Baia d’Abra [A] -> Marina Calheta Distanz: 30,4 sm Gesamtdistanz: 683,9 sm
Den Marinaplatz in Calheta haben wir erst ab Samstag, aber bis dorthin sind es rund 30 Seemeilen und es soll schwachwindig werden, bevor der Wind auf Süd dreht. Für Freitag und Samstag sind sich die Vorhersagen nicht ganz einig, welcher Tag nun mehr Wind hat und welcher weniger. So beschließen, wir das Beste aus beiden zu machen und schon mal am Freitag damit zu beginnen, etwas in Richtung Calheta zu segeln. In jedem Fall wird es langsam vorangehen, doch der Freitag verspricht etwas nördlicheren Wind, sodass wir mal wieder unser Hochzeitssegel ausführen können.
Schon auf der Überfahrt von Porto Santo nach Madeira hätten wir den Parasailor gut gebrauchen können, denn richtig platt vorm Wind ist das mit der Standardbeseglung in den Wellen des Atlantiks ja auch kein Spaß. Aber damals hatten wir nichts vorbereitet und das ganze Gestrippe für den Parasailor wollten wir dann auch während der Schlackerfahrt nicht mehr hinfummeln. Deswegen bereiten wir nun schon mal alles am Donnerstag vor, so dass wir ihn nur noch aus der Bugluke ziehen und setzen müssen.
Weil der Parasailors einen Schirm hat, soll man ihn auch ohne Spibaum fahren können. Das haben wir zwar zu Anfang auch einige Male versucht, waren damit aber nie so richtig zufrieden, weil er uns nicht stabil genug stand. So haben wir ihn zuletzt nur noch mit Baum gefahren. Für Freitag besteht die Capitana allerdings darauf, dass wir noch mal einen Versuch wagen, denn ihr sind die Aktionen des Schiffsjungen mit dem Spibaum auf dem Vorschiff ein Graus. Ganz unrecht hat sie nicht, denn der Atlantik hält ja doch schon etwas höhere Wellen in ausreichender Menge bereit, um sie dann in den unpassendsten Momenten gegen die PINCOYA schwappen zu lassen. Da wird das Handling des Spibaums dann schnell zu einem echten Eiertanz, das Halsen und das Bergen des Parasailors auf unserer Rauschefahrt nach Sagres im letzten Jahr haben wir noch in guter Erinnerung 🤭.
So bereiten wir das Gestrippe so vor, dass wir ihn spibaumlos fahren können. So fährt man einen Spi oder Parasailor ja grundsätzlich auch auf Katamaranen, aber Katamarane sind eben auch wesentlich breiter und brauchen dadurch ja eh keinen Spibaum. Aber nicht nur das möchte vorbereitet werden, denn wenn man eine Woche faul vor Anker gelegen hat, dann braucht es so seine Zeit, bis alles wieder seeklar gemacht ist. In diesem Moment kommen uns die 7 Tage, die wir nun schon in der Baia d’Abra verbracht haben, eigentlich zu kurz vor. Wir könnten es hier schon noch etwas aushalten, aber die Buchung in Calheta steht, und nach dem Schwachwind soll ja schließlich auch etwas Südwind kommen und den wollen wir hier ja nun auch nicht erleben.
Gegen 11:00 ist alles abfahrbereit und wir gehen Anker auf. Gleich darauf setzen wir den Parasailor, aber es dauert etwas, bis wir so weit aus der Abdeckung der Halbinsel São Lourenço heraus sind, dass der wenige Wind den Parasailor auch ordentlich stehen lässt. Sieben Knoten True Wind sind Minimum, darunter geht nichts mehr wirklich. Ab acht Knoten beginnt es schön zu fahren und der Parasailor steht auch ohne Baum vernünftig. Aber er schlackert schon mehr ihn und her, als er das macht, wenn wir mit Spibaum fahren. Besonders, wenn die PINCOYA in den Wellen etwas rollt. Je mehr Wind im Parasailor ist, desto »fester« steht er. Doch der Parasailor ist ja auch ein gutmütiges Segel. Anders kann man es wirklich nicht sagen. Auch wenn er mal kräftig durchschwingt oder gar einfällt, um dann wieder den Wind voll zu nehmen, er knallt niemals. Er entfaltet sich fast sanft und macht dort weiter, wo er gerade aufgehört hat. So fahren wir mit 3 bis 4 Knoten auch ganz gemütlich dahin, und natürlich steuert unser Autopilot, alles andere wäre für uns auch wenig akzeptabel.
Die Wellen sind nicht wirklich hoch und so bringt den Parasailor auch nichts wirklich aus der Bahn. Mit etwas mehr Wind sollte die spibaumlose Variante auch bei höheren Wellen funktionieren. Das wäre mal einen Versuch wert. In jedem Fall ist das Handling so einfacher und auch sicherer. Wir müssen uns dann nur ein Herz nehmen, ihn auch bei mehr Wind zu setzen, aber ohne Baum ist die Hürde dazu ja auch geringer.
Der Wind kommt zunächst aus Nordnordost. Wir rechnen eigentlich nicht damit, dass wir ab dem Cabo Punta do Garajau, an dem es nach Westen um die Ecke nach Funchal geht, noch weiter mit dem Parasailor segeln können. Um das Ende möglichst lange hinauszuzögern, bleiben wir recht weit draußen und gehen nur in kleinen Schritte langsam mehr nach Westen. Doch der Wind dreht mit uns mit. Und am Cabo beschert uns der Kap-Effekt sogar flotte 13 Knoten. Nicht lange, aber plötzlich rauscht es für einige Zeit sogar richtig. Und wir können es gar nicht glauben, selbst als der Kap-Effekt wieder nachlässt, dreht der Wind weiter brav mit uns mit. Unsere Kurslinie zeigt eine lange, gleichmäßige Kurve nach Westen und wir fahren den gesamten Kurs immer mit einem Wind aus 165 bis 175°.
So segeln wir genau bis eine Seemeile vor Câmara de Lobos. Dort ist Schluss, der Wind schläft ein und nichts geht mehr. Kaum haben wir den Parasailor geborgen, kommt der Wind aus der anderen Richtung von Westsüdwest. Das hat gepasst. Wir lassen unseren Anker bei Niedrigwasser auf gut 11 m vor dem kleinen Geröllstrand von Câmara de Lobos fallen. Fast direkt vor der Kirche, falls uns das einer mal nachmachen möchte. Etwas dichter hätten wir schon noch an den Strand herangekonnt, aber wir trauen uns nicht so recht, denn die sich auf den Geröllstrand brechenden Wellen machen schon einen ziemlichen Radau. Da ist es psychologisch besser, etwas mehr Abstand zu halten.
vor Câmara de Lobos
Wenn es in Navily bei den Sternchen einen Unterschied zwischen landschaftlicher Schönheit und Ankerplatzqualität geben würde, dann würde es auf Madeira wohl fast nur grün-rote Einträge geben. Bis auf ganz wenige Ausnahmen liegen alle Ankerspots ausnehmend schön vor einer überwältigenden Naturkulisse. So ist es auch vor Câmara de Lobos. Die terrassenförmig angelegten Bananenplantagen oberhalb des bunten Dorfes sind schon echt toll und dann noch etwas westlich die monumentale Felswand des Cabo Girão, die sich fast senkrecht, gut 500 m aus dem Atlantik erhebt. Und am Fuß der Felswand die Fajãs, schmale, flache Streifen mit Feldern, auf denen tropische Früchte angebaut werden. Die Fajãs sind wie natürliches Gewächshäuser vor den Felswänden, die die Wärme der Sonne ganz gleichmäßig wieder abstrahlen. Doch das werden wir noch in Calheta so richtig zu schätzen lernen, denn dort machen wir in der Marina vor einem dieser Pizzasteine fest, wie die Capitana sagt. Und das trifft die Sache schon recht gut, denn ab dem frühen Vormittags ist es wirklich sehr schön knuffig warm und das auch recht lange.
Da die Fajãs direkt vor schroffen und meist vollkommen unzugänglichen Felswänden liegen und eigentlich nur mit einem Schiff erreichbar sind, hat man früher vielfach eine Art Aufzug an die Felswände gebaut, weil das Anlanden mit einem Schiff ja auch oft so eine Sache ist, die nicht wirklich gut funktioniert. Heute geht das Hin und Zurück auf die Fajãs oft mit einer Seilbahn. Von unseren Ankerplatz vor Câmara de Lobos können wir die Gondeln sehen, wenn sie die senkrechte Felswand hinaufschweben.
Auf dem höchsten Punkt des Cabo Girão gibt es auch noch eine Aussichtsplattform mit Glasboden. Von beidem ist die Capitana noch nicht so ganz überzeugt, aber wenn wir einen Mietwagen haben, müssen wir da wohl mal hin.
All das rechtfertig ganz ohne Frage fünf »Schönheitssternchen«, aber wenn man an das eigentliche Ankern denkt, dann gibt’s für diese Spots höchsten einen Stern. Klar gibt es Wetterlagen, in denen man dort gut ankern kann und sicherlich gibt es auch Wind- und Wellensituationen, die vielleicht sogar manchmal ein zweites oder gar drittes Sternchen rechtfertigen würden. Aber meist ist die Ankerplatzqualität schon recht weit von gemütlich entfernt. Man kann ja durchaus auch vor Westerland auf Sylt ankern. Auch solche Wetter-, Wind- und Wellensituationen gibt es, aber das macht den Spot vor Westerland eben noch lange nicht zu einem tollen Ankerplatz. Und genau so ist es auch vor Câmara de Lobos und auch den vielen anderen »ausgewiesenen« Ankermöglichkeiten auf Madeira. Es gibt Zeiten, in denen es geht, aber meist ist es doch recht bescheiden. Und wenn der Wind und die Wellen mal nicht aus Norden kommen, dann wird es ankertechnisch auch schnell schrecklich bis unmöglich.
Insgesamt treffen wir es noch relativ gut. Aus der Windstille erhebt sich ein Seewind, der etwas nach Westen abgelenkt wird. Diese Richtung ist nicht optimal, geht aber noch, zumal aus dem Seewind nach Sonnenuntergang wieder ein Landwind wird, der das Heck der PINCOYA ganz gut in dem Schwell des Atlantiks hält, der aus Südwest einläuft. Wir liegen etwa 130 m vor den Felsen, die als Mole für Câmara de Lobos dienen, und etwa 150m vor dem Strand. Bei 13,5 m Wassertiefe zum Hochwasser sollten 50m reichen, um eine ruhige Nacht zu haben.
Kurz vor Sonnenaufgang beginnt die PINCOYA dann zu rollen und das Grollen der Wellen auf kopfsteinplastergroßen Steinen des Geröllstrandes wird lauter. Dem Wind ist die Puste ausgegangen und der Schwell läuft inzwischen auch deutlich höher ein. Das war vorhergesagt und wir sind froh, dass der nördliche Landwind doch noch so lange durchgehalten hat, um uns eine ruhige Nacht zu bescheren. Ohne Wind dauert es nicht lange, bis sich die PINCOYA quer zu den Wellen dreht und rollt. Wirklich ungemütlich ist das noch nicht, aber es ist ein deutliches Zeichen, dass wir in den nächsten Stunden aufbrechen sollten. Dennoch lassen wir uns unser Gutenmorgenschwimmerchen nicht nehmen. Vor Anker ist das nun doch schon fast zu einem Ritual geworden. Es ist herrlich, in diesem türkis-blauen und so wunderbar warmen Wasser zu schwimmen. Wer hätte das gedacht, vielleicht werden wir doch noch echte Schwimmer, schon in der Baia d’Abra sind unsere Kreise um die PINCOYA langsam immer größer geworden. Aber dieses Wasser macht es uns auch wirklich leicht, das ist einfach so.
Unsere Hoffnung, dass ab Mittag doch noch etwas Wind aufkommt, wird nicht belohnt. Es bleibt bei der Windstille, die sich mit maximal 2 bis 3 Knoten um uns herumdreht.
Also holen wir den Anker ein und tuckern langsam in Richtung Calheta. Die Kulisse der Küste ist toll und wir haben keinen Grund, uns zu beeilen.
Kurz vor Calheta funkten wir die Marina an. Die Einfahrt ist schmal und der Hafen zu klein, um erst noch groß mit Hafenmanövern zu beginnen. Und man kann uns tatsächlich unsere Platznummer sagen, aber leider nicht auf welcher Seite und auf welcher Höhe des Steges der Platz liegt.
Die Boxengasse ist wirklich schmal und zu unserer Überraschung recken sich auch beidseitig Mooringleinen schräg in die Mitte der Gasse. Uff, das hatten wir so nicht erwartet. Da das alles so eng ist, gehen wir erst einmal an den Kopfsteg, um zu gucken, wo wir überhaupt hin müssen. Normalerweise wären wir in eine Gasse reingefahren, um zu gucken, aber das geht hier wirklich nicht. Drehen unmöglich! Zumal es im Hafen heftig hin und her schwappt. Und das schon bei dem wenigen Schwell, der draußen herrscht, wie soll das hier erst zugehen, wenn mal echte Wellen einlaufen? Natürlich liegt unser Platz an der schmalen Gasse. Vorsichtig fahren wir mittig zwischen den Mooringleinen durch, hier gibt’s nur einen Versuch gratis, der nächste wird im besten Fall nur mit einer steilen Lernkurve bezahlt.
Und es schwappt richtig hin und her und die PINCOYA macht da auch gerne bereitwillig mit. Kaum ist Astrid auf dem Finger und die Leine der Mittelklampe fest, muss ich richtig Gas geben, weil es uns einfach stumpf zurückschiebt und quer dreht. Das normale Standgas, das sonst bestens ausreicht, reicht überhaupt nicht, um die PINCOYA am Finger zu halten. Schnell machen wir die nächsten Leinen fest. So wird die PINCOYA wenigstens schon mal halbwegs beruhigt. Trotzdem bleibt es ein wilder Tanz. Calheta ist so ziemlich der unruhigste Hafen, den wir bisher kennengelernt haben. Wohl eine gute Übung für die Azoren, dort soll so etwas ja Standard sein. Wir brauchen noch gut 2 Stunden, um mit der Bändigung unserer dicken Erna auch zufrieden zu sein. Danach sind wir klatschnass! Nicht weil uns der tanzende Steg zwischendurch abgeschüttelt hat, was durchaus öfters fast passiert wäre, sondern weil wir das ganze Getüddel direkt vor einem heißen Pizzastein machen. Es ist unglaublich schwül und heiß. Die Sonne hat wirklich ganze Arbeit am Fels geleistet. Gott sei Dank wird es abends erträglich kühler.
Und die Stege quietschen und rucken wie wild und versuchen, einen wirklich immer wieder abzuschütteln. Besonders die Fingerausleger sind etwas für Kenner! Früher gab es so etwas auf dem Rummel. Ein Weg, in dem sich ganze Teile ruckartig und unerwartet verschoben haben. Auf einem Kinderspielplatz gibt es auch solche Balanzierdinger. Balken, die an Ketten hängen, die aber auch über Ketten miteinander verbunden sind. Tritt man auf den ersten Balken, bewegen sich alle. Ein wunderbar wackliger Eiertanz. Und all das ist hier im Marinapreis inbegriffen, ein echtes Schnäppchen!
Stationen:
15.10. Baia d’Abra [A] -> Câmara de Lobos [A] 19,1 sm: 32° 38′ 48,5″ N, 016° 58′ 44,0″ W
16.10. Câmara de Lobos [A] -> Calheta 11,3 sm: 32° 43′ 06,4″ N, 017° 10′ 21,2″ W