Wenn wir vor Jans Schaufenster auftauchen, dann kennt er schon unsere Frage und wir fürchten, auch schon seine Antwort zu kennen. »Die Batterie hängt noch im Zoll und keine Sau weiß, wann die Sendung freigegeben wird.« Immerhin hat die zweite Lithium es ja schon durch den Zoll in Madrid geschafft und jetzt muss sie »nur noch« den Zoll auf Gran Canaria nehmen. Man munkelt, dass damit schon 90% geschafft sind, aber die verbleibenden 10% können sich auch noch ganz schön hinziehen.
Da alles fertig ist, schalten wir in den Urlaubsmodus. Das erste Mal gehen wir in Arrecife einfach nur so spazieren. Bisher lag unser gesamter Aufenthalt auf den Kanaren immer irgendwie im Schatten all der technischen Probleme. Wir hoffen sehr, dass nun endlich der Umbruch vor der Tür steht.
Irgendwo auf der Mole des alten Hafens vibriert mein Handy. Ein Anruf einer unbekannten Nummer, aber auch eine Mail von Jan. Die zweite Lithium hat es geschafft! Sie ist da! Ungläubig starren wir beide auf die Mail, aber der Text ist unmissverständlich. »Hallo Martin, Batterie ist da!” Uns fällt ein riesiger Stein vom Herzen, denn endlich können wir nun alles so zu Ende bringen wie geplant, und dort ohne Altlasten weitermachen, wo wir eigentlich schon letztes Jahr sein wollten oder wenigstens dieses Jahr beginnen wollten.
Unsere Erleichterung bekommt dann abends ein Extraglas Wein, endlich stehen die Zeichen wirklich mal auf Fertigwerden. Gleich am Mittwochmorgen holen wir die zweite Lithium. Wir wissen nun, was als erstes zu tun ist. Bluetooth-UpDate machen und dann Vollladung und Zellenausgleich abwarten. Das muss jede Lithium erst einmal allein durchmachen, erst dann soll man mehrere Batterien zu einer Bank koppeln. Also kommt die erste ab und die neue dran. Dann heißt es warten.
Am Mittwoch schalten wir dann die beiden Lithiums parallel und biegen uns neue Alu-Halterungen für die Batterien hin. Dann sind wir fertig. Unglaublich aber wahr.
Nach einem Finisher-Kaffee beginnen wir aufzuräumen und dann bekommt der Schiffsjungen den unmissverständlichen Befehl, sich hinzusetzen und einfach mal nichts zu tun. So ein paar Kleinigkeiten wären ja schon noch zu machen, aber die Capitana meint, dass es nun wirklich reicht und erteilt ein strenges Verbot, mit irgendwelchen neuen Sachen zu beginnen. Das einzuhalten, ist gar nicht so einfach. Seit Wochen kreiselt im Kopf alles um dieses Thema, seit Monaten erleben wir immer neue Überraschungen und dann sind da auch noch die Ideen, die einem ja eh immer so in den Kopf kommen. Wie soll man da abschalten? Das ist schon eine echte Aufgabe. Aber der Schiffsjunge wäre ja nicht der echte Schiffsjunge, wenn er nicht gefügig wäre. So setzt er sich in die Ecke und betrachtet die beiden Lithiums über die Victron-Connection-App. Aber da tut sich nun auch nicht mehr viel, denn beide sind voll geladen und auch vollkommen ausgeglichen. Der Schiffsjunge ist zwar nicht geladen, aber nun auch vollkommen ausgeglichen.
In Summe hatte wir in der letzten Saison schon etwas Pech. Da haben die technischen Probleme unserem Reisespaß ziemlich einen auf die Mütze gehauen.
Doch nun erscheint uns die PINCOYA so fit, wie sie wohl seit 27 Jahren noch nicht war. Und 27 Jahre sind ja nun auch kein Pappenstiel für ein Schiff und schon gar nicht, wenn es genutzt wird. Einer unserer Stegnachbarn berichtet stolz, dass er gerade seine Ankerwinde gewartet hat. Stimmt, so etwas stand auch in unserer Gebrauchsanweisung. Wann haben wir die Maxwell eigentlich gekauft? Pflege und Wartung haben wir ihr seitdem zumindest noch nie angedeihen lassen. Soviel ist sicher. Vorsichtshalber sehen wir mal nach. Oh je, das war schon 2015 und im Manual steht, dass man jährlich einen Getriebeölwechsel machen soll. Mal ganz abgesehen von der quartalsmäßigen Grundreinigung 😳. Und nun gehen wir mit der Maxwell schon in die siebte Saison. So schreibt Astrid mal ein ToDo in unsere Herbstliste.
So ist das mit der Segelei, man bastelt und repariert sich so langsam um die Welt. Immerhin ist es nicht immer der Heimathafen, das bringt Abwechslung 😂, aber auch ganz neue Herausforderungen 🙄, wie wir ja nun wissen.
Klammheimlich widmet sich der Schiffsjunge dann aber doch schon mal einem neuen Thema. So eine Internetrecherche geht ja auch ganz im Geheimen, wenn man in der Ecke sitzt und eben nichts tut.
Wir haben noch eine volle Campingaz-Flache, einen kleinen Rest in der angeschlossenen Flasche und drei leere Flaschen. Mit einer Flasche, also 2,75 kg Butan, kommen wir rund 6 Wochen hin. Unsere 5 Flaschen reichen so also gut für 7 1/2 Monate. Soweit so gut, aber das Problem hier auf den Kanaren ist auch schon wieder die Beschaffung. Die Mogelpackung Campingaz funktioniert ja im mittleren Europa noch ganz gut, solange man auch bereit ist, den fünffachen Preis zu zahlen.
In Arrecife soll die Füllung von 2,75 kg Butan 25 € kosten. Das ist gegenüber den 39 € am IJsselmeer zwar noch ein echter Schnapper, aber gegenüber den 13 € in Portugal bei Oz doch auch schon wieder recht teuer. Darüber, dass 12,5 kg Butan an der Tanke so ungefähr 25 € kosten, will man als Campingaz-Betrogener lieber gar nicht nachdenken.
Für uns bieten sich nun zwei Möglichkeiten, entweder wir bekommen unsere Flaschen direkt bei der Disa-Gasabfüllstation gefüllt oder wir besorgen uns eine Butangasflasche bei der Tanke und füllen selbst um. Disa ist der lokale Tankstellen- und Gas-Anbieter auf den Kanaren. Daneben gibt es noch Repsol und Cepsa. Einzig BP ist noch gut auf den Kanaren vertreten, die haben aber noch ein anderes Problem, von dem wir auch erst später mehr erfahren. Andere Marken gibt es kaum bis gar nicht. Repsol ist die größte Kette in Spanien und auch Portugal, aber auch Cepsa ist in beiden Ländern vertreten.
Am Freitag versuchen wir zunächst unser Glück direkt bei der Disa-Gasabfüllstation im Gewerbegebiet etwas nördlich von Arrecife. In Noforeignland und Navily steht, dass es dort schon Segler geschafft haben, Campingaz-Flaschen befüllen zu lassen. Dort steht aber auch, dass das Gelingen wohl sehr von dem Personal abhängt, das gerade so Dienst hat. Unter einem »¡No no no, eso es imposible!« wird unsere Hoffnung schon gleich auf der Schwelle zum Büro begraben. Hier geht gar nichts und eine Diskussion ist unmöglich.
Später erfahren wir, dass ein Deutscher mit seiner holländischen Flasche auch abgeblitzt ist, weil sie kleine Rostflecken hatte. Aber welche Gasflasche aus Stahl hat nach einer Atlantiksaison keine kleinen Rostflecken? Noch so ein Unmöglichkeitskriterium!
Für uns waren das nun schon mal die ersten 4 Kilometer unserer Fahrrad-Odysee am Freitag, auf der wir insgesamt mehr als 25 Kilometer abspulen sollen, von denen wir zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nichts wissen. Was auch gut ist, denn sonst hätte es den Schiffsjungen schon vor dem Start zerlegt.
Also zurück zur PINCOYA, Kriegsrat halten, zweites Frühstück und Kaffee nehmen und eine erneute Internet-Recherche machen. Wenn wir nicht bereit sind, 25 € pro Flasche zu zahlen, bleibt uns nur die Selbstbefüllung. Und mal ehrlich, wenn das hier schon so ein Theater ist, dann sollten wir uns beizeiten auch mal darin üben, unsere Flaschen selbst zu befüllen. Denn »weiter weg« wird das sicher nicht besser werden. Das ganze Equipment dafür haben wir ja mitgebracht. Technisch sollte das alles also kein Problem sein. Da ist einzig und allein noch die »deutsche Hemmschwelle«, dass man so etwas eben nicht darf. Aber das ist deutsch, denn überall auf der Welt wird in jeder zweiten Garage umgefüllt, so wie wir das auch schon vor zwei Monaten auf Fuerteventura gesehen haben, als man uns 1,7 kg als 2,7 kg verkaufen wollte.
Bleibt die Unsicherheit, ob in der lokalen Flasche dann auch wirklich Butan ist. Bei Flaschen von großen Anbietern kann man wohl mit Fug und Recht davon ausgehen, dass auch das Gas in der Flasche ist, das draufsteht. Wenn wir uns unsicher sind, dann werden wir den Druckminderer mit Manometer anschließen und mal schauen, wie es um den Gasdruck so steht. Hoher Druck = Propan (8 bar bei 20°), geringer Druck = Butan (2 bar bei 20°), gar kein Druck bei 0°C = garantiert Butan 🙂. Das ist einigermaßen wichtig, denn die blauen Campingaz-Flaschen sind eben Butan-Flaschen und nicht für die höheren Drücke von Propan geeignet.
Ein weiteres Ding beim Befüllen ist der Befüllungsgrad, denn eine Randvollfüllung lässt eben keinen Platz mehr zum Ausdehnen des Flüssiggases selbst. Also werden wir die Campingaz-Flaschen einfach immer nur mit 2 kg, statt mit den 2,75 kg befüllen, die ja eigentlich Standard sind. Damit sollten wir auf der sicheren Seite sein.
Und wenn das alles nicht hinhaut oder wir im Norden doch eher Propan als Butan brauchen, dann werden wir die lokalen Flaschen einfach direkt anschließen. Auch dafür haben wir alle Adapter mit und sogar auch schon einen hübschen Platz für die Fremdflasche im Durchgang zur Badeplattform gefunden. Das haben wir schon mit einer deutschen Propangas-Flasche geprobt, als wir in Bremerhaven überwintert haben. Butan macht eben bei niedrigen Temperaturen kein Süppchen mehr warm, da muss dann schlicht Propan ran.
Soweit die Theorie, die allerdings auch Theorie bleibt, solange wir keine lokale Flasche haben. Und genau das ist nun unsere nächste Hürde.
In Spanien und Portugal gibt es Pfandflaschen und keine Kaufflaschen so wie in Deutschland oder als Campingaz-Flasche. Das hat den großen Vorteil, das man die Flasche zurückgeben kann, wenn man sie nicht mehr braucht. Um eine Pfandflasche zu bekommen, muss man mit dem jeweiligen Anbieter, Disa, Repsol, Cepsa, einen Vertrag abschließen. Dazu braucht man eine inländische, hier also kanarische Adresse. Und dann ist da auch noch dieses Feld, vor dem »NIF« steht. Die NIF ist die Número de Identificatión Fiscal, also die spanische Steuernummer. Die können auch Ausländer haben, haben wir aber nicht. Aber die NIF ist für Spanier auch identisch mit der Personalausweisnummer. Und hier beginnt ein kleines Stück Kreativität, das durchaus gängig zu sein scheint, solange es noch geduldige Papierformulare gibt.
Der Frühstücksrat beschließt, dass wir eine Repsol-Flasche haben wollen. Eine sogenannte K6, also 6 kg Butan. Repsol ist auch auf dem Festland verbreitet und vielleicht können wir ja auch bei portugiesischen Tankstellen tauschen. Also radeln wir 6 km zur einzigen Repsol, die es in Arrecife gibt. Arrecife ist allerdings erstaunlich bergig und unsere Zungen hängen schnell auf Hüfthöhe. Bei der Repsol sehen wir aber weit und breit keine Gitterbox mit Gasflaschen und der nette Tankwart schickt uns auch gleich weiter zu einer Disa-Tankstelle in kaum 2 km Entfernung, die ganz sicher Bombonas hat. Also wieder in den Sattel und weiter! Bei der Disa steht dann tatsächlich auch eine Gitterbox mit Gasflaschen, aber eben nur mit Disa-Gasflaschen. Wer hätte das gedacht 🧐! Irgendwie schwant uns schon etwas, aber wir wollen noch nicht nicht aufgeben. Disa ist uns wirklich zu lokal, zu beschränkt auf die Kanaren. Der Schiffsjunge ist sich nun sehr sicher, dass die BP an dem Baumarkt nicht nur Disa-, sondern auch Cepsa-Flaschen hatte. Wenn schon nicht Repsol, dann wenigstens Cepsa. Die Adresse ist schnell eingegeben. Google Maps sagt wieder einmal »weitgehend flach«. Das ist ein Witz! Keiner dieser Google-Heinis ist hier jemals mit dem Fahrrad lang gefahren. »Weitgehend flach«, Arrecife ähnelt einer Bergetappe der Tour de France. Aber vielleicht ist ja auch gemeint, dass es flach wird, wenn man nur weit genug geht 🙄. Also schieben wir, bis es wieder flach wird. Nach kaum 5 km erreichen wir die BP. Dort gibt es allerdings nur 12,5 kg Cepsas, aber auch 6 kg Disa-Flaschen. Der Schiffsjunge ist genervt, die Capitana eigentlich auch, gibt es aber nicht zu, was die innerlichen Qualen des Schiffsjungen nicht mildert. Nur geteiltes Leid ist halbes Leid, auf dem Hintergrund wäre Geduld manchmal wohl doch zu überdenken. Dieser ganze Gas-Sch… ist nichts für mein Nervenkostüm. Und dann auch noch dieses ewige Auf und Ab. Unsere Klappräder sind doch keine Mountainbikes!
Vor der BP suchen wir zielsicher die richtigen spanischen Sätze heraus. Deepl hilft hier mehr als Google Translator oder Say-Hi. Die können nur Pizza bestellen oder nach dem nächsten Supermarkt fragen, aber keine Butan-Gasflaschen kaufen. Wir beschließen, nun doch eine 6 kg Disa-Flasche zu nehmen. 12,5 kg, egal ob Disa oder Cepsa, können wir nicht verstauen und so viel könnten wir auch gar nicht auf einmal umfüllen. Die nette BP-Dame ist auch sehr hilfsbereit, kann uns aber nicht helfen. Nach einigem gebrochenen Hin und Her verstehen wir, dass BP nur kommissarisch einen Flaschentausch macht, aber eben keinen Mietvertrag. Das geht nur bei Disa-Tankstellen mit Flaschenvertrieb und wie durch Zufall ist auch schon gleich die nächste Disa-Tankstelle in weniger als 2,5 km quasi um die Ecke.
Auf zur hoffentlich vorletzten Etappe. Es geht 1,5 km hoch und 1 km flach geradeaus. Unsere Beine mögen keine Steigungen mehr, aber das schöne ist ja, zurück geht es dann 1 km geradeaus und 1,5 km runter. Hoffentlich mit Flasche, sonst macht selbst das keinen Spaß mehr. Die Disa-Dame spricht sogar recht gut English. Unsere spanischen Versuche brechen sozusagen das Eis, dann wechseln wir ins English. »Yes, buying a new bombona. No problem!” Sie kramt einen Vertrag heraus, den wir ausfüllen sollen. Wir nehmen die Adresse der Marina. »Ah, in the marina, very nice!” Das Feld der NIF lassen wir frei, aber sie sagt: “No no, just fill in your German passport number. That’s quite alright.«
Dann zahlen wir 35 € Pfand und 15 € für die Füllung. Die Flasche können wir jederzeit bei jeder Disa-Tankstelle wieder zurückgeben, wir müssen nur den Vertrag mitbringen. Dann gibt sie uns die Gasflasche und unsere Gas-Odyssee geht nach 6 Stunden und rund 25 km ihrem Ende entgegen.
Gott sei Dank liegen Häfen ja meist auf Meeresniveau, so geht es nun tatsächlich nur noch runter. Was für eine Freude und das auch noch mit einer voller Gasflasche.
Nachschlag vom Sonntag:
Natürlich passt der spanische Flaschenanschluss nicht auf die kanarischen Flaschen und selbst Cepsa-Flaschen haben auf den Kanaren einen 20 mm und keinen 35 mm Stutzen wie auf dem Festland. Die endlose Geschichte mit den Gasanschlüssen ist schon zum Verzweifeln. Endlos haben wir zuhause recherchiert und waren der Meinung, nun alles zusammen zu haben. Unzählige Camper-Foren preisen den 35mm Adapter als richtig an und nirgends wird auch nur ansatzweise erwähnt, dass es auch Flaschen mit einem 20mm Anschluss gibt. Bei der Tanke bekommen wir dann zwar einen passenden Druckminderer, den man auch problemlos auf die kanarische Flasche stecken kann, aber der hat eine 12 mm Schlauchtülle zum Anschließen und eben nicht eine 6er. Es bleibt spannend. Gerade hatte die PINCOYA 100 kg wegen der neuen Batterien verloren und zusätzlich haben wir noch viel Stauraum gewonnen. Dass wir den Platz und die Gewichtsersparnis nun für Gasflaschenadapter brauchen, hätten wir nicht gedacht. Aber gut, dass wir noch eine volle Campingazflasche haben, so haben wir nun noch 4 Wochen, um eine Lösung zu finden. Ein Umfüllen durch den Druckminderer geht natürlich nicht, da müssten wir dann noch einen einfachen Adapter ohne Regulierung finden.
🤮
Arrecife
28° 57′ 43,9″ N, 013° 32′ 22,6″ W