Póvoa de Varzim -> Porto [A] Start: 9:10 Ende: (13:50) 16:05 Wind: ~E 7 – 10 kn Distanz: 19,0 sm Gesamtdistanz: 557,1 sm
Der leichte Ost bringt uns problemlos von Póvoa de Varzim nach Porto. Der Riesenslalom um die Fischerfähnchen reißt nur vor Leixões ab. Dort gibt es eine große »no entry area«, um die herum auch nicht gefischt und geangelt werden darf. Mitten in dieser Verbotszone liegen zwei große gelbe Bojen, von denen wir stark annehmen, dass es sich dabei um die Entladepumpstationen für die Raffinerie nördlich von Leixões handelt. Obwohl wir diese großen gelben Ungetüme ja sehen und sowieso schon mit einem weiten Bogen umfahren, – keep a wide berth, ja ja, der Seemann weiß Bescheid!!! -, ruft uns Leixões Port Control noch an, um sicher zu gehen, dass wir sie auch wirklich sehen und sie auch tatsächlich in einem großen Bogen umfahren werden. Natürlich weiß Leixões Port Control nicht, dass der Schiffsjunge ja die Capitana an Bord hat und deswegen sowieso NIEMALS auch nur in die entfernteste Nähe von »gelben Ungetümen« geraten könnte, ohne Schlimmeres heraufzubeschwören. Deswegen sagen wir der netten Dame vom Leixões Port Control auch, dass wir natürlich sehr gerne und auch ganz bestimmt und vollkommen sicher um diese »yellow boys« einen wide berth keepen werden. Aber abgesehen davon, es gehört schon zum gehobenen Understatement, diese dicken Dinger als »yellow buoys« zu bezeichnen.
Nördlich von Leixões steht aber nicht nur eine Raffinerie, Leixões selbst ist auch ein großer Industriehafen und vor der Küste liegen wenigstens 10 Frachter auf Reede. Es ist schon erstaunlich, dass die hier so selbstverständlich auf Reede liegen, wo doch nach Westen erst einmal nur 4000 km Wasser kommen, in denen nur die Inselkrümelchen der Azoren herumliegen. Unwillkürlich verbinden wenigstens wir immer mit einer Reede ein mehr oder weniger geschütztes Plätzchen, aber so stumpf vor der Küste Portugals mutet das schon komisch an.
Die Raffinerie und der Industriehafen sind auch der Grund, warum wir nicht so gerne nach Leixões wollen, sondern lieber erst einmal in der Douro Marina gucken möchten. Die Leixões Marina hat man in die nördliche Ecke des Industriehafens gepackt. Hinter der großen Hafenmole ist zwar direkt etwas Strand, aber insgesamt sieht es dort eben nicht wirklich idyllisch aus. Aber man darf in Nordportugal auch nicht zu wählerisch sein, denn an dieser Küste gibt es nicht wirklich viele passende Marinas. Die Douro Marina gleich hinter der Mündung des Rio Douro, an dem ja dann weiter hinten eben auch Porto liegt, ist nicht wirklich riesig und hat auch so ihre Spezialitäten in Sachen Gezeiten. Von Norden kommend, bleibt einem nach Póvoa de Varzim nur noch die Leixões Marina, denn Vila de Conde ist etwas flach. Und nach Süden wäre Aveiro die nächste Möglichkeit, die funktionieren könnte. Das aber auch nur bedingt, weil auch dort alles mächtig flach ist und es in Aveiro sowieso keine der üblichen Marinas für Fahrtensegler gibt. Die Auswahl an Marinas oder gar an geschützten Ankermöglichkeiten ist im Norden Portugals also recht überschaubar, deswegen sollte man nicht zu pingelig sein.
Das Beste vor der Douro Marina ist der Gezeitenstrom
Während wir in den Rio Douro einlaufen, beschließen wir, es doch erst einmal mit Ankern vor der Marina zu versuchen. In den Revierführern wird das durchaus beschrieben und via AIS sehen wir, dass dort auch schon ein Engländer liegt. Das sollte also gehen, auch wenn es westlich der Marina recht schnell flach wird und der Platz zum Ankern insgesamt nicht gerade üppig ist.
Aber nicht nur auf der südlichen Seite vor der Marina kann man ankern, sondern offensichtlich auch auf der nördlichen, denn dort sehen wir via AIS einen Franzosen liegen. Bei ankernden Franzosen sind wir inzwischen ja immer etwas skeptisch, denn es gibt kaum eine Nation, die so sorglos ankert wie die Grande Nation. Doch dieser ankernde Franzose stellt sich im Nachhinein als Däne heraus, der sein Handwerk versteht.
Zwei Stunden nach Niedrigwasser kommen wir vor der Douro Marina an. Die Barre vor der Marina können wir schon wieder sorglos überfahren und das Wasser läuft mit etwa einem Knoten auf. Nun sehen wir, dass vor der Marina nicht nur der Engländer, sondern auch noch ein weiterer Segler mit portugiesischer Gastlandflagge, aber ohne Nationalität liegt. Es ist Springzeit, aber was das hier wirklich bedeutet, merken wir erst später. Nach einem kurzem Check der Lage ist klar, dass wir in jedem Fall ankern werden. Die Marina scheint rappelvoll zu sein, aber neben den beiden Ankerliegern ist noch ausreichend Platz. Also werfen wir unseren Anker vor dem ersten Drittel des äußeren Schwimmstegs der Marina und betrachten, was der Strom und der Wind so mit uns machen. Abgesehen davon, dass die Marina echt voll aussieht, fallen uns unzählige Jollen an dem äußeren Schwimmsteg auf.
Wir sind froh, nun doch so hübsch vor Anker liegen zu können. Bisher hält sich die Strömung auch noch in Grenzen und außerdem ist für die nächsten Tage ein fürchterliches Regenwetter mit einigem Wind aus Süd vorhergesagt. Was sollen wir bei solch einem Mistwetter in einer Marina und auch noch für jeden Regentag, den wir unter Deck sitzen, Geld bezahlen? So ist das mit dem Ankern erst einmal gut. Und 5 Tage später wissen wir dann auch, dass unser Entschluss zu ankern nicht nur toll, interessant und vor allem auch lehrreich war, sondern auch ein echtes Sparprogramm. Die Douro Marina kennt nämlich Dank ihrer exklusiven Lage keine Nachsaisonpreise und nimmt mal eben für Schiffe bis 12 m lustige 54 € die Nacht. Juchee! Wer so schön spart, kann vielleicht auch bald schon mal an einen stärkeren Außenborder denken, aber dazu später mehr.
Doch an diesem ersten Tag währt unsere Freude nur gute 3 Stunden und dann klopft es an unsere Bordwand. Es ist das Regattaboot des örtlichen Segelclubs, denn Samstag und Sonntag will man genau hier vor der Marina eine Regatta fahren. Fazit, wir müssen weg! Und schon gibt es auch für die vielen Jollen am äußeren Schwimmsteg eine passende Erklärung. Im Hafen gibt es keinen Platz mehr, aber auf der anderen Seite, also vor dem nördlichen Ufer des Douro, dürfen wir ankern. Das wäre kein Problem. Hmm, »kein Problem« ist sicher aus Sicht des Regattabootes richtig, aber für uns? Uff… so’n Mist… hmm … sollen wir auf die schlechte Wetterseite des Douro? Das ganze Mistwetter mit all seinem Regen und Wind soll schließlich aus Süden kommen. Sollen wir dabei wirklich direkt vor die Uferbefestigung? Und das zur Springzeit!?! Und dann noch auf die Seite, die zudem offen zur Einfahrt liegt und stromtechnisch sicher einiges zu bieten hat, weil es dort stumpf rein- und rausläuft? Was tun? So beruft der Familienrat sofort eine außerplanmäßige Dringlichkeitssitzung ein. Auf der Tagesordnung stehen nur 2 Fragen: Zurück nach Leixões oder einen Versuch wagen? Vor dem nördlichen Ufer liegen schon zwei Segler vor Anker. Der Däne und noch so eine unbekannte Nationalität mit einer Gastlandflagge, die mehr nach Dauerlieger als nach Fahrtensegler aussieht. Dazwischen wäre Platz. Unsere beiden Nachbarn vor der Marina werden sicherlich auch noch vertrieben und müssen sich dann auch ein neues Plätzchen suchen. Es wird also auf der Nordseite absehbar eng. Neben dem Fahrwasser ist dort nicht viel Platz, man kann eigentlich nur hübsch brav in einer Reihe hintereinander liegen. Also los, wir versuchen es, der noch »freie Platz« ist noch der Beste, denn er liegt noch am weitesten innen im Flusslauf.
Ankern die Zweite
Also Anker auf und zack rüber. Unsere Ankerboje im ausgehenden Flutstrom einzufangen, ist nicht ganz einfach. Schließlich hängt auch sie an dem Anker und schwurbelt genauso wie wir im Strom herum. Aber wir lieben unsere Ankerboje und fangen sie geduldig wieder ein. Um den französischen Dänen herum fahren wir erst einmal eine Erkundungsrunde und sind dabei schon erstaunt, wie flott es uns auf der anderen Seite noch umhertreibt. Seit einiger Zeit sind wir beim Ankern noch etwas gewissenhafter geworden, als wir ohnehin sonst schon waren. Oder wir haben einfach durch unsere viele Ankerei etwas dazugelernt. Mit dem Radar prüfen wir die Entfernungen zu den anderen Ankerliegern, dem Ufer und der Fahrwassertonne und setzen dann unseren Anker so, dass wir je 70 m zu den anderen beiden haben und genau mittig zwischen Fahrwasser und Ufer liegen. Da dieses Ankermanöver in unseren Augen schon mal ziemlich gut geklappt hat, beobachten wir nun zum zweiten Mal, was der Strom und der Wind so mit uns machen. Da gegen 17:00 Hochwasser ist, hält sich das mit dem Strom erst einmal in Grenzen. Und da der Familienrat auf seiner Sondersitzung noch etwas genauer nachgedacht hat, haben wir den Anker auch gleich in Richtung Ebbstrom eingefahren. Bisher haben wir ja keine wirkliche Erfahrung mit der Ankerei in einem strömenden Fluss und schon gar nicht, wenn auch noch die Gezeiten ordentlich mitspielen. Aber wir haben uns mal gedacht, dass der Ebbstrom, der ja in Fließrichtung des Rio Douro setzt, stärker sein muss als der Flutstrom. Doch nun um 17:00 ist eh gerade Stillwasser und der Wind schiebt den Hintern der PINCOYA erst einmal in Richtung Uferbefestigung.
Nach kurzer Zeit beginnen wir uns allerdings schon wieder zu drehen und langsam beginnt es um uns herum auch zu gurgeln. Kurz darauf kommt der Däne mit seinem Gummiboot längsseits. Inzwischen läuft der Ebbstrom mit 1,7 Knoten. Er wolle nur mal Hallo sagen und fragt, ob wir auch ordentlich Kette draußen haben, denn der Ebbstrom würde ziemlich bald mit etwas mehr als 3 Knoten an uns herumzerren. Er selbst hat für seine Garcia 45 Exploration – hach, was für ein schönes Schiff, das wäre was, wenn uns die Lottofee auch endlich mal erhören würde – , etwas mehr als 40 m draußen. Fast 40 m haben wir auch und wenn schon ein Garcia-Expeditionsschobenbesitzer genauso viel Kette steckt wie wir, dann können wir nicht ganz falsch liegen, zumal bei uns noch unser heiß geliebter Rocna-Vulcan-Anker seine 25 kg in die Waagschale wirft.
Aber wo ist unsere Ankerboje. Oh je – och nee, ach da! ? Ziemlich unter Wasser. Um die PINCOYA herum gurgelt es inzwischen richtig. Volle Fahrt voraus und das auf der Stelle! Im Schiff hat man das Gefühl, dass wir flott segeln. Der Ebbstrom läuft nun mit 2,5 Knoten. Erstaunlich! Fasziniert betrachten wird unser Heckwasser, – fast Rauschefahrt -, dann beobachten wir unsere Ankerboje, die um Luft ringend vor sich hinblubbst. Erstaunt betrachten wir am Bug die Strudel um unsere Ankerkralle an. Das zieht hier schon mächtig! So etwas hatten wir auch noch nicht. Bei fiesem Wind haben wir ja nun schon häufiger geankert, aber in einem so strömenden Gewässer noch nie. Der Ebbstrom steigert sich am Ende noch auf gut 3 Knoten und wir sehen in der Spitze sogar die 3,2. Das Spektakel ist schon faszinierend, aber so richtig entspannen können wir uns nicht. Alles ist einfach noch zu neu. Am späten Abend liegen wir dann tatsächlich zu fünft auf der Nordseite, denn auch die anderen beiden mussten vor der Marina verschwinden und sind wie erwartet auf die Nordseite gekommen. Irgendwann bemerken wir, dass wir viel weiter in Richtung Fahrwasser liegen als die anderen. Und außerdem sind wir fast auf Höhe unserer Ankerboje, die immer noch wie ein Ertrinkender heftig nach Luft schnappt.
Wie kann das sein? Wir überlegen hin und her und brauchen eine ganze Weile, bis auch bei uns das Licht der Erkenntnis zu glimmen beginnt. Unser Ruder! Wir haben in unserem duseligen Anfängerkopp unser Ruder nicht ganz mittig gestellt. Bei 3 Knoten Strom reichen die 7 Grad, um uns richtig nach außen fahren zu lassen. Nun beginnt die Sache mal Spaß zu machen und der Schiffsjunge lenkt wie ein Großer mal hier und mal dorthin, bis die Capitana ihr Veto einlegt und meint, dass es doch auch ganz gut ist, wenn unser Anker hält und man nicht noch zusätzlich an ihm rumzerren muss.
Gegen 23 Uhr ist Niedrigwasser, aber der Ebbstrom läuft noch ziemlich lange nach. Bei Springniedrigwasser liegen wir nun auf gut 3,0 m, da haben wir also noch 1,4 m unter dem Kiel.
Ankern die Dritte
Wir müssen zugeben, dass wir nicht wirklich tief und entspannt schlafen. Immer wieder treibt es uns aus der Koje und wir müssen gucken, ob noch alles gut ist. Im nächsten Flutstrom schwingt dann das Heck der PINCOYA herum und schwurbelt nun knapp vor unserer Ankerboje hin und her. Der Flutstrom läuft »nur« mit 2,3 Knoten ein, ist aber nicht stark genug, um unsere Ankerkette ganz in die andere Richtung zu strecken. So liegt unser Anker nun knapp vor uns und der Kettenbogen hält uns auf Position. Die Trippleine an unserer Ankerboje ist natürlich auf Hochwasser plus ein paar Meter bemessen. Doch der Strom zieht einfach die Gesamtlänge der Trippleine heraus, weil das Gegengewicht, was die Boje eigentlich direkt über dem Anker hält, im Strom keine Rolle mehr spielt. So wachsen unsere Bedenken, dass wir uns unsere eigene Trippleine mit unserem Ruderblatt einfangen. Die Ausgangsposition der vom Anker aus gestreckten Trippleine ist dafür nahezu ideal. Der Versuch mit etwas Ruderlage einfach wegzufahren, gelingt nur bedingt. Fast hinterhältig folgt uns unsere Ankerboje immer wieder. Nach 30 Minuten ziehen wir uns in einem passenden Moment einfach mit Motor so weit nach hinten, dass nun auch unsere Ankerboje vor uns ist. So ist es erst einmal gut und wir versuchen wieder etwas zu schlafen.
Doch es ist eben nur für wenige Stunden gut, denn bald setzt schon wieder der Flutstrom ein und das Spielchen beginnt von vorn. Ankerbojen in wechselnd strömenden Flussmündungen zu setzen, ist wohl nicht die schlauste aller schlauen Ideen.
Während es morgens erbärmlich beginnt zu schütten, kommen und gehen die Hoch- und Niedrigwasser. Und so wird es uns auch nicht langweilig, denn das Ankerbojenspielchen geht weiter. Zusätzlich beginnt es auch noch aus Süd zu blasen und tapfer beginnt der Segelclub seine Regatta vor der Marina. Die Segler und Begleitboote tun uns schon etwas leid. Die haben zeitweise mehr Wasser von oben als von unten. Ein ums andere Mal drehen wir uns um unseren Anker, bis wir bemerken, das er sich offensichtlich herausgedreht und nach rund 10 Metern wieder eingegraben hat. Das aber hat er offensichtlich in einer Bö gemacht, denn nun liegen wir noch näher an der Uferbefestigung, die ohnehin schon bei jedem Niedrigwasser mit ihren vorgelagerten Steinchen böse zu uns herüber grinst. Dort, wo wir eh nicht so viel Platz haben, ist es nun noch enger geworden.
Keine Frage, wir müssen unseren Anker neu setzen. Also hoch mit dem Teil, und während Astrid eine kleine Warterunde dreht, nehme ich die Boje von dem Anker aber ab. Die hat nun schon für genug Unterhaltung gesorgt und darf sich erst einmal bis zu dem nächsten normalen Ankerplatz ausruhen. Und pünktlich zu unseren Ankermanöver beginnt es zu schütten, wie es den ganzen Tag noch nicht geschüttet hat. Astrid hat Glück, denn sie steht unter dem Bimini, das schon am Morgen wieder zu einem Rainimi geworden ist. Und es schüttet so herzerbärmlich, dass der Schiffsjunge seine Segelsachen Segelsachen sein lässt und einfach in Unterhose zum Ankermanöver antritt.
Diesmal setzen wir den Anker etwas näher am Fahrwasser, denn Nordwind ist nicht zu erwarten und der Flut- und Ebbstrom setzt uns parallel zum Fahrwasser. Wir lieben unseren Anker. Zack rein und fest. Diesmal geben wir etwa 45 m Kette. Das passt gut, aber nun mal alles ohne dieses Ankerbojenspielchen.
So ist die Nacht zum Sonntag ruhiger und wir schlafen gut. Obwohl wir unseren Anker nun doch rausgedreht haben, haben wir alles Vertrauen in ihn. Der Bursche gräbt sich sofort wieder ein. Was ja auch gut zu wissen ist.
Und eines vielleicht für Segler noch. Das iPad ist für uns beim Ankern fast unersetzlich. Als zusätzliche Ankerwache oder besser gesagt Ankerkontrolle, lassen wir einfach in der Navi-App immer den Track mitlaufen. Dadurch dass der Track immer mitgeschrieben und auch gezeichnet wird, sehen wir sofort, ob es uns versetzt oder nicht. So haben wir auch den kleinen Versetzer vom 10 Metern gleich gesehen, obwohl der Ankeralarm, den wir auf 0,02 Seemeile eingestellt haben, noch nicht »Alarm« gerufen hatte. Selbst die 3,5 m Tidenhub kann man sehen. Bei Niedrigwasser streckt es sich etwas und bei Hochwasser rücken wir wieder näher an die Position unsere Ankers heran. So ist das iPad eines unserer besten Helferchen beim Ankern.
Ankern die Vierte
So langsam können wir das Ankern im Rio Douro genießen. Am Sonntag wird auch das Wetter besser. Der Regen lässt nach und auch der Wind wird ruhiger. Die gestern vollkommen durchgeweichten Regattasegler trocknen ihre Segel in Schleichfahrt auf den letzten Wettfahrten. Es gibt nur wenige, die im Rio Douro ankern. Viele haben vielleicht auch gar nicht das richtige Ankergeschirr, um den wechselnden Strömungen ausreichend Paroli bieten zu können. Später hören wir von mehreren Seglern, dass sie auch einen Ankerversuch unternommen haben oder wenigstens auch ans Ankern gedacht haben. Aber alle haben nach einiger Zeit abgebrochen, weil ihre Anker einfach nicht halten wollten oder es gar nicht erst versucht, weil es ihnen zu unheimlich war. So ist das Beste vor der Douro Marina der Gezeitenstrom. Der lässt fast alle lieber in die Marina gehen und nur wenige vor Anker liegen. Wir genießen die Ruhe, das Alleinsein und die Weite des Ankerns und vor allem das unglaublich tolle Panorama flussaufwärts, das wir ganz exklusiv haben. Vor uns überspannt die erste Brücke den Douro und mit jeder Tages- und Nachtzeit und mit Sonne, Wolken und Regen wechselt das immer gleiche »Bühnenbild« facettenreich sein Aussehen.
Gegen 17:30 werden die Regattabojen eingezogen. Das ist für uns das Signal umzulegen. Obwohl wir eigentlich gut liegen, erwischt uns auf dieser Seite ab und zu doch einiger Schwell aus dem Atlantik und lässt uns unangenehm rollen. Aber wir haben noch ein anderes Problem. Unser Außenborder ist mit seinen 2,3 PS einfach zu schwach, um uns gegen den Strom an Land zu bringen. Auf der Nordseite gibt es zwar zwei Slippen, die wir auch nutzen könnten, die sind aber zu Niedrigwasser kaum nutzbar, weil sie vollkommen veralgt und glitschig sind. Und mit zunehmenden Hochwasser macht der Schwell das Ganze dann schon wieder zu einem künstlerisch wertvollen Balanceakt mit ungewissem Ausgang. Also müssten wir rüber, aber das geht mit unserem Mini-Motörchen am Gummiboot immer nur dann, wenn es mal nicht so doll strömt. Also legen wir mit der PINCOYA um.
Inzwischen haben wir ja einige Erfahrung und so geht es problemlos und schnell. Und schwupps liegen wir auch schon wieder mit unserem vierten Ankermanöver direkt vor der Douro Marina und genießen das gute Gefühl, für 0 € die bessere Aussicht zu haben.
Der Ebbstrom setzt zwar auch hier immer noch mit 2,6 Knoten, aber der vom Atlantik einlaufende Schwell kommt hier nur sehr gemäßigt an.
In der Einfahrt verabschiedet ein glutroter Sonnenuntergang den Tag. Es sind nur wenige Minuten, in denen sich die Sonne zwischen den Wolken und dem Horizont zeigt. Rund um den Fluss gehen mit dem Sonnenuntergang langsam die Lichter an und schimmern auf dem fast glatten Wasser, das unmerklich immer noch mit einem Affenzahn an uns vorbeisaust. Nur wenn sich mal eine Möwe auf das Wasser setzt und dann mit fast 3 Knoten an uns vorbeihuscht, wird uns kurz klar, wie sehr es hier strömt. In der Bugkoje gurgelt und plätschert es wieder, als ob wir segeln.
Die Schwimmstege der Marina knacken und krachen in dem Strom leise, sonst ist nichts zu hören. Wir sind froh, vor der Marina zu liegen. Wie einfach ist es am Ende, im Strom den Anker zu setzen, und wie schwierig wäre es bei diesen Stromverhältnissen, in der Marina Hafenmanöver zu fahren. Mal ganz abgesehen davon, dass man ja dort nicht allein ist und diese Hafenmanöver auch den anderen gelingen müssen.
Inzwischen ist es ganz dunkel und die Lichter von den Ufern spiegeln sich diffus in langen bunten Streifen auf den Kräuseln des dahin strömenden Wassers. Wir sitzen im Cockpit und bestaunen das Schauspiel. Alles passt plötzlich mit einer selbstverständlichen Harmonie zusammen. Das strömende Wasser, die Wolken, die Lichter, der Himmel und selbst die fast lautlos mit einer unheimlichen Geschwindigkeit ausfahrenden Fischer. Wir holen uns ein Glas Wein und legen das Cellokonzert von Dvorák auf die Außenlautsprecher.
Die getragene Melancholie des Cellokonzerts passt wie maßgeschneidert zu diesem Abend und dem weichen Schaukeln im Ebbstrom des Rio Douro. Als wäre dieses Konzert für den Rio Douro geschrieben worden. Manche Dinge passen einfach zusammen, so wie der Geschmack einer Walnuss zu dem einer Orange oder wie Rhababer-Marmelade zu Caprice de Dieux oder eben dieses Cellokonzert zu diesem Abend auf dem Rio Douro.
Es gibt Momente, die so dicht und intensiv sind, dass man meint, sie greifen zu können. Glück ist ein kleines Ding, das seine Arme sehr weit ausbreiten kann und nicht käuflich ist. Es ist für jedermann da und es gibt keine Unterschiede, aber es wird auch leicht übersehen.
Die Ruhe dieses Sonntagabends ist für uns bestimmt auch deswegen noch etwas intensiver, weil wir die letzten beiden Tage schon ziemlich angespannt waren. Es war für uns nicht selbstverständlich, im Rio Douro bei kenterndem Flut- und Ebbströmen mit bis zu 3 Knoten und einem echt miesen Wetter auf der ungünstigen Seite des Flusses zu ankern. Aber es ist cool, das gemacht zu haben und es ist cool, nun diesen Abend zu haben. Es gibt eben Dinge, die einfach passen.
Porto I
41° 08′ 40,6″ N, 008° 39′ 06,3″ W
Porto II
41° 08′ 45,1″ N, 008° 39′ 41,1″ W
Porto III
41° 08′ 45,1″ N, 008° 39′ 41,1″ W