Einen Versuch ist es wert


Anfi del Mar I [A] -> … -> Anfi del Mar II [A] Distanz: 27,5 sm Gesamtdistanz: 302,1 sm

„Der Versuch ... “

„Der Versuch … “

Wenn man Gran Canaria vom Wasser aus und aus einiger Entfernung betrachtet, ist die Insel mit ihren Bergen und Steilküsten wirklich attraktiv. Da vergisst man für einen Moment sogar, wie ungeeignet Gran Canaria für Fahrtensegler ist. Gran Canaria ist eine tolle Insel zum Vorbeisegeln, echt was für’s Auge, aber definitiv kein Revier für Segler. Wegen der ARCs hat es Gran Canaria ja zu einer gewissen Berühmtheit unter Fahrtenseglern gebracht, aber ein Startpunkt einer Regatta macht eben noch lange kein tolles Segelrevier.

„Erst ruhig, dann hui ...“

„Erst ruhig, dann hui …“

Nachdem so gegen 3:00 in der Nacht das wilde Schlagen, Rollen und Krachen endlich ein Ende hat und wir noch etwas Schlaf bekommen, empfängt uns am Morgen ein leichter Ost. Schnell brechen wir auf, um Gran Canaria wenigstens für 3 Tage hinter uns zu lassen. Die vollkommene Alternativlosigkeit und der vollständige Mangel an wenigstens halbwegs geeigneten Ankerplätzen hat uns auf die Idee gebracht, doch mal rüber nach Teneriffa zu schauen. Teneriffa soll zwar ankertechnisch auch eher zu den Nullnummern zählen, aber schlimmer als Gran Canaria kann es eigentlich auch nicht sein.

„Die Düse bläst ...“

„Die Düse bläst …“

Doch wir haben die Rechnung ohne die »Düse« gemacht, die liebevoll auch »acceleration zone« genannt wird. Vielleicht gehen wir einfach auch immer nur zu positiv an eine Sache ran und denken, na ja, so schlimm kann es ja nun auch wieder nicht sein. So wie bei den Ankermöglichkeiten, da haben wir auch gedacht, dass es nicht so schlimm sein wird, aber nun haben wir gelernt, dass die wirklich absolute Grütze sind.

Also treten wir an, um die Düse zwischen Gran Canaria und Teneriffa zu testen. Die Vorhersage sagt eher moderate Bedingungen vorher, also los. Und ich wage es kaum zu schreiben, leider haben die Revierführer mit ihren Warnungen vor der Düse doch auch wieder recht. Auch Agustin, der OCC Port Officer aus Pasito Blanco, hatte uns erzählt, dass er bisher nicht nur einmal in der Düse kapituliert hat.

Doch zunächst starten wir mit einem extrem lauen Ostwindchen. Er ist noch etwas schwächlich, wahrscheinlich weil wir schon zu nachtschlafender Zeit losplätschern. Nun gut, es ist 9:00, die Empfindung von »nachtschlafend« ist ja genauso individuell, wie es die »40 m« sind, wenn es um den Abstand zu anderen Ankerliegern geht. Mit diesem brausenden Ostwind geht es jedoch nur langsam voran, aber wir haben ja Zeit, da wir so zeitig gestartet sind. Und wie gesagt, mit Abstand betrachtet ist Gran Canaria durchaus attraktiv, und obwohl mir an dieser Stelle schon der ein oder andere Vergleich einfällt, sollen die hier doch unerwähnt bleiben.

Da Gran Canaria ziemlich rund ist, erledigt sich die Sache mit der Abdeckung schon nach wenigen Seemeilen. Während es in der Regel um Gran Canaria immer irgendwie aus nördlichen Richtungen herum bläst, sorgt der Wind in der Abdeckung der Insel für den Rest und lässt es munter aus den noch übrigen 270° blasen. Wann, wie stark, von wo und vor allem warum, ist das Geheimnis des Leewirbels. Allerdings scheint ihm ein Süd am besten zu gefallen, auch weil er eng mit dem Land-Seewind Effekt zusammenarbeitet. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass alle Ankerbuchten nach Süden offen sind.

„Hier geht's noch, aber weiter draußen ist es richtig weiß ...“

„Hier geht's noch, aber weiter draußen ist es richtig weiß …“

Auf Höhe von Porto Mogán kommen wir dann langsam aus der Abdeckung. Dort geht zunächst gar nichts mehr, umlaufend chaotisch ist zwar kein echter meteorologischer Ausdruck, trifft die Sache aber ganz gut. Im Fernglas sehen wir aber in Richtung Teneriffa nicht nur jede Menge weiße Schaumkrönchen, sondern auch den Segler vor uns, der nun aber wieder in unsere Richtung fährt. 😳

Egal, die Düse beginnt an unseren Segel zu saugen und wir lassen einfach mal die ganze Refferei mit der Genua weg und setzen gleich die Starkwindfock. Das ist auch gut so, denn gleich darauf möchte auch schon das erste Reff ins Groß gebunden werden. Da wir immer noch nicht die 100 m Tiefenlinie hinter uns gelassen haben, nehmen es die Wellen mit der Vorhersage von 1,5 m auch nicht mehr so genau und legen uns mit beachtlichen Schwüngen immer wieder recht ordentlich auf die Seite. Während gerade der Gedanke an das zweite Reff im Groß durch den Kopf des Schiffsjungen huscht, ergießt sich in der Pantry eine ganze Kanne wunderbarster Earl Grey Tea auf den Teppichboden. Die Kanne bleibt wie durch ein Wunder heil und die Teefarbe fällt auf dem beigen Teppich auch kaum auf. Um den Tee ist es wirklich schade! Wie gut hätte nun ein Tässchen Earl Grey zu den Maria-Keksen gepasst? Doch nun? Nun liegen wir wie blöde auf der Backe, es düst mit 25 Knoten und die Wellen geben alles, um einen neuen Tee zu verhindern.

„Strammes Segeln ...“

„Strammes Segeln …“

Das zweite Reff lässt uns wieder etwas aufrechter segeln. Oder ist es nur die kleine Verschnaufpause, die die Düse braucht, um wieder richtig Luft zu holen? Kurz nachdem unser Echolot keine Tiefe mehr anzeigt, werden wenigstens schon mal die Wellen merklich länger. Im Großen und Ganzen läuft es gut. Die PINCOYA rennt durch die Wellen und wir können einen Kurs um die 50 Grad zum Wind gut anhalten. Vor uns liegen noch 40 sm, von denen rund die Hälfte noch der Düse gehören. Erst danach werden wir langsam die Abdeckung von Teneriffa erreichen. Doch das, was wir im Fernglas vor uns sehen, sieht eindeutig noch viel weißer aus als das, was wir zurzeit so um uns herum haben. Immer wieder nagt nun der wahre Wind an den 30 kn und das lässt auf diesem Kurs den scheinbaren Wind noch etwas unangenehmer werden. Aber es läuft und ein Reff für’s Groß haben wir ja auch noch. Danach können wir die Starkwindfock noch eindrehen, das sollte reichen, wenn’s noch weiter zulegt. So sollten wir den Kurs halten können.

„Aussichten und die Wende ...“

„Aussichten und die Wende …“

Doch am Ende siegt dann doch die Vernunft. Wir müssen nicht auf Gedeih und Verderb rüber nach Teneriffa. Eher im Gegenteil, wenn wir erst einmal drüben sind, müssen wir in jedem Fall auf Gedeih und Verderb wieder zurück nach Gran Canaria. Denn ab Dienstag nächster Woche haben wir einen Mietwagen und am übernächsten Freitag fliegt Lin schon wieder nach Hause.

Die Capitana fährt die Wende. Die Welle passt, wir kommen gut rum. Mit der Starkwindfock auf der Selbstwendeschiene sind solche Manöver ja schon fast ein Vergnügen. Aber der Radau der schlagenden Segel ist unglaublich. Die Segel müssen echt was aushalten und wir haben noch nicht einmal eine Windstärke, die sich Sturm nennen darf. Der Kurs zurück ist viel angenehmer. Wir fliegen fast der Abdeckung entgegen. Innerhalb von einer halben Seemeile dreht dort der Wind dann wieder von Nordnordwest auf Südost. Die Düse ist vorbei und wir haben wieder etwas dazugelernt. Die Düse darf man durchaus ernst nehmen.

„In Lee von GC bläst es nun auch schon wieder, aber in der anderen Richtung ...“

„In Lee von GC bläst es nun auch schon wieder, aber in der anderen Richtung …“

„Kein Tee, aber Kekse!“

„Kein Tee, aber Kekse!“

„Das Zementwerk“

„Das Zementwerk“

Doch der Abdeckungswind hat nun auch schon deutlich zugelegt. Kurz gucken wir noch auf den Ankerplatz beim Zementwerk, ob der etwas taugt. Wenn die Wettervorhersage stimmt und es zum Wochenende zu einer Südwestwindlage kommt, ist dies die einzige Möglichkeit, um den Wind nicht direkt auf Legerwall zu empfangen. Doch heute stauen sich dort die Windwellen aus Südost. Das sieht ungemütlicher aus als vor Anfi. So gehen wir zurück auf unseren alten Ankerplatz, von dem wir heute morgen gestartet sind.

Aber auch dort ist es ziemlich unangenehm, doch großartig nachdenken muss man darüber ja gar nicht. Ankern vor Gran Canaria ist alternativlos blöd. Als Segelschüler lernt man ja immer, dass man Legerwallsituationen unbedingt vermeiden soll. Ein hehres Ziel, auch da muss man erst einmal lernen, das man ein Ziel unter Umständen auch einfach mal ein Ziel sein lassen muss, ohne das man das Ziel auch nur annähernd erzielen kann. Gegen 21:30 lässt dann der Wellenalarm nach. An der Düse haben wir geschnuppert, das soll auch erst einmal so reichen. Aber gleich morgen liegen wir wieder alternativlos auf Legerwall.

„Zurück vor Anfi ...“

„Zurück vor Anfi …“

Wieder vor Anfi del Mar vor Anker
27° 46′ 13,9″ N, 015° 41′ 36,3″ W