Am Montag ist Packprobe. 2 x 25 kg dürfen es sein. Wie immer glauben wir, dass das locker reicht und wie immer wird’s eng. Allein die beiden neuen Festmacher von Liros und die 6 Ruckdämpfer bringen mal eben 11 kg auf die Waage. Dann noch die neuen Filter, 12 weitere luftdicht verschließbare Vorratsbehälter, um südliches Krabbelgetier auch weiterhin auszusperren, unendlich viel Kleinkram und sonstiges Reparaturzeug, eine neue Rettungsleiter, neue Bootsschuhe und auch Wetshoes zum unbeschwerten Anlanden an Ufern mit piksigen Steinen, neue Extraverschlüsse für die Luken, damit es keine Welle mehr bis zu uns in die Koje schafft, das komplette Gasumfüll- und Anschlussset, weil wir den Campingaz-Quatsch nun endgültig satt haben, und ein neuer kleiner Cockpittisch.
X-mal packen wir ein und wieder aus und um. Wiegen uns selbst und dann uns mit Gepäck, um wieder festzustellen, dass der Trolley immer noch Übergewicht hat. Also etwas Schweres raus und etwas Leichteres rein. Ungefähr ab dem zehnten Wiegevorgang wird die Capitana etwas wortkarg, aber der Schiffsjunge ist zusammen mit dem Gepäck einfach zu schwer für unsere altersschwache Waage. Die kann eigentlich mehr, aber ihr Gehäuse hält dem aufgedruckten Maximalgewicht definitiv nicht Stand. Es sieht nach diversen ähnlichen Aktionen inzwischen so aus, als ob ein Lastwagen darüber gefahren sei. Dann die »Punktlandung«, Trolley 25 kg und die Tasche 15 kg. 40 kg für die PINCOYA 💪, so bleiben noch 10 für uns 👍.
In dem Moment klingelt es. UPS bringt unsere Reisepässe mit den Visas. Hammer! Und nun ist auch diese Odyssee endlich zu Ende. Und sogar erfolgreich. Alle Daten stimmen, ein B2-Visum mit Ablauftdatum 13.01.2032.
2032! Was für ein Jahr. Das lässt sich kaum denken. In dem Jahr wird der Schiffsjunge 74 und die Capitana bekommt endlich auch mal Rente. Mal sehen, wo wir dann sind! Wenn der Kopf nicht schon zu doll wackelt, hoffentlich noch irgendwo auf See. Aber vielleicht haben wir dann ja auch schon die Nase voll und sitzen irgendwo auf einem Deich und unterhalten uns mit den Deichschafen über Gott und die Welt. Wer weiß? Einerseits sind 10 Jahre echt lange, aber andererseits … haben wir nicht erst neulich 🤔, vor genau 12 Jahren die PINCOYA gekauft? Und die Zeit mit der PINCOYA kommt uns nun wirklich nicht wie eine Ewigkeit vor.
Gefühlt rast die Zeit auch jetzt schon wieder. Seit wir im Dezember zurückgekommen sind, sind wir in einer Daueraufbruchsstimmung. Es ist fast so wie kurz vor unserem ersten Segeljahr, nur da wussten wir noch nicht, wie sich das, was wir vor hatten, dann wirklich anfühlt. Heute haben wir eine Idee davon. Und das macht uns gerade wohl noch etwas zappeliger. Es muss dringend wieder losgehen. Dort weitergehen, wo wir im Dezember aufgehört haben. Sofern dann auch noch die letzte Batterie angekommen ist, können wir ohne all die technischen Sorgen dort anknüpfen, wo es uns letztes Jahr technisch aus der Kurve getragen hat. Und nach all der Bastelei in Arrecife sogar noch etwas besser, denn die ein oder andere Optimierung kommt ja noch on Top. Was wäre ein Segeljahr ohne neue Ideen? Das geht gar nicht!
Und seitdem nun mit unserem US-Visum auch klar ist, dass es rüber und dann in den Norden geht, müssen wir uns tatsächlich etwas am Riemen reißen, die Azoren nicht aus dem Blick zu verlieren. Große Pläne fliegen ja von ganz allein immer weiter und höher, aber bisher sind wir bestens damit gefahren, nur kleine Schritte und einen Schritt nach dem anderen zu machen. So werden wir dieses Jahr auf den Kanaren und rund um die Azoren erst einmal schauen, ob alles so geht, wie wir es haben wollen, und alles so wird, wie wir es uns wünschen.
Obwohl wir nicht nur eine ToDo-Liste haben und alle Listen wohl genährt in den Dezember gestartet sind, klicken wir zwei Tage vor unserem Rückflug den letzen Punkt weg. So richtig viel lange Weile hatten wir in den letzen Wochen nicht. Gefühlt haben sich ein Todo und ein Termin an den nächsten gereiht, aber nun ist es auch mal gut. Das norddeutsche Schmuddelwetter macht es uns nicht wirklich schwer, wieder abzuhauen. Und Corona verändert unsere Reisepläne diesmal auch nicht, es ist überall katastrophal. Mit unserer Booster-Impfung haben wir hoffentlich auch eine Portion Reisefreiheit bekommen, die wenigstens bis zum Herbst hält.
Am Sonntagfrüh holt uns Lin ab, um uns zum Flughafen zu bringen. Trotz Winterferien ist wenig los. Der Flug nach Lanzarote wurde mit dem nach Gran Canaria zusammengelegt.
Es ist ein komisches Gefühl, dass selbst wir auf diesem Flug noch den Altersschnitt brutal nach unten reißen. Selten hat sich der Schiffsjunge in den letzten Jahren so jung gefühlt. Da wird sicher wieder vor Erleichterung geklatscht werden, wenn das unkalkulierbare Abenteuer des Flugs am Ende doch wider Erwarten gut ausgegangen ist. Viele gestresste Menschen machen ja Yoga oder lassen sich bei sphärischen Klängen zum Gongschlag des Meisters warmes Öl über den Kopf gießen, um runterzukommen. Aber mit dem Job eines Security-Officers am Flughafen erreicht man definitiv den schwarzen Gürtel der Tiefenentspannung. Oder man hat der Security-Truppe in der Abfertigung heute früh schon vorsorglich mal eine Portion Valium zum Frühstück gegeben. Egal wie, sie schweben wie auf kleinen Wölkchen der Tiefenentspannung dahin. Und das muss hier heute auch so sein, sonst wäre man nach dem 50sten Fluggast dringend Suizid gefährdet. Denn wenn knapp 400 TUI-Urlauber, die offensichtlich noch nie in ihrem Leben geflogen sind, irgendwie durch die Schleuse geschleust werden müssen, reichen nur starke Nerven definitiv nicht mehr aus. Jeder noch so kleine Schritt der Kontrolle sorgt für größte Überraschung und zieht unweigerlich böse und auch brutal lustig gemeinte Kommentare nach sich. “Och Fräulein, sie wollen mich wohl in Unterhose sehen, ohne Gürtel rutscht doch meine Hose!” Haha, ja genau! Der Hosenbund sitzt so stramm, dass man eher Sorge haben muss, vom Hosenknopf erschossen zu werden, wenn sich der Schuss unkontrolliert löst. Der nächste bitte!
Irgendwann haben wir es aber geschafft. Beim Boarding werden diejenigen abgewiesen, die erst um 13:30 nach Malle fliegen. Wer hätte das gedacht, nicht jeder Flieger fliegt nach Malle. Hauptsache rein. Egal wo. Zuerst die Reihen 22 bis 30, aber keine Sau erwähnt, dass dann die Sitzreihen 1 bis 21 noch nicht einsteigen sollen. Diese Fliegerei ist schon kompliziert und voller unvorhersehbarer Überraschungen.
Trotz einer Verspätung von 30 Minuten will der Applaus zwischen den Sitzreihen kaum verebben. Zielsicher stellt unser Sitznachbar seine Uhr eine Stunde vor. Das ist Moskauer Zeit, aber so gibt es sicher auch schon bald mal wieder etwas zum Abendbrot zu essen. In der ganzen Aufregung will halb Gran Canaria auch aussteigen, aber die Stewardessen sind auf Zack und wünschen jedem einen betont schönen Urlaub auf Lan-za-ro-te. Das Filtersystem funktioniert erstaunlich gut.
Nachdem unsere gelbe Tasche als erste kommt, die muss durch die deutsche Kontrolle wohl als letzte in den Flieger gekommen sein, kommt unser Trolley tatsächlich als allerletzter wieder raus. Wir haben ja schon schon kurz die Befürchtung, dass er nun bis Gran Canaria weiterfliegen will. Aber das wirklich Erstaunliche ist, dass die Bundespolizei unsere gelbe Tasche wieder zubekommen hat. Das hätte nun wirklich mal Applaus verdient, denn die ist prall gefüllt mit verdächtigem Segelzeugs und die wieder zuzubekommen, kann wirklich nicht so einfach gewesen sein.
Die Busstation empfängt uns mit lauschigen 18°, allerdings herrscht wieder dieser Sahara-Smog. Die Luft ist gelblich braun, wir sind gespannt, wie paniert die PINCOYA sein wird.
Doch der Weg ist noch weit und Trolleys scheinen nicht für 50kg ausgelegt zu sein. Auf dem Weg zur Marina entledigt er sich innerhalb von 200 m seiner Gummireifen, rollt dann aber auf den Hartplastikfelgen brav weiter. Dann stehen wir vor unserer etwas bräunlichen PINCOYA. Da wartet wenigstens ein Putztag auf uns. Es ist unglaublich, der feine Sandstaub hat es wirklich in jede Ecke und durch jede Ritze geschafft.
Stundenlang haben wir an unserem Gepäck herumgepackt. Nun ist alles innerhalb von Minuten wieder ausgepackt. Als erstes kommen die neuen Filter dran. Es dauert nur eine halbe Stunde, dann sitzen die neuen Filter mit ihren neuen Gehäusen im Wasserkreislauf und auch zum Befüllen gibt’s einen neuen Filter. Alles ist auf Anhieb dicht und wir haben wieder ordentlich Wasser an Bord.
Doch statt des ordentlichen Wassers gibt es nun erst einmal ein Glas Wein. Wir sind zurück und es kann weitergehen.
Arrecife
28° 57′ 43,9″ N, 013° 32′ 22,6″ W