Zwischen den Tagen läuft unsere Planung heiß. 2022 ist ja klar. Sofern uns Corona nicht noch irgendwelche Knüppel zwischen die Beine wirft, werden wir die Azoren machen. Der Plan dafür steht, erst werden die neuen Batterien eingebaut, dann die Kanaren unsicher gemacht und Ende April/Anfang Mai geht’s dann mit einem passenden Wetterfenster rüber zu den Azoren. Dabei werden wir so eine Art »Handy-Empfangsgroßkreis« fahren, der zwar nicht die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten auf einer Kugel darstellt, aber die Handy-Empfangszonen von Madeira und den südlichen Azoren messerscharf durchschneidet. Die Azoren wollen wir von Westen her aufrollen und deswegen auf Flores beginnen. Dies allerdings nur, sofern uns der Hafenmeister von Flores grünes Licht gibt und der Hafen wieder halbwegs hergerichtet ist. Doch das sieht wohl ganz gut aus.
Und den »Handy-Empfangsgroßkreis« fahren wir, um uns auf Madeira und auf den südlichen Azoren Wetter zu holen, denn einen Satelliten-Empfänger für Wetter-Grib-Files haben wir ja noch nicht. Deswegen haben wir die beiden Breakpoints Madeira und Ilha de Santa Maria eingebaut, um dort jeweils zu entscheiden, ob wir weitergehen oder uns besser verstecken.
2022 ist also recht klar, denn von den Azoren geht es dann erst einmal wieder nach Portugal, damit wir uns dort mit den Themen Wassermacher und einer neue Saildrive-Manchette beschäftigen können.
So weit so gut, aber dann …
Und genau an dieser Stelle ist dann unsere Planung auch etwas heiß gelaufen. Corona hin oder her, natürlich geht immer irgendetwas. Die Frage ist nur: Was? Und natürlich auch: Was ist sinnvoll?
Da wir mal davon ausgehen, dass wir am 14ten das US-Visum bekommen, bieten sich uns vier Möglichkeiten. Möglichkeiten, die im Wesentlichen von der Frage abhängen: “Was geht ab 2023 außerhalb der EU?”
Auch wenn einige Ewiggestrige es immer noch nicht mitbekommen haben, weil ihr völkischer Wahn auch die letzten Teile ihres Resthirns vernebelt, die EU und speziell die Reisefreiheit in der EU ist ein einzigartiger Schatz, zu dem es weltweit nichts Vergleichbares gibt. Die Briten lernen dies gerade schmerzlich, weil sie ihren populistischen Vollidioten leider auf den Leim gegangen sind.
So ist das Reisen innerhalb der EU für uns als EU-Bürger immer ein sicheres Fallbackszenario, auch wenn man das ein oder andere regionale Reglement berücksichtigen muss. Aber einen Reise- bzw. Einreisebann, wie er seit Beginn der Pandemie in großen Teilen der Welt immer wieder verhängt wird, wird es für uns als EU-Bürger in der EU nicht geben. Deswegen ist Südeuropa, sprich das Mittelmeer, auch die erste Option und der Norden Europas die zweite. Zwei echte Fallback-Optionen, wenn »Übersee« eben nicht geht.
Doch inzwischen wird es für uns tatsächlich auch »Zeit für Übersee«, denn wenigstens am Schiffsjungen nagt schon ab und an mal der Zahn der Zeit. Sicher geht »Übersee« auf der Barfußroute auch noch, wenn man schon mit dem Kopf wackelt. Aber wir wollen ja mehr. Etwas mehr Norden und auch etwas mehr Süden und eben etwas weniger Barfußroute. So heißt unsere dritte Option auch Süd- und die vierte Nordamerika. Beides hat so seinen Reiz, denn nicht zuletzt wollen wir der PINCOYA ja auch noch mal zeigen, wo ihr Name denn nun herkommt.
Und mitten in all diese Überlegungen platzt dann diese eMail aus Canada. Ein Besuch bei unseren Verwandten in Canada steht schon länger auf dem Programm, genauso wie die Idee, mal in den Großen Seen zu segeln. Und so fällt die Entscheidung. Nun stehen alle Zeichen auf den USA, Kanada, den Großen Seen und der Überfahrt in die Karibik im nächsten Winter. Das alles natürlich nur, wenn wir nicht Gefahr laufen, entweder in den USA oder Canada stecken zu bleiben oder nach einem Heimaturlaub nicht wieder dorthin zurückzukommen. So haben unsere Segeljahre nach 2022 nun einen Rahmen bekommen, denn Nordamerika ist groß und ohne 3 Überwinterungen werden wir nicht das machen können, was wir uns so vorstellen. Und im Angesicht dieses Zeitrahmens wird auch klar, warum es nun wirklich mal »Zeit für Übersee« wird.
Wir werden sehen, ob das alles so klappt. Zunächst müssen wir aber noch etwas »Atlantik üben«. Unsere letzten beiden Überfahrten haben ja durchaus noch Verbesserungspotential offen gelassen. Weniger für die PINCOYA, aber doch für die Crew und ganz bestimmt auch für das Wetter. Mal sehen, ob wir daran etwas drehen können. So kommen uns die Azoren dieses Jahr ganz gelegen.
“Next winter we’re going to cross the Altantik and would like to sail up the east coast.” Mit diesem Satz ist unser Interview in der amerikanischen Botschaft in Berlin beendet und die Dame murmelt noch so etwas wie »Nice« oder »Well«, so genau können wir das über die Gegensprechanlage nicht verstehen. Schnell werden noch unsere Fingerabdrücke genommen und schon sagt sie: “Your visas are approved, have a nice day!”
Damit haben wir nicht gerechnet. Denn spätestens wenn man das Formular DS-160 ausgefüllt hat, die technischen Tücken der Online-Antragstellung niedergerungen hat und sogar auch noch ein Bild hochladen konnte, dass den Anforderungen entspricht, guckt man auf den ganzen Visum-Prozess doch schon etwas wie ein Karnickel auf die Schlange. Und jeder von uns musste das DS-160 sogar gleich zweimal ausfüllen, weil es eben nur eine Haltbarkeit von einem Jahr hat. Danach geht man zurück auf Los und darf noch einmal von vorn beginnen. Dabei haben wir uns natürlich auch nicht mehr daran erinnert, das der ganze Spaß nur mit dem Mozilla oder dem IE geht, aber eben nicht mit Apples Safari. Was nicht gleich auffällt, denn erst nach dem x-ten Schritt geht dann auf der Antragsseite irgendetwas nicht mehr, was man aber auch nicht gleich mit der grundsätzlich Wahl des Browsers in Verbindung bringt. Und am Ende konnte dann nur noch der User-Helpdesk unseren Familientermin wieder mit den neuen IDs der Formulare zusammenbringen, denn dieses Hin und Her war dann selbst für das System zu viel.
So waren wir in Berlin auf »mehr« eingestellt und hatten nicht nur alles, was sich irgendwie aus den Erklärungen herauslesen ließ oder in den FAQs zu finden war, mitgenommen, sondern auch gleich noch all das, was wir meinten, was nützlich sein oder noch angefordert werden könnte. Und das alles in Papier, denn alle elektronischen Geräte, ohne die wir unseren Alltag normalerweise gar nicht mehr bewerkstelligen können, waren verboten und mussten draußen bleiben. Um diesen Interviewtermin zu erreichen, hatte es mehr als ein Jahr gebraucht. Eine Verschiebung hätte zwar nicht unsere geplante Überfahrt im nächsten Winter erschüttert, aber unseren Zeitplan für dieses Jahr wie ein Kartenhaus zusammenfallen lassen. Deswegen wollten wir unter keinen Umständen irgendetwas dem Zufall überlassen, auch weil wir ja extra nach Berlin fahren mussten und der ganze Spaß insgesamt ja auch nicht wirklich billig ist.
Als Wartender vor den Visa-Schaltern bekommt man dann schon mit, dass nicht jeder Visumantrag reibungslos durchgeht. Einige hatten Papierstapel dabei, die fünfmal so dick waren wie unsere Mappe. Doch die Schlüsselworte »crossing the Atlantik” und “sailing up the east coast” heben uns dann wohl doch etwas aus dem normalen Antragsgeschehen heraus und klassifizieren uns sofort als harmlose Touris ohne Einwanderungsabsicht. Alles läuft wie am Schnürchen und schon sind wir wieder draußen. Fast hätten wir unseren Autoschlüssel vergessen, denn der ist ja auch so ein elektronisches Gadget, das nicht mit reingenommen werden darf. Aber auch das Einzige, was von der Security aufbewahrt wird. Gut so, denn den hatten wir ja dann doch mitgenommen und nicht auf den rechten Vorderreifen von Henriette gelegt. Wenn irgendwer Handys, Notebooks oder sonstigen elektronischen Tüddelkram aus Autos klauen will, dann bietet der Parkplatz von Edeka gegenüber der Botschaft wohl als einziger in der Bundesrepublik Deutschland die einmalige Trefferquote von 100% bei nicht Berliner Kennzeichen.
So sitzen wir schon nach 45 Minuten beim Edeka und holen unser Frühstück nach. Da es in der Botschaft nur noch den Termin um 9:15 gab, sind wir schon am Donnerstag nach Berlin gefahren und das Hotelfrühstück ist dann auch gleich dem frühen Termin zum Opfer gefallen. Es wäre gelogen, wenn wir sagen würden, dass wir nicht etwas nervös waren. Und beim Edeka-Frühstück lächeln wir schon darüber, aber auch der ganze bunte Blumenstrauß von neuen Möglichkeiten lässt uns nun grinsen. Klar hätten wir uns auch ohne US-Visum noch viele Jahre viele tolle Dinge ersegeln können, aber das US-Visum ist wie eine grüne Ampel, die nun auf »große Fahrt« steht. Schließlich wollen wir ja nicht nur die Ostküste hoch, sondern eventuell auch die Westküste bis Alaska machen, wenn wir es dann untenherum schaffen. Aber das sind Geschichten, die zu weit in der Zukunft liegen, nun kommt erst einmal der ganze Atlantik.