Insgesamt 5 Nächte ankern wir hinter der dünenartigen Halbinsel, die den Rio Piedras noch auf einer Länge von fast 5 Seemeilen vom Meer abgrenzt. Es sieht ganz so aus, als ob die lange schmale Halbinsel durch die Sanddrift einfach immer weiter gewachsen ist und dies auch heute noch tut. Die gesamte Halbinsel ist heute ein Naturschutzgebiet, das aber betreten werden darf.
Genau gegenüber von El Rompido liegen noch einige alte Ruinen, ansonsten sind die Dünen vollkommen unbebaut. Auch wenn die Halbinsel und auch der dahinter liegende Flussbereich viel schmaler sind als die Insel Culatra mit ihrer Lagune dahinter, die flache Dünenlandschaft von El Rompido erinnert schon etwas daran. Aber hinter Culatra geht es wesentlich »internationaler« zu. Außer einem Franzosen, einem alten deutschen Katamaran-Selbstbau und uns natürlich, scheint es im Rio Piedras bei El Rompido keinen internationalen Yachttourismus zu geben. Vielleicht liegt das an der Einfahrt, die man ja nun wirklich nicht zu jeder Zeit nehmen kann. Aber vielleicht auch daran, das die großen Transitrouten eben hier nicht entlang führen. Uns soll das recht sein, so liegen wir zwischen der zweiten und dritten Marina die ganzen 5 Tage vollkommen allein.
Nun ja, »vollkommen allein« ist auch nicht ganz richtig, denn der Rio Piedras ist bei den Spaniern schon ziemlich beliebt. Die Festlandseite säumen Ferienwohnungen und Hotels und die Marinas sind auch recht gut belegt. In der Masse aber mit kleineren Angelbooten, denn das Hobby zu Angeln scheinen hier alle Spanier miteinander zu teilen. Größere Fischerboote gibt es in dem Rio Piedras kaum, die haben sich wohl wegen der ständigen Versandungsgefahr der Einfahrt lieber nach Punta Umbria zurückgezogen. Wo die Einfahrt zwar auch versandet, aber dort baggert man wohl mehr.
In dem Rio Piedras liegt man ruhig, wenn man von dem allmorgendlichen und allabendlichen Verkehr der kleinen Angelboote absieht. Am Wochenende ist natürlich auch auf dem Rio Piedras ordentlich was los und auf einigen Motorbooten herrscht auch hier Partystimmung. Auch die obligatorischen Jetskis fehlen natürlich am Wochenende nicht, auch darin unterscheidet sich der Rio Piedras kaum von Culatra, wobei es hinter Culatra im Sommer deutlich heftiger zugeht. Aber wenn man über die schmale Landzunge auf die Seeseite geht, entkommt man wie auf Culatra auch hier dem ganzen Rummel.
Aber so schön es hier auch ist, es ist kalt. Unglaublich, aber wahr! Etwas fassungslos schauen wir auf unser Badeentchen, das hier nun mal die Lufttemperatur messen musst. Morgens 13°, was sich unter den Wolken bis zum Nachmittag auf etwas über 20° steigert. Die Luft ist morgens 10° kälter als das Wasser! Und das in Andalusien, das ja doch mit zu Europas südlichsten Zipfeln zählt! Und zu allem Überfluss hat es an diesem Wochenende in Deutschland auch noch rekordverdächtige 35°, während wir 2.200 Kilometer weiter südlich im Juni mit den Zähnen klappern!!! Letztes Jahr im November war es an der Algarve wärmer. Es ist schon wirklich verrückt.
Wenn die Häuser hinter uns nicht so »spanisch« aussehen würden, könnten wir auch bei Rügen oder irgendwo in der dänischen Südsee ankern. Das Wetter würde dann wenigstens besser passen. Und die verkehrte Welt zeigt ihren ganzen Irrsinn, wenn man aus dem kalten Wind mit einem Köpper ins Wasser springt und unwillkürlich denkt: “Boah, was ist das schön warm!” Aber in diesem Moment weiß man wieder, dass man nicht in Dänemark sein kann.
Und wer sich nun wundert, wieso wir Bilder mit blauem Himmel machen und uns in Badesachen am Strand rekeln konnten, der muß wissen, dass dies der erste Tag war! Und genau dieser erste Tag hat uns auch zum Bleiben bewegt, weil wir es noch einmal so haben wollten. Denn … – ja genau, das ist wieder dieses Ding mit der Hoffnung …
Aber was soll’s! Der Himmel ist wolkenverhangen, der Wetterbericht stellt eine Besserung erst für die nächste Woche in Aussicht, der Wind bläst jeden Tag bis zum Vormittag mäßig bis frisch aus Nordwest, um danach stürmisch aus Südwest zu kommen. Und Südwest ist nun auch nicht gerade die passende Windrichtung, um nach Südwesten bis Faro zu segeln. Aber wenn sich mal eine kleine Wolkenlücke zu uns verirrt, nutzen wir die gerne zum Aufwärmen. Eigentlich hatten wir uns das hier schon etwas anders vorgestellt, denn eigentlich wollten wir lange Strandspaziergänge in der Sonne machen, mal die Spitze der Landzunge umrunden, im türkisen Wasser plantschen und dieses »Dolce-vita-Sommerurlaubsgefühl« genießen. Aber was ist? Der Wind ist wirklich ekelig kalt, wir kramen unsere langen Jeans und Sweatshirts wieder raus und sichten Spanier in Wintersachen! So beschließen wir einfach zu bleiben und die Sache auszusitzen. Vielleicht wird unsere Hartnäckigkeit ja am Ende doch belohnt.
Doch ein ist jetzt schon klar, hier müssen wir noch einmal im Sommer herkommen, so wollen wir das nicht in Erinnerung behalten.
16. -> 20.06 Rio Piedras bei El Rompido
37° 12′ 47,1″ N, 007° 06′ 18,3″ W