An unserem Ankommenstag verkriechen wir uns erst einmal und holen etwas Schlaf nach. Das Wetter ist eh durchwachsen, da ist es unter Deck und in der Koje auch gemütlicher. Neben uns liegen ab Mittag zwei Ausflugskatamarane. Aber ein hässlicher Regenschauer vertreibt die Touristenrunde dann früher als sonst. Die armen Kerle können einem schon etwas leid tun. Die Katamarane sind offen und der Wind bläst den Regen kräftig über die Bucht und über die Katamarane. Da kommt nicht viel Freude auf, das ist kaum zu übersehen. Was mit »Juchee« begann, endet nun mit »Ach je«.
Am Freitagabend beginnt es dann noch stärker zu wehen. Wir lassen noch einmal 10 m Kette raus und liegen nun vor 50 m auf 10 m Tiefe. Das ist sehr komfortabel, bei der Tiefe puffert das Kettengewicht sehr schön die harten Böen. Die Bucht von La Graciosa ist erstaunlich gut geschützt. Hier liegt man auch bei hartem Nordwind wirklich gut. Aktuell sind nur wenige Fahrtensegler in der Bucht und der starke Wind sorgt wohl auch dafür, dass erst einmal keine weiteren hinzukommen. Alle ankern gut auf Abstand und so ist es für keinen ein Problem, mal schnell noch etwas mehr Kette zu stecken. Der Wind ist ziemlich ruppig und selbst die Ausflugskatamarane kommen am Samstag und Sonntag nicht, die haben wohl auch eine Windobergrenze 🙂.
Über das Wochenende sehen wir in Böen immer mal wieder die 30 Knoten. Dabei ist es aber sonnig und eigentlich ganz angenehm. Die Isla de la Graciosa liegt verlockend vor uns, aber auf dem kurzen Weg vom Strand zu uns bauen sich schon recht ansehnliche Windwellen auf. Da verzichten wir mal auf einem Spaziergang, denn diese Dinghy-Duschen kennen wir schon. Das Dinghy und der kleine Honda würden es wohl schaffen, aber baden können wir netter auch hinter der PINCOYA. Die Strömung ist nicht ganz ohne. Es zieht schon ziemlich durch die Enge zwischen Lanzarote und La Graciosa. Da brauchen wir auch gar keine größeren Runden zu schwimmen, in der Gegenstromanlage können wir stundenlang am Heck der PINCOYA herumschwimmen, ohne auch nur einen Meter zu schaffen.
Als der Wind etwas auf Nordost dreht, schafft es bei Hochwasser dann doch einiger Schwell über die kleine Felszunge im Nordosten. Das alles ist aber gar nichts im Vergleich zu dem Schwell, den wir in der Baia d’Abra hatten. Und vor allem schaukelt es nur über das Hochwasser etwas mehr, danach ist wieder weitgehend Ruhe. Und weil es die ganze Nacht zum Sonntag wie blöde hämmert, machen wir uns am Sonntag endlich mal wieder ein englisches Frühstück. Rührei und Bohnen passen hervorragend zu diesem Wetter, auf den Rest müssen wir allerdings verzichten 🙁 weil wir inzwischen doch recht abgebrannt sind. Keine Würstchen, kein Schinken, keine Tomaten und kein Black Pudding, aber den hatten wir ja eh schon nach einem ersten Test vor vielen vielen Jahren für den Rest unseres Lebens aussortiert.
Aus irgendwelchen Gründen verbiege ich mir am Sonntagnachmittag das rechte Knie. Es knirscht kurz, als ich mich ganz harmlos auf der Badeplattform umdrehe und danach wird es langsam immer schlimmer. Da ab Sonntagabend der Wind deutlich abnimmt, beschließen wir am Montag, trotz Knie eine Einkaufswanderung in die City Caleta de Sebo zu machen.
Die Isla de la Graciosa ist vollkommen anders als Madeira oder auch Porto Santo. Man hat das Gefühl, über eine Wüsteninsel zu laufen. Die flachen weißen Häuser tun ihr Übriges dazu. Und verteilt erheben sich die alten, vollkommen verwitterten Vulkankegel. Eine unwirkliche Landschaft.
Von der anderen Seite der Meerenge schaut von Lanzarote auch so eine vulkanische Wüstenlandschaft aus herüber. Es ist schon echt faszinierend, was die Natur alles so drauf hat. Wir freuen uns riesig auf Lanzarote, ein Auto zu mieten und mal durch diese Landschaft zu fahren.
Der Weg in die City Caleta de Sebo ist dementsprechend eher eine Sandpiste als eine Straße. Von den beiden Supermärkten darf man nicht zu viel erwarten, es sind eher Minimärkte. Man bekommt zwar alles Notwendige, aber nur zu echten Inselpreisen. Für eine etwas umfangreichere Versorgung reicht das Sortiment aber nicht, selbst wenn man die Preise nicht scheut. So kaufen wir auch nur etwas Grünzeug und Obst, das aber auch zu Preisen, die auf dem spanischen Festland sofort zu einer Revolution führen würden. Doch nach schon 12 Tagen vor Anker und der Überfahrt sind wir froh, wieder etwas Frisches kaufen zu können. Ich hätte nie gedacht, dass einem das wirklich so fehlen kann. Mit der Lagerung von Obst und Gemüse müssen wir aber auch noch besser werden. Zu vieles vergammelt uns. Wie schön wäre es, wenn wir etwas mehr kühlen könnten und vielleicht endlich auch mal bei der einfacheren Lagerung den richtigen Dreh rausbekommen würden.
Nachdem es am Montag deutlich ruhiger war, kommen am Montagabend nach und nach immer mehr Chartercrews an. Einen Charterbetrieb gibt es auf Madeira gar nicht, da ist die Fahrtenseglergemeinde vollkommen unter sich. Bis jetzt hatten wir ja Ruhe und mussten nicht irgendwie einschreiten, um doch um etwas mehr Abstand zu bitten. Es ist schon unglaublich, was man alles so beim Ankern veranstalten kann. Ich hatte ja gerade eine Glosse geschrieben. Eigentlich leben Glossen ja von der Überzeichnung, aber hier überzeichnet nun das wahre Leben meine Glosse. Zusätzlich kommen auch immer neue Fahrtensegler an, die sich wohl während des Starkwinds irgendwo anders versteckt haben. So wird es nun voll in der kleinen Bucht und wir zählen 28 Schiffe. Und so suchen nun nach und nach 20 neue Crews ihr Glück beim Ankern. Mal mit Erfolg, aber oft doch eher mit weniger Fortune.
Während die im Bild festgehaltenen Spezialisten ihren Erfolg bald mit einem Ankerpils begießen, zieht ein einsamer Charterer Stunde für Stunde Furchen in den Ankergrund. Jeder Landwirt hätte es nicht besser hinbekommen, um auf seinem Acker Kartoffeln zu pflanzen. Vielleicht schreibt er auch seiner Freundin einen Liebesgruß mit seinem AIS-Track nach Hause, wir wissen es nicht, aber wenn, dann muss es wirklich die ganz große Liebe sein. Als er endlich beschließt, nicht mehr mit Vollgas seinen Anker einzufahren, sobald dieser kaum den Boden berührt hat, findet er eine Position, die ihn hinter uns an einem recht neuen deutschen Katamaran längsseits gehen lässt. Die Reaktion des Katamaran-Eigners ist eindeutig und unüberhörbar und lässt unseren Charterer weitere neue Furchen ziehen. Am nächsten Morgen sehen wir ihn weit hinter dem Ankerfeld liegen, er hat wohl Glück gehabt, da beginnen nämlich wieder die Steine, wahrscheinlich hat sich sein Anker unglücklich glücklich verhakt, weil es ihm auch langsam zu blöd war, durch den Ankergrund geschleppt zu werden. In jedem Fall wird es auf diesem Schiff nicht bei einem Ankerpils geblieben sein. Sozusagen trunken vor lauten Ankerglück.
Am Dienstag siegt dann bei uns die Unvernunft, weil ein Dickkopf ganz wunderbar Tatsachen ignorieren kann, die ein normaler Kopf durchaus als solche erkennen würde. Wir fahren mit dem Gummiboot an den Strand und machen eine Wanderung über den Hausvulkan der Ankerbucht. Auch wenn sich eine hartnäckige Wolke irgendwie an dem Hausvulkan festgebissen hat und bösartig alles daran setzt, auch nicht einen Zentimeter weiterzuziehen, ist es unsere großartigste Wanderung seit den Wanderungen auf Madeira und der Halbinsel São Lorenço.
Die kurzen Sonnenabschnitte lassen immer mal wieder erahnen, wie farbenprächtig die Ostseite in ihren rostrot-braun-gelben Farbtönen leuchten würde, wenn die Sonne frei Hand hätte. Die Nordwestseite ist dagegen eher ein graubraunes Blässchen, dass die trockene Kargheit dieser Landschaft widerspiegelt.
Mit nur einem funktionierenden Knie ist man nicht ganz so gut am Berg, besonders wenn die Hänge und Wege doch eher aus einem losen und fast sandigen Schotter bestehen und sich streckenweise kein einziges Stückchen findet, das die Bezeichnung »fest« verdienen würde. Doch die Faszination treibt uns hoch und weiter, und so humpelt der Schiffsjunge der Capitana tapfer hinterher.
Als wir auf der anderen Seite über den gelben Hang wieder herunterkommen, versperrt uns jedoch schon die Flut den kurzen Weg zurück in unsere Ankerbucht. Da waren wir wohl etwas langsam, aber eigentlich wollten wir ja auch gar nicht so weit laufen.
So bleibt uns nichts anderes übrig, als ganz im Westen rund um den Fuß des Vulkans wieder zurückzugehen. Obwohl wir dann doch querfeldein eine Abkürzung nehmen, zieht sich unser Rückweg unendlich dahin. Für mein Knie war diese Tour nicht besonders gut, aber unglaublich schön war unsere Wanderung trotzdem.
Die nächsten Tage vergehen mit Knieschonung und kleinen und größeren Reparaturen. Der Aufhängung des Hydraulikkolbens verpassen wir noch eine zusätzliche Verschraubung und all die anderen Schrauben sichern wir doppelt mit selbstsichernden Muttern, die wir obendrein noch mit Gewindepampe sichern. Das sollte halten und wenn nicht …. dann weiß ich’s auch nicht mehr.
Auch bei den Blogs holen wir so langsam wieder auf. Zwischen sonnen, baden, Brot backen, essen, schlafen, lesen und nichts tun, erblickt so nach und nach der ein oder andere Blog das Licht der Internetwelt. Das ist viel Arbeit und gerade, wenn man so hinterher hinkt, fragt man sich doch ab und zu, warum man sich das eigentlich antut. Doch dann beginnt Astrid zu kichern und liest mir einen Blog von vor Jahren mit den Worten “Weißt du noch …?” vor. Und dann geht’s auch schnell weiter, denn in erster Linie machen wir das ja auch für uns, weil wir selbst so viele Kleinigkeiten so schnell vergessen.
Schlechte Aussichten
Wir liegen nun seit 16 Tagen vor Anker oder sind unterwegs. Obwohl wir sehr sparsam sind, geht unser Wasservorrat nun doch seinem Ende entgegen. Noch ist etwas im Tank, aber viel kann es nicht mehr sein. Die Anzeige ist schon länger auf Null. Also beschließen wir, am Freitag aufzubrechen, um uns für ein oder zwei Nächte in einer Marina ein Plätzchen zu suchen.
Doch in der Nacht zum Freitag haben wir einen Blackout. Die Spannung bricht total ein, obwohl wir erst 15 % der Nennkapazität der Bordbatterien entnommen haben. Ein ganz schlechtes Zeichen, wir kennen dieses Spielchen schon von dem Ableben unserer letzten Batteriebank vor 5 Jahren. Kurz nach Mitternacht merke ich, dass der Kühlschrank versucht, immer wieder anzuspringen, sich dann aber gleich wieder ausschaltet. Er hat eine Unterspannungsabschaltung und so kommt er nicht mehr richtig ins Laufen.
Es ist 2:00, der Kühlschrank ist zwar noch nicht ganz abgetaut, aber einige Eisbrocken im Gefrierfach sind lose. Das Tauwetter hat eingesetzt. Wir haben es also schnell bemerkt. Abends war noch alles ok. Die Batterien waren zwar nicht voll, da es ein trüber und eher windloser Tag war, aber obwohl auch hier nun die Tage kurz sind, leben wir ja doch in einem energietechnischen Schlaraffenland. Wind und Sonne sorgen eigentlich immer schnell wieder für volle Batterien, darauf kann man sich verlassen. Noch letztes Jahr an der Algarve haben wir die Bordbatterien bis auf 60% der Nennleistung entladen, ohne dass die Spannung auch nur etwas einknickte. Und nun dies.
Machen können wir in der Nacht nicht viel, also schalten wir alles bis auf das Ankerlicht und den Furuno, der ja weiterhin Ankerwache gehen muss, aus. Doch irgendwie rumort so etwas dann ja doch im Kopf weiter herum. Alle möglichen Szenarien und Erklärungen huschen im Halbschlaf etwas verwirrt durch den Kopf und ein endloses Was-hängt-da-wie-zusammen-Gedankenspiel beginnt.
Um 3:00 beschließe ich, die Dunkelheit und Windstille zu nutzen, um mal alles durchzumessen. Da Astrid auch nicht schlafen kann, basteln wir zusammen im Licht der Stirnlampen. So eine energielose dunkle Nacht hat ja auch ihre Vorteile. Keinerlei Ladestrom fließt von irgendwo und es herrscht Ruhe im schwächelnden System. Die defekte Starterbatterie ist noch in »ihrem Zweig« angeschlossen. Vielleicht hätten wir die doch abnehmen sollen? Aber sie ist ja eigentlich in ihrem Zweig komplett getrennt von den Bordbatterien. Also warum?
Trotzdem klemmen wir sie nun ab. Und als die Starterbatterie abgeklemmt ist, messen wir auf den Zuleitungen immer noch 11,6 V. Da scheint die Trennung wohl doch nicht so richtig gegeben zu sein. Die 11,6 V können ja nur von den Bordbatterien kommen, zumal die jetzt gerade auch nur noch 11,6 V haben 😩. Lichtmaschine, Landstrom-, Solar- und Windladegerät sind aber eigentlich sauber getrennt in Starter- und Bordbatteriezweig. Also nehmen wir ein Lagegerät nach dem anderen ab und siehe da, das Solarladegerät ist es. Kaum ist es ab, fällt die Spannung auf 0,2 V. Die müssen zwar auch noch über eines der anderen Ladegeräte kommen, aber 0,2 V sind ja schon mal eine ganz andere Nummer als 11,6 V. Mit der Erkenntnis gehen wir dann tatsächlich schlafen, lassen aber das Solarladegerät mit seinem Ausgang für die Starterbatterie auch lieber abgeklemmt.
Ab 10:00 laden wir dann die Bordbatterien mit dem Generator. Was war das für eine coole Entscheidung, dass wir uns im letzten Jahr den kleinen Honda-Generator gekauft haben. Wie lange haben wir herumüberlegt und wie cool und flexibel sind wir nun dadurch!!!
Als die Bordbatterien wieder voll sind, die Sonne gibt inzwischen ihr Übriges dazu, klemmen wir die Starterbatterie wieder an, lassen aber lieber den Solar-Input für die Starterbatterie weiterhin weg.
Wir trauen dem Solarregler nicht mehr so recht über den Weg. Es ist ein Votronic Laderegler. Sollte sich nun wieder herausstellen, dass wir besser gleich einen Laderegler von Victron hätten kaufen sollen? Bisher haben sich bei uns nur die Victron-Geräte vollkommen klaglos bewährt, alles andere ist immer irgendwann ausgefallen.
Sicherheitshalber recherchieren wir möglichen Ersatz für die Bordbatterien. Das ist in zweierlei Hinsicht gar nicht so einfach. Zunächst stellen sich ja die Fragen: brauchen wir überhaupt neue Bordbatterien und wenn ja, was nehmen wir dann? Lithium oder wieder AGM? Und wenn wir uns darüber klar sind, müssen wir mal sehen, wo wir neue Batterien auf Lanzarote überhaupt herbekommen oder ob wir uns welche aus Deutschland schicken lassen. Immerhin wird ja auf den Kanaren keine MwSt erhoben, aber eine Einfuhrsteuer. Bevor man sein Paket in der Hand hält, hält also der Zoll seine Hand auf. Doch wie kriegen wir das nun alles wieder raus und vor allem auch hin. Es gibt einiges zu klären und so geht der Freitag dabei drauf, jedoch ohne dass wir zu einem Ergebnis kommen.
Nach der Ladung mit dem Generator scheint sich das Bordbatteriethema zu entspannen. Da aber der Freitag in dem Batteriethema verpufft ist und wir am Samstag und Sonntag in Arrecife ohnehin einkaufs- und batterietechnisch nur wenig bestellen können, beschließen wir, mit dem schönen Nordwind am Samstag südlich um Lanzarote herum in zwei Etappen nach Arrecife zu fahren. Arrecife muss es schon sein, weil wir auch unseren Winterplatz über Weihnachten schlussendlich klarmachen und anzahlen wollen.
05. -> 12.11. Isla de la Graciosa [A], Kanaren (E)
29° 13′ 05,0″ N, 013° 31′ 48,1″ W