Nach 1.156,5 Seemeilen


Und dann geht’s ab in die Marina Portimão.

„Der wirklich letzte Schlag in 2020.“

„Der wirklich letzte Schlag in 2020.“

„Die letzten Meter….“

„Die letzten Meter….“

Gleich noch am Dienstag nehmen wir die Vorsegel runter. Das ist auch gut so, denn es ist unser letzter echter Sonnentag. Zum Nachmittag ziehen zwar einige Wolken auf, aber es bleibt ruhig und vor allem trocken. So können wir auch noch schnell einen ganz speziellen Hochseilakt wagen. Denn von den Verschraubungen der Vorstagschiene unserer Genuarollreffanlage haben wir eine Schraube auf unserem Bugspriet gefunden. Das allein ist schon ungewöhnlich genug, denn die Schraube hat sich in etwa 10m Höhe aus der zweitobersten Verschraubung der Schienenteile gelöst, ist just auf den Bugspriet gefallen und hat dann dort auch noch so lange in einer Ritze zwischen den Holzplanken auf uns gewartet, bis wir sie endlich gefunden haben.

„Mal abhängen...“

„Mal abhängen…“

Nun haben wir ja Maststufen, aber in diesem Fall helfen uns die Stufen nur wenig weiter, denn wir müssen die Schraube ja wieder in die Vorstagschiene schrauben. Und das geht eben nur, wenn der Schiffsjunge vorn am Vorstag ist und nicht hinten am Mast. Also klettere ich bis ganz in den Masttop, knote mich an das Spifall und hangele mich um den Mast und die Wanten herum nach vorn. Dort hänge ich mich mit einem Lifebelt am Vorstag ein und die Capitana lässt mich Stückchen für Stückchen am Vorstag herunter. Es ist ein wirklich »neues« Gefühl, sich vom Mast zu lösen und am Vorstag frei fliegend heruntergelassen zu werden. Eine solche Aktion haben wir beide noch nie gemacht, aber die Capitana passt gut auf ihren Schiffsjungen auf und lässt ihn langsam und vorsichtig am Vorstag herunterrutschen. Aber auch unser inneres Vorstag für die Starkwindfock erweist sich als prima Helfer und gibt zusätzlichen Halt, so dass der Schiffsjunge nicht ganz so unkontrolliert herumschaukelt.

„Und jeder Tag ist ein Waschtag!“

„Und jeder Tag ist ein Waschtag!“

Bis zum Samstagabend vergehen die Tage wie im Flug. Unsere Liste ist lang und wir vertagen sogar einige Punkte auf das Frühjahr. Unsere Saison war eigentlich nicht wirklich lang, es waren nur 5 Monate, aber es war eine intensive Segelsaison, in der wir einiges auch mal gerne haben liegen lassen.

Und auch unsere Tauchaktion können wir tatsächlich noch am Samstag mit der ganzen Kraft des Landstroms durchführen. Unser Hookah-Kompressor läuft mit dem Landstrom einwandfrei, da war also hinter Culatra definitiv unser Inverter der Schwachpunkt. Man weiß es in solchen Situationen ja nie so genau, auch wenn man eine starke Vermutung hat. Und so sind wir froh, dass nun alles so funktioniert, wie wir es uns ausgedacht haben und »nur« der Inverter das Problem ist.

„Der Gluckertaucher! Na Harald, erinnerst du dich?“

„Der Gluckertaucher! Na Harald, erinnerst du dich?“

Allerdings hat der Starkwind vom Mittwoch das Wasser ziemlich trübe gemacht und da wir ja nun alles sind, aber keine Tauchprofis, lassen wir die Tauchaktion am Donnerstag mal schön sein. Denn unter Wasser kann der Schiffsjunge noch nicht einmal seine Fingerspitzen am ausgestreckten Arm sehen, geschweige denn auch nur erahnen, wo sich der Saildrive unter der PINCOYA versteckt hält. So ganz ohne Orientierung ist das bei null Taucherfahrung schon ziemlich blöde. Am Freitag ist es dann zwar besser, aber immer noch nicht gut genug, um bei dem Schiffsjungen für ein ausreichendes Wohlfühlgefühl zu sorgen. Aber am Samstag geht es und was sollen wir sagen, als Erstes müssen wir einige Netzreste aus dem Propeller schneiden. Nicht viel, aber immerhin ein Knäul Nylonnetz. Wenn man an der spanischen und portugiesischen Küste unterwegs ist, muss man sich wohl auf solche Überraschungen einstellen. Wahrscheinlich muss man hier so etwas auch einfach mit einkalkulieren und ab und zu runter und den Kram wegschneiden. Wir sind heilfroh, nun so einen Tauchkompressor an Bord zu haben, denn wir haben absolut keine Idee, wie man ein Netz oder einen Tampen ganz ohne Luftversorgung aus der Schraube schneiden kann. Und für die Offshore-Stromversorgung haben wir auch schon eine Idee und die heißt Honda EU 22i.
Und eigentlich wollten wir ja die Opferanoden tauschen, aber die sehen noch so gut aus, dass wir sie erst im Frühjahr tauschen müssen. Leider »verschlingt« unser dreiflügliger Klapppropeller geradezu seine Opferanoden. Das ist wirklich ärgerlich, denn die Teile, die dafür vorgesehen sind, sind klein und halten gerade mal eine Saison. Nun ist es ja grundsätzlich gut, wenn eine Opferanode sich opfert, aber es ist wirklich ärgerlich, wenn man spätestens nach 9 Monaten die Dinger erneuern muss. Und da wir nicht vorhaben, uns alle 9 Monate hochheben zu lassen, was ja auch immer mit wenigstens 200 € zu Buche schlägt, ist das in dem Hookah-Kompressor und dem Generator angelegte Geld gutes Geld, was sich schon abgesehen von den anderen Nutzungsmöglichkeiten sehr bald amortisiert. Und da wir nun eine klitzekleine Taucherfahrung gesammelt haben, hat das Tauchen auch etwas von dem Schrecken verloren, den es noch vor drei Tagen für uns hatte. Klar sind wir durch die drei kleinen Tauchgänge keine Profis geworden, aber wenn man mal etwas gemacht hat, bei dem man sich nicht gleich so richtig wohl fühlt, dann sind die nächsten Male doch irgendwie leichter.


Und nun sind wir fertig und alles ist bereit für unseren Rückflug. Mit einem lachenden und einem traurigen Auge beschließen wir unser Segeljahr 2020. Es war ein tolles und ein ungewöhnliches Segeljahr. Und wenn wir heute an all unsere sorgenvollen Gedanken vom Juni zurückdenken, dann sind wir heilfroh, dass uns diese Gedanken nicht davon abgehalten haben, einfach das zu machen, was eben trotz der Pandemie noch ging. Auch wenn wir nicht wie geplant zu den Azoren gekommen sind, hatten wir ein absolut erfülltes Segeljahr, in dem wir nicht nur schön gesegelt sind und maximal geankert haben, sondern auch das Glück hatten, viele wunderbare Menschen kennenzulernen. Und wenn wir nun zurückblicken und überlegen, hat vielleicht gerade die erzwungene Planänderung unser Segeljahr zu dem besonderen Segeljahr werden lassen, dass wir uns für unsere erste Saison nach unserer Kündigung gewünscht haben.

Als die Saison Ende Juni wieder beginnen durfte, waren wirklich nur ganz wenige Fahrtensegler unterwegs. Das änderte sich aber mit der Zeit. Auch wenn die Ankerspots und auch die Häfen weiterhin nicht wirklich überfüllt waren, überall traf sich wieder eine bunte Seglergemeinde aus aller Herren Länder. Im Grunde genommen haben wir in dieser ungewöhnlichen Zeit drei Typen von Seglern getroffen. Die, die für sich keine Möglichkeit sahen, ihre einmal gefassten Pläne zu ändern und immer noch unbedingt in die Karibik und am besten gleich um die Welt wollten. Die, die sich gleich zurückzogen und mit oder ohne ihr Schiff nach Hause wollten. Und die, die einfach das machten, was eben noch ging.

Als wir vor genau einem Jahr von Gijón nach Hannover zurückflogen, hatten wir nicht den Hauch einer Ahnung, was da auf uns zukommt. Und als uns dann im März der Lockdown in Spanien ganz kalt erwischte, waren wir schon recht unsicher, wie das nun alles weitergehen sollte. Aber am Ende hatten wir viel mehr Glück als so manch ein anderer Segler in Übersee, denn immerhin war die PINCOYA ja in Europa. Und auch wenn die Grenzen selbst in Europa zeitweise geschlossen waren, es war absehbar, dass wir als Europäer in Europa bald wieder reisen durften. So war für uns auch sofort klar, dass wir in jedem Fall zunächst in Europa bleiben werden und wir uns unsere nächsten Segelziele eben danach stecken, was gerade geht. Schließlich ist Europa ja auch groß genug, um noch viele Jahre immer wieder neue Ecken zu entdecken. Und – das müssen wir uns inzwischen auch wirklich eingestehen – es gibt auch in Europa Segelreviere, in denen man auch im Winter mit T-Shirt und kurzer Hose unterwegs sein kann, was uns schon ziemlich gut gefällt und auch unseren bisher doch eher »nordischen Blick« auf das Segeln etwas verändert hat. Wir wollen noch nicht sagen, “einmal Süden immer Süden”, aber etwas länger Süden darf es doch schon mal sein.

Und jeder, der unsere Blogs etwas verfolgt hat, weiß, dass das Reisen in Spanien und Portugal trotz C-19 überhaupt kein Problem war. Wir selbst haben uns wahrscheinlich an der ein oder anderen Stelle doch noch etwas mehr eingeschränkt, als dies eigentlich notwendig gewesen wäre. Und selbst in den letzten Wochen, als auch in der Algarve Schritt für Schritt die Restriktionen verschärft wurden, gab es für uns zu keiner Zeit etwas, das uns wirklich eingeschränkt hat. Die Maritima Policia hat regelmäßig ihre Schäfchen in den Ankerbuchten und Marinas gezählt und wenn man nicht an den Tagen von einer Region in die nächste gesegelt ist, an denen dies untersagt war, betraf einen das alles gar nicht. Wobei wir auch sagen müssen, dass wir gar nicht so genau wissen, ob auch die Sportschifffahrt diesen Restriktionen unterworfen war und ist, denn speziell genannt war immer nur der Verkehr auf den öffentlichen Straßen. Doch egal, wir haben uns einfach dran gehalten, denn kilometerlange Strandspaziergänge und das Baden in türkisem Wasser waren eben nicht verboten.

Riesig schade ist die ganze Pandemiesituation aber für all die Restaurants und Bars, die nicht zuletzt zum Großteil von den Gästen leben, die hierher kommen. Im Nachhinein müssen wir sagen, dass wir an dieser Stelle vielleicht auch etwas zu übervorsichtig waren. Nun sind wir ohnehin nicht diejenigen, die kaum im Hafen von Bord springen müssen, um in eine Bar oder in ein Restaurant zu gehen. Wir kochen gerne für uns und sind auch gerne mal einfach für uns allein. Doch im nächsten Jahr werden wir das sicher für uns etwas lockerer angehen, denn schließlich gibt es in der portugiesischen und spanischen Küche noch ganz viel zu probieren.


Unter alle diesen Aspekten war 2020 ein wirklich besonderes Segeljahr. Ein Segeljahr, in dem wir nur wenig Strecke gemacht haben, eher selten mal in einer Marina waren, aber so oft vor Anker gelegen haben wie noch nie. Und es war mal ein Jahr, in dem wir wirklich an einem authentischen Fahrtenseglerleben geschnuppert haben, eben so einem Leben, wie wir es uns immer vorgestellt haben.

Und nun unsere unvermeidliche Statistik:

– Unser Segeljahr 2020 war 1.156,5 Seemeilen lang. Und davon waren wir 803,9 Seemeilen unter Segeln unterwegs, was immerhin noch einen Segelschnitt von 69,5 % ergibt.

– Von unseren 147 Reisetage waren 55 Tage Fahrtage. Das hört sich gewaltiger an, als es am Ende ist, denn gerade in den Rias lagen unsere Tagesetappen oft nur zwischen 5 und 10 sm.

– Und in diesen 147 Reisetagen stehen 49 Hafentage unglaublichen 97 Ankertagen gegenüber. Dabei fällt die eine Nachtfahrt nicht wirklich ins Gewicht.

– Und dann gibt es da noch eine Zahl. Die Zahl 34,9! Obwohl wir in diesem Jahr schon immer gleich und auch wirklich sehr konsequent aussortiert haben, bringen wir nach 147 Reisetagen immer noch 5.132 Photos mit nach Hause. Und das bedeutet eben, dass wir im Schnitt der Reisetage doch noch 34,9 Photos pro Tag behalten haben. Und wer nun sagt, boah, das ist ja gar nichts, der sei beruhigt, denn die 64 Panoramen, die noch ausgewertet und gerechnet werden wollen und ihrerseits immer mit 32 Bilder zu Buche schlagen, sind da noch nicht mitgerechnet.

– Und mal abgesehen von den vielen wunderbaren Reisetagen bleiben uns sicherlich drei Dinge in besonderer Erinnerung:
das Ankern in der Strömung des Rio Douro, die sagenhafte Rauschefahrt von Lissabon in die Algarve und unser Ankermanöver bei 45 kn Wind hinter Culatra, als der Dreimaster uns auf’s Korn genommen hatte.


„Und da liegt sie nun und wartet auf uns.“

„Und da liegt sie nun und wartet auf uns.“

Und nun?
Nach der Segelsaison ist vor der Segelsaison. Bis zu unserem Rückflug am 14. Februar liegen nicht nur Weihnachten und Silvester vor uns, sondern auch eine »Arbeits- und Bestellliste« mit 56 Punkten, unzählige Wiedersehensbesuche und vieles mehr. Da müssen wir aufpassen, dass unser »Winterurlaub in Deutschland« ? nicht zu stressig wird.