Unsere Entdeckung der Langsamkeit


Eine Woche nach unserer Rückkehr ist das Pflichtprogramm mehr oder weniger abgearbeitet. Nun müssen nur noch unsere Seebeine wieder etwas wachsen, da wir ja aus einer Segelpause nie wirklich seefest zurückkehren. Es ist wie beim Laufen, ein gutes Training ist entscheidend. So stört es uns auch nicht wirklich, dass die Windverhältnisse zurzeit eh eher ungünstig für unseren Madeira-Trip sind. Wir haben ja auch Zeit. Doch Zeit zu haben, bedeutet ja nicht automatisch, sich auch diese Zeit zu gönnen. Obwohl wir schon einiges gelernt haben, ist es für uns immer noch eine Aufgabe, uns nicht selbst zu hetzen. Wenn uns das jemand vorher gesagt hätte, hätten wir ihn ausgelacht. Wie soll so etwas auch sein, wenn man nicht mehr arbeitet und nur noch frei hat? Heute wissen wir, dass es wirklich schwierig ist, das “Schnell-schnell”, das uns solange durch unser bisheriges Leben begleitet hat, auch wirklich aus dem Kopf abzulegen. Im letzten Jahr waren wir zwar schon ganz gut damit, doch nun müssen wir daran anknüpfen. Und so passt es eben ganz gut, dass das Wetter nicht ideal ist, um nach Madeira zu segeln.

„Landspaziergang am Praia do Mohle“

„Landspaziergang am Praia do Mohle“


Seit gut 14 Tagen ist das Azoren-Hoch nur noch ein Schatten seiner selbst. Ironischerweise ankert die irische Segelyacht »Azores High« direkt neben uns. Wie soll es da auch mit dem hübschen Nord des Azoren-Hochs etwas werden, wenn es direkt neben uns vor Anker liegt 😂. Doch wir wollen ja eh noch mal kurz nach Spanien, um dort zu tanken. Das hat nicht nur den Vorteil, dass der Diesel dort viel billiger ist, so können wir auch vor unserem langen Trip noch mal alles in der echten Segelpraxis checken. Doch vorher heißt es erst einmal warten.

„Fiona und Iain kommen mit der Ruffian zurück. Ende November haben wir Tschüß gesagt.“

„Fiona und Iain kommen mit der Ruffian zurück. Ende November haben wir Tschüß gesagt.“

„Die Treppe zur Aussicht.“

„Die Treppe zur Aussicht.“


Mit dem angekündigten Süd kommt dann in der Nacht zum Dienstag auch der Schwell in die Ankerbucht von Portimão. Unüberhörbar rauscht die Brandung an den Molen und das Ankerfeld kommt so langsam in Schwingungen. Unsere dicke Erna rollt sich auf ihrem dicken Kugelbauch ganz wunderbar hin und her. Es dauert etwas, bis wir alles, was umfallen und wegrutschen kann oder auch nur klopft, rollt, klackt und klickt, gebändigt haben. Auf dem Ankerplatz schwanken etwa 40 Ankerlichter munter hin und her. Natürlich glaubt man immer, dass es einen selbst am schlimmsten trifft, aber ein Blick über das Ankerfeld zeigt, dass alle dasselbe Schicksal teilen. Die Katamarane schaukeln sich zwar nicht auf, aber Wellensets von der Seite bringen auch sie ganz schön aus der Ruhe. Denn zusammen mit dem leichten Wind hat das ablaufende Wasser nun alle genau quer zur Welle gedreht. Und das sorgt für maximale Schwingungen. Doch das Rollen hält sich noch in Grenzen, es ist noch nicht so schlimm, dass wir quer schlafen müssen. Mit breiten Ellenbogen und angewinkelten Beinen bekommt man immer noch eine ganz stabile Bauchlage hin. Trotzdem kann ich nicht so richtig schlafen, stehe auf und beobachte eine ganze Weile, wie sich die Schwingungen im Ankerfeld fortsetzen. Auch wenn es dunkel ist, kann man an den schwankenden Ankerlichtern im Mast sehr gut erkennen, wie sich ein Wellenset in der Ankerbucht fortsetzt. Ruhiger wird es erst, als das auflaufende Wasser uns wieder mit dem Bug in die Wellen dreht.

„Letzte Pflichtarbeiten, eine Ankerlaterne auch »unten«.“

„Letzte Pflichtarbeiten, eine Ankerlaterne auch »unten«.“


Die Tage auf dem Ankerplatz vor Portimão vergehen. Mal mit mehr, mal mit weniger Wind. Mal mit Schwell, mal mit Nebel, aber meist doch mit viel Sonne und ebenso viel Ruhe, wenn man mal von dem Radau der Stranddiscos absieht. Fiona und Iain haben beschlossen, am Mittwoch nach Madeira aufzubrechen. Es ist nur ein kurzes Wetterfenster, das die beiden haben. Am Ende werden sie Glück brauchen, um nicht in den SW des Tiefdruckgebietes zu kommen, das das Azoren-Hoch schon die ganze Zeit so erfolgreich verdrängt. Für uns ist der Mittwoch zu früh, wir haben gerade erst begonnen, uns wieder an Bord einzuleben.

„Das Castelo de São João do Arade gegenüber der Marina Portimão.“

„Das Castelo de São João do Arade gegenüber der Marina Portimão.“

„Ferragudo“

„Ferragudo“

Am Dienstag bummeln wir durch Ferragudo. Ein doch noch recht ursprüngliches Fischerdorf gegenüber von Portimão. Aber all die noch erhaltene Ursprünglichkeit kann am Ende auch nicht über die Allmacht des Tourismus an der Algarve hinwegtäuschen.
Es ist nicht knallheiß, aber zwischen den Häusern steht die Luft und die Sonne gibt alles, um in den schmalen Gassen ein echtes Sauna-Gefühl aufkommen zu lassen. Wie schön und luftig haben wir es da doch auf dem Wasser. So dehnen wir unsere Runde durch Ferragudo auch nicht zu weit aus.

„Die Gassen von Ferragudo“

„Die Gassen von Ferragudo“

„Leider schon verblüht. ... 🙄 nicht der Schiffsjunge! 🥳 Die Agave attentuata!“

„Leider schon verblüht. … 🙄 nicht der Schiffsjunge! 🥳 Die Agave attentuata!“

„In Ferragudo“

„In Ferragudo“

„Auf der Brücke in Ferragudo.“

„Auf der Brücke in Ferragudo.“

Mittwoch fahren wir mit dem Dingi noch einmal ein paar frische Sachen, Brot und Getränke einkaufen. Ohne Auto oder wenigstens Fahrrad ist Portimão nicht optimal für größere Grundversorgungen. Die Marina liegt doch recht weit ab von den ersten größeren Supermärkten der Stadt und in der City gibt es kein Dinghy-Dock. Von dem einzigen Dinghy-Dock bei der Werft erreicht man nur den Lidl in erträglicher Fußentfernung. Hier könnte die Stadt Portimão wirklich mal mit einer kleinen Landestelle in der City Abhilfe schaffen. Das würde bei den Supermärkten und auch Restaurants der Stadt sicher auch gut ankommen. So brummen wir mit unserem Mini-Dinghy fast 1,5 sm hin und gegenan wieder zurück. Echter Spaß kommt dabei nicht auf, aber unser kleiner Honda kämpft sich tapfer durch und bringt uns auch mit all den eingekauften Dingen gegen den Südwind wieder zurück.

„Mal Sonne, mal Nebel. Hier eher Nebel 😕“

„Mal Sonne, mal Nebel. Hier eher Nebel 😕“


auf nach Culatra

„von Portimão -> nach Culatra“

„von Portimão -> nach Culatra“

Wir sind etwas hibbelig, deswegen hat die Capitana den Wecker auch auf 7:00 gestellt. Laut der Windvorhersage ist das vollkommen unnötig, aber manchmal sind unnötige Dinge ja auch unausweichlich notwendig. Denn schließlich ruft ja unser erster Segeltag. Bis 11:00 soll nichts sein und erst dann soll sich das Wenige bis 16:00 auf recht viel steigern. Und genauso ist es auch. Aus 2 Knoten Wind werden 20. So motoren wir die ersten 10 sm, solange, bis der einsetzende Wind ganz leicht die bleierne See kräuselt. Natürlich ist es Blödsinn, um 9:00 zu starten, wenn man schon sehen kann, dass kein Wind ist, und ein Wind, der seinen Namen dann auch wirklich verdient, erst gegen 11:00 einsetzen soll. Aber auf unserem Herbsttörn ist es eben der erste kleine Segeltag und beim ersten Mal ist man ja doch immer hibbeliger als beim zweiten Mal und so kann das alles eben auch nicht endlos warten.

„Trüber Aufbruch ...“

„Trüber Aufbruch …“

„... eher wenig Wind.“

„… eher wenig Wind.“

Und genauso, wie wir zu Anfang zu wenig Wind haben, haben wir dann am Ende zu viel. Wir sind zu schnell und 8 Seemeilen vor der Einfahrt nach Faro nehmen wir die Genua ganz weg. Erst um 17:00 ist Hochwasser und ohne Entschleunigung drohen wir schon um 14:30 vor der Einfahrt zu sein. Mit dem auflaufenden Hochwasser einzufahren, ist ja grundsätzlich ein gute Sache. Bisher steht es für uns und den richtigen Zeitpunkt der Einfahrt unentschieden 2:2. 2 mal haben wir den Zeitpunkt richtig getroffen und 2 mal mussten wir uns gegenan reinquälen. Das liegt auch an unserem sturen Kopf, unbedingt segeln zu wollen, dann passt es bei Einfahrten, die man pünktlich treffen sollte, eben manchmal nicht mehr so richtig. Doch heute sind wir definitiv nicht zu spät, sondern zu früh.

„Wieder vor der Einfahrt nach Culatra.“

„Wieder vor der Einfahrt nach Culatra.“

Dazu kommt noch, dass Springzeit ist. Da möchte auch noch 1 1/2 Stunden vor Hochwasser jede Menge Meerwasser durch die Einfahrt in die Lagune fließen. In der Einfahrt brodelt es. Wir trödeln, aber mehr als 15:15 holen wir auch nicht mehr raus, denn der Wind nimmt zu und auch ohne Genua fahren wir gleich schon wieder knapp 6 Knoten. In der Einfahrt wirbelt es und es ist wie beim Rafting. Zwischen den Molen erreichen wir kurz die 11,7 Knoten. Kaum sind wir durch, kommt uns ein Deutscher unter Motor entgegen. Er will raus. Warum man so etwas macht, ist uns nicht ganz klar. Immer wieder droht er seitlich, aus dem Ruder gedrückt zu werden und kommt nur zentimeterweise voran. Vielleicht ein Motortest oder auch schlichtes Unwissen von Gezeiten. Das ist zwar schwer vorstellbar, aber solche Segelquerdenker haben wir ja auch schon in der Bretagne getroffen. Die haben schlicht behauptet, dass all das Gerede um Gezeiten übertrieben sei und man immer fahren könne.

Diesmal ankern wir nicht im Osten, sondern vor Culatra-City. Wir erinnern uns noch zu gut an die Party-Stimmung zum Wochenende im östlichen Teil. Fast fliegen wir auf unseren Ankerplatz. Der West hat inzwischen bis zu 22 Knoten. Auf der Länge der Lagune baut sich dadurch eine ansehnliche Welle auf. Irgendwie macht es richtig Spaß, bei so einem Wetter zu ankern. Das sehen allerdings nicht alle so. Rechts und links von uns und Gott sei Dank nicht direkt vor uns, werden Furchen durch den Ankergrund gezogen. Es ist schon schön, wenn man ein Ankergeschirr hat, dass auch bei viel Wind hält. Dann treibt ein Dinghy mit Außenborder durchs Ankerfeld. Einer der Fischer fängt es ein und bringt es einem heftig winkenden Franzosen zurück. Einige Stunden später schläft der Wind mit der untergehenden Sonne wieder ein. Um uns herum wird es ungewohnt ruhig. Etwas erstaunt lauschen wir, aber es ist wirklich keine Stranddisco zu hören. Wunderbar!

„Abendstimmung vor Anker.“

„Abendstimmung vor Anker.“


Stationen:

05. -> 08.09. on the anchorage Portimão
37° 06′ 49,3″ N, 008° 31′ 19,9″ W

09.09. Portimão [A] -> Culatra [A] Distanz: 37,9 sm Gesamtdistanz: 39,4 sm
10.09. Culatra [A]
37° 00′ 02,9″ N, 007° 50′ 18,3″ W