Nazaré -> Peniche Start: 14:10 Ende: 18:50 Wind: SW 8 kn Distanz: 26,6 sm Gesamtdistanz: 705,5 sm
Der Lärm in Hafen von Nazaré ist schlicht unerträglich. In der nördlichen Marina, die nicht direkt am Fischereikai liegt, mag es etwas besser sein, aber auch dort ist das Wummern der Motoren zu hören. Astrid erträgt das etwas besser als ich, ist aber auch an ihrer Grenze. Doch ich bin inzwischen schon weit darüber hinaus! Drei Nächte mit Minimalschlaf und das ständige Wummern der Motorren zerrt an den Nerven. Am Morgen gesellen sich dann zu dem Dauerwummern des einen Trawlers noch die Motorengeräusche von zwei weiteren hinzu, die nur umlegen, aber ihre Motoren nicht wieder ausstellen. Zusätzlich lässt der eine noch seine Schraube über eineinhalb Stunden eingekuppelt weiterdrehen, obwohl er wieder fest ist. Ich bin geräuschempfindlich, das weiß ich. Aber so schlimm und so dauerhaft hat es uns bisher noch in keinem Hafen getroffen. Man kann es den Fischern ja nicht verübeln. Es ist ihr Hafen und sie müssen arbeiten. Aber für Fahrtensegler ist dieser Hafen hier nur als Nothafen geeignet. Das ist schade, sehr schade, aber nach 3 Nächten gibt es auch mit bestem Willen kein anderes Fazit.
In der ersten Nacht war ja wenigstens ab 3:00 Ruhe. Die Fischer laufen normalerweise um 3:00 aus und kommen so ab 15:00 zurück. Nun laufen sie aber wegen der Wellen gar nicht aus und zudem steht auch noch das Wochenende bevor. Das bedeutet 24h gnadenloses Dauerwummern, dem man nur entkommen kann, wenn man nicht an Bord ist. Die Ohrstöpsel helfen zwar etwas, das Wummern abzumildern, aber die kann man auch nicht dauernd tragen. Nach einigen Stunden bekommt man davon dann auch einen Dröhnekopf. Keine Frage, wir müssen hier weg. Noch einen Tag oder gar noch eine Nacht gehen überhaupt nicht. Aber das Wetter ist gegen uns. Die Wellen, über die wir uns gestern noch so gefreut haben, sind heute unsere Gefängnismauern. Hinten im Fischereihafen liegen wir total geschützt. Absolut nichts ist von den Wellen zu spüren, die laut Vorhersage draußen immer noch sind. Die mittlere Wellenhöhe soll heute morgen immer noch zwischen 3,5 und 4 m liegen. Der Franzose vor uns bricht auf. Der hat wie ich in der letzten Nacht kein Auge zugekriegt. Ich hab ihn einige Male an Deck gesehen, wie er ungläubig und zornig zu den Trawlern herübergesehen hat.
Uff, aber 3,5 bis 4 m sind echt viel, auch wenn die Frequenz bei 10 sec liegen soll. Immerhin ist dass ja auch nur die mittlere Wellenhöhe, d.h., dass sich zwischendrin immer noch einige größere Sets finden, die vielleicht nicht ganz die 6 erreichen, aber sicher noch deutlich in den 5 m liegen. Ich denke kurz an PE, den schwedischen Segler, und seine Frage: “Brechen sie sich? Siehst du was Weißes?” Wenn es irgend geht, werden wir heute in jedem Fall fahren. Ich habe allen Ernstes sogar schon über ein Hotel nachgedacht, nur um einfach mal zu schlafen und dem Wummern zu entgehen.
Der Franzose legt von der Tanke ab. Hier hinten ist alles ruhig. Aber ich will lieber erst einmal gucken, bevor es an der Einfahrt eine böse Überraschung gibt. Soviel Vernunft muss trotz allen Frusts noch sein. Als ich mit dem Klapprad um die Ecke zum Vorhafen biege, sehe ich, wie sich in der Einfahrt gerade eine Welle bricht. Upps, so etwas sollten wir vermeiden. Der Franzose ist schon durch. Er hat wohl Glück gehabt. Von der Mole aus beobachte ich die einlaufenden Wellen und den sich entfernenden Franzosen. Oft ist von ihm nur noch die oberste Mastspitze zu sehen. Nun ja, alle Fischer sind ja auch noch drin, die wissen sicher warum. Nach Spaß sieht das da draußen nicht aus. Und der Wind ist schwach, der Motor muss solche Bedingungen auch erst mal über Stunden packen.
So schwer es mir fällt und so sehr ich nur noch weg will, das geht noch nicht. Wir müssen warten. Je nachdem, wie die Wellen einlaufen, kommt es immer wieder zu Brechern in der Einfahrt. So lange das so ist, fahren wir nicht. Da muss man Glück haben, heile durchzukommen, denn selbst von der Mole aus ist es wirklich schwer abzuschätzen, ob sich einer der Burschen bricht oder nicht. Wir planen unser Glück lieber nie von vornherein ein. Das sparen wir uns lieber für die Momente auf, in denen man unvorhergesehen wirklich mal Glück braucht.
Also warten. Bis Mittag soll sich die mittlere Wellenhöhe auf 2,7 m reduzieren. Für die 25 sm nach Peniche würde »mittags« noch reichen, um noch im Hellen anzukommen. So bereiten wir erst einmal alles vor und fahren gegen 12:00 mit den Rädern noch mal zur Mole und gucken. Es ist ruhiger geworden, obwohl »ruhig« vielleicht nicht der richtige Ausdruck ist. Die Wellen schäumen nur noch kräftig um die Molen herum, aber die Mitte ist frei von Brechern, auch wenn es dort nicht gerade schmusig ist. Normalerweise fahren wir bei solchen Bedingungen nicht raus, zumal der Wind aus Südwest kommt und wir absehbar die ganze Strecke motoren müssen. Auch wenn das alles andere als angenehm wird, der Trip nach Peniche birgt unseres Erachtens nach für uns und die PINCOYA kein absehbares Risiko mehr. Sie hat uns schon durch Schlimmeres gebracht, also los.
Wir verabschieden uns von Dody und freuen uns auf nächstes Jahr, denn wir haben ja inzwischen fest vor, die Küste Portugals noch einmal zu machen, aber dann auch etwas früher im Jahr. Für nächstes Jahr werden wir versuchen, einen ordentlichen Platz in der nördlichen Marina zu reservieren, um nicht wieder nach Süden ausweichen zu müssen.
Dann geht’s los. Im Vorhafen peilen wir die Lage. Von der PINCOYA sehen die Wellen in der Einfahrt höher aus als von der Mole. Aber es sind keine Brecher in Sicht. Also Vollgas, beschleunigen und durch. Wow, unsere dicke Erna wird von den ersten Wellen erfasst, geht aber smooth durch. In der Ausfahrt des Rio Douro war es schlimmer. Hier sind die Wellen zwar höher, aber auch weiter auseinander.
Draußen bekommen wir einen Vorgeschmack, wie es nun für wenigstens 4 oder 5 Stunden sein wird. Nichts für sensible Mägen, Gott sei Dank sind unsere nun langsam seefest geworden. Zu Beginn der Saison wäre das keine 5 Minuten gut gegangen. – Mal Sonne, mal Wolken. Ohne Sonne ist es kalt und alles sieht irgendwie garstiger aus als mit. Unter 2.000 Umdrehungen brauchen wir es mit dem Motor gar nicht erst versuchen. Dann nehmen uns die Wellen die Fahrt. Unser alter Volvo Penta gibt Stunde um Stunde alles. Der portugiesische Riesenslalom um all die Fischerfähnchen herum ist heute noch blöder als sonst. Richtig schwierig!!! Die Wellen haben noch so um die 3 m und da sieht man die Fähnchen eh nur in den Momenten, wenn wir und auch das Fähnchen gerade mal gleichzeitig auf einem Wellenkamm sind oder wenn es dann plötzlich direkt vor der Nase auftaucht. Zwischen den normalen Wellen tummeln sich immer wieder richtig große Sets, die weit mehr als 3 m haben. Die Frequenz der Wellen liegt aber bei 10 bis 12 Sekunden und die dicken Dinger kann man vorher schon recht gut sehen. Wirklich schwierig sind nur die Fähnchen.
Stunde um Stunde schieben wir uns gegen einen schwachen Wind durch die Wellen. Uns geht es dabei erstaunlich gut und Astrid gibt eine Runde Knabberkram aus. Auch mit den dicken Regenwolken haben wir Glück, die drohen zwar herüber, verschonen uns aber. Die Einfahrt nach Sāo Martinho do Porto, dort, wo wir vorgestern mit Dody schon mal waren und wo wir eigentlich noch rein wollten, sehen wir uns lieber nur im Fernglas an. Das ist auch so eine Sache für nächstes Jahr, aber dann müssen wir früher hier sein, wenn es noch etwas schmusiger ist. Am Cabo Carvoeiro bei Peniche werden die Wellen chaotisch. Die mehr oder weniger einheitliche Richtung aus Westnordwest löst sich auf und ein kurzer Affentanz beginnt. Am Cabo selbst brechen sich die Wellen eindrucksvoll an der Steilküste und manchmal sieht es so aus, als ob die Gischt bis zu Abbruchkante hinaufschießt. Wir machen lieber einen weiten und sehr respektvollen Bogen.
Peniche erwartet uns dann aber doch noch mit einem gepflegten Anlegeregen. Kurz bevor wir um die Mole biegen, beginnt es zu regnen. Die innere Mole vor dem klitzekleinen Yachthafen ist ordentlich verlängert worden. Sie reicht jetzt bestimmt 4 oder 5 mal weiter in das innere Hafenbecken hinein und gibt der Seite des Yachthafens einen guten Schutz. Leider ist der Yachthafen aber kein echter Yachthafen. Man kann nur außen an einem Schwimmsteg liegen, der vielleicht 7 Yachten in der Größe der PINCOYA aufnehmen kann. Mehr gibt es nicht. Allerdings ist die Hälfte dieses Schwimmsteges schon von Dauerliegern belegt, deren Yachten und Rümpfe danach aussehen, dass sie die letzten 2 Jahre bestimmt nicht mehr bewegt wurden. Uns bleibt nur als zweite ins Päckchen zu gehen. Wir nehmen dazu eine Yacht aus Dublin, die »unbelebt« scheint, um niemand zu belästigen und auch selbst unsere Ruhe zu haben. Vielleicht ist die nagelneue innere Mole ja der Beginn einer Erweiterung der Marina. Zu wünschen wäre das, denn Peniche sieht vom Hafen aus nett aus und liegt auch so günstig auf dem Weg nach Lissabon, dass sich eine Erweiterung sicher lohnen und auch rechnen würde.
Und dann Motor aus und RUHE! Eine unglaublich Ruhe breitet sich aus. Kein Wummern mehr, nur der Regen klopft noch auf das Deck. Zu einer der letzten Dosensuppen aus Deutschland gibt ein Bockwürstchen und ein Bier. Und um 20:00 fallen dem Schiffsjungen für 13 Stunden die Augen zu. Was für eine Wohltat!
Peniche
39° 21′ 08,8″ N, 009° 22′ 37,4″ W