Corralejo -> Gran Tarajal Distanz: 41,5 sm Gesamtdistanz: 130,6 sm
Sicher hätten wir auch länger in Corralejo bleiben können, aber es zieht uns doch weiter. Wir ankern noch eine Nacht vor der Isla de Lobos, weil wir früh starten wollen, um es möglichst in einem Rutsch bis Gran Tarajal zu schaffen. Puerto del Rosario wäre ein Zwischenstopp, aber dort waren wir nun schon zweimal, denn von dort kommt ja unser neuer Fäkalientank. Während wir vor der Isla de Lobos liegen, bläst es kräftig aus Nord. Das ist nicht eben optimal, obwohl man ja vermeintlich in der Abdeckung liegt. Aber viel Wind bedeutet immer auch viel Schwell und der schafft es eben doch immer auch irgendwie um jede Ecke.
Doch der kräftige Nordwind sichert uns auch einen Logenplatz für die Kite-Surfer. Fast zwei Stunden lang sausen die Kiter foilend mit allerlei Kunststückchen um uns herum. Das ist schon der Hammer und sieht wirklich fantastisch elegant aus. Weckt aber dann doch keine Nachahmungsgefühle 😬 in mir, zu gut habe ich noch die Schmerzen vom Rippchen in Erinnerung 😩.
Bis zum nächsten Morgen nimmt der Wind auf 6 Knoten ab. Das lässt uns in dem eher nachhaltigen Schwell ordentlich rollen. Ohne Frühstück geht es mit den wenigen Knötchen dann auch gleich auf Südkurs. Für die Normalbeseglung sind solche Bedingungen nichts, aber der Parasailor macht’s bei 6 Knoten Wind noch leidlich.
Lange sieht es nicht wirklich nach Gran Tarajal aus, aber kurz vor Puerto del Rosario nimmt der Wind unerwartet zu und wir sausen plötzlich mit bis zu 6 Knoten dahin. Doch kaum keimt die Hoffnung auf, Gran Tarajal doch noch im Hellen zu schaffen, wird der Wind auch schon wieder müde.
Aber nanu … einige Seemeilen vor dem Punta de la Entallada, wo wir auf Südwestkurs nach Gran Tarajal gehen müssen, brist es wieder kräftig auf. Einmal sehen wir sogar kurz die 8 Knoten und so sausen wir unterhalb des beeindruckenden Leuchtturms hoch oben auf den Klippen wie irre ums Eck. Das alles immer mit dem Parasailor, der Wind dreht brav mit uns mit. So ein Kapeffekt kann auch seine Vorteile haben. Doch irgendwer spielt an dem Windschalter herum und kurz vor Las Playitas macht es klick und aus ist der Spaß. Der Parasailor hängt schlapp wie ein nasser Sack herunter. Eben haben ihn noch 17 wilde Knoten prall gefüllt nach vorn gerissen und nun lässt er sich völlig entkräftet bereitwillig einholen.
Spontan überlegen wir uns, vor Las Playitas den Anker fallen zu lassen. In Noforeignland und Navily haben einige tapfere Ankerer auch dort recht üppig Sterne vergeben. Seit Madeira sind wir bezüglich der teilweise überschwänglichen Berichte etwas vorsichtiger geworden. Sicherlich gibt es für diese Spots tatsächlich mal das richtige Ankerwetter, aber es ist eben im Atlantik nicht immer nur damit getan, dass man irgendwie in Lee liegt.
In Gran Tarajal neigen die Wellen dazu, an der Hafenmole zu reflektieren und für Unruhe in der Bucht zu sorgen. Vor Las Playitas sieht der Küstenverlauf etwas anders aus, das ist ein Versuch wert. – Man merkt ja selten schon direkt beim Ankern, dass eine Entscheidung echt so richtig voll daneben ist. In Las Playitas gibt es aber kein Vertun, hier liegen wir wirklich scheiße. Der Schwell kommt ungehindert um die Ecke, staut sich in der Bucht auf und lässt uns ab der ersten Minute ganz fürchterlich rollen. Was draußen noch kaum bemerkbar war, macht das Ankern hier unmöglich. Sicherlich ginge hier noch so etwas wie Notfallankern, aber das müssen wir uns nicht antun.
Das alles macht auch gleich mal wenig Hoffnung auf mehr Ankerruhe vor Gran Tarajal, aber einen Versuch ist es ja wert. Wenn das auch nichts ist, gehen wir halt in die Marina. Zu dieser Jahreszeit sollten wir auch unangemeldet ein Plätzchen kriegen.
Vor Gran Tarajal quetschen wir uns mit dem letzten Tageslicht noch etwas weiter in die hinterste Ecke, als wir das im letzten Dezember schon einmal gemacht haben. Dort geht es, der dicke Felsen im Osten bietet guten Schutz und aus Norden wird der Wind günstig für uns kanalisiert. Gegen 22:00 stecken wir noch etwas mehr Kette. Bei Hochwasser haben wir knapp 7 m, da sollten 40 m reichen, auch wenn es noch mehr mit dem Wind wird.
Am nächsten Vormittag legt der Wind tatsächlich deutlich zu. Im Schnitt weht es mit knapp 20 Knoten, die Böen schaffen gute 25. Wenigstens drei bis vier Tage soll das so bleiben. Auch der Schwell nimmt langsam zu und schafft es immer besser, in der Bucht für Unruhe zu sorgen. Eigentlich sollte man ja auch hier meinen, dass wir mit dem direkt ablandigen Nordwind und einer klaren Wellenrichtung aus Nord, die so um die Insel herumschwappt, in der nach Süden offenen Bucht von Gran Tarajal perfekt in der Abdeckung liegen sollten.
Tun wir aber nicht, denn der Schwell kommt zunehmend munter um die Ecke. Das ist immerhin fast eine 180°-Drehung! Vielleicht hätte ich wirklich in Physik besser aufpassen sollen, dann würde ich das vielleicht strömungstechnisch normal finden, so finde ich diese Wendehalsdrehung der Wellen wenigstens erstaunlich und sogar etwas gemein. – Oder aber, wer weiß, der Schwell hat uns einfach nur lieb und setzt immer alles dran, zu uns zu kommen, um uns durchzuschaukeln.
Doch wir haben auch etwas Glück, denn der starke Nordnordwest dreht uns in eine stabile Position zu dem aus Ostnordost einlaufenden Schwell. Das ist eine prima Sache. Wenn ein wirklich kräftiger Wind das Schiff nur etwas aus dem Schwell dreht, verhindert das nachhaltig dieses nervige Rollen in den Wellen. Wenn das so bleibt, können wir damit leben.
Die eher altersbedingten, nächtlichen Störungen verbinde ich immer mit einem kleinen Rundumblick und einem Check unserer Ankerposition. In der zweiten Nacht bekomme ich allerdings so gegen Mitternacht einen richtigen Schrecken. Etwas verschlafen gucke ich durch die Fenster, aber Gran Tarajal ist weg. Einfach nicht mehr da! Haben wir uns gedreht? – Nee, auf der anderen Seite ist es auch nicht! Ich reibe mir die Augen, erst mal aufwachen! Was ist hier los? Ein Blick auf den Furuno sagt jedoch, dass wir noch genau an derselben Position liegen sollen, wo wir auch gestern Abend schon gelegen haben. Ein Blick auf die Karte sagt, dass Gran Tarajal eigentlich immer noch in Sichtweite backbord voraus liegen sollte.
Also gehe ich ins Cockpit und sehe mich um. Dort wo gestern noch Gran Tarajal hell beleuchtet wie ein Weihnachtsbaum lag, sind nur einige wenige Funzellichter zu erkennen. An der Hafeneinfahrt leuchtet es noch Rot-Grün und über dem Berg ist in der passenden Richtung auch der vage Schein des Leuchtturms am Punta de la Entallada zu sehen. Die Nacht ist stockfinster. Es ist fast Neumond und nur einige Sterne versuchen zwischen den Wolken halbherzig einen auf normal zu machen. Ab und an sieht man die Lichtkegel von Autoscheinwerfern durch die Straßen fahren, ansonsten ist die Stadt stockfinster. Merkwürdig, gerade wo spanische Städte doch eigentlich über das ganze Jahr eher wie ein Weihnachtsbaum leuchten und alle Marinas immer mit Flutlicht ausgeleuchtet werden, als ob zwischen den Stegen gerade ein Fußballspiel tobt.
Da wir noch richtig liegen, gehe ich wieder schlafen. In der Nacht sehe ich noch zwei- dreimal nach, aber Gran Tarajal bleibt dunkel und auch drumherum sind nur manchmal die Lichtkegel von Autos zu sehen.
Mit dem Sonnenaufgang lässt sich auch Gran Tarajal wieder blicken, allerdings sind auch mit Fernglas keinerlei Lichter auszumachen. Und auch das Mobil-Funknetz scheint es zerlegt zu haben. Unsere iPhones zeigen zwar noch tapfer 3G an, aber es geht absolut gar nichts.
So ganz ohne jede Information beginnt man dann ja doch zu spinnen. Zumal vor der Küste ein Kriegsschiff patrouilliert. Das erste spanische Kriegsschiff, das wir in den letzten Jahren überhaupt mal in Spanien zu Gesicht bekommen. Unwillkürlich überlegt man sich, was nun noch passiert sein könnte, wo letzten Donnerstag ja schon das passiert ist, was alle für vollkommen unmöglich gehalten haben. Ein Angriffskrieg seitens Russland auf die Ukraine.
Irgendwann geht dann eine SMS an die Kids durch. Eigentlich hatten wir uns zu einem Video-Call verabredet. Die Kids recherchieren für uns, dass es südlich von Puerto del Rosario zu dem wohl bisher größten Blackout auf Fuerteventura gekommen ist, denn es hier je gab. Die Hauptstromleitung hat es wohl zerlegt und die Notstromversorgung der Funkmasten war dann wohl auch irgendwann am Ende. Gegen Mittag beginnen die Flutlichter am Hafen wieder zu leuchten und ganz zögerlich transportiert das Handynetz eine Stunde später auch wieder Daten.
Nachdem es den ganzen Sonntag schon in der Bucht von Gran Tarajal durchgehend mit 20 und mehr Knötchen geblasen hat, läuft der Schwell immer bereitwilliger um die Ecke in die Bucht ein. Am Strand treffen sich inzwischen die Surfer zum Wellenreiten. Das sind nicht die besten Voraussetzungen, um mal eben mit dem Gummiboot anzulanden. Aber auf der PINCOYA ist es ganz gemütlich, denn der starke Wind hält uns nahezu »rollfrei« in dem einlaufenden Schwell. Das ändert sich allerdings in der Nacht, als der Wind mit dem Tagesgang deutlich abnimmt.
So gehen wir nach einer durchgeschaukelten Nacht gleich montagfrüh in die Marina. Wie erwartet sind viele Plätze frei und es ist kein Problem, ein Plätzchen zu bekommen. Im Office erfahren wir auch, dass wir uns auch gar nicht hätten anmelden können, denn man vermutet, dass man erst am Mittwoch wieder online sein kann. Bis dahin füllen wir erst einmal ein Papierformular aus. Es ist auch gut, dass wir bis Donnerstag bleiben wollen, denn bezahlen können wir nur mit Karte und das geht auch noch nicht wieder. Aber am Mittwoch, denn am Mittwoch wird alles wieder gehen.
Immer noch beobachten wir unsere Technik etwas argwöhnisch, doch alles funktioniert einfach so. Alles ist dicht, die Bilge ist furztrocken, die Energieversorgung ist ein Traum und alles andere funktioniert auch. Es gibt nichts zu basteln! Unglaublich! Nur hier und da etwas Pflege. Eine Pflege, die nun nicht mehr hinten anstehen muss, weil Wichtigeres nach Aufmerksamkeit brüllt.
Bei Victron ist zu lesen, dass sich Lithiums besonders wohl fühlen, wenn sie so um die 90% geladen sind. Aber wie sollen wir das machen? Mit drei Solarpanels sind die Lithiums nach einer Nacht im Handumdrehen wieder voll. Das Landstromladegerät haben wir schon mal gleich ganz abgeschaltet. Wenn die Sonne kräftig scheint, können wir auch das dritte Solarpanel abklemmen. Das alles macht ein gutes Gefühl für den Wassermacher. Selbst an trüben Tagen werden wir den Energiebedarf für den Wassermacher mit vier Solarpanels locker wieder einfahren.
So schalten wir in Gran Tarajal in den Badeurlaubsmodus. Lesen, am Strand liegen, herumschlendern und nichts tun. Wie cool kann doch das Segelleben ohne technische Sorgen sein.
Die Wellen laden immer noch zum Surfen ein. Wir genießen den schaukelfreien Blick vom Strand aus.
An der Mole von Gran Tarajal brechen sich die Wellen wirklich herrlich spektakulär. Schade, dass Ende Februar hier meist nur Einheimische spazieren gehen, Touristen erschrecken sich immer so schön, wenn plötzlich eine Welle über die Mole guckt. 😂
Einzig die weltpolitische Lage trübt unser Wohlfühlgefühl. Wir können uns nicht von den Sorgen rund um die globalen Veränderungen frei machen, die die Diktatoren und Autokraten dieser Welt gerade anstreben. Die demokratischen Antworten der westlichen Welt lassen zwar hoffen, doch wie kann dem selbstgefälligen Selbstzerstörungspotential einer zu satten westlichen Welt begegnet werden? Auch wenn sich Putin in der schwächelnden Einigkeit der westlichen Welt geirrt hat, weg ist die Schwäche nicht, auch wenn man im Angesicht des Überfalls auf die Ukraine Einigkeit und Stärke beteuert. Wann beginnt wieder das Business-as-usual der Selbstgefälligkeit und wann ist alles schon wieder vergessen und wie schnell beginnt wieder das Geschäft, das keine moralischen Fragen stellt, sondern nur den Profit kennt?
Stationen:
24.02. Corralejo -> Isla de Lobos [A] 2,4 sm:
28° 44′ 10,3″ N, 013° 49′ 31,8″ W
25.02. Isla de Lobos [A] -> Gran Tarajal [A] 38,3 sm:
26.02. -> 27.02 Gran Tarajal [A]
28° 12′ 32,7″ N, 014° 01′ 02,1″ W
28.02. Gran Tarajal [A] -> Gran Tarajal 0,8 sm:
01.03. -> 02.03 Gran Tarajal
28° 12′ 25,0″ N, 014° 01′ 35,3″ W