Figueira da Foz -> Nazaré Start: 9:00 Ende: 16:25 Wind: ~N 3 – 5 kn Distanz: 38,6 sm Gesamtdistanz: 678,9 sm
Es ist wieder so ein Geduldsspiel. So langsam nervt es. Da haben wir uns extra den Tag ausgesucht, für den noch am meisten Wind versprochen war, – aber wieder ist nichts. Wie gerne würden wir einfach mal wieder segeln. Aber seit Wochen ist es immer wieder ein Eiertanz. Wenig Wind und Wellen passen einfach nicht zusammen. Wann hatten wir eigentlich das letzte Mal halbwegs konstanten Wind mit wenigstens 15 Knoten? Für heute sind wieder 13 bis 15 Knoten vorhergesagt und sogar Böen bis 6 Beaufort. Und was haben wir? 5 Knoten, manchmal vielleicht 5,5, aber das war es dann auch schon.
Das alles hebt nicht gerade unsere Stimmung.
Es ist aber auch nicht so, dass wir uns immer nur das passendste Wettermodel schönreden. Heute stoßen Windfinder, Windy und Predictwind mit GFS und ECMFW in dasselbe Fake-News-Horn der Wettervorhersagen. Unterdessen steigt der Qualm aus den Schornsteinen eines Kraftwerks an der Küste senkrecht auf. Den leichten Ost, den wir noch im Hafen hatten, der ja eigentlich auch dort schon ein Nordwest sein sollte, haben wir auf’s Cabo Mondego zurückgeführt. Doch draußen hat er dann »dem Nichts« höflich den Vortritt gelassen.
Bis auf die Wellen fühlt sich im Augenblick kaum etwas nach Atlantik an. Mal sehen, abwarten, uns bleibt nichts anders übrig als zu hoffen. Ehrlich gesagt hatten wir damit gerechnet, dass wir uns in den Starkwindphasen machbare Wetterfenster suchen müssen, dass es nun aber umgekehrt ist und wir ein Stoßgebet nach dem anderen zum Herrn schicken, um überhaupt mal wieder segeln zu können, haben wir uns nicht im Traum vorstellen können. Nur gut, dass wir in Spanien noch mal für 1,05 € getankt haben, aber diese vollkommen unnötigen Motorstunden tun uns in der Seele weh.
4 Knoten Wind, die »roaring four«, ohne die »teeth« ? ein zahnloser Tiger. Wenigstens kommt die Sonne ab und zu raus. Das macht einen großen Unterschied. Obwohl das Atlantikwasser ja kalt ist, was die Nächte wirklich kühl und feucht macht, spielt die Sonne immer noch in der Liga eines herrlichen norddeutschen Hochsommers. Aber auch bei den vorhergesagten Sonnenstunden sind die Wettervorhersagen eher trumpistisch. Seit Tagen haben wir nämlich angeblich einen wolkenlos blauen Himmel. Aber nur gestern in Coimbra haben wir ab dem späten Vormittag das vorhergesagte Blau gesehen. Wir haben wirklich keine Ahnung, wie man sich solche Vorhersagen zusammenwürfelt. Da muss etwas anderes im Spiel sein, denn wenn man sich einfach nur etwas ausdenken würde, wäre die Chance, einen Treffer zu landen, größer. Aber wir wollen ja auch nicht ungerecht sein, immerhin kommt der Wind schon mal fast immer aus dem vorhergesagten Halbkreis von 180°.
3 Knoten Wind. Wetteronline hat heute sogar schwarze Starkwindfahnen in seine Vorhersagen eingebaut. Wahrscheinlich hat der Azubi 6 Knoten mit 6 Beaufort verwechselt. Wenn die Sonne an dem wolkenlosen Himmel immer mal wieder hinter den dunkeln Wolken verschwindet, wird’s schnell wieder etwas kühl. So vertreiben wir uns die Zeit mit dem Spiel “Schwimmweste aus, Pullover an und Schwimmweste wieder drüber”. Oder eben umgekehrt. Der Mensch braucht auch mal Abwechslung. Eigentlich sind ja fast geschlossene Wolkendecken ziemlich gut auf Satellitenbildern zu erkennen, aber vielleicht wollte der Azubi in seinem ersten Lehrjahr ja lieber mal eine schöne Vorhersage machen. So etwas kommt eben auch meist besser an.
Um Photos zu sortieren, ist es mir zu schaukelig. So schreibe ich mir den Frust von der Seele. Gut, dass wir solche Highlights wie Coimbra und Portugal selbst haben, unser Segeln zählt zurzeit nicht gerade zu den Highlights.
Als Trost begleiten uns mehrere Delphin-Familien. Obwohl wir motoren, bleiben sie eine Stunde bei uns. Immer wieder stoßen neue Gruppen hinzu und andere ziehen weiter.
Es sind so viele, dass wir sie gar nicht mehr zählen können. Dicht an dicht schwimmen sie am Bug. Wenn sie Luft holen, bekommt man einige Spritzer ab. Ich lege mich vorn auf den Bauch und lasse meinen Arm zum Wasser baumeln. Ganz komme ich nicht runter. Die Burschen sind groß, ein komisches Gefühl. Auf der Seite schwimmend gucken sie mich immer wieder an. Beide Seiten sind neugierig. Einer von ihnen kommt immer wieder heran. Man kann ihn gut erkennen, er hat einen Fleck kurz vor der Rückenflosse. Es fehlen nur 15 cm. Unter meiner Hand kommt er immer wieder hoch, um Luft zu holen. Es wäre ein Leichtes für ihn etwas höher herauszukommen. Aber wir sind wohl beide nicht nur neugierig, sondern auch etwas skeptisch. Faszinierend!
Kurz vor Nazaré passiert es dann. Das Unerwartete und schon fast Mystische. Plötzlich sind die 13 Knoten da. Wir haben noch 5 Seemeilen bis zu unserem Ziel, die wir segeln können. Um den Farol da Nazaré auf seinem Felsen machen wir einen großen und sehr respektvollen Bogen.
Genau dort hat im Februar diesen Jahres die Brasilianerin Maya Gabeira den Weltrekord der Frauen im Surfen auf einer 22,40 m hohen Welle geholt. An dem Unterseegraben vor Nazaré fällt die Wassertiefe fast schlagartig von 33 auf über 200 m. Bei den richtigen Bedingungen bauen sich hier monströse Wellen auf. Natürlich haben auch wir das Gefühl, dass die Wellen nun hier, wo unsere Echolot die Tiefe nicht mehr anzeigen kann, etwas größer sind als eben noch. Aber das ist dann vielleicht doch eher nur dem Wissen um diesen Surfspot geschuldet. Am Freitag soll es etwas kräftiger aus Westen wehen. Wir hoffen, dass sich die Vorhersage nicht auch wieder als Fake-News herausstellt und wir am Spot einige größere Wellen und auch einige Surfer beobachten können.
Kurz vor dem Hafen rollen wir die Genua ein. An der südlichen Steganlage ist noch einiges frei und wir schnappen uns einen guten Platz. Kaum haben wir festgemacht, kommt der Marinero und nötigt uns in die nördliche Marina zu gehen. Eigentlich sind wir mit unserem Platz hier sehr zufrieden. Es ist jetzt kein Naturidyll, aber wir liegen hinter den Fischhallen in Lee des Schwimmstegs. So versuchen wir den Marinero zu überreden, dass wir bleiben können, aber er will uns partout auf der anderen Seite haben. Er sagt, dass für uns in der Marina ein wunderbar geschützter Platz frei sei und dass ja schließlich die nächsten Tage »bad weather« kommen würde. Uns bleibt nichts anderes übrig, er lässt sich nicht erweichen, wir müssen rüber. Als wir den neuen Platz anfahren, fragt mich Astrid, ob ich da überhaupt reinkomme. Wir haben ja keines dieser hübschen Bugstrahlruder, um uns auf kleinem Raum noch zu drehen. Bei uns wird alles noch schulmäßig mit Augenmaß, Leinen und dem Radeffekt gemacht.
Der Platz ist die reine Katastrophe! ??❗️Ich kann die PINCOYA gerade so reinbugsieren, Astrid springt auf den Fingersteg, der gerade mal knapp bis VOR unsere Mittelklampe reicht. Für eine Jolle sicher gut geeignet, aber für uns? Der Marinero hält den Bug der PINCOYA fest, denn gerade können wir auf dem Platz gar nicht liegen, weil gleich rechts ein Pfeiler des Schwimmstegs den Platz wegnimmt. Ich bin stinksauer. ? Und das nicht nur etwas. Erstens ist der Platz der größte Müll, den wir in den letzten Jahren überhaupt gesehen haben und zweitens hat der Kerl uns hier in eine Ecke gelockt, wo ich noch keine Idee habe, wie ich da wieder rauskommen soll, ohne im Anker des gleich rechts liegenden Franzosen zu landen. So eine verdammte Scheiße❗️und dort drüben haben wir so gut gelegen, auch wenn die Stege »nur« an Ketten verankert sind und nicht die Ruhe von Schwimmstegen mit Pfeilern haben. Wir diskutieren und der Marinero bekommt es dick ab. Noch tut er mir etwas leid, aber so geht es wirklich nicht. Er sagt, dass sein Chef aber will, dass alle Boote hier herüber kommen und die Anlage drüben nur für die »in der Nacht Ankommenden« genutzt wird. Ich bin richtig wütend und Astrid versucht, mich zu mäßigen. Ein halber Liter hoch konzentrierte Beruhigungstropfen wäre jetzt noch zu wenig. Die nächsten Tage soll es ja mal wirklich richtig aus Westen blasen und der Marinero lockt uns auf einen Platz, auf dem wir die PINCOYA nur einseitig bis zur backbordseitigen Mittelklampe festmachen können. Der komplette Winddruck wird dann auf dem nicht mehr festzumachenden Heck der PINCOYA liegen. Ein Hebel von mindestens 5 Metern an dem Ende, wo der Wind die schönsten Angriffsflächen findet. Ich bin kurz davor zu explodieren und habe in dieser Situation nun auch überhaupt kein Mitleid mehr mit dem Marinero. Ich sage ihm, dass dieser Platz »more than crap« ist und noch einige andere Dinge zu dem Platz mit Worten auf Englisch, die man nicht in der Grundschule lernt. Ich weiß nicht, wer mir das in die Wiege gelegt hat, aber wenn ich böse bin, dann kann ich richtig doll auf Englisch schimpfen. Inzwischen bin ich richtig in Fahrt und sage ihm, dass wir wieder fahren, wenn wir nicht zurück an den anderen Steg können. Peniche ist irgendwas in die 25 Seemeilen weiter. Dann kommen wir da eben im Dunkeln an oder wir gehen gleich bis nach Cascais durch. Der Hafenmeister merkt, dass es mir ernst ist und telefoniert mit seinem Chef.
Dann dürfen wir wieder rüber. Angeblich ist es dort bei dem schlechten Wetter, was ja kommen soll, zu unsicher. Dort liegen aber ganz offensichtlich Dauerlieger und Überwinterer, die um einiges größer sind als wir. Wenn der Steg die hält, dann sollte er es auch mit uns noch schaffen. Und schlechtes Liegen im Sturm kennen wir. Gijón ist in dieser Kategorie kaum zu toppen. Abends fummeln wir noch einige Zeit herum, um uns richtig festzubinden. Wenn uns nun noch etwas passieren sollte, dann nur, wenn es den ganzen Steg weghaut.
Insgesamt liegen wir 3 Nächte in Nazaré. Und hinten im südlichen Teil war es auch während des Starkwinds am Freitag vollkommen ruhig. Die Hallen halten den Wind gut ab und die Wellen kommen nur sehr abgemildert, wenn überhaupt, nach hinten in diese Ecke. Aber der Hafen von Nazaré ist nichts für einen längeren Aufenthalt. Wenigstens nicht an den südlichen Stegen. Das ist ganz sicher. Nach einigen Tagen liegen die Nerven zwangsläufig blank, es sei denn, man ist schwerhörig oder am besten gleich ganz taub. Wir wissen nicht, ob der Generator auf einem der Trawler läuft oder an den Fischhallen eingeschaltet wird, wenn die Fischer im Hafen liegen. Aber dieser Generator läuft ständig und beschallt auf Hochtouren ohne jede Schallisolierung den kompletten Hafen. Und das eben nicht nur etwas, sondern richtig und richtig schlafraubend.
Normalerweise kehrt wochentags ab 3:00 Ruhe ein und der Radau geht erst wieder los, wenn die Trawler zurück sind. Doch am Freitag sind die Wellen zu hoch und keiner der Fischer geht raus. So haben wir ab Donnerstag 15:00 eine 24h-Dauerbeschallung durch den Generator. Ich habe ja Ohrstöpsel, aber die helfen nur begrenzt. Und außerdem ist es auch nicht besonders angenehm, die Dinger 24h am Tag im Ohr zu haben. Also bleibt einem nur, in die Stadt zu gehen. Man muss weg, runter von Bord und möglichst lange irgendwohin, wo es wenigstens etwas ruhiger ist. Eines ist dann Freitagabend ganz klar. Wir müssen hier bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit verschwinden. Und das ist schade. Total schade, eben wegen des »zweiten Gesichts« von Nazaré. Aber der Hafen geht gar nicht!
in Nazaré
39° 35′ 01,3″ N, 009° 04′ 32,8″ W