noch überfüllt und wir plätschern mit einem leichten Lüftchen langsam in den Ría de Pontevedra hinein. An solchen Tagen macht es nichts, wenn man besonders langsam ist, denn die Ankerbuchten werden von den Tagesankerern erst zwischen 18:00 und 20:00 wieder freigegeben.
Um kurz nach 18:00 fällt unser Anker etwas außerhalb der Bucht des Praia de Agra weit östlich der Touristenhochburg Sanxenxo. Doch das Wetter ist heute einfach zu gut für einen frühen Aufbruch der Tagesgäste. So warten wir etwas außerhalb und baden selbst erst einmal. So gegen 19:00 kommt dann auch der erste Fischer, der seine Lobsterpods in der Bucht auslegen will. Insgesamt werden es drei werden, die wie wir warten, dass die Bucht wieder frei wird. Unsere Taktik scheint also nicht ganz falsch zu sein. Und tatsächlich beginnt sich die Bucht kurz nach 19:00 nach und nach zu leeren. Etwas später können wir umlegen, um etwas mehr in die Abdeckung zu kommen.
Und um uns herum gehen hunderte Lobsterpots über Bord. Auch wenn es übertrieben klingen mag, die Lobsterpots werden in Strängen ausgelegt und wir zählen jedes mal bis zu 50 Pots pro Strang. Jedes der kleinen Fischerboot hat 2 bis 3 Stränge dabei, die kreuz und quer an den Felsen und vor dem Strand versenkt werden. Auf dem Meeresboden müssen diese Lobsterkörbe nun dicht an dicht liegen und wenn in jeden Korb eine dicke Krabbe krabbelt, dann dürfte es hier schon bald gar keine mehr geben. Oder aber die Krabben und auch alle anderen Krabbelviecher des Meeresbodens sind doch schlau, lernen dazu und gehen den Fischern nicht so einfach in den Korb. Wir wissen es nicht, denn wenn wir aufstehen, sind die Lobsterpot-Einsammler schon lange wieder da gewesen und haben all ihre Körbe wieder eingezogen.
Bevor wir am nächsten Morgen in Richtung der Isla Ons aufbrechen, müssen wir erst einmal eine Müllfahrt unternehmen. Wenn man so viel ankert, sammeln sich so langsam die Mülltüten in der Backskiste und irgendwann müssen die eben auch mal weg. Etwas oberhalb des Playa de Agra haben wir mit dem Fernglas einige Müllcontainer ausgemacht. Also wird aus unserem Gummiboot eine Müllboot und ich rudere unseren Müll zu den Containern. In Spanien ist das ganz bequem, weil die Müllcontainer öffentlich herumstehen und dort wohl auch jeder seinen Müll reintun darf. In Deutschland würde das wohl nicht so klappen, da müsste man sich andere Tricks ausdenken.
vor Anker im Ría de Pontevedra vor dem Playa de Agra
42° 23′ 31,5″ N, 008° 46′ 01,8″ W