Kurs Süd


Lisboa – Marina Parque das Nações -> via Sesimbra [A] -> Sagres [A] Distanz: 130,7 sm Gesamtdistanz: 900,7 sm

„von Lisboa - Marina Parque das Nações -> via Sesimbra [A]  -> nach Sagres [A]“

„von Lisboa – Marina Parque das Nações -> via Sesimbra [A] -> nach Sagres [A]“

Die Parque das Nações Marina besteht ja nicht von ungefähr beim ersten Einlaufen darauf, dass ein Guide rauskommt und einen reinführt. Der Tejo und die Gezeiten lassen es vor der versandeten Einfahrt ziemlich strömen. Am 14.10. gibt es für uns nur das Mittagshochwasser gegen 14:00, um auszulaufen. D.h. aber auch, dass wir erst frühestens um 12:00 starten können. Früher macht auch wenig Sinn, denn in dem Tejo setzt ein ganz ansehnlicher Tidenstrom.
So packen wir morgens erst einmal wieder die Räder ein und gehen noch einmal zu Fuß zum Einkaufen. Für die Reparatur des Platten fehlt uns die Muße. In der Algarve wollen wir wieder maximal ankern, deswegen brauchen wir etwas Vorrat. Trotz all der Vorbereitungen sind wir dann aber doch schon um 11:00 fertig. Fertig zu sein und warten zu müssen ist blöd, besonders wenn man weiß, dass man noch wenigsten 40, wenn nicht gar 120 Seemeilen vor sich hat.


Sesimbra, Sinses oder durch bis unten… Wer weiß?

Auf unserem Weg in die Algarve gibt es noch zwei Häfen, die wir anlaufen könnten. Neben Sesimbra und Sines könnten wir zwar auch noch bei Setubal rein, aber das passt für uns bei den aktuellen Wetteraussichten nicht mehr so richtig. Am nördlichen Ende der Halbinsel bei Setubal gibt es die Marina Tróia, aber auch hinter der Halbinsel selbst soll man toll und sehr geschützt ankern können. Wir haben schon eine ganze Weile überlegt, ob wir die Südwindphase, die uns das Tief, das sich gerade auf dem Atlantik bereit macht, um über uns herzufallen, dort abwettern und abwarten sollen. Aber vielleicht wirkt unser Pech aus dem letzten Jahr in Gijón doch noch etwas nach, wir wollen dieses Jahr wirklich unser Ziel erreichen und uns nicht wieder irgendwo festnageln lassen. Aber auch die Aussicht, noch 5 Wochen in der Algarve zu haben, bis wir dann über Weihnachten zurückfliegen, ist bestechend.

Also brechen wir um 12:30 mit dem Ziel »Algarve« auf und haben nur Sesimbra und Sines als eventuelle Stopps im Kopf. Vor der Ausfahrt aus der Marina haben wir etwas Respekt. Gestern haben wir uns die Verwirbelungen vor den Schleusentoren noch einmal angesehen. Zwei Stunden vor Hochwasser wird es dort auch noch ganz hübsch strömen, auch wenn hier das auflaufende Hochwasser schwächer als das ablaufende ist. Der Wind kommt mit 13 Knoten von achtern, hat aber immer mal wieder einige lustige 20er Böen dabei. Zum Ablegen gibt es nicht viel Platz. Hinter unserer Box ist alles total versandet und der nächste Steg fällt bei Niedrigwasser sogar schon total trocken. Wenn man ablegen möchte und dafür die Böen abwarten will, dann gibt es plötzlich nur noch Böen und kein einziges von diesen Windlöchern mehr, die es noch bis zu dem Zeitpunkt gab, als der Motor noch nicht lief und man die Leinen noch nicht in der Hand hatte. Was eben noch eine Bö mit 18 Knoten war, wird nun zum Standard. Da wir keinen Nachbarn haben, können wir uns schon in der Box etwas schräg ziehen. Viel Platz zu dem trocken fallenden Modder hinter uns ist ja nicht, aber es klappt gut und der nächste Drücker erwischt uns erst wieder in der Gasse vor den Stegen.

„Ausfahrt aus der Marina Parque das Nações“

„Ausfahrt aus der Marina Parque das Nações“

Aus dem Hafen fahren wir genau auf dem Track, auf dem wir auch reingekommen sind. Aber dann haben wir im Tejo auch gleich schon wieder genügend Wasser unter dem Kiel, um in Ruhe alles zu verstauen. Obwohl man ja weiß, dass Wind gegen Strom Wellen macht, ist es doch erstaunlich, wie gut das sogar auf eigentlich geschützten Flußläufen bei ablandigem Wind klappt. Der Strom läuft noch mit 2 Knoten gegen uns, wobei nun von achtern Böen mit knapp über 20 Knoten einfallen. Das lässt uns selbst bei dem Gegenstrom gut vorankommen, ist aber auch recht unruhig und wellig. Hinter der »Brücke des 25. April« binden wir das erste Reff ins Groß und holen die Backstagen für die Starkwindfock nach hinten. Die ersten 24er Drücker lassen auf eine starkwindige Fahrt schließen. Erst merken wir es gar nicht, aber plötzlich sind die Wellen weg. Wie ausgeschaltet, einfach weg. Der Strom ist gekentert. Wir haben zwar noch kein wirklich ablaufendes Wasser, was uns mitnimmt, aber ohne 2 Knoten Gegenstrom klettert unsere Geschwindigkeit über Grund schon mal auf Werte, die Freude machen.

„Der Containerhafen gleich neben der Brücke des 25. April“

„Der Containerhafen gleich neben der Brücke des 25. April“

Der Tejo und auch seine Mündung sind richtig weitläufig. Von der Marina bis zur ersten Grünen, an der wir nach Süden zum Cabo Espichel abbiegen können, sind es fast 12 Seemeilen. Langsam dreht der Wind etwas von Nord auf Nordwest und wird vor allem steter. Woher auf dem Tejo immer wieder diese starken Drücker gekommen sind, ist uns nicht ganz klar. Rings um Lissabon gibt es keine Berge, die für irgendwelche Fallwinde taugen würden.

„Stadtpanorama Lissabon auf dem Rückweg“

„Stadtpanorama Lissabon auf dem Rückweg“

„Blick auf den Praça do Comércio“

„Blick auf den Praça do Comércio“

„Das MAAT Museum hinter der Brücke des 25. April.“

„Das MAAT Museum hinter der Brücke des 25. April.“

„Oben das Gebäude der Fundação Champalimaud und unten das Forte de São Lourenço da Cabeça Seca bzw. der Farol do Bugio, ab dem uns unser Weg nach Süden führt“

„Oben das Gebäude der Fundação Champalimaud und unten das Forte de São Lourenço da Cabeça Seca bzw. der Farol do Bugio, ab dem uns unser Weg nach Süden führt“

Mit einmal gerefften Groß und etwas eingedrehter Genua sausen wir dem Cabo entgegen. Es geht genau nach Süden, da passt der Nordnordwest ganz gut. Je mehr wir ins freie Wasser kommen, desto höher werden allerdings auch die Wellen. Leider haben die Wellen so gar nichts von einem langen, ruhigen Atlantikschwell. Sie erinnern uns eher an die Nord- und Ostsee. Und diese Erinnerung wird noch ganz wunderbar von den Temperaturen unterstützt. Über dem 16° kalten Atlantikwasser ist der Wind eher kühl und wird in der Nacht bestimmt auch noch schnell richtig kalt werden. Solange die Sonne scheint, geht es, aber bei einem Südkurs auf der Nordhalbkugel ist das mit der Sonneneinstrahlung im Cockpit auch nicht so doll, besonders wenn der Tag schon langsam zu Ende geht.

„Gemütlich, aber schnell dem Cabo Espichel entgegen“

„Gemütlich, aber schnell dem Cabo Espichel entgegen“

Uns bleiben noch 2 Nächte und ein Tag, um segelnd die Algarve zu erreichen. Eine von den beiden Nächten brauchen wir dazu aber nicht. Die sich ankündigende Kälte der Nacht macht uns die Entscheidung leicht, heute doch vor Sesimbra den Anker zu werfen. Zu verlockend ist es, das kalte Cockpit gegen die warmen Koje zu tauschen. Also fahren wir am Cabo Espichel eine Q-Wende, denn Halsen trauen wir uns bei dem Wind und der Welle nicht mehr, und gehen auf Kurs Sesimbra.

„Die Steilküste des Cabo Espichel wurde vom Meer überall angefressen, teilweise sind richtige kleine Blowholes entstanden“

„Die Steilküste des Cabo Espichel wurde vom Meer überall angefressen, teilweise sind richtige kleine Blowholes entstanden“

„Die angenagte Steilküste des Cabo Espichel“

„Die angenagte Steilküste des Cabo Espichel“

Auf halber Strecke sehen wir im dunstigen Abendlicht drei Fischtrawler vor der Steilküste mit ihren Netzen hantieren. Wir wollen innen durch, wundern uns aber beim Näherkommen, dass jeder der Trawler ein Beiboot im Wasser hat. Die Wellen haben zwar hinter dem Cabo etwas abgenommen, aber so richtig ruhig ist es eben immer noch nicht. Es braucht eine Weile, bis wir im Fernglas erkennen, dass die drei Trawler zusammen ein riesiges Thunfischnetz ausbreiten und irgendwie ziehen. Schwach erkennen wir nun auch die gelben Schwimmer an der Wasseroberfläche. Die kleinen Beiboote ziehen ihrerseits an irgendwelchen Strippen das Netz in die Breite. Uns ist der Weg versperrt. Man gut, dass es noch nicht dunkel ist und wir unsere erste Begegnung mit solchen Netzen und Trawlern, von denen wir bisher nur gelesen haben, noch im Hellen haben. So schlagen wir einen Haken und fahren in einem respektvollen Bogen südlich um das Geschehen herum.

„Thunfischnetz voraus“

„Thunfischnetz voraus“

Pünktlich zum Sonnenuntergang lassen wir den Anker vor dem Strand von Sesimbra fallen. Morgen werden wir die Nacht durchfahren müssen, aber jetzt freuen wir uns auf eine herrlich warme und kuschelige Nacht.

„Sundowner vor Sesimbra“

„Sundowner vor Sesimbra“

„Sesimbra bei Nacht“

„Sesimbra bei Nacht“


weiter in Richtung Sagres

Um kurz nach sieben wache ich auf und sehe gerade noch, wie der Katamaran neben uns Anker auf geht. Es dämmert, von der Sonne ist noch nicht viel zu sehen. Nicht nur das Atlantikwasser ist kalt, auch der Nordwind hat Grüße von der herbstlichen Nordsee dabei. Ein guter Zeitpunkt, um mal einen Testlauf mit der Heizung zu machen.
Erst der Kaffeeduft lockt dann auch die Capitana aus den Federn. Eigentlich sind wir zu spät dran, denn der Wind soll am Vormittag nördlich von Sines recht schnell abnehmen, bevor er südlich von Sines am Nachmittag wieder etwas zunimmt. Zudem soll es der zunächst letzte Tag mit nennenswertem Nordwind sein, bevor das fette Tief dem Azorenhoch erst einmal den Hals umdreht. Das Tief, das dann unser Azorenhoch auf dem Gewissen hat, wirbelt allerdings erst einmal noch etwas auf dem Atlantik herum, bevor es dann zu uns kommt. In der Zwischenzeit ist es »irgendwie«. Irgendwie zu wenig, irgendwie aus der falschen Richtung oder irgendwie zu unstet, um längere Strecken zu segeln. Unsere Planungen richten sich im Augenblick wieder mehr nach einem »segelbarem Wind«, zu rar waren bisher die Tage, die uns ein einfaches Segeln beschert haben. Deswegen stellt sich auch gar nicht die Frage, ob wir Sines anfahren oder nicht. Wenn wir es segelnd in die Algarve schaffen wollen, dann heute und in der kommenden Nacht. Es warten immerhin noch rund 100 Seemeilen auf uns.

„Es geht weiter, die Sonne kommt auf der anderen Seite wieder.“

„Es geht weiter, die Sonne kommt auf der anderen Seite wieder.“

Um Sesimbra tut es uns etwas leid. Gerne hätten wir hier etwas mehr Zeit verbracht. Auch wenn Portugal aus deutscher Sicht total weit im Süden liegt, auch hier wird es herbstlich.
Tagsüber und in der Sonne ist es sommerlich warm, echtes T-Shirt und Kurze-Hosen-Wetter, aber die Nächte am Atlantik sind inzwischen empfindlich kühl und segeltechnisch wird es auch langsam immer etwas rauer. Solange aber das raue Segelwetter mit einem ist und nicht zu rau wird, passt das schon. Dreht es sich aber um, geht schnell nichts mehr. Insgesamt haben unser später Start und unsere wunderbar lange Zeit in den Rias auch dazu geführt, dass wir für Portugal »etwas spät dran sind«. Nicht dass Portugal im Herbst und Spätherbst nicht mehr machbar ist, aber insgesamt entspannter wäre es schon, wenn man mit Portugal früher beginnt. So haben wir uns für unsere nächste Runde auch fest vorgenommen, nicht erst Mitte September aus den Rias nach Süden aufzubrechen.


Da es noch recht kräftig aus Norden weht, gehen wir schnell Anker auf. Unser Kurs heute ist einfach. Gute 90 Seemeilen geradeaus nach Süden, dann am Cabo de São Vicente links blinken und zack ums Eck. Leider nimmt der Nordwind aber doch recht schnell ab. Neun bis zehn Knoten von achtern sind für unsere dicke Erna in diesen Wellen unter normaler Beseglung dann doch etwas zu wenig. Wir versuchen vor dem Wind zu kreuzen, um das Groß und die Genua vernünftig stehen zu lassen, haben damit aber auch nur mäßigen Erfolg. Wie gestern frischt es zwar immer mal wieder kräftig auf, doch immer nur kurz, und das reicht eben nicht, um uns 90 Seemeilen voranzubringen.

„Erst ist es noch ruhig ….“

„Erst ist es noch ruhig ….“

Also beschließen wir, wieder den Parasailor zu ziehen. Die Wellen sind unschön und machen das Setzen zu einem zirkusreifen Eiertanz. Es dauert, bis wir bei dem Gerolle und Gegeige alles klar haben. Die Vorschiffsarbeit ist nicht ganz ohne, denn in den ungünstigsten Momenten fallen immer wieder die hässlichsten Wellen in ansehnlicher Höhe über uns her. Das Setzen eines Spis oder Parasailors ist ja ohnehin schon so ein Getüddel, aber wenn man sich ständig festklammern und verkeilen muss, dann macht das die Sache nicht wirklich entspannter. Doch die Capitana passt gut auf ihren Schiffsjungen auf und ruft immer kurz vorher “Wäääälllääääähhh!”
Irgendwann ist es dann aber doch geschafft und wir ziehen die Socke hoch. Erst zappelt er noch etwas bei dem Geschlacker in den Wellen, aber dann steht er und schon fahren wir nicht mehr 3, sondern 5 Knoten.

Eigentlich läuft es gut, aber am Ende fehlt uns vielleicht doch die eine Morgenstunde, die wir ungenutzt haben verstreichen lassen, um uns noch rechtzeitig weit genug vom Cabo Espichel und Sesimbra zu lösen. Als der Wind noch etwas abnimmt, versuchen wir unser Glück etwas weiter draußen. Alle Windkarten sind sich einig, »je draußen, desto Wind«. Auch wenn es zunächst nicht viel ist, aber etwas ist besser als zu wenig. Wir müssen nicht weit raus, vielleicht ist es eine Seemeile, aber die bringt’s. Plötzlich haben wir wieder knapp 10 Knoten Wind in den Segeln, das ist zugegeben auch noch nicht der Brüller, aber es fährt nun wieder mit guten 5 Knoten. Wenn wir die halbwegs halten können, werden wir so gegen 3:00 hinter dem Cabo den Anker fallen lassen können.

Als wir Sines querab haben, passieren dann zwei Dinge fast gleichzeitig. Aus den 10 Knoten werden 13 und die Wellen werden unversehens länger und ruhiger. So gefällt das auch dem Parasailor und wir sehen das erste Mal die 7 Knoten auf der Logge. Allerdings wissen wir in diesem Moment noch nicht, dass die 7 ganz bald eher die untere als die obere Geschwindigkeitsmarke sein wird. Langsam frischt es immer mehr auf und genauso allmählich werden aus den ruhigen langen Wellen auch wieder die kurzen ruppigen Wellen. Die PINCOYA beginnt zu rennen. Aus den 7 Knoten werden 8. Der Wind pendelt sich zwischen 15 und 18 Knoten ein. Die Wellen sind hoch, kurz und steil und ein ums andere Mal surfen wir mit mehr als 9 Knoten eine von diesem Burschen herunter. Wir beginnen wieder durch die Wellen zu fliegen. Der Autopilot macht seinen Job hervorragend. Nicht einmal haben wir auch nur die kleinste Befürchtung, dass er es nicht hinbekommt. In den Böen rauscht es um uns herum nur so. Der Ritt von Peniche nach Cascais war ja schon irre, aber dieser hier toppt ihn noch. So dauerhaft und so schnell waren wir wohl noch nie mit der PINCOYA unterwegs.

Der Wind knabbert an den 20 Knoten. Noch immer haben wir den Parasailor oben. Wir werden förmlich nach vorn gerissen. So fliegen wir Stunden um Stunde nur so dahin und fressen eine Seemeile nach der anderen. Hinter uns ist nur noch ein Niederländer auf demselben Kurs. Mit seiner 40er Rassy – so etwas bekommt man sehr schön über Marinetraffic heraus – holte er beständig etwas auf. Inzwischen ist unser Abstand aber wieder von 4 auf 6 Seemeilen gewachsen. Zusammen mit dem Niederländer sind wir die einzigen, die heute nach Süden unterwegs sind.
Wir haben das Groß von gestern im ersten Reff gelassen und nur den Parasailor dazu gesetzt. Wir sind schnell, teilweise sehr schnell. Aber die Wellen sind es auch. Inzwischen kommt es zu den ersten Brechern und natürlich überlegen wir, ob das nicht doch alles etwas viel ist. Wir beobachten das Geschehen um uns herum. Unser dicke Erna ist gutmütig und verdaut auch die größeren Wellensets problemlos. Dabei scheint ihr unsere hohe Geschwindigkeit eher zu helfen als Probleme zu machen. Insgesamt finden wir die Wellen eher »ostseemäßig« kurz und steil, aber ganz bestimmt nicht atlantikmäßig lang und ruhig, so wie wir das bisher auch schon kennengelernt haben.

Gegen 17:30 lassen wir es dann aber doch gut sein und holen den Parasailor nach 7 Stunden Rauschefahrt wieder ein. Abgesehen von ein paar blauen Flecken geht das auch bei rund 18 Knoten Wind recht gut. Weiter geht’s dann mit halber Genua und Groß im ersten Reff. Kurz darauf haben wir beständige 22 Knoten Wind. Die Wellen werden etwas übermütig und eine guckt von der Seite über das Sülbord zu Astrid ins Cockpit hinein. Die Burschen sind inzwischen so steil und kurz, dass sie immer brechen, obwohl sie mit vielleicht 2,5 oder 3 Metern gar nicht so hoch sind. Das am Heck hochgeklappte Gummiboot macht ein gutes Gefühl. Einige der Burschen schäumen auf unsere Badeplattform. Das hört sich immer sehr bedrohlich an. Etwas später sehen wir dann auch die 10 Knoten beim Surfen und drehen die Genua weg. Genug ist genug, wir wollen es nicht zu sehr herausfordern. Nur unter Groß können wir nun platt vorm Laken das Cabo de São Vicente direkt anhalten. So läuft die PINCOYA wie auf Schienen. Kein Schlagen des Vorsegels, nur noch Rauschefahrt, egal wie sehr die Wellen uns geigen lassen. 10 Seemeilen vor dem Cabo weht es beständig mit 22 Knoten und die Böen haben bis zu 27 Knoten dabei. Das angekündigte Abnehmen des Windes nach Sonnenuntergang lässt auf sich warten.

„… und dann machen wir nur noch dieses Abendphoto.“

„… und dann machen wir nur noch dieses Abendphoto.“

Es wird dunkel und um uns herum leuchten die Schaumkronen der Brecher. Wir haben wieder Meeresleuchten. Nicht so intensiv, wie damals in den Rias, aber ausreichend, um die Schaumkronen der Brecher leuchten zu lassen. Die PINCOYA zaubert nun in ihrer Rauschefahrt einen irren Komentenstreifen in ihr Kielwasser. Das ist immer wieder faszinierend und atemberaubend. Neben dem sagenhaften Sternenhimmel ist Meeresleuchten wohl das Berauschendste, was eine Nachtfahrt zu bieten hat.
Wir sausen nur so dahin und mögen gar nicht daran denken, wie viele Fischerfähnchen und Lobster-Pot-Bojen wir einfach nur so überbügeln. Die sich brechenden Wellen hören sich in der Tat bedrohlich an, aber nur drei von ihnen hauen uns wirklich in die Seite. Am Cabo sind die Wellen noch etwas chaotischer und der Wind legt durch den Kap-Effekt noch etwas zu. Aus unserem Vorwindkurs wird nun langsam ein raumer und dann ein Halbwindkurs. Zwei Fischer sind südlich vor dem Cabo de São Vicente unterwegs, aber Gott sei Dank nicht wieder mit so einer Thunfischnetz-Nummer wie gestern. Wir ziehen die Starkwindfock bei 23 Knoten und gehen so hoch ran, dass wir den Fischern innen ausweichen können. Was ist das Radar nur für ein Segen in der Nacht. Nicht im Mindesten können wir die Entfernungen zu den Fischern richtig abschätzen. Die tauchen mit ihren Positionslichtern in den Wellen immer nur mal kurz auf. Was war ich noch vor unserem diesjährigen Törn für ein Radar-Muffel, aber nun muss ich sagen, wie hätten wir es sonst in all dem Nebel und auf den Ankerplätzen und jetzt auch in der Nacht überhaupt schaffen sollen? Und wer irgendwann mal gehört hat, dass die Berufsschifffahrt ja AIS haben muss, der sollte das lieber nicht allzu ernst nehmen.
So donnern wir ums Cabo de São Vicente, innen an den Fischern vorbei und ab in die Bucht vor Sagres direkt vor den Praia da Mareta.

Die PINCOYA ist ja nun wirklich kein Racer, sondern eher ein etwas übergewichtiger Wohnwagen. Aber nach 15 1/2 Stunden und 93 Seemeilen fällt um 23:30 unser Anker. Lässt man mal die halbe Stunde für die Ankermanöver weg, dann ist das ein Schnitt von 6,2 Knoten. Und wenn man dann noch bedenkt, wie langsam die ersten Stunden waren, dann kann man sich vorstellen, wie brutal wir 2/3 der Strecken durchgerauscht sind. Das war ein Hammertrip, anders können wir es nicht sagen. Und das bei einem Segelschnitt von 99,1 %. Das war auch mal wieder bitter nötig, denn unser Segelschnitt in diesem Jahr ist mit 72,1% so schlecht wie noch nie in einer Saison.
Wir sitzen noch etwas im Cockpit und lassen unsere Gedanken noch einmal zurück in die letzten 12 Stunden rauschen. Was war das wieder für ein Tag? Und nun sind wir tatsächlich schon in der Algarve und unser Winterquartier liegt nur noch 25 Seemeilen östlich von uns. Wir haben unser diesjähriges Ziel fast erreicht, haben aber nun noch 5 Wochen »Urlaub«.


Stationen:

Sesimbra [A]
38° 26′ 27,8″ N, 009° 06′ 12,9″ W

Sagres [A]
37° 00′ 07,5″ N, 008° 56′ 24,6″ W