Natürlich springen wir gleich Montag erst einmal in das türkise Wasser. 25°, glasklar und türkis. Als hier am Sonntag unser Anker fiel, konnte ich das erste Mal beobachten, wie er in 6,5 m Tiefe auf den Boden plumpste, etwas Sand aufgewirbelte und begann sich einzugraben. Das ist schon absolut irre, so etwas hatten wir noch nie. Nur an einigen ruhigen Tagen hinter Culatra konnten wir manchmal unseren Anker etwas diffus ausmachen. In diesem paradiesischen Wasser schwimmen wir gleich mehrfach um die PINCOYA, können uns entspannt einschäumen und mit einem Köpper wieder reinspringen.
Allerdings ist das Wetter doch durchwachsen. Aber es ist nicht dieses “Durchwachsen”, das wir aus Norddeutschland kennen! Es ist wolkig und windig, aber warm. Obwohl die Berge hinter Porto Santo ja nicht wirklich hoch sind, jagen den ganzen Tag und besonders in der angehenden Nacht Fallböen über das Wasser, die es echt in sich haben. Außer in ihrer Windstärke haben sie nicht viel gemeinsam mit einem stürmischen Wind in gleicher Stärke. Aus heiterem Himmel treffen sie die Ankerlieger wie Faustschläge. Das sind echte Schwinger! Für etwa eine Minute scheppert es dann richtig. Alles flattert und schlägt wie wild, offene Ankerkästen werden zugeknallt, in den Wanten jault es und die gesamte Ankerliegerschaft schwingt wie wild hin und her, denn diese Fallböen kommen zwar immer von den Bergen, aber aus höchst unterschiedlichen Richtungen, die nur grob zur tatsächlichen Windrichtung passen, an der sich die Schiffe kurz danach wieder langsam ausrichten.
Schnell lernt man, nicht zu dicht am Rumpf entlang zu schwimmen, denn man läuft tatsächlich Gefahr, bei einer solchen Fallbö übergemangelt zu werden. Und nicht nur einmal saust die nahe geglaubte Badeleiter einfach davon, wenn man sich vermeintlich schlau von hinten schwimmend anschleicht.
Ansonsten lassen wir den Montag einfach so vergehen, sitzen im Cockpit, gucken, lassen uns herumschwingen und gucken dann in eine andere Richtung. Ein toller Service von den Fallwinden 👍, man muss noch nicht einmal den Kopf drehen 😂. Etwas surreal ist unser Hiersein noch immer und so hängen wir unseren Gedanken nach und üben uns im süßen Nichtstun. Wir genießen das Gefühl, nun hier zu sein und es geschafft zu haben, sehr. Ab und zu schreibe ich schon mal an dem Überfahrtsblog. Die Stichworte wollen ja zu ordentlichen Sätzen werden. Zu mehr als Stichworten hat es unterwegs nicht gereicht. Es ist wunderbar, Zeit zu haben. Von vornherein haben wir uns für Porto Santo und Madeira »Wochen« vorgenommen. So ist es nicht schlimm, dass die Wettervorhersage erst in einigen Tagen mehr Sonne und ein hübsches Ausflugs- und Photowetter verspricht.
Mittags kommt die GNR und ruft auf Abstand zu uns herüber. Wir sollen eine eMail mit unseren Impfzertifikaten an die Marina schicken, die würden dann geprüft und dann bekämen wir ein Ok zum Einklarieren und Anmelden in der Marina. Gut, also auch das ist ein Prozess, der nicht an einem Tag erledigt werden kann. Wir haben es ja auch nicht eilig, denn nun sind wir erst einmal hier. Astrid bastelt inzwischen aus ungefähr 50 Videoschnipseln ein Überfahrtsvideo zusammen und mein Blog wird auch immer länger. Es war schon ein besonderer Trip, der in uns doch recht viele Eindrücke, Gedanken und Gefühle zurückgelassen hat. Und dann sitzen wir wieder im Cockpit und gucken Hand in Hand 🤝 über den Atlantik. Ein kleines Cockpit hat auch seine Vorteile 😊. Draußen schäumt es schon wieder. Doch auf dem Anchorage vor dem Hafen ist es ausreichend ruhig. Fast gleichzeitig entfährt uns ein Seufzer und ein »Joah!«, dazu passt gut ein Rosé.
Auf dem Anchorage wird es immer voller. Ständig kommen neue Segler an und nur wenige fahren. Nicht wenige haben wohl auf dieses Überfahrtswetter gewartet, da hat es in Portugal und Spanien wohl einen richtigen Stau gegeben, der sich nun erst einmal wieder auflösen muss. Mehr als ein Drittel aller Schiffe hier fährt stolz eine ARC-Fahne. In der Karibik wird es diesen Winter wohl richtig voll werden. Eine ganze ARC-Armada scheint unterwegs zu sein. Das haben wir schon in der Algarve gesehen, wobei die allermeisten ARCler ja höchsten bis Lagos und Portimão kommen, um dann entweder über Madeira oder gleich direkt zu den Kanaren aufzubrechen. Die mit Abstand am stärksten vertretenen Länder sind Norwegen, Schweden und Finnland. Gefolgt von Franzosen und Engländern, unter die sich auch einige Deutsche, Niederländer und Dänen mischen. Auch einige Exoten aus Neuseeland und Australien sind dabei, aber die sind doch eher die Ausnahme.
Drinnen oder draußen? Hafen oder davor?
Am Dienstag kommt dann die Mail, dass wir zur Anmeldung kommen dürfen. Die GNR nimmt unsere Daten auf. Eine echte Einklarierung ist das natürlich nicht, denn Madeira ist ja Portugal, auch wenn Madeira wie auch die Azoren als autonome Republiken durchaus eigene Verfahren haben. Nachdem wir im Computer der GNR erfasst wurden, dürfen wir weiter ins Marina-Office.
Egal wo man liegt, innerhalb des Hafenbeckens oder außerhalb, es kostet immer 6,75 € Ankergebühr. Vielleicht liegen deswegen einige Ankerlieger auch recht weit westlich und auch sehr weit draußen, um dieser Bringschuld zu entgehen.
Nun ja, die 6,75 € pro Tag zahlen wir ja auch für nichts, wenn man mal von dem Privileg absieht, dass wir unseren Anker vor dem Hafen in den Sand stecken dürfen. Der Zustand der Sanitäranlagen ist einfach nur schlimm bzw. sind sie sehr einfach und zudem schlimm. Früher gab es noch Sanitäranlagen neben der Hafenbar, aber die sind nun geschlossen und mit einem Bauzaun abgeriegelt. So bleiben nur die Duschen und Toiletten im Werftgebäude, doch die möchten wir nicht wirklich benutzen. Da ziehen wir doch unsere türkise Badewanne außerhalb des Hafens vor. Innerhalb des Hafens wurden zwar einige Moorings ausgebracht, um den kaum noch existenten Steg A zu kompensieren, aber in der Regel muss auch im Hafenbecken geankert werden, denn die, die eine Mooring ergattert haben, geben die so schnell auch nicht wieder her. Und wenn eine frei wird, sind die Nachrücker, die schon im Hafen liegen schneller als die, die draußen vor Anker liegen. Natürlich ist es im Hafenbecken ruhiger als draußen. Je nach Wind und Wetter steht der Schwell mal höher und mal weniger hoch in der Bucht. Aber man wird immer bewegt, keine Frage, doch kaum mal so, dass es richtig schlimm rollt.
Solange es irgendwie aus Nord weht und die Wellen auch irgendwie von Norden auf Porto Santo zulaufen, hält sich der Schwell durchaus in Grenzen. So muss man abwägen, – sofern im Hafenbecken überhaupt noch ein Plätzchen zu ergattern ist -, ruhiger drinnen oder schöner und sauberer, aber eben auch bewegter draußen. Denn angesichts des nicht gerade einladenden Zustands der Sanitäranlagen kann man wohl davon ausgehen, dass die allerwenigsten Mooring- oder Ankerlieger im Hafenbecken ihr Dinghy bemühen, um daraufhin um den halben Hafen in die Werft zu laufen, wenn’s denn mal pressiert. Wer baden will, sollte also draußen bleiben.
Aber die kostenlos nutzbare Waschmaschine gibt es tatsächlich, doch sie ist zurzeit leider defekt. Vielleicht ist das auch besser so, denn so richtig gute Sachen werden uns von der kostenlosen Waschmaschine auch nicht berichtet. Und da die dicksten ARC-Yachten den Rezeption-Ponton blockieren, der einzige Ort, an dem wir gesehen haben, dass man Frischwasser nehmen kann, ist auch dies nicht so einfach möglich. Es sind eben 6,75 € für nichts. Alles in allem ist der Hafen Porto Santo schon etwas ernüchternd, aber das Wasser vor dem Strand ist der Hammer und so bleiben wir draußen und üben uns im Sparen von Frischwasser und warten auf das angekündigte Ausflugs- und Photowetter.
Nachdem wir einklariert haben, laufen wir zu Fuß nach Vila Baleira. Für die geplanten Ausflüge werden wir die Räder nehmen, aber mal gucken, geht auch so. In Vila Baleira gibt es zwei Pingo Doce. Beide sehr gut sortiert und absolut geeignet, um sich zu versorgen. Man muss nur eine Idee haben, wie man seine Beute zurück aufs Schiff schafft. Bei ruhigem Wetter ist es sicher besser, mit dem Dinghi einfach an den Strand vor Pingo Doce zu fahren. Steht allerdings Schwell in der Bucht, wird das Anlanden wegen der Wellen immer schwieriger, je weiter man nach Westen vorrückt.
An der Landungsbrücke von Vila Baleira essen wir ein Eis, stromern noch etwas durch die Gassen und heben uns den Rest für die Zeit auf, wenn wir mit den Rädern unterwegs sind.
Bastelarbeiten
Ganz ohne Blessuren ist unser Trip nach Madeira dann natürlich auch nicht zu Ende gegangen. Zum einen hat es im Bereich der Ruderanlage zunehmen geklackert 🙄 und zum anderen bin ich am Morgen des dritten Tages auf einen feuchten Teppich getreten 🤭. Der Fehler an der Ruderanlage ist schnell gefunden, es hatte sich eine Mutter etwas gelöst, so dass die Stange des Hydraulikkolbens nun etwas Spiel am Ruderquadranten hatte. Auf der Verschraubung sitzt zwar eine selbstsichernde Mutter, aber vielleicht war die Mutter am Ende auch nicht mehr ganz so selbstsicher. Die ziehen wir nun einfach wieder fest und spätestens auf den Kanaren spendieren wir an dieser Stelle ein neues Mütterchen.
Ärgerlicher war da schon, dass wir am dritten Tag der Überfahrt die Bilge voller Seewasser hatten, das munter hin und her schwappte und so auch den Teppich etwas tränkte. Normalerweise ist unsere Bilge seit wenigstens 2 Jahren furztrocken, also haben wir uns zunächst mal etwas sparsam angesehen und den ganzen Mist abgepumpt. So richtig viel war es ja auch nicht, maximal 10 Liter, wenn überhaupt. Aber 10 Liter Seewasser sind schon etwas anderes als »furztrocken«.
In solchen Situationen hat man ja zuerst die Seeventile in Verdacht und als die alle trocken waren, haben wir angenommen, dass wohl doch die Reelingsstützen die Übeltäter sind. Die Verschraubungen der Reelingstützen sind eins unserer ungelösten Probleme, denn es gibt 3 oder 4 Stützen, an deren Füße wir einfach nicht rankommen, um sie neu einzurichten. Nun ja, und auf dem Weg hierher haben wir eben auch recht viel Wasser genommen, so dass die Reelingstützen durchaus in Frage kamen. Doch am Ende waren es auch die nicht, sondern das alte, seit Jahren schon nicht mehr gebrauchte, vor 26 Jahren als Erstausstattung eingebaute und x-mal übergestrichene Echolot. Das Mistding war an seiner Verschraubung undicht geworden und ein kleines Rinnsal rann in Richtung Bilge. Nicht viel, aber mit der Zeit eben auch nicht wenig. Wie so etwas nach so vielen Jahren undicht werden kann, ist uns nicht ganz klar, aber es war eindeutig.
Nun gut, mit etwas Fummelei konnten wir auch das wieder dicht bekommen und all die Küchentücher, die wir zum Test um das alte und sicherheitshalber auch um das neue Echolot gelegt hatten, blieben trocken.
Viel Vertrauen macht eine solche Undichtigkeit nach all den Jahren natürlich nicht, gerade wenn es an einer Stelle undicht wird, die 26 Jahre dicht war und nie angefasst wurde. Egal, der Austausch und die neue Abdichtung stehen schon auf der Liste für die Arbeiten, wenn wir das nächste Mal wieder »on the hard« sind. Doch ein blödes Gefühl bleibt, denn so einfach wollen wir die PINCOYA nun auch nicht mehr einige Wochen oder gar Monate unbeobachtet im Wasser liegen lassen. Wir sind misstrauisch geworden.
Und am nächsten Morgen …? … wieder Wasser in der Bilge! Hä? Wie das?
Also eine erneute Suche! Da das Echolot nun definitiv dicht war, musste das Salzwasser irgendwo anders herkommen. Aber in dem Bereich, aus dem es kam, gibt es keine weiteren Öffnungen im Rumpf mehr. Doch am Ende ist es wie immer, eine ungünstige Verkettung von saublöden Umständen.
Vor ziemlich genau 10 Jahren, ist uns eine der Stangen, die wir uns zum Aufstellen der Staufächer unter der Bugkoje angefertigt hatten, unter den Fäkalientank gerutscht. Es war einfacher, eine neue Stange anzufertigen, als die alte zu suchen und herauszuholen. Soll sie doch dort unter dem Fäkalientank verrotten, wen stört das schon! Und genau das war unser Fehler, denn nun verstopfte diese Stange das Ablaufloch unter dem Fäkalientank von einem Schott ins nächste auf dem Weg zur Bilge. Und so hatte sich ein wunderhübsches Reservoir gebildet, das die Bilge ganz langsam mit immer neuem Salzwasser versorgte, obwohl die Unrichtigkeit schon gar nicht mehr undicht war. Als wir mit einer maximal blöden Fummelei, die alte Stange aus dem Ablaufloch zurückstoßen, plätschern noch einmal gut 5 Liter Wasser in Richtung Bilge. Nach weiteren 3 Stunden ist dann alles wieder trocken gelegt und sauber. Die Stange selbst holen wir dann durch die Auslassöffnung des einen Heinzungsschlauches wieder an Tageslicht. Den Ärger hätten wir uns durchaus ersparen können, wenn wir vor 10 Jahren nicht gedacht hätten: “Ach, was soll’s? Blöde Stange! Da säg ich doch lieber mal schnell eine neue.”
Dennoch, die undichte alte Logge muss bei nächster Gelegenheit raus, aber das hat ja auch wieder sein Gutes, denn so haben wir einen prima Zulauf für den Wassermacher, den wir uns nach all unseren Erfahrungen aus den letzten 12 Monaten ganz sicher alsbald anschaffen werden. Vielleicht noch in Europa, vielleicht erst in Tobago, aber das ist eine andere Geschichte.
20. -> 24.09. auf dem Anchorage vor Porto Santo
33° 03′ 38,4″ N, 016° 19′ 12,3″ W